Dr. Mabuse Box von Universum Film
Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (Deutschland 1963, Originaltitel: Scotland Yard jagt Dr. Mabuse)
Beyond the pale
Dr. Mabuse hat seine sterbliche Hülle verlassen, sein Geist ist in den Körper von Professor Pohland (Walter Rilla) gefahren. Inspektor Vulpius (Werner Peters) interessiert sich für das Testament des wahnsinnigen Superverbrechers, welches momentan noch von Experten genauestens untersucht wird. Leider bleiben Vulpius die erwünschten Einblicke verwehrt, per Bombenanschlag wird die schriftliche Hinterlassenschaft Mabuses endgültig vernichtet. Derweil lässt Pohland/Mabuse den zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten Briten George Cockstone (Dieter Borsche) gewaltsam befreien, weil er den Burschen als wichtiges Puzzleteil eines teuflischen Plans benötigt. Cockstone soll eine Erfindung an sich bringen, eine Erfindung die in den falschen Händen unermeßlichen Schaden anzurichten vermag. Professor Laurentz (Alfred Braun) hat einen Apparat entwickelt, mit dem sich Menschen unter eine Art Hypnose zwingen lassen. Tatsächlich ist dieses Gerät bereits funktionsfähig, wenig später wird Professor Laurentz unter merkwürdigen Umständen ermordet. Kann der britische Ermittler Bill Tern (Peter van Eyck) den gefährlichen Umtrieben Einhalt gebieten? Sein deutscher Kollege Vulpius vermutet längst eine Verbindung zu Mabuse, doch bekanntlich weilt das bösartige Genie nicht mehr unter den Lebenden. Pohland/Mabuse treibt den Bau weiterer Hypnosegeräte voran, gibt es für seine Gegenspieler eine Möglichkeit sich vor dem Einfluß des Apparates zu schützen...???
Dr. Mabuse geht in die fünfte Runde! Auf dem Regiestuhl nahm diesmal Paul May Platz, der mir vor allem durch die sehr unterhaltsame
"08/15-Trilogie" (1954/55) in guter Erinnerung geblieben ist. Ärgerlich für die Kriminalisten, der Schurke ist einfach nicht aus der Welt zu schaffen, übernimmt er doch frecherweise ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Bereits im vorherigen Film
"Das Testament des Dr. Mabuse" agierte Mabuse durch Unterwerfung des Verstandes eines anderen Menschen. Hier geht der Grusel einen Schritt weiter, wir werden Augenzeugen wie Mabuses Geist gewissermaßen in sein Opfer fährt. Welche Marschrichtung schlägt die Reihe ein, driftet Mabuse in den Bereich Grusel/Horror? Nur ansatzweise, denn noch immer behalten Muster des Kriminalfilms die Oberhand, ergänzt durch Gruselelemente und Science-Fiction. Auf manchen Zuschauer mag diese Mixtur ein wenig unrund
(vielleicht auch unentschlossen) wirken, meiner Meinung nach weht frischer Wind durch das Szenario, steht Mabuse noch immer unter Storm. Neu sind die klaren Ortsangaben, als Schauplatz in Deutschland wird Hamburg ins Feld geführt, auf dem Boden Englands dienen London und ländliche Gebiete als Handlungsorte.
Wir kommen nicht in den Genuss der Schauspielkunst des geschätzen Gert Fröbe, dessen ungeachtet muss sich das Ensemble keinesfalls verstecken. Peter van Eyck kehrt zurück, er war bereits im Erstling der Reihe
(Die 1000 Augen des Dr. Mabuse, 1960) in einer Hauptrolle zu sehen, verkörperte damals jedoch eine andere Figur. In der Rolle des Ermittlers spielt sich van Eyck schnell in die Herzen der Zuschauer, vor allem die Szenen mit seiner Filmmutter Agnes Windeck sind allerliebst. Windeck mutet wie eine häuslichere Ausgabe von Miss Marple an, die ihren Sohn immer wieder mit ihrem messerscharfen Verstand beeindruckt, obendrauf gibt es eine warmherzige und humorvolle Schrulligkeit. Ja, Agnes Windeck sorgt für die besonders lustigen Momente dieses Films, sticht nebenbei alle Käuze
(und manche Nervensäge) aus dem
"Wallace, Mabuse und Co. Kosmos" aus, spielt sie mit ihrer Liebenswürdigkeit regelrecht an die Wand. War einleitend die Rede vom frischen Wind, trifft dies teilweise auch auf die dem
"Stammpersonal" zugeteilten Rollen zu. So gibt Mondgesicht Werner Peters zur Abwechslung keinen schleimigen Bösewicht, er ist als engagierter und unbeugsamer Kriminalbeamter unterwegs. Ganz ohne Ausritt in die Finsternis kommt Peters nicht davon, ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Auch Klaus Kinski agiert anders als überwiegend üblich, freilich kommt er als Inspektor Joe Rank nicht ohne obskure Anflüge aus, bleibt dennoch recht bodenständig und erstaunlich
"seriös". Walter Rilla fehlt die unheimliche Aura des
"echten" Mabuse Wolfgang Preiss, ergo wird der Geist Mabuses gewissermaßen geerdet, gleichzeitig entgeht Rilla dem Vorwurf lediglich eine bemühte Kopie zu sein. Dieter Borsche wird zum wichtigen Helferlein des Geschöpfs Pohland/Mabuse. Die Nebenrollen geizen nicht mit bekannten Gesichtern, ein nahezu verschwenderischer Luxus, über den sich der Freund dieser Phase des deutschen Kriminalfilms freuen wird. Im Angebot haben wir Hans Nielsen als Yard-Boss, Wolfgang Lukschy als Gauner aus dem näheren Umfeld Mabuses, den knochigen Albert Bessler als Knallfrosch, Ady Berber macht uns den Galgentester. Fast hätte ich die Damen vergessen, da die wahre Dame Agnes Windeck ihre jüngeren Kolleginnen zur Randerscheinungen degradiert. Sabine Bethmann braucht Schutz, die kleine Liebesgeschichte an der Seite von Peter van Eyck war wohl unvermeidlich, Ruth Wilbert stellt eine entführte Prinzessin dar. Bethmann spielt hölzern, kann ihre schauspielerischen Schwächen leider nicht durch Sexappeal oder erhöhte Sympathiewerte ausgleichen. Zusammenfassend eine starke Truppe, kleinere Schwächen einzelner Darsteller sind unerheblich.
Sucht man nach einem Haar im schmackhaften Süppchen, könnte man dem Streifen wohl eine gewisse Unentschlossenheit anlasten. Mir gefällt die Sprengung des Genrerahmens, ebenso findet das abstruse Handlungskonstrukt meine Zustimmung. Auf den ersten Blick schmerzt die
"entdämonisierung" der Figur Dr. Mabuse, doch letztlich verleiht der Film dem Superschurken einen frischen Anstrich. Die Atmosphäre packt mich, die Kulissen sind nach wie vor stimmungsvoll. Daher zeigt mein Daumen klar nach oben, das Ende macht Lust auf den nächsten Teil der Reihe, der übliche Kurzkommentar folgt nach der Sichtung. Repeat bis zur Ekstase: Wer die Wallace-Filme mag, der sollte sich auf jeden Fall auch mit den Dr. Mabuse-Sausen beschäftigen, wem die Wallace-Filme eine Spur zu humorig erscheinen, der sollte es ebenfalls mit Dr. Mabuse probieren. Mir liegt das
"Dr. Mabuses Meisterwerk" getaufte Box-Set von Universum vor, welches alle sechs Mabuse-Streifen aus den sechziger Jahren enthält:
• Die 1000 Augen des Dr. Mabuse (1960)
• Im Stahlnetz des Dr. Mabuse (1961)
• Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse (1962)
• Das Testament des Dr. Mabuse (1962)
• Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (1963)
• Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (1964)
Die DVDs kommen in einem schicken Digipak ins Haus, das von einem nicht minder hübschen Schuber umhüllt wird. Ferner liegt ein Booklet bei, in dem Auszüge aus einem Buch des leider kürzlich verstorbenen
Wallace-Experten #1 Joachim Kramp zu lesen sind. Der von Kriminalfilmfreunden
(und nicht nur denen) sehr geschätzte Joachim Kramp, hinterlässt eine nicht zu schliessende Lücke im
"Wissensgebiet Wallace und Co.". An der Qualität der DVD gibt es nichts zu meckern, Universum präsentiert auch den zweiten Beitrag zur Mabuse-Reihe in schöner Verfassung. Für Fans
(und solche die es werden wollen) stellt diese Box einen unverzichtbaren Pflichtkauf dar! Während die vier zurückliegenden Werke im damals gängigen
"europäischen Breitbild" 1,66:1 präsentiert wurden, kommen die beiden letzten Beiträge in 1,33:1 daher. Kein Grund zur Besorgnis, alle Filme liegen damit im Originalformat vor!
Weniger als 7/10 (gut) möchte ich nicht ziehen, ich mag den Film vor allem wegen seiner kleinen und grossen Seltsamkeiten.
Lieblingszitat:
"Sie brauchen nicht zu verstehen, nur zu gehorchen!"