DIE LEBENDEN LEICHEN DES DR. MABUSE
● DIE LEBENDEN LEICHEN DES DR. MABUSE / SCREAM AND SCREAM AGAIN (1970)
mit Vincent Price, Christopher Lee und Peter Cushing
Christopher Matthews, Alfred Marks, Judy Huxtable, Anthony Newlands und Marshall Jones sowie Uta Levka
eine Produktion der American International Pictures | Tigon | im Verleih der Nobis
ein Film von Gordon Hessler
»Ja, ich bin auch ein Kompositum!«
In London herrscht Angst und Schrecken, denn ein unheimlicher Mörder lässt eine Reihe von Leichen zurück, denen das gesamte Blut bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt wurde. Als dieses Phantom, das von den Medien nur Vampir-Mörder genannt wird, von der verdeckten Ermittlerin Sylvia (Judy Huxtable) aufgespürt und enttarnt wird, merkt die Polizei, dass sie es mit einem Gegner von unmenschlichen Kräften zu tun hat. Der Mörder kann fliehen und versteckt sich auf dem Anwesen des Wissenschaftlers Dr. Mabuse (Vincent Price), der in seinem Laboratorium fragwürdige Experimente im Auftrag der britischen Regierung durchführt. Aus diesem Grunde werden die Ermittlungen auch wieder schnell eingestellt, womit sich der junge Pathologe Dr. Sorel (Christopher Matthews) allerdings nicht zufrieden gibt. Er will den ungeheuerlichen Geschehnissen auf den Grund gehen und deckt Unglaubliches auf. Was hat die Regierung mit Hilfe des Genies Dr. Mabuse tatsächlich vor..?
Eine weitere Mabuse-Adaption, die unabhängig von der Mutter-Reihe ihr Glück beim Zuschauer versucht, ruft ganz bestimmt und zu Recht erst einmal Skepsis hervor. Der deutsche Titel verrät ausnahmsweise mal nicht zu viel und trifft den Nagel sogar irgendwie auf den Kopf, wobei diese Produktion sich mit vielen anderen Plots beschäftigt, die schließlich eine gelungene Verstrickung mit der Hauptgeschichte erfahren und für Abwechslung sorgen. Der Film überzeugt durch seine, über weite Strecken dichte Atmosphäre, wobei die Einteilung in ein bestimmtes Genre gar nicht so einfach erscheint. Die Geschichte wirkt teilweise überraschend und unkonventionell, kommt dabei auch immer wieder zu ihrem eigentlichen Anliegen zurück, ein kleiner Schocker sein zu wollen. Dabei wird gerne ausgiebig mit spekulativer Brutalität gespielt, Urängste werden eindringlich angerissen und was im Endeffekt für die wirkliche Spannung sorgt ist, dass der Zuschauer ziemlich derb strapaziert wird, da es dem Film komplett egal ist, wie viele Protagonisten über die Klinge springen müssen. Das vorgelegte Tempo, die subtilen Schock-Momente und die angenehme weniger-ist-mehr-Strategie, machen diesen Beitrag schon sehr interessant. Ansonsten wirkt alles rund um diese Produktion recht aufwendig, die Schauplätze und die Bildgestaltung sind hervorragend, die Musik führt gedanklich sogar querbeet durch etliche Edgar Wallace-Verfilmungen und die Besetzung ist exzellent. Dass sich die Geschichte unter der Regie von Gordon Hessler immer wieder einmal auch verworrenen Passagen hingibt, wirkt nicht besonders störend, sondern unterstreicht die Perfidie der Titel gebenden Figur noch zusätzlich.
Vincent Price, Christopher Lee und Peter Cushing sieht man hier in einem Film. Im Rahmen der Besetzung kann ein Genre-Beitrag kaum besser aussehen. Vincent Price als Dr. Mabuse für die deutsche, und Dr. Browning für die internationale Version, erweist sich schnell, wenn auch anfangs leider nur sporadisch, als richtiger Mann für die Rolle des Titel-Schurken. Wenn ich die Auftrittsdauer anmerke, so zieht es sich hier tatsächlich wie ein roter Faden durch den Film, denn fast alle Darsteller sieht man hauptsächlich in (beinahe isolierten) Etappen oder eben nur besonders kurz. Ein erfahrener Mann wie Price füllt seinen Part, egal unter welchen Umständen, jedenfalls immer sehr gut aus und auf die Titel-Figur bezogen, gelang es ihm recht eindringlich, diese individuell zu prägen. Dieses Gemisch aus Größenwahn, aber dennoch glasklarem Verstand sowie einer Mischung aus Zerrissenheit und Zerbrechlichkeit, bringt der in seinen Zügen immer markanter gewordenen Darsteller sehr gut in Einklang mit seinen Szenen und der Geschichte. Das faszinierende an Christopher Lee ist, dass er stets die Fähigkeit hatte, sofern seine guten Züge und Charakter-Eigenschaften nicht auf dem Silbertablett serviert wurden, eine unheimlich hohe Distanz aufbauen zu können, unergründlich zu erscheinen und schließlich Skepsis hervorzurufen. Seine finstere Miene und sein erhabenes Wesen funktionieren hier wieder einmal erstaunlich gut. Peter Cushing hat einen leider nur recht kurzen aber ebenso überzeugenden Auftritt und das Dreier-Gestirn kann sich schließlich sehen lassen, ja gibt dieser Produktion Verve und ein besonderes Aushängeschlid. Ansonsten bekommt man von den übrigen Darstellern, die teils sogar größere Rollen als die groß angekündigten Hauptrollen hatten, angenehme, nachhaltige und sogar ausgekochte Darbietungen offeriert.
Diese Produktion stand damals primär nicht wegen des deutschen Mabuse-Themas, sondern wegen Uta Levka auf meiner Liste, deren filmisches Schaffen sich ja leider nur über ein halbes Dutzend Jahre erstreckte, bis sie sich bereits 1971, etwa erst dreißigjährig, aus der aktiven Film-Branche zurückzog. Uta Levka spielt hier Jane, eine aus Leichenteilen zusammen gebastelte Krankenschwester. Bei ihren Auftritten überzeugt sie ausschließlich durch ihre beängstigende Präsenz im Rahmen ihrer Körpersprache, Gestik und Mimik, denn sie durfte in diesem Geschehen sage und schreibe nur einen einzigen kurzen Satz sprechen. Horror-Erfahrung konnte die Deutsche bereits in dem 1969 entstandenen Film "Im Todesgriff der roten Maske" (ebenfalls mit Vincent Price und Christopher Lee, entstanden unter der Regie von Gordon Hessler) sammeln. Ich bin mir sicher, dass sie ein beeindruckender supporting star im Horror-Genre hätte werden können, da alle Voraussetzungen vorhanden waren. Als Krankenschwester Jane, was sich ja unscheinbarer und hilfsbereiter nicht anhören kann, bedient sie eine latente Horror-Vision des Zuschauers, nämlich einer rücksichts- und willenlosen Maschine ausgeliefert zu sein. Jedes Mal, wenn sich die Türe zum Krankenzimmer öffnet weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Katzenhaft schleicht sie herein, um den offensichtlich sedierten Patienten zu versorgen, dem nach ihrem Erscheinen allerdings immer eine neue Extremität fehlt. Dabei geht die Kamera ein sich in Großaufnahmen gefallendes Spiel ein, das die Emotionslosigkeit und Brutalität dieser Person dokumentiert. Eine tolle Performance der aparten Schauspielerin, die immer wieder gerne gesehen ist.
Dieser Film kann schließlich einigen Genres direkt oder weitgehend zugeordnet werden, was letztlich auch seine Abwechslung ausmacht. Nicht immer gerade glaubhaft, aber auch nicht vom anderen Stern, unterschwellig brutal doch nicht geschmacklos, vollkommen unwahrscheinlich, aber im gefühlten Bereich des Möglichen, eine ziemlich positive Überraschung diese "Lebenden Leichen des Dr. Mabuse"! Die Angelegenheit ist fast durchgehend rasant und zeigt sich nicht minder effektiv, eigenartigerweise setzt das Finale in dieser Beziehung nicht noch einen drauf, sondern gipfelt in einem Konzentrations-Showdown. Zwar fühlt man sich nicht immer angemessen zeitlich und örtlich orientiert und einige der Personen hätten eine stichhaltigere Durchleuchtung verdient gehabt, aber trotz vieler, nicht immer direkt schlüssiger Phasen, schließt sich der Kreis dennoch überzeugend. Es ist ganz interessant, Horror auch einmal außerhalb der zumindest angestaubten Mottenkiste oder der Haudrauf-Ecke serviert zu bekommen, der sich zwar wohlwollend an Basis-Grundvoraussetzungen hält, aber seinen eigenen Weg im Rahmen des Zeitgeistes einschlägt. Diese Adaption macht buchstäblich Laune, nimmt sich letztlich nicht so todernst wie ihr wohlklingender Titel und vermittelt einen hohen Unterhaltungswert. "Die lebenden Leichen des Dr. Mabuse" ist ein wirklich freudiges Spektakel geworden, bei dem Gordon Hessler wieder einmal unter Beweis stellt, dass er sich innerhalb seines Beschäftigungsgebietes neu erfinden konnte und insbesondere seine Horror-Beiträge dieser Zeitspanne sind gewiss nicht zu verachten.