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Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Do 21. Okt 2010, 12:36
von CamperVan.Helsing
Wohl DER Genre-Klassiker...

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Fr 6. Jan 2012, 10:37
von Arkadin
"Komm, wir drehen jetzt mal einen Film!". Das scheint Franco seinen Mitstreitern zugerufen zu haben und am Ende stand dann das Frauengefängnis.

Was auffällt ist seine Künstlichkeit. Und damit meine ich nicht fein gesponnene und ästhetisch anspruchsvolle Künstlichkeit, wie z.b. bei Coppolas "One From the Heart" oder Surrealismus wie bei Jordorowsy. Bei Franco ist das alles eine Nummer kleiner. Hier wird eine mit Unkraut überwucherte Festung genommen und behauptet, das wäre eine Gefängnis. Wie im Theater, wo ein paar Holz und Pappkulissen behaupten, man befände sich nun auch einem Marktplatz oder in einem großen Herrenhaus, so werden auch im "Frauengefängnis" einfache Requisiten benutzt, um Handlungen und Orte zu behaupten. Da reicht es schon die Matratze vom Bett zu nehmen und unter das nackte Bettgerüst einen Nachttopf zu stellen und schon haben wir ein höllisches Folterinstrument, welches allein durch das Schauspiel der Darsteller "echt" gemacht wird. Auch die Kostüme der Darsteller (insbesondere Monika Swinns Hotpants und Monokel) dienen nur dazu, die handelnden Personen über Klischees (wie man sie nicht nur aus anderen "Schmuddelfilmen", sondern auch aus den europäischen Comics kennt) zu definieren. Alles ist Theater, nichts real. Aber das macht nichts, denn auf geradezu magische Weise fügt sich dadurch ein stimmiges Bild zusammen, welches in der Realität völlig abstrus wäre, aber in der geschlossenen Welt des Filmes hervorragend funktioniert. So paradox es klingt, aber gerade dadurch, dass Franco seinen Film um sattsam bekannte (Comic)-Klischees herum aufbaut, wirkt er überzeugend.

Da fällt auch nicht die berühmte "Zeitlupensequenz" ins Gewicht, in der sich Franco und Romay (mangels technischer Möglichkeiten?) einfach langsam und pathetisch bewegen, um eine Zeitlupe zu simulieren (was natürlich überhaupt nicht funktioniert, da beide sich asynchron zueinander bewegen, die Lampe in normaler Geschwindigkeit schaukelt und zudem Lina einmal stolpert). In der Logik der Francoschen Filmwelt funktioniert das und unterstreicht auch noch einmal das eingangs erwähnte "theaterhafte". Und so finster und brutal die Geschichte auch ist, der Spaß und die Lust - aber auch der unbezähmbare innere Drang und die daraus entstehende Notwendigkeit - einfach mal drauflos zu drehen und einen Film zu erschaffen, überträgt sich auch auf den Zuschauer. Vielleicht liegt dort das Geheimnis, warum Franco weltweit so viele treue Fans hat.

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Fr 6. Jan 2012, 13:21
von CamperVan.Helsing
In Bremen scheint fronco-phone Woche zu sein...

Vor zwei oder drei Jahren gab es hier übrigens mal einen Kleinkunst-Liederabend mit einer gewissen Peggy Markoff, hab ich leider verpasst...

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Fr 6. Jan 2012, 13:59
von Arkadin
ugo-piazza hat geschrieben:In Bremen scheint fronco-phone Woche zu sein...
Und heute abend geht's heiter weiter... 8-)
ugo-piazza hat geschrieben:Vor zwei oder drei Jahren gab es hier übrigens mal einen Kleinkunst-Liederabend mit einer gewissen Peggy Markoff, hab ich leider verpasst...
Aha. Das scheint so eine Veranstaltung wie diese hier gewesen zu sein, oder?

http://www.harz-kurier.de/news.php?id=7671

Wobei ich diese Aussage im Artikel: "Peggy Markoff übernahm etliche Filmrollen und spielte Seite an Seite mit Curd Jürgens, Heinz Ehrhardt und Hans Albers" sehr merkwürdig finde. Und das Bild zeigt zwar eine gewisse Ähnlichkeit, scheint mir aber eher aus den späten 50ern oder 60ern (oder Photoshop) zu stammen. Rätselhaft.

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Mi 5. Sep 2012, 00:00
von Blap
Bild
Jess Franco Gold Collection, Frontansicht des Schubers



Barbed Wire Dolls (Schweiz 1975, Originaltitel: Frauengefängnis)

Stockhiebe und Stromschläge, Lina und Martine in Not

Die Direktorin (Monica Swinn) eines Frauenzuchthauses führt ein strenges Regiment, harte Bestrafungen und Folter gehören für die Insassinnen zum schrecklichen Alltag. Carlos Costa (Paul Muller) fungiert als williges Helferlein der sadistischen Chefin, der ehemalige Krankenpfleger gibt sich -geduldet von der Direktorin- als Arzt aus, behandelt die Frauen gemäß seiner persönlichen Vorlieben. Auch Maria (Lina Romay) muss ihre Strafe in dieser Hölle auf Erden antreten, sie wurde als Mörderin des eigenen Vaters verurteilt. Schnell lernt Maria die Grausamkeit der Verantwortlichen kennen, nach ausgiebiger "Stromtherapie" steckt man die junge Frau zu Pompadour (Peggy Markoff) und der wirren Rosario (Beni Cardoso). Pech für die bisherige Zellenbewohnerin Bertha (Martine Stedil), die nun ihrerseits in die Foltermühle der Direktorin gerät. Sehr unangenehm, denn Frau Direktorin und ihr schleimiger Erfüllungsgehilfe sind momentan ausgesprochen nervös. Ein Beschwerdebrief aus den Reihen der Gefangenen erreichte den Gouverneur, nun warnt der Inselboss vor eventuellen Maßnahmen seitens höherer Schaltstellen...

Jess Franco war in vielen Genres aktiv, seine Beiträge zum Thema WIP (Women in prison) sollten Freunde dieser Gangart ansprechend unterhalten. Hier mangelt es nicht an nackten Tatsachen und geschmacklosen Gewaltdarstellungen, allerdings drückt Franco beim Thema Sex das Gaspedal nur halb durch. Ausufernde Rödelszenen sind nicht zu finden, schlichte Nacktheit mit gepflegt bärigen Momenten (Fingerspiele inklusive) dominiert das Spielfeld der Gelüste. Laut Vorspann entstanden die Außenaufnahmen in Honduras, uns erwartet daher ein recht malerisches Umfeld, der übliche Kontrast zwischen Knast-Terror und anmutiger Landschaft. Jess Franco setzt geschickt Ausrufezeichen, so mutet ein Geständnis der perversen Direktorin überraschend an, eine aus dem Nichts kommende Ab­s­t­ru­si­tät, wundervoll. In einer Rückblende sehen wir Lina Romay und Jess Franco, der liebe Jess taucht als Linas Filmvater auf, in Zeitlupe taumelt man dem Abgrund entgegen. Bizarr und nachhaltig wirkend, irgendwo zwischen grosser Kunst, Schund und Schludrigkeit, dafür liebe ich Jess Franco! Damit nicht genug, den dicksten Paukenschlag gibt es pünktlich zum Finale. Wie eine Dampframme wühlt die Boshaftigkeit in meinen Eingeweiden, meine arme Lina, böser Jess!

Lina Romay verstarb leider im Februar 2012, Francos Muse und Frau erlag im Alter von nur 57 Jahren einem Krebsleiden. Wie üblich zeigt sich Lina freizügig, bleibt über weite Strecken erstaunlich passiv und wird durch den Wolf gedreht. Mhhm, ich hänge an ihren Augen und sämtlichen Lippen, was für eine Frau! Martine Stedil ist ein mehreren Franco-Streifen der "Dietrich-Phase" zu sehen (Jess Franco drehte in den Jahren 1975-77 für den Schweizer Produzenten Erwin C. Dietrich), an Linas Seite ist die hübsche Blodine eine reizende Bereicherung. Monica Swinn sorgt als Direktorin für manchen Schmunzler, korrekte Dienstkleidung besteht aus Hot Pants oder Dessous, durchs Monokel starrt das Auge des Schreckens auf die übrigen Damen herab. Peggy Markoff öffnet ausdauernd ihre Schenkel, kommt aber unglücklicherweise nicht so recht zum Zuge, das Knastleben ist hart und trocken. Beni Cardoso klappert im Wahn durch das Treiben, Gesichtsruine Eric Falk gibt den lüsternen Folterknecht (zum Glück bleibt uns diesmal der Anblick seines kleinen Freudes erspart). Paul Muller gehört sowieso zum Inventar, linkisch und gleichzeitig verschlagen schleimt und schlottert er umher. Damit genug zu den Damen und Herren vor der Kamera, Francos kleinen Auftritt habe ich bereits gewürdigt, knuffiger Taumel des Todes.

"Frauengefängnis" brennt ein Feuerwerk geschätzter Klischees ab, pfiffige Einschübe und das barsche Ende sorgen für zusätzliche Würze. Stimmungsvolle Musik untermalt den Streifen, die Kamera wurde vom Chef persönlich bedient, Jess Franco liebt die Frauen und ich liebe Jess Franco. 77 Minuten wie ein Wimpernschlag, die Sause drückt zu jeder Zeit die richtigen Knöpfe in meiner Schaltzentrale. Wer mit Francos Schaffen nicht viel anfangen kann und WIP sowieso nicht zu schätzen weiss, der findet hier keinen geeigneten Einstieg in die prächtige Welt des Spaniers.

Neben "Frauengefängnis" enthält die Box sieben weitere Ergüsse des umtriebigen Filmemachers (allesamt Erwin C. Dietrich Produktionen):

• Jack the Ripper
• Blue Rita (Das Frauenhaus)
• Love letters of a portuguese Nun (Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne)
• Ilsa the wicked Warden (Greta - Haus ohne Männer)
• Women in Cellblock 9 (Frauen für Zellenblock 9)
• Voodoo Passion (Der Ruf der blonden Göttin)
• Wicked Women (Frauen ohne Unschuld)

Für Fans Plicht, mutige Einsteiger dürfen ebenfalls zugreifen.

Guter WIP-Stoff. Kein Fall für die Franco-Spitze, für dicke 7/10 reicht es locker.

Lieblingszitat:

"Deine Haut macht mich heiss wie Pfeffer!"

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Do 6. Sep 2012, 10:31
von CamperVan.Helsing
Nicht überall, wo Honduras draufsteht, ist auch Honduras drin. Ein typischer Die-trick halt... :mrgreen:

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Do 6. Sep 2012, 12:19
von Blap
Vermutlich Portugal, Spanien? Der Rubel muss schliesslich rollen.

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Do 6. Sep 2012, 21:35
von Blap
Arkadin hat geschrieben:Da fällt auch nicht die berühmte "Zeitlupensequenz" ins Gewicht, in der sich Franco und Romay (mangels technischer Möglichkeiten?) einfach langsam und pathetisch bewegen, um eine Zeitlupe zu simulieren (was natürlich überhaupt nicht funktioniert, da beide sich asynchron zueinander bewegen, die Lampe in normaler Geschwindigkeit schaukelt und zudem Lina einmal stolpert). In der Logik der Francoschen Filmwelt funktioniert das und unterstreicht auch noch einmal das eingangs erwähnte "theaterhafte".
Noch vor ein paar Jahren hätte mich die (gefakte) Zeitlupe befremdet. Inzwischen liebe Jess Francos Ergüsse, auf den Meister trifft in besonderem Maße zu, man muss sich auf sein Schaffen einlassen können und wollen (mag abgedroschen klingen, aber es trifft zu). "Theaterhaft" ist eine ziemlich gute Umschreibung dieser Szene.

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Sa 8. Sep 2012, 10:49
von Blap
Nachtrag zum "Frauengefägnis" aka "Barbed Wire Dolls":
Das Blap™ hat geschrieben: Laut Vorspann entstanden die Außenaufnahmen in Honduras
Das sehr informative und unterhaltsame Buch "Mädchen, Machos und Moneten" verrät den tatsächlichen Spielplatz:

"Natürlich entstanden die Außenaufnahmen nicht, wie im Vorspann unverfroren behauptet, auf Honduras, sondern in Südfrankreich ..."

Wer sich für die Umtriebe des Herrn Erwin C. Dietrich interessiert -oder gern gut geschriebene Bücher zum Thema Filmgeschäft liest- sollte die Anschaffung dieser Veröffentlichung in Betracht ziehen! Selbstverständich wird auch Francos Schaffen (1975-77) für Dietrich in einem Kapitel gewürdigt, das Vorwort zum Buch verfasste Jess Franco!

Bei "Klang & Kleid" ist der vorzügliche Lesestoff zum lachhaften Preis von 15€ zu bekommen, ansonsten sind meist zwischen 30-50€ fällig (die der Titel locker wert ist)!

Re: Frauengefängnis - Jesus Franco

Verfasst: Mo 10. Sep 2012, 09:44
von CamperVan.Helsing
Blap hat geschrieben:Nachtrag zum "Frauengefägnis" aka "Barbed Wire Dolls":
Das Blap™ hat geschrieben: Laut Vorspann entstanden die Außenaufnahmen in Honduras
Das sehr informative und unterhaltsame Buch "Mädchen, Machos und Moneten" verrät den tatsächlichen Spielplatz:

"Natürlich entstanden die Außenaufnahmen nicht, wie im Vorspann unverfroren behauptet, auf Honduras, sondern in Südfrankreich ..."

Wer sich für die Umtriebe des Herrn Erwin C. Dietrich interessiert -oder gern gut geschriebene Bücher zum Thema Filmgeschäft liest- sollte die Anschaffung dieser Veröffentlichung in Betracht ziehen! Selbstverständich wird auch Francos Schaffen (1975-77) für Dietrich in einem Kapitel gewürdigt, das Vorwort zum Buch verfasste Jess Franco!

Bei "Klang & Kleid" ist der vorzügliche Lesestoff zum lachhaften Preis von 15€ zu bekommen, ansonsten sind meist zwischen 30-50€ fällig (die der Titel locker wert ist)!
Danke für den Nachtrag! Ich hätte ja auch nachgeschaut, bin aber noch far away from home. Und das Buch ist absolüt zu empfehlen!