Re: Welchen Film habt ihr zuletzt gesehen?
Verfasst: Do 6. Aug 2015, 09:38
MARTIN (USA 1977, Regie: George A. Romero)
Fangzähne durch Klingen ersetzt, nebelverhangene Schlösser in karger Felslandschaft von kargen Industriebrachen verdrängt, die Erotik des tödlichen Kusses von feigen Angriffen mit Betäubungsmitteln entmachtet – Romeros MARTIN entmythologisiert den Vampir und den amerikanischen Traum.
Martin, schüchtern, spätpubertierend, introvertiert, zieht in einen Pittsburgher Vorort zu seinem konservativen Onkel, der an ein schreckliches Familiengeheimnis glaubt. Trotz seiner Andersartigkeit verschwindet Martin in der Tristes einstiger Glanzzeiten der Industrieblüte in Pennsylvania. So kann er sich unauffällig Opfer für eine Obsession suchen, deren wahre Ursachen und Ziele unklar bleiben. Gleiches gilt für die Verbrechen selbst – sind sie imaginiert oder finden sie tatsächlich statt? Und wenn sie real sind, welcher Teil des Mordes ist real, welcher Wunschtraum? Denn schließlich suggerieren regelmäßige Einblendungen von Alptraum-/Filmsequenzen, die am Gothic-Stil der alten Universal-Horrorfilme, DRACULA, FRANKENSTEIN, angelehnt sind, dass Martin am Konflikt zwischen Wunsch und Realität zu zerbrechen scheint. So ist es auch bezeichnend, dass Romero die überzeugendste Gothicszenerie auf dem alten, nebelverhangenen Spielplatz mitten in Pittsburgh gelingt und zugleich als kostümierte Farce enttarnt wird.
Dem Zorn seiner früheren Horrorfilme folgt mit MARTIN die deprimierend ruhige Beerdigung des amerikanischen Traums in Industrie- und Großstadtbrachen, denen jedes Leben ausgesaugt wurde. Hier verkümmert sogar der Vampir. Wie die Arbeitslosen aus den Stahlwerken ihr Dasein in den Kneipen fristen, greift auch Martin in völliger Selbstaufgabe zum Alkohol(-liker) und tötet zwei Obdachlose, schlitzt die Venen mit zerbrochenem Glas und hat sich von seiner routinierten Sterilität gänzlich gelöst. Dies ekelt ihn an. Demgegenüber steht jedoch auch, dass er gänzlich zu ignorieren scheint, dass seine vermeintlich optimierte Tötungsmethode, mit der er sogar im Radio prahlt, jedes Mal schief geht. Das ständige Scheitern nimmt Martin hier wahr, dort nicht. Dies wirft stets die Frage nach der Bestimmbarkeit des Sichtbaren und Erfahrbaren auf. Ist Martin ein Vampir oder psychisch krank? Geschehen die Morde oder sind sie imaginiert? Ebenso schwierig sind Täter und Opfer bestimmbar – Schuld laden sich alle auf.
Die Religion wird Kino – Kino wird Religion. Der neue Priester im Ort, der den Genussmitteln frönt, liebt DER EXORZIST. Und die Medien sind es letztlich auch, die aus den Horrorstorys noch Kapital schlagen. Eine Radio-Talkshow holt das Maximum an Entertainment und Profit aus Martins Geständnissen, hält aber auch die Erinnerung an das Relikt des Horrors wach, während Martin selbst sich in der Tristes der Umgebung auflöst.
Romero hat mit MARTIN einen beeindruckend deprimierenden Film geschaffen, den er selbst im Interview als seinen besten bezeichnet. Ein persönlicher Blick auf seine Heimat, die getreu der Aufschrift auf Dantes Höllentor längst alle Hoffnung fahren lies.
Fangzähne durch Klingen ersetzt, nebelverhangene Schlösser in karger Felslandschaft von kargen Industriebrachen verdrängt, die Erotik des tödlichen Kusses von feigen Angriffen mit Betäubungsmitteln entmachtet – Romeros MARTIN entmythologisiert den Vampir und den amerikanischen Traum.
Martin, schüchtern, spätpubertierend, introvertiert, zieht in einen Pittsburgher Vorort zu seinem konservativen Onkel, der an ein schreckliches Familiengeheimnis glaubt. Trotz seiner Andersartigkeit verschwindet Martin in der Tristes einstiger Glanzzeiten der Industrieblüte in Pennsylvania. So kann er sich unauffällig Opfer für eine Obsession suchen, deren wahre Ursachen und Ziele unklar bleiben. Gleiches gilt für die Verbrechen selbst – sind sie imaginiert oder finden sie tatsächlich statt? Und wenn sie real sind, welcher Teil des Mordes ist real, welcher Wunschtraum? Denn schließlich suggerieren regelmäßige Einblendungen von Alptraum-/Filmsequenzen, die am Gothic-Stil der alten Universal-Horrorfilme, DRACULA, FRANKENSTEIN, angelehnt sind, dass Martin am Konflikt zwischen Wunsch und Realität zu zerbrechen scheint. So ist es auch bezeichnend, dass Romero die überzeugendste Gothicszenerie auf dem alten, nebelverhangenen Spielplatz mitten in Pittsburgh gelingt und zugleich als kostümierte Farce enttarnt wird.
Dem Zorn seiner früheren Horrorfilme folgt mit MARTIN die deprimierend ruhige Beerdigung des amerikanischen Traums in Industrie- und Großstadtbrachen, denen jedes Leben ausgesaugt wurde. Hier verkümmert sogar der Vampir. Wie die Arbeitslosen aus den Stahlwerken ihr Dasein in den Kneipen fristen, greift auch Martin in völliger Selbstaufgabe zum Alkohol(-liker) und tötet zwei Obdachlose, schlitzt die Venen mit zerbrochenem Glas und hat sich von seiner routinierten Sterilität gänzlich gelöst. Dies ekelt ihn an. Demgegenüber steht jedoch auch, dass er gänzlich zu ignorieren scheint, dass seine vermeintlich optimierte Tötungsmethode, mit der er sogar im Radio prahlt, jedes Mal schief geht. Das ständige Scheitern nimmt Martin hier wahr, dort nicht. Dies wirft stets die Frage nach der Bestimmbarkeit des Sichtbaren und Erfahrbaren auf. Ist Martin ein Vampir oder psychisch krank? Geschehen die Morde oder sind sie imaginiert? Ebenso schwierig sind Täter und Opfer bestimmbar – Schuld laden sich alle auf.
Die Religion wird Kino – Kino wird Religion. Der neue Priester im Ort, der den Genussmitteln frönt, liebt DER EXORZIST. Und die Medien sind es letztlich auch, die aus den Horrorstorys noch Kapital schlagen. Eine Radio-Talkshow holt das Maximum an Entertainment und Profit aus Martins Geständnissen, hält aber auch die Erinnerung an das Relikt des Horrors wach, während Martin selbst sich in der Tristes der Umgebung auflöst.
Romero hat mit MARTIN einen beeindruckend deprimierenden Film geschaffen, den er selbst im Interview als seinen besten bezeichnet. Ein persönlicher Blick auf seine Heimat, die getreu der Aufschrift auf Dantes Höllentor längst alle Hoffnung fahren lies.