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Re: Nekromantik 2 - Jörg Buttgereit (1991)

Verfasst: Mo 17. Apr 2017, 10:53
von karlAbundzu


Monika ist auch eine wunderbare warmherzige und freundliche Frau!

Re: Nekromantik 2 - Jörg Buttgereit (1991)

Verfasst: Mi 27. Mai 2020, 11:06
von Salvatore Baccaro
Möglicherweise stelle ich mich mit dieser Aussage konträr zur vorherrschenden Meinung, aber nun, nachdem ich mir NEKROMANTIK und NEKORMANTIK 2, die ich zuletzt vor der Hälfte meines Lebens gesehen hatte, zum zweiten Mal zu Gemüte geführt habe, verfestigt sich mein damaliger Sichtungseindruck: NEKROMANTIK ist eine interessante Super8-Fingerübung, bewundernswert dafür, was Buttgereit und sein Team aus dem offensichtlich limitierten Budget herausgeholt haben, und, was die deutsche Amateurszene betrifft, sicherlich ein Meilenstein, der natürlich zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Berührungspunkte mit dumpfem Lo-Fi-Splatter à la Andreas Schnaas aufweist, sondern vielmehr eine recht traurige, verstörende Studie über menschliche Einsamkeit, Isolation innerhalb der urbanen Gesellschaft und die Frage nach dem Stellenwert von Sexualität im Alltagsgefüge darstellt. Für mich aber ist seit jeher (und wird es wohl auch bleiben) NEKROMANTIK 2 das eigentliche Meisterwerk Buttgereits, der nicht nur den Vorgänger locker in die Tasche steckt, was die Darstellung der angesprochenen Themen betrifft, sondern für mich möglicherweise auch die Pole Position innerhalb Buttgereits Gesamtoeuvre einnimmt. NEKROMANTIK 2 besitzt in den fraglichen Szenen nicht nur die gleiche Ambivalenz zwischen Lyrismus und Ekel wie Teil Eins, sondern zudem auch noch einen intelligenten Humor, den ich im Vorgänger in diesem Ausmaß ebenso wenig habe finden können wie den dokumentarischen Anstrich, (den mancher Kritiker wohl als langweiliges Füllmaterial verstanden wissen will, wenn unsere beiden Helden bspw. minutenlang den Berliner Zoo erkunden), und eine selbstreflexive Komponente, die sich vor allem in zwei wirklich großartigen Momenten niederschlägt, in denen sowohl Arthouse wie Grindhouse (nebst ihrem Publikum und dessen spezifischen Rezeptionsmustern) ihr Fett wegkriegen, und die ich im Folgenden ganz kurz skizzieren möchte:

1) Unser Held Mark, (übrigens Synchronsprecher für Pornofilme, was Anlass zu einigen absurd-komischen Augenblicken liefert), wartet vergeblich auf seine notorisch unpünktliche Freundin vor einem Lichtspielhaus. Er lernt unsere Heldin, Monica, schließlich allein dadurch kennen, dass er das Warten satthat, und ihr die Kinokarte anbietet, die eigentlich für seine Liebste reserviert gewesen ist. Gemeinsam schauen sie sich einen Film an, der unmissverständlich eine Parodie auf Alain Resnais‘ MY DINNER WITH ANDRE von 1981 sein soll – einem Werk, das man durchaus als Amalgam all dessen bezeichnen kann, was man am Arthouse-Kino entweder liebt oder hasst: Zwei Stunden lang sitzen die beiden einzigen Darsteller Wallace Shawn und Andre Gregory schwatzend und speisend beisammen, und wir schauen ihnen beim intellektuellen Geplänkel zu. Buttgereits Persiflage nun nennt sich MON DEJENEUR AVEC EVA, (was zugleich auch eine Anspielung auf den Film-im-Film im ersten NEKROMANTIK ist, wo ebenfalls eine Eva von einem Slasher-Killer gehetzt wird.) Auch in Buttgereits Schwarzweiß-Parodie sehen wir nichts weiter als zwei Personen, von denen die eine pausenlos schwadroniert. Man sitzt auf einem Balkon beim Frühstück, vor sich auf dem Tisch zahllose Hühnereier, und man hat, (wie es sich für einen geschwätzigen Arthouse-Film gehört!), keinen Fetzen Kleidung am Leib. Während die Dame schweigend zuhört, verliert sich der männliche Protagonisten in endlosen Auslassungen über ausgestorbene Vögel, über die Abstammung der Vögel von den Dinosauriern, über Eierproduktion und Eierverzehr: Diese derangierten, aber mit unumstößlichen Ernst vorgetragenen Dialoge könnten tatsächlich auch der Feder des jungen Fassbinders stammen. Gegenschnitte zeigen uns das Publikum im Kino, das völlig gebannt an den Lippen des Mannes auf der Leinwand klebt, - nur Mark leistet sich den einen oder anderen verstohlenen Blick zu seiner Zufallsbekanntschaft, die ihm immer besser gefallen zu scheint. Gefallen hat beiden aber auch dieser unerträgliche Kinofilm: Mark gibt sich ganz begeistert darüber, dass er nach all den Sexfilmen, die er tagaus tagein beim Synchronisieren zu Gesicht bekommt, endlich einmal einen Film hat erleben dürfen, in dem rein gar nichts passiert, sondern nur zwei Personen herumsitzen, die eine lauschend, die andere gepflegte Monologe in den Äther pustend. Oh ja, diese Sequenz könnte ich mir wohl immer wieder anschauen, und käme trotzdem nicht aus dem Lachen heraus.

2) Am Ende des Films veranstaltet die leichenliebende Monika mit gleichgesinnten Freunden einen Videoabend. Drei scheinbar ebenfalls nekrophil veranlangte Damen haben es sich bei ihr auf dem Sofa gemütlich gemacht; es gibt belegte Schnittchen mit Käse und Tomaten, während im Fernsehschirm zunächst Aufnahmen possierlicher Robben zu sehen sind, die miteinander plantschen, dem Liebesspiel frönen, treuherzig mit ihren schwarzen Knopfaugen in die Kameralinse blinzeln. Dann schlägt der Ton des Films, (offenbar Buttgereits Simulakrum eines veritablen Mondo-Tapes), jedoch jäh um; eine wirklich mulmig machende Streichermusik erklingt, als die Szenerie in einen klinisch-kalten Raum wechselt, wo eine mausetote Robbe aus einem Plastiksack auf eine Bahre gekippt wird, und zwei Männer, mutmaßlich Pathologen, damit beginnen, sie nach allen Regeln der Kunst zu sezieren: Ihr wird das Gesicht vom Schädelknochen geschnitten; man öffnet ihren Leib der Länge nach; ihre Innereien werden ebenso extrahiert wie ihr Kopf bis auf die Augen von jedweden Fleischresten freigekratzt. Gegenschnitte zeigen uns das Publikum in Monikas Wohnzimmer, wo man ungerührt Sekt pichelt, die Schnittchen herumreicht, ansonsten gebannt an den Schock-Bildern auf dem Fernsehschirm klebt. Als Mark plötzlich mit Pizza vor der Tür steht, zerstreut sich die Gesellschaft schnell: Wir müssen dann mal los!, sagen Monikas Freundinnen, geben Küsschen auf ihre Wangen, und sind verschwunden. Mark will aber gerne wissen, was die Frauen geschaut haben. Dann allerdings, als er miterleben muss, wie die körperliche Dekonstruktion der Robbe bis zum bitteren Ende fortgeführt wird, bekommt er das letzte Stück Pizza verständlicherweise kaum mehr über die Lippen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich Buttgereit unterstellen, mit dieser Szene, die das Kunststück vollbringt, sowohl augenzwinkernd amüsant wie, angesichts ihres Bildmaterials, wirklich unerträglich zu sein, einen weiteren Arthouse-Film parodieren zu wollen, namentlich Robert Bressons LE DIABLE PROBABLEMENT von 1977, in dem eine Gruppe sich für Umwelt- und Tierschutz engagierender Studenten Aufnahmen von gewaltsam getöteten Robben sichten, die ebenfalls in einer Gemeinschaftssitzung als Film-im-Film präsentiert werden. Aber auch ohne diesen weiterführenden Verweis hat es die Szene geschafft, sich derart in mein damals sechzehn- oder siebzehnjähriges Gehirn zu fressen, dass ich sie bis heute nicht habe vergessen können, - und zwar nicht nur wegen ihrem traumatischen Gehalt, sondern weil mir damals schon gedämmert hat, dass da jemand sehr klug und sehr versiert genau die Schock-Strategien satirisch überspitzt und gewissermaßen kritisch reflektiert, die einem Film mit Titel NEKROMANTIK bis heute in blinder Ignoranz oft und gerne unterstellet werden.

Re: Nekromantik 2 - Jörg Buttgereit (1991)

Verfasst: Mi 27. Mai 2020, 15:47
von karlAbundzu
Ich glaube, mit dieser Meinug:
Salvatore Baccaro hat geschrieben:Für mich aber ist seit jeher (und wird es wohl auch bleiben) NEKROMANTIK 2 das eigentliche Meisterwerk Buttgereits,
stehst du nicht alleine da. Auch ich halte Nekro 2 und Schramm für Jörgs beste arbeiten bisher.
Neben deinen Anmerkungen ist das für mich auch DER Berlin Film der Wendezeit. Die Stadt spielt da schon eine Rolle.

Re: Nekromantik 2 - Jörg Buttgereit (1991)

Verfasst: Fr 29. Mai 2020, 12:46
von sid.vicious
NEKROMANTIK 2 finde ich zwar gut, aber mein Favorit ist und bleibt DER TODESKING, den ich ca. 1991 im Anschluss an VIOLENT SHIT erstmals sichten durfte. Was ich an den Butti-Vehikeln ansonsten zu schätzen weiß, sind deren schöne Musikkompositionen. Da macht auch NEKROMANTIK 2 keine Ausnahme.

Re: Nekromantik 2 - Jörg Buttgereit (1991)

Verfasst: Mo 30. Mai 2022, 11:15
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 24.06.2022 noch einmal bei Media Target auf Blu-ray:

Bild

Extras:
- "Extended Cut" (110 Min.) (HD)
- Cast & Crew Audiokommentar Deutsch & Englisch
- Making of Nekromantik 2 (HD) Deutsch & Englisch
- Umfangreiche Bildergalerie (HD) mit Audiokommentar in Deutsch & Englisch
- Outtakes (HD) mit Audiokommentar in Deutsch & Englisch
- Casting mit Monika M.
- Premierenfootage (HD) mit Audiokommentar in Deutsch & Englisch
- TV Doku "Literweise Spielfilmblut"
- Ein Kurzfilm von Manfred O. Jelinski
- 2 Musikvideos
- TV Interviews
- Ghana-Poster-Booklet
- Trailer (HD)

Bemerkungen:
- Verpackung: Farbiges BD Keep Case
- Auf 1000 Stück limitierte Ausgabe
- Director's Cut und Extended Cut!
- unzensiert und ungeschnitten
- Ghana-Poster-Booklet

Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=117958