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Re: Excision - Richard Bates Jr. (2012)

Verfasst: Di 22. Okt 2013, 11:09
von horror1966
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Excision
(Excision)
mit AnnaLynne McCord, Roger Bart, Ariel Winter, Traci Lords, Matthew Gray Gubler, Jeremy Sumpter, Matthew Fahey, Sidney Franklin, Molly McCook, Natalie Dreyfuss, John Waters, Malcolm McDowell, Marlee Matlin
Regie: Richard Bates Jr.
Drehbuch: Richard Bates Jr.
Kamera: Itay Gross
Musik: Steve Damstra II / Mads Heldtberg
keine Jugendfreigabe
USA / 2012

Die bewusst ungepflegte Teenager Pauline gibt sich wie besessen Tagträumen sexueller Perversionen hin, die von Nekrophilie bis Gewaltorgien reichen. Dazwischen pubertiert die Schülerin auf ihre Weise: Sie stößt Mitschüler, den Lehrkörper und speziell ihre bigotte Mutter gewaltig vor den Kopf. Vom Ziel, Chirurgin zu werden, lässt sie sich auch nach ihrem Schulrauswurf nicht abbringen. Ihr autodidaktisches Studium endet nicht bei der Obduktion toter Vögel, sondern schließt ihre lungenkranke jüngere Schwester mit ein.


Immer wieder einmal trifft man auf gewisse Filme, nach deren Sichtung man nicht so genau weiß wie man sie einzuordnen hat. "Excision" gehört wohl ganz eindeutig in diese Kategorie, präsentiert sich dem Zuschauer doch ein außergewöhnlicher Genre-Mix, der einerseits den Hauch von Genialität versprüht, andererseits jedoch die Frage in einem aufkommen lässt, was man da eben eigentlich gesehen hat. Mit seinem Langfilm-Debüt gibt Regisseur Richard Bates Jr. dem Betrachter eine harte Nuss zu knacken und ich bin mir sehr sicher, das diese Geschichte die Meinungen ganz extrem spalten wird. Dabei liegt hier in künstlerischer Hinsicht eine echte Granate vor, doch genau in diesem Aspekt ist auch gleichzeitig ein Problem beinhaltet, da die Story sicherlich nicht auf das breite Mainstream-Publikum zugeschnitten ist. Am ehesten könnte man das Werk wohl noch als künstlerisch-und visuell berauschenden Experimental-Film bezeichnen, der die Genres Drama, Komödie-und Horror miteinander verbindet und dabei ein Szenario offenbart, das relativ schwer zu verarbeiten ist. In erster Linie lebt das Geschehen dabei von seiner herausragenden Hauptdarstellerin AnnaLynne McCord, die nicht nur eine brillante Performance als orientierungsloser Teenager abliefert, sondern auch den Mut zur vollkommen bewussten Hässlichkeit präsentiert, wie es einst bei Charlize Theron im Film "Monster" der Fall war.

Geprägt wird die Szenerie in der Hauptsache von den Machtkämpfen des Mädchens mit ihrer dominanten Mutter, die ganz klare Vorstellungen vom Leben ihrer beiden Töchter hat, von denen eine an einer schweren Lungenkrankheit leidet. Obwohl die Geschichte ziemlich ernste Züge erkennen lässt, mischt sich immer wieder ein hohes Maß an bissigem Wortwitz und teils absolut grotesker Situationskomik bei, so das ein großer satirischer Anteil zu erkennen ist, der den Ereignissen die richtige Würze verleiht. Die visuelle Stärke des Filmes kommt insbesondere in den Träumen und Visionen des jungen Mädchens zum Ausdruck, sind diese Passagen doch mit einem äußerst kräftigen Farbenspiel untermalt und erscheinen trotz eines erhöhten Blutgehaltes sehr ästhetisch-und kunstvoll. Phasenweise erzeugt der dadurch entstehende Bilderrausch eine starke sogartige Wirkung und der Betrachter wird in einen Strudel aus Realität und surrealen Phasen gezogen, die streckenweise schon ein leichtes Schwindelgefühl aufkommen lassen können. Immer tiefer taucht man dabei in die Psyche eines Teenagers ein, der einerseits manchmal schon erschreckend emotionslos erscheint, andererseits aber auch durchaus erkennen lässt, das seine Taten und Handlungen lediglich aus reinem Protest bestehen und einen lauten Hilferuf beim suchen der eigenen Identität beinhalten.

In soweit handelt es also anscheinend um ein waschechtes Jugend-Drama, doch diese Bezeichnung würde der Geschichte kaum gerecht werden. Die Fantasien des Mädchens sind nämlich alles andere als normal, was in den ständig eingestreuten Traum-Sequenzen immer wieder erstklassig zum Ausdruck kommt. Nun sollte man hier auf keinen Fall mit der Erwartung an einen blutigen Horrorfilm herangehen, denn obwohl "Excision" teilweise als solcher angesehen wird, handelt es sich um einen typischen Genre-Zwitter, der keinesfalls in eine bestimmte Kategorie einzuordnen ist. In diesem Punkt ist gleichzeitig die absolute Stärke wie auch die größte Schwäche des Werkes beinhaltet, denn der teilweise vorhandenen Genialität mischt sich auf der anderen Seite der Eindruck bei, das Richard Bates Jr. etwas ganz Besonderes erschaffen wollte ohne dabei einen Gedanken zu verschwenden, ob er dem Zuschauer auch die nötigen Erklärungen für das Gesehene mitliefert. Damit spiele ich ganz besonders auf das Ende der Geschichte an, denn wurde einem bis dahin doch sehr gut der Eindruck eines verstörten Teenagers geliefert der auf der Suche nach seinem inneren Gleichgewicht ist, so bekommt man nun einen finalen Showdown geliefert, der den bis hierhin recht guten Gesamteindruck doch ziemlich nach unten reißt. Jenseits jeglicher Realität-und Glaubwürdigkeit angesiedelt offenbart sich nun nämlich eine Posse, bei der man nur die Hände vor das Gesicht schlagen kann. Sicherlich wollte man einen radikalen und verstörenden Schlusspunkt setzen, doch das sich auf einmal Orientierungslosigkeit in den nackten Wahnsinn verwandelt kommt so unerwartet und abrupt, das sämtlich bisher gesammelten Pluspunkte den Bach runtergehen und den Film sogar fast schon der Lächerlichkeit preisgeben. An dieser Stelle wollte man ganz eindeutig zu viel und hat damit ein echtes Kunstwerk völlig unnötig zerstört.

Wie dem aber auch sei, "Excison" ist definitiv ein Film der für hitzige-und kontroverse Diskussionen sorgen kann. Eine absolut überragende Hauptdarstellerin, sehr viel Satire und die Vermischung verschiedener Genres sind zumindest bis zum Ende der Geschichte als Höhepunkte anzusehen, die jedoch durch den gesetzten Schlusspunkt fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Ehrlich gesagt baut sich sogar ein wenig Wut in einem auf, das man an dieser Stelle einen anscheinend spektakulären Abgang setzen wollte, der jedoch vielmehr einen gesamten Film zerstört, was absolut vermeidbar gewesen wäre. Und so muss sich Richard Bates Jr. die Frage gefallen lassen was er damit bezwecken wollte, war es der Wunsch den Betrachter unbedingt zu schocken, oder doch eher die Absicht, seinen eigenen Film zu torpedieren und der Lächerlichkeit preis zu geben? Viele Leute werden das vollkommen anders sehen und gerade im Finale das Highlight eines Filmes erkennen, der förmlich nach unterschiedlichen Bewertungen schreit, was ihm dann auch ganz automatisch einen kontroversen Anstrich verleiht.


Fazit:


Auch ohne das von mir stark kritisierte Ende hinterlässt das Werk einen eher zwiespältigen Eindruck. Auf jeden Fall aber handelt es sich bei "Excision" wohl um einen der außergewöhnlichsten Filme der letzten Zeit, nach deren Sichtung man sich automatisch fragt, was man da eigentlich gesehen hat. Man sollte sich die Geschichte auf jeden Fall einmal selbst anschauen und sich sein eigenes Urteil bilden, doch mir reicht die einmalige Sichtung auch definitiv aus. Ein zweites Mal wird die DVD sicher nicht in den heimischen Player wandern, zu tief sitzt die Enttäuschung über das finale Fiasko.


5-6/10

Re: Excision - Richard Bates Jr. (2012)

Verfasst: Sa 24. Jan 2015, 09:24
von purgatorio
EXCISION (USA 2012, Regie: Richard Bates Jr.)

hui, ein sehr schräger, grotesker und surrealer Film, der von der Kraft seiner Traumsequenzen lebt. Toll gespielt, bisweilen sehr heftig und irgendwie tragisch. Ich musste allerdings häufig vergleichend an eine Zeichnung einer Fünfjährigen denken. Sie gibt eine sehr schräge und verzerrte Sicht auf die Welt wieder, ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet, schrill, bunt und sie wird vom Empfänger gern und mit Stolz irgendwo gut sichtbar präsentiert. Der Herstellungsgrund geht aber nie über Beschäftigung, Spaß an der Sache und das Ziel, jemandem eine Freude zu machen, hinaus. Der Grad an Weltreflektion ist trotz allen Aufwands meistens gering, was sich gut hinter dem aufwändig gestalteten Bild verbirgt – so ungefähr ist auch EXCISION. Ein Fest für die Sinne, visuell überwältigend, sehr schräg, aber am Ende, wenn man sich dann sattgesehen hat, fehlt dem Kenner und Liebhaber der jeweiligen Kunst irgendwie noch ein Kern, ein Reflexions- und Diskussionsgegenstand, der aus einem gut gemeinten und gut gemachten Ding eben auch ein zeitlos wichtiges Ding machen kann. Das klingt jetzt sicherlich etwas schräg, aber so empfand ich das. Der Film ist wirklich gut, lässt einen aber mit der finalen Frage „Wozu das Ganze?“ etwas ratlos zurück. Spaß macht das trotzdem! 7-8/10