Re: Dracula jagt Frankenstein - Fregonese, Meichsner, D. (1970)
Verfasst: Fr 25. Jan 2013, 23:01
Obwohl dieser Film hierzulande - unter anderem - in einer sog. "Trivialfilm-Kollektion" erschienen ist, und überhaupt gemeinhin als relativ stumpfe Trash-Unterhaltung ohne Sinn und Verstand gilt, möchte ich im Folgenden zu erklären versuchen, weshalb LOS MONSTRUOS DEL TERROR für mich einen durchaus ernstzunehmenden politischen Kommentar zu den gesellschaftlichen Umwälzungen der späten 60er darstellt.
Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Verantwortlichen für die Wiederaufstehung der vier titelgebenden Monstren Außerirdische aus einer fernen Galaxie sind, deren Planet offenbar gerade den Kältetod stirbt und die von einer sprechenden lavaartigen Masse auf die Erde gesandt wurden, um dort, nachdem die Erschaffung einer künstlichen Sonne, die ihre Heimat wieder erwärmt hätte, fehlschlug, diverse Ungeheuer zu neuem Leben zu erwecken, sie auf die Menschheit loszuhetzen und sie dadurch so sehr einzuschüchtern, dass sie spielerisch die Herrschaft über sie gewinnen können. Diese Außerirdische verfügen über die Gabe, ihre Gestalt zu wandeln. So übernehmen sie einfach die optischen Präsenzen kürzlich Verstorbener, um sich unbemerkt unter die Erdenbewohner zu mischen. Was die Außerirdischen vor allem auszeichnet, ist ihre enorme Gefühlskälte. Reine Rationalität bestimmt ihre Handlungen. Sie wirken wie Maschinen, die sich selbst steuern. Ihre Entscheidungen und Handlungen sind präzise und nüchtern. Das gilt besonders für den Anführer der auf die Erde gesandten Einheit, einen gewissen Dr. Varnoff, der gleich mehrmals im Film betonen darf, wie lächerlich und überflüssig er die Gefühle derer findet, die zu unterjochen er gekommen ist. Es ist also nicht allzu schwer, in diesen Außerirdischen eine Art von "Übermensch" zu sehen, eine Lebensform, die zwar noch über einen Organismus verfügt, aber ansonsten mehr mit einem Computer gemein hat, den schlußendlichen Sieg der klaren, mathematischen Operationen über die Befangenheit und Verletzlichkeit eines individuellen Schicksals. Tatsächlich sind die Außerirdischen kaum noch als eigenständige Indivdueen zu bezeichnen. Viel eher erinnern sie an Rädchen in einem unaufhörlich voranratternden Getriebe, das auf sie als Einzelsubjekte nicht einmal angewiesen ist. Vom "Übermenschen" ist der Schritt nicht weit zu dessen Ballung in einem gefühlskalten, im wahrsten Sinne des Wortes un-menschlichen Gefüge wie eine bestimmte Institution oder Organisation oder auch ein Staatsapparat, dem jegliche Menschlichkeit abhanden gekommen ist. Sehen wir die außerirdische Macht demnach als Sinnbild für bspw. ein totalitäres System, so ist es umso interessanter, sich genau anzuschauen, was für Monstren es sind, die sie sich als Werkzeuge auswählt, um die Menschheit, ihren Gegensatz, auszumerzen:
1. Das Frankenstein-Monster, das hier wohl aus Copyright-Gründen einen anderen Namen tragen muss, verkörpert den uralten Wunsch des Menschen, sich selbst zum Gott zu erheben, indem er massiv in die Schöpfung eingreift, d.h. sich selbst als Schöpfer setzt. Damit verbunden ist sowohl das Ende aller Transzendenz als auch der Sieg der Wissenschaft über die Materie. Das Monster ist völlig willenlos, ebenfalls nicht weiter als eine Maschine, die ausführt, was man ihr befiehlt. Es ist der genaue Gegenentwurf zu seinen Schöpfern: da, wo diese sich aus ideologischen Gründen gegen Emotionen aussprechen, bleibt ihm nichts anderes übrig als sie von Anfang an zu entbehren. Interessanterweise verweist der Film selbst auf ein Vorbild der frankensteinschen Monster-Figur. Als unser Held Inspektor Tobermann in der ein bisschen lächerlichen Monster-Anthologie blättert, stößt er unter anderem auch auf den Golem, ein Wesen aus dem jüdischen Mythenschatz, ein künstlicher Mensch, geschaffen aus Lehm, um die Bewohner des Prager Ghettos als übernatürlicher Bodyguard zu schützen. Offensichtlich ist, worin der Unterschied zwischen dem Reagenzglas-Monster Varnoffs und dem altehrwürdigen Golem besteht. War es bei dem einen noch nötig, dass ein Priester/Rabbi, also jemand, der zu dem erlauchten Kreis der "Eingeweihten" gehörte und einen direkten Draht zu einer höheren Macht unterhielt, von der er genau wusste, dass sie ihn in letzter Konsequenz überhaupt erst dazu befähigt, den Lehmmenschen zu modellieren, braucht Varnoff keinen Überbau mehr, um sein Ungeheuer zum Leben zu erwecken, es ist nur nötig, dass er das entsprechende wissenschaftliche Fachwissen besitzt. Das Frankenstein-Monster wird hiermit zum Sinnbild für eine entgottete Wissenschaft, die keine Ehrfurcht mehr kennt, da ihr das Universum nichts weiter zu sein scheint als eine problemlos zu entschlüssende Gleichung.
2. Verkörpert das Frankenstein-Monster also das System der modernen Wissenschaft, das die Außerirdischen gegen uns ins Feld führen, so vertritt die Mumie, ihm in seinem Kern äußerst ähnlich, einen historischen Aspekt. Aus einer vergangenen bzw. untergegangen Hochkultur stammend, ist sie im Grunde nichts weiter als ein Vorläufer des Frankenstein-Monsters, lediglich mit dem Unterschied, dass sie nicht im Labor erzeugt wurde, sondern reine Magie dafür verantwortlich ist, dass sie nicht längst in ihrem Sarkophag verdorrte. Das Prinzip indes ist das Gleiche: wie das Frankenstein-Monster agiert die Mumie nicht als Subjekt, sie ist ein reines Objekt, das Varnoff wie eine Schachfigur bewegen kann. Gerade ihr hohes Alter, der Kontext, aus dem sie herausgeholt wird, nämlich ein wohl seit Jahrhunderten unberührtes Pharaonengrab, nähern sie indes mehr der Figur des Golems an, als dessen Stellvertreter sie wohl gelten kann. Anders als der Golem hat sie aber zudem eine nachprüfbare geschichtliche Ebene in sich. Indem die Außerirdischen auf sie zurückgreifen, haben sie auch die Historie der Menschheit an ihrer Wurzeln gepackt - und damit ihre Kultur.
3. Nach Wissenschaft und Kultur deckt der Vampir, das weiß man nicht erst seit Freud, den Bereich der Sexualität ab, allerdings nicht einer braven Sexualität, im Dunkeln, unter über die Köpfe gezogener Ehebettdecke, sondern die tabuisierte Sexualität, das Verbotene, die Leidenschaft, eben das, was die monotheistischen Religionen so gerne verteufeln. Da der Vampir aufgrund seiner körperlichen Konstitution gar nicht mehr fähig ist, eine Erektion zu bekommen (woher soll er das Blut dafür auch haben?), ist er darauf angewiesen, seine Lust auf andere Weise zu stillen. Sein Biss ist nichts weiter als eine Metapher für Oralverkehr, seine Zähne, die einen Mädchenhals penetrieren, werden zu seinem Phallus-Ersatz. Da er unterhalb seines Gürtels tot ist, hat er keine Wahl, als sich seine Befriedigung in den verpönten Bereichen zu verschaffen. Dabei ist er ein Meister der Verführung, hypnotisiert seine Opfer regelrecht, damit sie ihm zu Willen sind. Mehr von einem Tier als von einem Menschen hat er bei seinen nächtlichen Aktivitäten. Er kann nicht sterben, so wie sich auch der härteste Eremit oder der frommste Papst nicht gänzlich von ihrer Sexualität befreien können. Er ist gierig und verspricht einem einen Orgasmus, der mit dem Tod endet.
4. Von dem Vampir ist der Wolfmann gar nicht weit entfernt. Während dieser aber seine Lust vollends auslebt und nichts dabei findet, seinen Durst mit Menschenblut zu löschen, ist der Werwolf die einzige wirklich ambivalente Gestalt in dieser Riege, jemand, der aus zwei Existenzen zusammengesetzt ist, die unmöglich miteinander zu harmonisieren sind. So ist Herr Daninsky demnach auch eine erlösungsbedürftige Kreatur, die sich nichts sehnlicher wünscht als von ihren tierischen Anteilen befreit zu werden. Viel Christliches spielt da mit hinein, Gedanken an Erbsünde, Sühne und Schuld, Seelenheil und natürlich die Erlösungsmetapher, vor allem macht die Figur aber unsere innere Zerrissenheit deutlich, die sich einerseits aus unserem Mensch-Sein, unserem Eingebunden-Sein in eine Gesellschaft, in Konventionen und Normen, speist, und andererseits aus den noch verbliebenen tierischen Anteilen. Diese haben bei dem Werwolf kaum eine sexuelle Komponente. Selbst eine nackte Frau zerreißt er eher, als dass er mit ihr schläft. Er verkörpert nicht den Sexualtrieb, er ist die pure Destruktion, der Instinkt, der Todestrieb, das Tier, das sich durch die menschlichen Masken Bahn bricht.
Somit hätten die Außerirdschen also Zugriff auf jene vier Teilsysteme, die, zusammengenommen, sicherlich ausreichen würden, die Menschheit zu vernichten. Dass der Film im Grunde ein außerordentlich romantischer ist, beweist er damit, dass er am Ende die Liebe über alles siegen lässt. Das "echte" Menschliche, scheint die Botschaft zu sein, das, was uns erst zu Menschen macht, ist eben nicht in der Kultur zu suchen, nicht in der Wissenschaft, nicht in der puren Sexualität, schon gar nicht in unseren tierischen Anteilen, sondern in unserer Fähigkeit, Mitleid für jemanden zu empfinden, zärtliche Gefühle zu hegen, tiefergehende Bindungen aufzubauen. Sinnvoll ist dabei auch die Art und Weise, wie die einzelnen Monster, und vor allem von wem, schließlich zerstört werden.
1. Unser Held, Inspektor Tobermann, ist es, der den Vampir zur Strecke bringt. Die Message ist klar: Tobermann, zwar nicht unbedingt ein agitatives APO-Mitglied, dennoch aber eine Figur, die völlig unbefangen, d.h. modern, mit ihrer Sexualität umgeht, keinen Hehl aus ihr macht, braucht die Metapher des Vampirs nicht mehr, er kann sich ihrer problemlos entledigen. Der Vampir ist für ihn ein Anachronismus, ein Schreckgespenst, das für ihn keine Geltung mehr besitzt, analog zu den Bestrebungen der 68er, die Tore zu öffnen für mehr sexuelle Freiheit, für die Anerkennung von "abweichenden" Praktiken, für das Verwirklichen von alternativen Beziehungsformen.
2. Gleich zwei Monstren darf der Wolfmann vernichten, einmal die Mumie, dann den Frankenstein-Monster-Ersatz. Der Werwolf in seiner ambivalenten Rolle als Halb-Mensch spielt den 68ern mit seinen Tiertrieben in die Hände. Es kommt nur darauf an, diese Triebe, die man sowieso nicht abstreifen kann, richtig zu nutzen, scheint der Film sagen zu wollen, und stellt unsere animalischen Anteile weit über die Wissenschaft und die Kultur/Geschichte/Religion, die ihr beide unterliegen. Ein Akt der Liebe - erneut die pure Romantik! - folgt, wenn der Werwolf von der ihn liebenden Frau erlöst wird.
3. Was die Außerirdischen letztlich unterhöhlt, ist eben auch nichts anderes als die menschlichen Gefühle, die sie nach und nach übermannen. Selbst ein Dr. Varnoff kann sich nicht gegen sie wehren: so hat seine Bestrafung Malevas wohl wirklich mehr mit banaler Eifersucht zu tun als damit, ihr Disziplin beizubringen. Die Liebe, und hier erhält der Film schon beinahe etwas Kitschiges, bleibt am Ende als einzige Siegerin übrig, eine Liebe zudem, die nicht in einem bestimmten System verankert ist, sondern außerhalb der Systeme steht, wie eben Tobermann die meiste Zeit eher wie ein Privatermittler wirkt und die Polizei zum Schluss zwar vor dem Kloster versammelt ist, in dem Varnoff sein Versteck unterhält (ein versteckter Seitenhieb auf die institutionalisierte Religion), aber zum Finale nichts weiter beisteuert als eben vor Ort zu sein. Zu einer Zeit, als die RAF sich allmählich formatierte und der einst noch halbwegs friedliche Protest immer mehr zum Terror geriet, kann der Film mit all dem natürlich ebenso zeitfremd wirken wie die in ihm versammelten Ungetüme.
Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Verantwortlichen für die Wiederaufstehung der vier titelgebenden Monstren Außerirdische aus einer fernen Galaxie sind, deren Planet offenbar gerade den Kältetod stirbt und die von einer sprechenden lavaartigen Masse auf die Erde gesandt wurden, um dort, nachdem die Erschaffung einer künstlichen Sonne, die ihre Heimat wieder erwärmt hätte, fehlschlug, diverse Ungeheuer zu neuem Leben zu erwecken, sie auf die Menschheit loszuhetzen und sie dadurch so sehr einzuschüchtern, dass sie spielerisch die Herrschaft über sie gewinnen können. Diese Außerirdische verfügen über die Gabe, ihre Gestalt zu wandeln. So übernehmen sie einfach die optischen Präsenzen kürzlich Verstorbener, um sich unbemerkt unter die Erdenbewohner zu mischen. Was die Außerirdischen vor allem auszeichnet, ist ihre enorme Gefühlskälte. Reine Rationalität bestimmt ihre Handlungen. Sie wirken wie Maschinen, die sich selbst steuern. Ihre Entscheidungen und Handlungen sind präzise und nüchtern. Das gilt besonders für den Anführer der auf die Erde gesandten Einheit, einen gewissen Dr. Varnoff, der gleich mehrmals im Film betonen darf, wie lächerlich und überflüssig er die Gefühle derer findet, die zu unterjochen er gekommen ist. Es ist also nicht allzu schwer, in diesen Außerirdischen eine Art von "Übermensch" zu sehen, eine Lebensform, die zwar noch über einen Organismus verfügt, aber ansonsten mehr mit einem Computer gemein hat, den schlußendlichen Sieg der klaren, mathematischen Operationen über die Befangenheit und Verletzlichkeit eines individuellen Schicksals. Tatsächlich sind die Außerirdischen kaum noch als eigenständige Indivdueen zu bezeichnen. Viel eher erinnern sie an Rädchen in einem unaufhörlich voranratternden Getriebe, das auf sie als Einzelsubjekte nicht einmal angewiesen ist. Vom "Übermenschen" ist der Schritt nicht weit zu dessen Ballung in einem gefühlskalten, im wahrsten Sinne des Wortes un-menschlichen Gefüge wie eine bestimmte Institution oder Organisation oder auch ein Staatsapparat, dem jegliche Menschlichkeit abhanden gekommen ist. Sehen wir die außerirdische Macht demnach als Sinnbild für bspw. ein totalitäres System, so ist es umso interessanter, sich genau anzuschauen, was für Monstren es sind, die sie sich als Werkzeuge auswählt, um die Menschheit, ihren Gegensatz, auszumerzen:
1. Das Frankenstein-Monster, das hier wohl aus Copyright-Gründen einen anderen Namen tragen muss, verkörpert den uralten Wunsch des Menschen, sich selbst zum Gott zu erheben, indem er massiv in die Schöpfung eingreift, d.h. sich selbst als Schöpfer setzt. Damit verbunden ist sowohl das Ende aller Transzendenz als auch der Sieg der Wissenschaft über die Materie. Das Monster ist völlig willenlos, ebenfalls nicht weiter als eine Maschine, die ausführt, was man ihr befiehlt. Es ist der genaue Gegenentwurf zu seinen Schöpfern: da, wo diese sich aus ideologischen Gründen gegen Emotionen aussprechen, bleibt ihm nichts anderes übrig als sie von Anfang an zu entbehren. Interessanterweise verweist der Film selbst auf ein Vorbild der frankensteinschen Monster-Figur. Als unser Held Inspektor Tobermann in der ein bisschen lächerlichen Monster-Anthologie blättert, stößt er unter anderem auch auf den Golem, ein Wesen aus dem jüdischen Mythenschatz, ein künstlicher Mensch, geschaffen aus Lehm, um die Bewohner des Prager Ghettos als übernatürlicher Bodyguard zu schützen. Offensichtlich ist, worin der Unterschied zwischen dem Reagenzglas-Monster Varnoffs und dem altehrwürdigen Golem besteht. War es bei dem einen noch nötig, dass ein Priester/Rabbi, also jemand, der zu dem erlauchten Kreis der "Eingeweihten" gehörte und einen direkten Draht zu einer höheren Macht unterhielt, von der er genau wusste, dass sie ihn in letzter Konsequenz überhaupt erst dazu befähigt, den Lehmmenschen zu modellieren, braucht Varnoff keinen Überbau mehr, um sein Ungeheuer zum Leben zu erwecken, es ist nur nötig, dass er das entsprechende wissenschaftliche Fachwissen besitzt. Das Frankenstein-Monster wird hiermit zum Sinnbild für eine entgottete Wissenschaft, die keine Ehrfurcht mehr kennt, da ihr das Universum nichts weiter zu sein scheint als eine problemlos zu entschlüssende Gleichung.
2. Verkörpert das Frankenstein-Monster also das System der modernen Wissenschaft, das die Außerirdischen gegen uns ins Feld führen, so vertritt die Mumie, ihm in seinem Kern äußerst ähnlich, einen historischen Aspekt. Aus einer vergangenen bzw. untergegangen Hochkultur stammend, ist sie im Grunde nichts weiter als ein Vorläufer des Frankenstein-Monsters, lediglich mit dem Unterschied, dass sie nicht im Labor erzeugt wurde, sondern reine Magie dafür verantwortlich ist, dass sie nicht längst in ihrem Sarkophag verdorrte. Das Prinzip indes ist das Gleiche: wie das Frankenstein-Monster agiert die Mumie nicht als Subjekt, sie ist ein reines Objekt, das Varnoff wie eine Schachfigur bewegen kann. Gerade ihr hohes Alter, der Kontext, aus dem sie herausgeholt wird, nämlich ein wohl seit Jahrhunderten unberührtes Pharaonengrab, nähern sie indes mehr der Figur des Golems an, als dessen Stellvertreter sie wohl gelten kann. Anders als der Golem hat sie aber zudem eine nachprüfbare geschichtliche Ebene in sich. Indem die Außerirdischen auf sie zurückgreifen, haben sie auch die Historie der Menschheit an ihrer Wurzeln gepackt - und damit ihre Kultur.
3. Nach Wissenschaft und Kultur deckt der Vampir, das weiß man nicht erst seit Freud, den Bereich der Sexualität ab, allerdings nicht einer braven Sexualität, im Dunkeln, unter über die Köpfe gezogener Ehebettdecke, sondern die tabuisierte Sexualität, das Verbotene, die Leidenschaft, eben das, was die monotheistischen Religionen so gerne verteufeln. Da der Vampir aufgrund seiner körperlichen Konstitution gar nicht mehr fähig ist, eine Erektion zu bekommen (woher soll er das Blut dafür auch haben?), ist er darauf angewiesen, seine Lust auf andere Weise zu stillen. Sein Biss ist nichts weiter als eine Metapher für Oralverkehr, seine Zähne, die einen Mädchenhals penetrieren, werden zu seinem Phallus-Ersatz. Da er unterhalb seines Gürtels tot ist, hat er keine Wahl, als sich seine Befriedigung in den verpönten Bereichen zu verschaffen. Dabei ist er ein Meister der Verführung, hypnotisiert seine Opfer regelrecht, damit sie ihm zu Willen sind. Mehr von einem Tier als von einem Menschen hat er bei seinen nächtlichen Aktivitäten. Er kann nicht sterben, so wie sich auch der härteste Eremit oder der frommste Papst nicht gänzlich von ihrer Sexualität befreien können. Er ist gierig und verspricht einem einen Orgasmus, der mit dem Tod endet.
4. Von dem Vampir ist der Wolfmann gar nicht weit entfernt. Während dieser aber seine Lust vollends auslebt und nichts dabei findet, seinen Durst mit Menschenblut zu löschen, ist der Werwolf die einzige wirklich ambivalente Gestalt in dieser Riege, jemand, der aus zwei Existenzen zusammengesetzt ist, die unmöglich miteinander zu harmonisieren sind. So ist Herr Daninsky demnach auch eine erlösungsbedürftige Kreatur, die sich nichts sehnlicher wünscht als von ihren tierischen Anteilen befreit zu werden. Viel Christliches spielt da mit hinein, Gedanken an Erbsünde, Sühne und Schuld, Seelenheil und natürlich die Erlösungsmetapher, vor allem macht die Figur aber unsere innere Zerrissenheit deutlich, die sich einerseits aus unserem Mensch-Sein, unserem Eingebunden-Sein in eine Gesellschaft, in Konventionen und Normen, speist, und andererseits aus den noch verbliebenen tierischen Anteilen. Diese haben bei dem Werwolf kaum eine sexuelle Komponente. Selbst eine nackte Frau zerreißt er eher, als dass er mit ihr schläft. Er verkörpert nicht den Sexualtrieb, er ist die pure Destruktion, der Instinkt, der Todestrieb, das Tier, das sich durch die menschlichen Masken Bahn bricht.
Somit hätten die Außerirdschen also Zugriff auf jene vier Teilsysteme, die, zusammengenommen, sicherlich ausreichen würden, die Menschheit zu vernichten. Dass der Film im Grunde ein außerordentlich romantischer ist, beweist er damit, dass er am Ende die Liebe über alles siegen lässt. Das "echte" Menschliche, scheint die Botschaft zu sein, das, was uns erst zu Menschen macht, ist eben nicht in der Kultur zu suchen, nicht in der Wissenschaft, nicht in der puren Sexualität, schon gar nicht in unseren tierischen Anteilen, sondern in unserer Fähigkeit, Mitleid für jemanden zu empfinden, zärtliche Gefühle zu hegen, tiefergehende Bindungen aufzubauen. Sinnvoll ist dabei auch die Art und Weise, wie die einzelnen Monster, und vor allem von wem, schließlich zerstört werden.
1. Unser Held, Inspektor Tobermann, ist es, der den Vampir zur Strecke bringt. Die Message ist klar: Tobermann, zwar nicht unbedingt ein agitatives APO-Mitglied, dennoch aber eine Figur, die völlig unbefangen, d.h. modern, mit ihrer Sexualität umgeht, keinen Hehl aus ihr macht, braucht die Metapher des Vampirs nicht mehr, er kann sich ihrer problemlos entledigen. Der Vampir ist für ihn ein Anachronismus, ein Schreckgespenst, das für ihn keine Geltung mehr besitzt, analog zu den Bestrebungen der 68er, die Tore zu öffnen für mehr sexuelle Freiheit, für die Anerkennung von "abweichenden" Praktiken, für das Verwirklichen von alternativen Beziehungsformen.
2. Gleich zwei Monstren darf der Wolfmann vernichten, einmal die Mumie, dann den Frankenstein-Monster-Ersatz. Der Werwolf in seiner ambivalenten Rolle als Halb-Mensch spielt den 68ern mit seinen Tiertrieben in die Hände. Es kommt nur darauf an, diese Triebe, die man sowieso nicht abstreifen kann, richtig zu nutzen, scheint der Film sagen zu wollen, und stellt unsere animalischen Anteile weit über die Wissenschaft und die Kultur/Geschichte/Religion, die ihr beide unterliegen. Ein Akt der Liebe - erneut die pure Romantik! - folgt, wenn der Werwolf von der ihn liebenden Frau erlöst wird.
3. Was die Außerirdischen letztlich unterhöhlt, ist eben auch nichts anderes als die menschlichen Gefühle, die sie nach und nach übermannen. Selbst ein Dr. Varnoff kann sich nicht gegen sie wehren: so hat seine Bestrafung Malevas wohl wirklich mehr mit banaler Eifersucht zu tun als damit, ihr Disziplin beizubringen. Die Liebe, und hier erhält der Film schon beinahe etwas Kitschiges, bleibt am Ende als einzige Siegerin übrig, eine Liebe zudem, die nicht in einem bestimmten System verankert ist, sondern außerhalb der Systeme steht, wie eben Tobermann die meiste Zeit eher wie ein Privatermittler wirkt und die Polizei zum Schluss zwar vor dem Kloster versammelt ist, in dem Varnoff sein Versteck unterhält (ein versteckter Seitenhieb auf die institutionalisierte Religion), aber zum Finale nichts weiter beisteuert als eben vor Ort zu sein. Zu einer Zeit, als die RAF sich allmählich formatierte und der einst noch halbwegs friedliche Protest immer mehr zum Terror geriet, kann der Film mit all dem natürlich ebenso zeitfremd wirken wie die in ihm versammelten Ungetüme.