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Re: Cannibal - Marian Dora

Verfasst: Do 14. Mär 2019, 07:30
von jogiwan
„Cannibal“ war wohl die erste kreative Aufarbeitung der Ereignisse um „den Kannibalen von Rothenburg“ aus dem Jahr 2005, beim dem Regisseur Marian Dora jedoch nicht die Psychologie der Figuren, sondern die Ereignisse selbst in den Vordergrund stellt. Und hier wird auch rasch klar, dass die "Hausschlachtung" eines willigen Opfers keine schöne Sache und dieser Film auch nicht für die breite Masse gedacht ist. Nach einem eher ruhigen und Dialog-armen Auftakt, der die Einsamkeit, Naturverbundenheit und Märchen-Affinität der Hauptfigur symbolisieren soll geht es ja dann recht schnell in die Abgründe der Menschheit. Kastration, Ausweidung und sonstige Dinge werden schonungslos gezeigt und die Ekelschraube stark aufgedreht. Dabei wirkt „Cannibal“ für einen Lowest-Budget-Streifen – das Wort Amateurfilm würde ich hier gar nicht ähm… in den Mund nehmen – erstaunlich professionell gemacht und erinnerte mich von der künstlerischen Herangehensweise her an Buttgereits „Nekromantik“-Filme. Ab und an schießt Dora dann aber immer wieder doch etwas arg übers Ziel hinaus oder macht sich lächerlich, wenn zum Beispiel schlecht simulierten Homo-Sex mit Pferdewiehern unterlegt wird damit auch noch der letzte Zuschauer mitbekommt, dass die Stute jetzt bestiegen wird. Auch danach gibt es immer wieder Momente, die man meines Erachtens dem Zuschauer auch ersparen hätte können und den Film in ein „Gross-out“-Eck drängen, in der sich Herr Dora anscheinend mit seinem cineastischen Output mittlerweile sehr wohl fühlt. „Rohtenburg“ fand ich in diesem Punkt aber wesentlich packender, weil der die Figuren getriebener präsentiert und die anschließenden Ereignisse mehr dem eigenen Kopfkino überlässt. Als Zuschauer weiß man aber vorher schon, auf was man sich hier einlässt, also muss man sich hinterher auch nicht darüber beschweren.

Cannibal - Aus dem Tagebuch des Kannibalen - Marian Dora (2005)

Verfasst: Fr 14. Apr 2023, 13:41
von Borderline666
Bild

Originaltitel: Cannibal
Herstellungsland: Deutschland
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Marian Dora

Inhalt:

„Der Mann“ ist auf der Suche. Auf der Suche nach Männerbekanntschaften. Doch als die Kontaktwilligen den wahren Grund seiner Suche herausfinden, ziehen sie entsetzt ab. Bis er in einem Internetforum einen Seelenverwandten trifft: „Das Fleisch“. Sie treffen sich, verbringen eine leidenschaftliche Nacht miteinander und vollziehen dann den Grund ihres Treffens: „Der Mann“ will töten. „Das Fleisch“ will sterben.

Review:

CANNIBAL war mein erster Marian Dora-Film und ich habe es bis heute nicht bereut weitere Werke von Marian kennen lernen zu dürfen. Der Mann hat einfach was drauf und weiß, kontroverse Filme anspruchsvoll zu verpacken. CANNIBAL behandelt die Geschichte hinter dem Kannibalen von Rothenburg. Ich weiß noch nur zu gut, wie ich damals jeden Zeitungsschnipsel sammelte und mir die Nachrichten rauf und runter gesehen habe, als dieser Film raus kam. Es war durchaus ein gefundenes Fressen für Medien aller Art, denn sowas erlebt man nicht allzu oft in Deutschland. Man kann sogar sagen, dass Meiwes der Grund für mehrere künstlerische Aspekte war, die dank im erschienen sind in mehreren Bereichen der Unterhaltung, sei es Musik oder Filme.

Bevor ich CANNIBAL kennen gelernt habe, hatte ich erstmal den Film Rothenburg auf dem Schirm, weil ich davon gehört hab, dass Meiwes gegen eine Verfilmung über ihn vor gegangen ist. Mein Gedanke war, dass das ein ziemlich brachialer Film sein müsste, wurde aber sang- und klanglos bitter enttäuscht. Irgendwann bin ich dann auf CANNIBAL gestoßen, von dem ich bis dato auch nur hörte, dass er ziemlich brutal sein soll. Nun, was soll man sagen? Ich wurde dieses mal nicht enttäuscht.

Die Hauptdarsteller waren Carsten Frank und Victor Brandl, die eine erstklassige Schauspielkunst bewiesen haben. Wahrscheinlich liegt das mehr daran, dass sie unter der Leitung von Marian Dora standen, denn zusätzlich kommt den ganzen Film über eine "untergrundige" Atmosphäre zum Vorschein, die den Film teilweise dreckig und düster macht. Dazu kommen noch Gay Porn-Anleihen und gegen Ende ein krasses Gorefest, was einfach nur noch eklig ist, wenn man weiß, dass das Gezeigte alles der Realität entspricht. In Deutschland wurde der Film 2007 nach Paragraph 184a StGB (Gewaltpornographie) beschlagnahmt, was mich wenig wundert, aber auch zugleich wütend auf die deutsche Zensurbehörden stimmt, denn CANNIBAL ist ein Meisterwerk!

Es ist wie es ist und eins ist Fakt: Marian Dora ist ein Künstler vor dem Herrn! Er hat schon oft bewiesen, dass er nicht der typ ist, der sich gerne unter die Menschen begibt und einesteils kann ich es auch verstehen, denn wahrscheinlich würde er zu viele hohle Fragen beantworten müssen im Bezug auf seine Filme und somit bleibt er sowas wie ein Mythos des deutschen Independent-Untergrunds!