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Re: Wild Dogs - Mario Bava

Verfasst: Mo 5. Aug 2013, 03:28
von buxtebrawler
Dem 1974 gedrehten Thriller „Wild Dogs“, einem ungewöhnlichen Spielfilm für den italienischen Regisseur Mario Bava, der sich in erster Linie mit dem Ur-Giallo „Blutige Seide“ sowie seinen Gothic-Horror-Filmen einen Namen gemacht hat, erschwerten es äußerst diffizile Produktionsbedingungen, überhaupt an die Öffentlichkeit zu gelangen: Kurz vor Fertigstellung musste die Produktionsfirma Insolvenz anmelden und der Film wurde beschlagnahmt. Erst im Jahre 1996 gelang es, ihn zurückzukaufen. Bava-Sohn Lamberto drehte mit Produzent Alfredo Leone einige Szenen nach und nahm hier und da Änderungen vor, bevor „Wild Dogs“ endlich veröffentlicht werden konnte.

Eine Gangsterbande überfällt einen Geldtransporter, doch schnell ist die Polizei zur Stelle und schießt einen der Täter nieder. Die verbliebenen drei aber nehmen sich Geiseln, töten eine von beiden und treten mit der anderen die Flucht im Auto eines Mannes (Riccardo Cucciolla, „Gewalt - Die fünfte Macht im Staat“) an, der ein kleines Kind dabei hat, das dringend ärztliche Versorgung benötigt. Doch die Kidnapper zwingen den Mann zu einer Irrfahrt durch Italien, die Polizei stets im Nacken. Die Situation spitzt sich zu und fordert immer weitere Opfer...

Unmittelbar nach seinem Exposé offenbart „Wild Dogs“ seine eigentliche Natur, nämlich die einer gewagten Mischung aus klaustrophobischem Kammerspiel und Road Movie, denn der überwiegende Anteil der Handlung spielt im engen Wagen des bedauernswerten Mannes, der mit den Gangstern „32“ (George Eastman, „Man-Eater“) und Bisturi (Don Backy, „Prügel, daß die Fetzen fliegen“) zwei psychopathische Mörder und Sadisten auf der Rückbank sitzen hat, die häufig mehr schlecht als recht von ihrem einen wesentlich gesitteteren und intelligenteren, jedoch nicht minder skrupellosen Eindruck machenden Anführer, den sie schlicht den „Doktor“ (Maurice Poli, „Der Killer“) nennen, zur Ordnung gerufen werden. Weitere „Fahrgäste“ sind der sich in einem permanenten Dämmerzustand befindende kranke Junge und die Geisel Maria (Lea Lander, „Blutige Seide“). Es herrscht eine schwitzig-schwüle Atmosphäre vor, es ist ein heißer Tag und man sitzt auf einem rollenden Pulverfass. Die Spannung dieser Konstellation ergibt sich vor allem aus der Unberechenbarkeit der Geiselnehmer, die beinahe unmenschlich-bedrohlich charakterisiert werden und zur Nervosität aller gern mit ihren Waffen herumfuchteln. Das zumindest vorübergehende Überleben sichert hier am ehesten eine gewisse Art von Psychologie, um sich selbst und die mörderischen Mitfahrer möglichst ruhig zu halten.

Als eine Art kleiner Running gag entpuppt sich, wie irrsinnig viel das Trio von seiner Beute unterwegs los wird. Bei einem derart teuren Leben wird es fast verständlich, dass man den Pfad der Tugend verlässt und anderweitig an den Mammon zu gelangen strebt. Die nervenzerreißende Anspannung findet immer wieder Entladung in Demütigungen, Gewaltausbrüchen und immer weiteren Opfern, zurückhaltend gefilmt, in ihrer Wirkung jedoch extrem. Nach einer jede Grenze des Anstands und der Moral sprengenden Tort(o)ur findet die Flucht schließlich scheinbar ihr erfolgreiches Ende, doch hält „Wild Dogs“ noch eine vollkommen überraschende, fiese Wendung bereit, die den zynischen Charakter des Films auf ein neues Level hievt. In geradezu misanthropischem Ausmaße zeichnet Bava ein Bild von Verrohung, Verkommenheit und Niedertracht in aller Konsequenz, ohne dafür auf ein hohes Budget und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zurückgreifen zu müssen. Es sind die Schauspieler, die „Wild Dogs“ tragen. Die Kamera klebt häufig richtiggehend an ihren Gesichtern und holt alles aus ihrer Mimik heraus, die in beachtlichem Maße Unwohlsein und Grauen erzeugt. Insbesondere George Eastman in seiner Paraderolle als irrer Soziopath sticht dabei besonders hervor. Zwar neigt er zum Overacting, doch passt das meist recht gut zu seiner Rolle als eine Art amoralischem Riesenbaby. Bisturi ängstigt mit seiner Hypernervosität und seinem ihm gerne mal „ausrutschenden“ Messer. Alle Hoffnung ruht auf dem „Doktor“, der diese jedoch keinesfalls zu erfüllen bereit ist. Erbarmungswürdig ohnmächtig sind Maria und Fahrer Riccardo. Bei allem Wahnsinn blieb jedoch auch Platz für rabenschwarzen Humor, wobei ich an eine einfach zuviel redende Frau denke.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Look des Films, der zwar einerseits roh und ungeschliffen, jedoch auch irgendwie überscharf wirkt. Eine Folge der Jahrzehnte später erfolgten Nachbearbeitung? „Wild Dogs“ präsentiert sich sehr nüchtern, der Soundtrack beschränkt sich auf jazzige, für meinen Geschmack etwas zu dudelige Klänge. Tempo und Schnitt stimmen jedoch überwiegend und halten die Spannung bis zur bösen Pointe aufrecht. Die erzählte Geschichte erscheint eher unwahrscheinlich, sehr fiktional, bedient aber zielsicher die Ängste einer von zunehmenden Verbrechen geplagten Gesellschaft, die mit ansehen muss, wie der Wert eines Menschenlebens offensichtlich immer weiter sinkt. Analysen oder Lösungsmöglichkeiten werden nicht angeboten, Bava bleibt mit „Wild Dogs“ dem Unterhaltungsfilm verhaftet, der keine Debatten lostritt oder Fragen aufwirft – der aber mit seiner konsequenten Härte niemanden kaltlassen dürfte und auf beachtliche Weise aus kargen Mitteln ein Maximum herausholt.

Re: Wild Dogs - Mario Bava

Verfasst: Mo 5. Aug 2013, 20:34
von reggie
Ich finde den score nicht dudelig. Ist für mich einer der besten Italo Gangesterfilme.
George Eastman spielt den irren so geil und Don Backy ebenfalls !
Grandios auch Carlo Cruccollo (oder wie der sich schreibt), so unscheinbar und dann doch so ein gewiefter junge :kicher:
Die Syncro aus der Neuzeit ist mehr als gelungen, wüsste man es nicht würde sie man für eine alte von Damals halten ;)
Das einzige mal wo ich sagen muss, hut ab Krekel da haste was feines Gezaubert!
Sowas hat er sonnst nie wieder zu stande gebracht, bei keiner seiner Vös, das will was heißen ;)

9/10 aber locker!!!

Re: Wild Dogs - Mario Bava

Verfasst: Do 24. Okt 2013, 08:55
von purgatorio
WILD DOGS (CANI ARRABBIATI, Italien 1974, Regie: Mario Bava)

Ein Auto, drei Wahnsinnige, drei Geiseln, eine Flucht – mehr Zutaten benötigt Bava nicht für einen dreckigen kleinen Film, der ebenso zu fesseln wie zu beeindrucken weiß. Und das Finale haut dann auch noch jedem, der sich in Sicherheit wiegte, mit aller Konsequenz den Boden unter den Füßen weg. Ein ganz großer kleiner Film! 8/10

Re: Wild Dogs - Mario Bava

Verfasst: Mo 29. Sep 2014, 15:13
von Prisma

WILD DOGS / CANI ARRABBIATI (1974)

mit Riccardo Cucciolla, Lea Lander, Aldo Caponi, Maurice Poli, Erika Dario und George Eastman
eine Produktion der International Media Films | Spera Cinematografica
ein Film von Mario Bava


Um an die Lohngelder eines Betriebes zu kommen, gehen vier bewaffnete Gangster nicht gerade zimperlich vor. Sie ziehen eine blutige Spur durch die ganze Stadt und nehmen Geiseln, um entkommen zu können. Als sie einen neuen Wagen brauchen, bringen sie den Fahrer ebenfalls in ihre Gewalt, und er hat einen kleinen Jungen bei sich, der dringend ärztliche Hilfe benötigt. Die Verbrecher nutzen ihre Machtposition nun schamlos aus und beginnen, ihre Opfer zu quälen, bis die Nerven schließlich blank liegen...

'Wild Dogs' wurde von keinem geringeren als Mario Bava inszeniert und man kann den fertigen Film wirklich als äußerst raffiniert und spannungsgeladen bezeichnen. Die komplette Zeit verbringen die Hauptfiguren, so auch der Zuschauer, im Auto, und dieser klaustrophobische Zustand wird in vielen sich zuspitzenden Situationen beinahe unerträglich. Die Geschichte an sich wirkt lange Zeit relativ unscheinbar, der Raub und die Flucht heben sich von ihrer Artverwandtschaft kaum ab, aber es gibt erfreulicherweise einige bemerkenswerte Twists, die richtig verblüffen werden. 'Wild Dogs' wurde mit Psycho-Terror, Brutalität und Gewalt angereichert, die Atmosphäre wirkt über weite Strecken sehr erdrückend.

Die Charaktere sind eigentlich nichts anderes als psychopathische Verrückte aus dem Bilderbuch und sie quälen, erniedrigen und demütigen mit Vorliebe ihre weibliche Geisel, handeln dabei vollkommen unmotiviert oder willkürlich und sind tatsächlich mit purem Abschaum zu vergleichen. Als Bonus gibt es einen schönen Soundtrack von Stelvio Cipriani. Vieles hat mich hier vom Prinzip her an "Der Tollwütige" von Sergio Grieco erinnert, der gegen 'Wild Dogs' allerdings eher wie die züchtige Stiefschwester wirkt. Für den geneigten Zuschauer ein schwer unterhaltsamer Film mit relativ wenig Aufwand, aber großartigem Ergebnis!

Re: Wild Dogs - Mario Bava

Verfasst: Mo 29. Sep 2014, 19:20
von Il Grande Silenzio
Wild Dogs hat mir auch recht gut gefallen, wobei die Story für meinen Geschmack für die Laufzeit etwas zu dünn war. Das Overacting hat mich auch etwas genervt. Der Twist am Ende hat es dann aber rausgerissen.

7,5/10

Re: Wild Dogs - Mario Bava (1974)

Verfasst: Di 14. Okt 2014, 10:40
von jogiwan
von "Wild Dogs" a.k.a. "Rapid Dogs" a.k.a. "Kidnapped" ist doch tatsächlich bereits ein Remake in kanadisch-französischer Produktion abgedreht:
hat geschrieben: [...]towering actor Robert Maillet revealed his role in RABID DOGS, the recently wrapped remake of Mario Bava’s thriller a.k.a. KIDNAPPED.
http://www.fangoria.com/new/nycc-14-exc ... e-details/

Re: Wild Dogs - Mario Bava (1974)

Verfasst: Di 14. Okt 2014, 11:09
von Captain Blitz
jogiwan hat geschrieben:von "Wild Dogs" a.k.a. "Rapid Dogs" a.k.a. "Kidnapped" ist doch tatsächlich bereits ein Remake in kanadisch-französischer Produktion abgedreht:
hat geschrieben: [...]towering actor Robert Maillet revealed his role in RABID DOGS, the recently wrapped remake of Mario Bava’s thriller a.k.a. KIDNAPPED.
http://www.fangoria.com/new/nycc-14-exc ... e-details/
Ja, der Rechteinhaber diverser Bava-Filme berichtete mir davon, dass es da ein Remake geben wird. Ich habe nicht mal das Original gesehen.

Re: Wild Dogs - Mario Bava (1974)

Verfasst: Di 14. Okt 2014, 14:08
von purgatorio
der Artikel oben endet mit folgender Anmerkung:
Maillet adds that he hasn’t seen the original RABID DOGS, but he is aware of its history. “That’s an interesting story, that it was shot in the mid-’70s and it didn’t come out until the ’90s [with new footage filmed by Bava’s son Lamberto]. That’s crazy—to make a film, and then it goes on the shelf for 20 years!”
bei wikipedia heißt es dazu:
Bava beendete die Dreharbeiten zu Wild Dogs 1974. Kurz darauf meldete die Produktionsfirma Konkurs an und der fast fertige Film wurde zusammen mit den anderen Besitztümern des Produzenten konfisziert. Nachdem Lamberto Bava jahrelang erfolglos die Rechte am Film seines Vaters zurückzukaufen versuchte, gelang es erst 1996 dem deutsch-italienischen Label Lucertola sich den Film zu sichern. Die Hauptdarstellerin und Coproduzentin Lea Leander rekonstruierte den Film aus dem wenig bearbeiteten Rohmaterial und der bereits fertiggestellten Musik von Stelvio Cipriani.

2002 erschien eine weitere Fassung unter dem Namen Kidnapped!. Lamberto Bava und sein Sohn Roy Bava drehten einige Szenen nach und Stelvio Cipriani unterlegte den Film mit einem neuen Soundtrack. Diese Version wurde bislang nur im englischsprachigen Raum veröffentlicht.
via http://de.wikipedia.org/wiki/Wild_Dogs

kennt jemand die KIDNAPPED!-Fassung?

Re: Wild Dogs - Mario Bava (1974)

Verfasst: Fr 18. Mär 2016, 08:14
von jogiwan
schnittberichte.com hat geschrieben: Wild Dogs - Bavas Film hat neue FSK-Freigabe

Mario und Lamberto Bavas Wild Dogs aka Rabid Dogs (Original: Cani arrabbiati, 1974) erschien mehrmals auf DVD mit einer FSK 18-Freigabe. Nun listet die FSK eine Neuprüfung, die von Tiberius Film ausging und den Laufzeiten nach der ungekürzten Fassung entspricht. Die FSK stufte ihn nun ab 16 Jahren ein.
quelle: http://www.schnittberichte.com/ticker.php?ID=2511

Re: Wild Dogs - Mario Bava (1974)

Verfasst: Mo 4. Jul 2016, 08:54
von italostrikesback
Da hier mit Sicherheit auch der Vergleich Original und Remake diskuttiert wird, poste ich mal meinen Eindruck nach Erstsichtung des Remakes.

Ich hatte mir die Tiberius Veröffentlichung, inklusive des Originals/Remakes gekauft und natürlich als erstes Mario Bavas Film angesehen.
Da muß man nicht mehr viel dazu sagen, das Original ist ein absoluter Hammer, auch heute noch.

Nun kam gestern Nacht das Remake dran und während der Sichtung ertappte ich mich dabei in jeder Minute Vergleiche anzustellen und das Remake schon während der Laufzeit auseinanderzunehmen um bereits im letzten Drittel sicher zu sein, dass der Film nur Durchschnittskost ist.
Nachdem der Film am Ende war, landete ich wieder im Hauptmenü der Blu-ray, welches der wirklich superschönen Titelsequenz nachempfunden und mit der gelungenen Filmmusik unterlegt ist. Plötzlich machte es bei mir Klick und ich hatte Bock den Film bald wieder anzusehen.
Das Remake hat einfach eine unglaublich visuelle Wirkung, gepaart mit einer Übersteigerung der Wirklichkeit, die bei mir nun nachhaltig im Kopf geblieben ist.
Das ist nun bei aller Kritik eine sehr interessante Wirkung, die ich so nicht erwartet hätte.
Eine Punktebewertung vergebe ich nach der zweiten Sichtung, welche wahrscheinlich schon heute Abend erfolgen wird.
Sicher ist, dass ich froh bin den Film im Zuge der Tiberus Mediabook Veröffentlichung, zusammen mit dem Original, zu besitzen..... und irgendetwas hat der Film auf jeden Fall. Eigentlich kann ich es nicht erwarten in nochmal zu sehen.