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Re: Liebe - Michael Haneke (2012)

Verfasst: Di 26. Feb 2013, 18:40
von untot
Da bin ich ganz Deiner Meinung Jogi, das ist wirklich ganz großes Kino und auch große Kunst, aber ich bin bei solchen Filmen immer so in Tränen aufgelöst und tagelang aufgewühlt, das ich freiwillig darauf verzichte.
Kein Witz, ich bin dazu wirklich zu zart besaitet, das ist einfach zuviel für mein Nervenkostüm! :oops:

Re: Liebe - Michael Haneke (2012)

Verfasst: Di 25. Mär 2014, 23:55
von McBrewer
Sehr aufwühlendes, Kammerspielartiges Drama mit Jean-Louis "Silence" Trintignant und Emmanuelle Riva. Im großen und ganzen sehr nachvollziehbar und wirklich niederschmetternd das einem der Klos im Hals & die Augen feucht zurück lassen. Aber...(vorsicht: Extremer Spoiler! Wer den Film noch nicht gesehen hat sollte definitiv nicht weiter lesen)
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Re: Liebe - Michael Haneke (2012)

Verfasst: Mi 26. Mär 2014, 16:01
von untot
Soeben auf meine Leihliste gesetzt, nun bin ich doch neugierig....
Ich weiß ich werds bereuen, aber guck ich den eben wenn ich gaaaaanz alleine bin! :pfeif:
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Re: Liebe - Michael Haneke (2012)

Verfasst: Mi 26. Mär 2014, 16:27
von jogiwan
hier noch rasch meine längere Kritik (inkl. kleinerer Spoiler) zu dem wunderbaren, tieftraurigen Streifen:

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In einem Pariser Mehrfamilienhaus wird von der Feuerwehr eine Tür aufgebrochen. Im Innern des geräumigen und gediegen-wirkenden Appartements stoßen die Mitarbeiter der Feuerwehr und ebenfalls angeforderte Polizisten in der ansonsten menschenleeren Wohnung auf eine Tür, die feinsäuberlich mit Klebeband abgedichtet ist. Als diese ebenfalls aufgebrochen wird, entdeckt man die Leiche einer Frau, die schon vor geraumer Zeit verstorben ist, mit Blumen drapiert und in ein elegantes Kleid gehüllt wurde.

Rückblende: Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva), zwei pensionierte Musikprofessoren leben seit vielen Jahrzehnten gemeinsam in einer geräumigen Altbauwohnung, in der eines Tages nach einem Konzertbesuch ein versuchter Einbruch bemerkt wird. Während sich Anne Sorgen macht und die ganze Nacht kein Auge zubekommt, versucht der besonnene Georges seine Gattin zu beruhigen. Am nächsten Tag beim gemeinsamen Frühstück scheint Anne bereits wieder in besserer Laune und verfällt wenig später überraschend in einem Zustand der Teilnahmslosigkeit, in dem sie ihren Gatten kurzzeitig nicht registriert.

Dies ist jedoch erst der Beginn des körperlichen und geistigen Verfalls von Anne und nach einer verpfuschten Operation an der Halsschlagader kehrt die ehemals lebenslustige und musikalische Frau halbseitig gelähmt in die Wohnung zurück. Georges versucht trotz seines Alters seiner Frau beizustehen und aufzumuntern, die jedoch zunehmend die Lust am Leben verliert. Die beiden beginnen sich zu isolieren und vor allem für Anne ist es unerträglich geworden, sich in ihrem Zustand den entsetzten Blicken ehemaliger Freunde, Familie und Schülern auszusetzen.

George verspricht seiner Frau nicht zuzulassen, dass diese in ein Heim gesteckt wird und stellt später zwei häusliche Pflegerinnen ein, die er später jedoch kurz darauf wieder entlässt, als eine davon Anne nicht respektvoll genug behandelt. Auch die Tochter (Isabelle Huppert), die mit ihrer Familie im Ausland lebt, reagiert überfordert auf die Situation und empfiehlt ihrem Vater die Einweisung in ein Heim. George steht jedoch zu seinem Versprechen und während Anne ihren Lebenswillen gänzlich verliert und gänzlich zum Pflegefall wird, muss auch er erkennen, dass er der Situation nicht mehr gewachsen ist und trifft aus Liebe zu seiner Frau eine schwerwiegende Entscheidung…

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Der „Oscar“ als bester „nicht englischsprachiger Film“ war im Februar 2013 die wohl bislang größte Auszeichnung für einen Film, der seit seiner Uraufführung bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai des vergangenen Jahres so ziemlich alle Filmpreise abgeräumt hat, die es abzuräumen gilt. Und man muss Haneke auch neidlos zugestehen, dass er nahezu einen perfekten Film geschaffen hat, der den Zuschauer auch unweigerlich mit der unschönen Seite des Alterns und den Tod konfrontiert.

Trotz seiner unbequemen Themen ist Haneke aber das große Kunststück und scheinbar Unmögliche gelungen, dass sein Streifen trotz der zahlreichen Schicksalsschläge, die seine liebenswerten Protagonisten erleben und erleiden müssen, trotzdem nicht der vielleicht im Vorfeld erwartete Downer geworden ist und wo Regisseure wie Ulrich Seidl und auch Haneke selbst, bislang den Zuschauer schonungslos mit unschönen Dingen konfrontierten, so bewahrt er bei „Liebe“ größtenteils die Würde seiner Darsteller und spart unschöne Dinge aus, was den Streifen dank Kopf-Kino paradoxerweise noch eindringlicher und intensiver erscheinen lässt.

„Liebe“ konzentriert sich fast ausschließlich auf George und Anne, einem sympathischen und pensionierten Ehepaar, das miteinander alt geworden ist und dennoch aktiv am Leben teilnimmt. Die beiden besuchen Konzerte und sind auch ansonsten nahezu unabhängig. Das ändert sich, als Anne eines Tages einen Schlaganfall erleidet. Später kehrt sie halbseitig gelähmt nach einer misslungenen Operation zurück und der Gesundheitszustand wird stetig schlechter, bis sich Anne nur noch ein Schatten ihrer selbst ist und sie zunehmen ihren Lebenswillen verliert. Zuerst versucht George noch für Anne da zu sein und muss doch später erkennen, dass auch seiner Kraft Grenzen gesetzt sind und das Paar zieht sich immer weiter zurück.

Der sehr intensive und berührende Streifen zeichnet sich auch dadurch aus, dass er völlig nüchtern erzählt und frei von falschen Sentimentalitäten ist. Die Regie von Haneke ist zwar nicht minder kunstvoll als in seinen anderen Werken, tritt aber nahezu völlig hinter die Geschichte zurück, die ebenfalls wie üblich aus der Feder des Regisseurs stammt. Diese trägt autobiografische Züge trägt und wurde laut Aussage von Haneke auch speziell für seinen Darsteller Jean-Louis Trintignant geschrieben, der davor seit fünfzehn Jahren in keinen Film mehr zu sehen war.

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Haneke behandelt in seinem bislang wohl persönlichsten und perfektesten Film die große Angst, dass ein geliebter Partner erkrankt und man hilflos mitansehen muss, wie dieser immer mehr verfällt und die Lust am Leben verliert. Die unterschiedlichen Gefühlslagen der Betroffenen von Hoffnung und Wut bis hin zur Resignation sind dabei wie auch seine Figuren so real und auch herzlich gezeichnet, sodass man fast keine Distanz um Geschehen wahren kann und auch gar nicht möchte. Und Haneke schafft es auch, den Verlust der Selbstbestimmung bis zum bitteren Ende so eindringlich zu vermitteln, dass es unmöglich scheint, nicht davon berührt zu sein.

Der Streifen lebt dann auch von seinen beiden Hauptdarstellern, die hier zur absoluten Höchstform auflaufen. Über Jean-Louis Trintignant muss man ja ohnehin nicht mehr viel Schreiben, der ja in seiner bewegten und fast sechzigjährigen Karriere als Schauspieler ja schon viele Glanzleistungen abgeliefert hat. Ohne ihn wäre das italienische und französische Genre-Kino der Siebziger und Achtziger undenkbar und hat hier die Möglichkeit erhalten, diese Karriere nochmals mit einem Welterfolgt zu krönen.

Emmanuelle Riva kann auf eine annähernd gleich lange Karriere zurückblicken, seit sie in dem ebenfalls Oscar-gekrönten Meisterwerk „Hiroshima, mon amour“ unter der Regie von Alain Resnais brillierte. Ihre Darstellung als Anne lässt den Zuschauer im tiefsten Innern seines Herzens erschaudern und ist so derart intensiv, dass man Haneke zu seiner Wahl nur gratulieren kann. Das eine derartige Rolle nicht einfach ist, liegt auf der Hand und laut „Making-of“ ist ihr die Rolle verständlicherweise auch sehr nahe gegangen.

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Die Blu-Ray-Disc aus dem Hause X-Filme bringt dieses Meisterwerk der leisen Töne in sehr guter Bild und Tonqualität in deutscher Synchronisation bzw. wahlweise im französischen Original mit deutscher Zwangsuntertitelung. Im ausführlichen „Making-Of“ erfährt dann der Zuschauer alles interessante über die Entstehung des Films, in dem Haneke auch als forscher, aber doch liebenswerter Perfektionist dargestellt wird und man auch einen Einblick bekommt, wie selbst bei derartigen Produktion heutzutage getrickst wird. Abgerundet wird das positivie Gesamtbild mit dem Trailer zum Film, sowie weiteren aus dem Programm des Labels.

„Liebe“ ist ein sehr berührender Streifen mit zwei grandiosen Schauspielern, der den Zuschauer schonungslos mit den unschönen Seiten des Alters konfrontiert und dabei aber dennoch sensibel und respektvoll zu Werke geht. Ein für viele wohl unerträglicher Film über das Sterben, dass den Zuschauer zwangsläufig auf die Wertigkeit des Lebens, der Liebe und der Selbstbestimmung hinweist. Trotz seiner vermeintlich inhaltlichen Einfachheit und Reduktion auf das Wesentliche holt „Amour“ aber das Maximum heraus und hat sich mit seiner zeitlosen Thematik und auf den Punkt präzisen Inszenierung das Prädikat „Meisterwerk“ auch redlich verdient.

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