Dies ist der Film, der mir gezeigt hat, dass Jess Franco mehr ist als ein komischer talentfreier Kauz, der hauptsächlich Trashfilme dreht. Nun weis ich, dass er ein komischer talentierter Kauz ist, der hauptsächlich Trashfilme dreht…
Inhalt:
Der Kinskerich spielt ausnahmsweise mal einen richtig dufte Typen. Er ist ein augagierter Arzt, der gern mal bei seinen armen Patienten die Rechnung auslässt. Er führt ein ruhiges Leben, am Hungertuch nagend, doch seine Vermietern bewundert den Philanthropen und erlässt ihm hier und da mal ein wenig Miete. Doch dooferweise hat er Mutterkomplexe und macht sich deshalb selbstverständlich allabendlich auf im nebeligen London Prostituierte zu überfallen und mittels Skalpell in Einzelteile zu zerlegen.
Kritik:
Franco arbeitet hier mit verschiedenen stilistischen Mitteln, um seiner Mörderstory eine dichte und unheimliche Atmosphäre anzuheften. Und hier gelingt ihm das auch auf voller Bandbreite. Er und seine Nebelmaschine verwandeln das Zürich der 70er in ein glaubwürdiges London des 19. Jahrhunderts.
Die Mordszenen sind voller Spannung und Brutalität und dem Rest des Filmes haftet eine depressive Grundstimmung an, die hervorragend zur Thematik passt. Selbst die Traumsequenz, in welcher Kinski den Geist seiner Mutter sieht ist mit einem zwar billigen aber umso ansprechenderen Effekt in Szene gesetzt.
Die Kameraführung ist überdurchschnittlich, fasst lange Einstellungen wie auch Kamerafahrten perfekt ins Bild und die Spielmannsmelodie als Soundtrack ist ebenso passend wie catchie.
Klaus Kinski brilliert, obwohl er den Film persönlich nicht mochte (Zitat: „Ich drehe den Scheiß in acht Tagen herunter“) als wahnsinniger Mörder, welcher, sofern er nicht gerade Prostituierte aufschlitzt, durchaus auch sympathisch sein kann. Wir empfinden sowohl Mitleid für seine gequälte Seele wie auch für seine Opfer, denn den umgebrachten Frauen wird jeweils vor ihrem Ableben beträchtlich viel Screentime gewidmet, so dass wir sie ein wenig kennen und lieben lernen können, bevor sie zerstückelt werden. (Besonders Lina Romay macht es uns als reizendes Freudenmädchen schwer ihren Tod hinzunehmen
).
Bei den restlichen Nebendarstellern gibt es ein paar Probleme. Die Helden, der Inspektor und seine Freundin, sind unsympathisch. Er bekommt gar nichts auf die Reihe und sie, deren Gesicht am Cover neben Kinskis leuchtet, kommt die erste Stunde so gut wie gar nicht vor und hat dann zwanzig Minuten vor Schluss ihren großen Auftritt, der aus einem Haufen unüberlegter höchst dümmlicher Handlungen besteht.
Die kleineren Nebenfiguren sind einprägsam aber hier und da für ihre kurze Screentime ein wenig überzeichnet. Gut, Herbert Fux ist ein grandioser Darsteller und unterhält als leichenfindender Fischer, aber dem blinden Bettler habt Franco, welcher auch das Drehbuch schrieb, eindeutig zu viel Können zugedichtet. Der Blinde ist der einzige, der nützliche Hinweise auf die Identität Kinskis liefern kann und weiß durch seine Nase besser wie Kinski aussieht als andere (Augen)zeugen. Er wirkt gewiefter als Tony Anthonys Blindman und das ist für eine Nebenrolle einfach schwer hinzunehmen.
Fazit: Technisch von Franco stimmig gemachte Mörderjagd mit einem perfekten Kinskerich und einigen guten Nebendarstellern. Kleiner Abzug wegen den unterzeichneten „Helden“ und einigen überzeichneten Nebenrollen. (Superblindman to the rescue!) 8/10