bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Kick-Ass
Wer wäre nicht gern ein Superheld? Die Bösen verdreschen, die Guten beschützen - davon träumt auch Dave Lizewski (Aaron Johnson), ein unauffälliger, normaler High School-Schüler, nicht sehr beliebt, nicht allzu sehr beachtet von den Mädchen, wie so viele vor und nach ihm. Aber Dave ist nicht wie die Anderen: er besorgt sich einen grünen Neoprenanzug und eine Maske, tauft sich auf den Namen Kick-Ass und zieht hinaus in die Nacht, um Verbrecher zur Strecke zu bringen, gänzlich ohne jegliche Superkräfte oder sonstige erwähnenswerte Fähigkeiten. Von Kampfkünsten mal abgesehen, denn seine ersten Einsätze bringen ihm vor allem eins ein: was aufs Maul. Aber Dave macht unverdrossen weiter, wird via Web und Youtube zu einer populären Figur und fällt so dem Ex-Polizisten Macready (Nicolas Cag) auf, der gerade seine elfjährige Tochter Mindy (Chloe Moretz) zu einer eiskalten Killerin ausgebildet hat und mit ihr zusammen als "Bid Daddy" und "Hit Girl" auf Superheldentour geht, um sich für ein Unrecht zu rächen, das ihn die Frau und die Karriere gekostet hat. Und mit dem jungen "Red Mist" findet Dave (Christopher Mintz-Plasse) tritt anscheinend gleich noch ein Nachahmer an, mit dem man Gangsterboss D'Amico (Mark Strong) auf die Füße treten kann - doch der hat andere Beweggründe und die Sache wird zunehmend ernst...
„Ich frag mich, warum das noch niemand vor mir gemacht hat!“

Die nach „Layer Cake“ und „Der Sternwanderer“ dritte Regiearbeit des US-Amerikaners Matthew Vaughn ist der im Jahre 2010 veröffentlichte Superhelden-Streifen der etwas anderen Art, „Kick-Ass“, eine Verfilmung der (mir unbekannten) Comic-Reihe, die sich parodistisch mit dem Phänomen des (Super-)Heldentums auseinandersetzt. Damit wurde „Kick-Ass“ für mich interessant, denn mit Realverfilmungen von Comics tue ich mich ansonsten sehr schwer und meide i.d.R. hochbudgetierte, unwahrscheinliche Action-Verfilmungen im Blockbuster-Gewand. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel und einen Neo-Noir à la „The Dark Knight“ lasse ich mir durchaus schmecken.

High-School-Schüler Dave Lizewski (Aaron Johnson, „Chatroom - Willkommen im Anti-Social Network“) ist Halbwaise, hat schwer mit der Pubertät zu kämpfen und träumt davon, seinem unauffälligen Leben, das ihm bislang auch nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit der holden Weiblichkeit beschert hat, zu beenden. Eines Tages schlüpft er dann tatsächlich in einen grünen Neoprenanzug und macht sich auf, als „Kick-Ass“ das Verbrechen zu bekämpfen. Dumm nur, dass Dave über keinerlei sonderlich herausragende Fähigkeiten verfügt, von Superkräften ganz zu schweigen, und so endet sein erster Einsatz dann auch gleich mit einem Messer im Körper. Doch die „Generation Internet“ ergötzt sich an Youtube-Videos seiner Aktivitäten und tritt einen Hype um seine Person los. Während Dave noch immer der unscheinbare Schüler ist, avanciert sein Alter Ego zum Medienstar. Das erzeugt schließlich auch die Aufmerksamkeit des ehemaligen Polizisten Macready (Nicolas Cage, „Bringing Out the Dead“) und seiner gerade einmal elfjährigen Tochter Mindy (Chloë Grace Moretz, „Amityville Horror - Eine wahre Geschichte“), die ein tatsächliches maskiertes Helden-Duo bilden und als „Big Daddy“ und „Hit Girl“ sportlich topfit und bis an die Zähne bewaffnet daran arbeiten, die Schmach, die Macready seine Frau und seinen Job gekostet hat, zu sühnen. Doch auch der höchst kriminelle Gangsterboss D'Amico (Mark Strong, „Oliver Twist“) wird auf „Kick-Ass“ aufmerksam, sieht durch ihn seine Geschäfte gefährdet und ist noch einmal ein ganz anderes Kaliber als kleinkriminelle Strauchdiebe auf der Straße. Er setzt seinen Sohn (Christopher Mintz-Plasse, „Year One - Aller Anfang ist schwer“) als vermeintlichen Helden „Red Mist“ auf „Kick-Ass“ an, wodurch Dave in ernsthafte Schwierigkeiten und schließlich in Lebensgefahr gerät…

Mit frecher, unverblümter Sprache führt Vaughn in seine Geschichte ein, die schon früh überraschend brutal ausfällt und einen fast schon zynischen, schwarzhumorigen Umgang mit dem Tod von Menschen etabliert. Wer familiengerechte, saubere Superhelden-Unterhaltung erwartet, wirft bereits hier das Handtuch, alle anderen bleiben dran und lassen sich vom angenehm unvorhersehbaren Handlungsverlauf immer wieder aufs Neue überraschen. „Big Daddy“ und „Hit Girl“ erweisen sich als waffenvernarrter Vater und um ihre unbeschwerte Kindheit beraubte Tochter, die zur kaltblütigen Killermaschine ausgebildet wurde. Beide hegen demnach ein bizarres, äußerst fragwürdigen Verhältnis zueinander und gehen mit höchster Brutalität gegen Verbrecher vor. Teil des parodistischen Ansatzes des Films ist es, dass Vaughn dies so stehen lässt und mit keiner Silbe verurteilt, womit er sich ein gutes Stück weit satirisch mit klassischen Kostümhelden-Motiven wie „Batman & Robin“ auseinandersetzt. Damit verfolgt „Kick-Ass“ den Ansatz, nicht nur auf die Komik zu setzen, die damit einhergeht, dass ein frustrierter Jugendlicher ohne besondere Fähigkeiten in ein Ganzkörperkostüm schlüpft und sich ordentlich eins auf die Glocke hauen lässt, sondern auch die Umtriebe tatsächlicher ausgebildeter „Helden“ zu persiflieren – was darauf hinaus läuft, dass in Hochglanzoptik ein Menschenleben nach dem anderen ausgelöscht wird, das CGI-Blut nur so spritzt und sich unweigerlich Fragen nach der Rechtfertigung für diese Art der Selbstjustiz stellt, ohne dass der Film diese ausformulieren und dafür sein oberflächlich betrachtet immer härter werdendes, heillos übertriebenes und explosives Action-Spektakel unterbrechen würde.

Aufgepeppt wird die Sause durch reichlich visuelle Spielereien und Effekte wie beispielsweise der Schießerei mit Nachtsichtbrille in Ego-Shooter-Perspektive und anderer kreativer Elemente, um sich auch ja das dauerhafte Interesse eines reizüberfluteten adoleszenten Publikums zu sichern. Aber auch erwachsene Zuschauer dürften großen Gefallen am überspitzt-übertriebenen Overkill haben, den der Film in mehrerer Hinsicht bietet – zumindest sofern ein Mindestmaß an Vertrautheit mit den hier verarbeiteten Versatzstücken und Klischees aus zahlreichen Comic-Reihen gegeben ist. Einen leichten Durchhänger leistet sich der Film, nachdem es zu einem tragischen Todesfall auf Seiten der „Guten“ gekommen ist. Die Luft ist kurz ein bisschen raus – und wie sollte das vorausgegangene Massaker noch zu übertrumpfen sein? Vaughn entscheidet sich, „Kick-Ass“ einen nun vollends abwegigen und ins Reich der Fantasie gehörenden Showdown zu spendieren, der jedoch nicht mehr und nicht weniger als eine wahre Metzelorgie wird. Der Soundtrack zitiert derweil Ennio Morricones Komposition aus „Für ein paar Dollar mehr“ und macht auch ansonsten sehr viel Spaß mit seinem bunten Streifzug von Mozart über Rock’n’Roll, Glam und Punk bis Danny Elfman. Viel mehr verraten möchte ich über „Kick-Ass“ gar nicht, um nicht die vielen kleinen und größeren Überraschungen, die er zu bieten hat, zu untergraben. Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass er von den Comicvorlagen mitunter stark abweichen soll und das Konzept seiner wohlgestreuten Brüche mit Genrekonventionen und auch manch Tabu letztlich nicht in voller Konsequenz durchhält, es am Ende eben gut mit seinem Publikum meint, statt zu den ganz fiesen Magenschwingern auszuholen – als einen solchen dürften diejenigen, die mit der Erwartungshaltung einer „herkömmlichen“ Superhelden-Verfilmung oder einer seichte Komödie an diesen Film herangegangen sind, „Kick-Ass“ ohnehin schon empfinden. Und wer am Ende dann doch gar nichts von all dem versteht oder verstehen will, bekommt immerhin eine riesige Action-Party und gut aufgelegte Schauspieler geboten, von denen ausgerechnet ein kleines Mädchen alle an die Wand spielt (und abdrückt). Und wer’s noch konsequenter, dafür dreckiger und undergroundiger mag, greift zum ungefähr zeitgleich entstandenen „Super“.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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The Toxic Avenger
Melvin ist klein, dämlich, nervig und überhaupt ein ziemlicher Looser. Er ist Putzhilfe im "Health Club", einem Fitnesscenter in Tromaville, wo er von sadistischen Jugendlichen Tag für Tag geärgert wird. Eines Tages geht das Theater dann doch etwas zu weit und führt dazu, dass Melvin kopfüber in ein Fass mit radioaktiv verseuchtem Giftmüll fällt. Daraufhin mutiert Melvin zu Toxie, dem neuen Superhelden, der in Tromaville den Armen und Schwachen hilft und die Bösen verprügelt. So findet Toxie schließlich, obwohl er arg verunstaltet ist, eine (blinde) Freundin. Heile Welt? Nicht ganz: Der fiese Bürgermeister hat sich das feste Ziel gesetzt, das "Monster" zusammen mit der Armee umzunieten...
„Zuerst reiß ich dir deinen Arm ab und dann hau ich dir mit deinem Arm wat vor die Schnauze!“ (Die Kassierer)

„The Toxic Avenger“ aus dem Jahre 1984, in Deutschland seinerzeit stark gekürzt als „Atomic Hero“ vermarktet, persifliert in einem aberwitzigen Splatter-Spektakel sowohl den Körperkult und Fitness-Wahn der 1980er als auch den Superhelden-Mythos und machte mit seinem überraschenden Erfolg die US-amerikanische Low-Budget-Trash-Schmiede „Troma“ populär. Regie führten die Troma-Regisseure Lloyd Kaufman und Michael Herz.

Der schmächtige und trottelige Verlierer Melvin (Mark Torgl) arbeitet als Putzmann im Tromaviller Fitnesscenter und sieht sich dort permanent dem Spott der schönen und erfolgreichen Gewinnertypen ausgeliefert. Die sadistischen Streiche führen eines Tages so weit, dass der Ärmste kopfüber in radioaktiven Giftmüll stürzt, der in offenen Fässern durch die Straßen gekarrt wird. Das hat zur Folge, dass Melvin zum Toxic Avenger (Mitch Cohen, „Clerks - Die Ladenhüter“) mutiert, einem furchtbar entstellten, jedoch superstarken Superhelden, der fortan für Ordnung auf den Straßen sorgt, eine blinde Freundin findet und sich vor dem korrupten Bürgermeister (Pat Ryan, „Street Trash“) in Acht nehmen muss, der schließlich gar die Nationalgarde auf ihn hetzt…

„The Toxic Avenger“ ist Kult – das weiß jeder. Diese supertrashige Farce ist augenscheinlich billig, will auch genauso wirken, setzt auf einen hoffnungslos überdrehten und überzeichneten Humor und durchbricht nicht nur mit seinen großzügigen Splatterszenen jede Grenze des guten Geschmacks. Das beginnt mit einem fast die gesamte Eröffnungssequenz durchdudelnden, unheimlich nervigen Pop-Song, setzt sich fort in zu jeder Gelegenheit eingestreuten Oben-ohne-Mädels sowie Dialogen à la „Sie ist nur zwölf Jahre alt und sie kostet auch nur zwölf Dollar!“ und manifestiert sich in erschossenen Blindenhunden und zusammengeschlagenen Rentnerinnen sowie in zahlreichen Splatter-Szenen, wenn beispielsweise zu Beginn die Fitness-Prolls für ein perfides Punktspiel absichtlich einen Jungen totfahren und die Kamera voll draufhält. Gut, dass es mit unserem „Toxie“, wie ihn die Bewohner Tromavilles liebevoll nennen, jemanden gibt, der als moralische Instanz fungiert und bewaffnet mit einem Wischmopp zum Helfer in allen Lebenslagen wird...

Nach seiner mittels wirklich guter Masken- und Spezialeffekt-Arbeit zelebrierten Mutation ist Melvin nicht länger das von allen als Fußabtreter missbrauchte Muttersöhnchen, sondern ein humanoides Monstrum mit gutem Herzen, das auf die Müllkippe zieht. Längere Zeit zeigen ihn Herz und Kaufman ausschließlich von hinten, um ein wenig mit der Frage nach seinem finalen Äußeren Spannung zu erzeugen. Das ist ein ehrenwerter Versuch, denn klassische Spannung ist natürlich nicht Thema dieses Streifens. Stattdessen setzt man auf viele alberne Gags, auf Slapstick (auf Kosten Sehbehinderter) und köstliche Szenen aus dem Liebesleben Toxies. Ein paar Dollar investierte man darüber hinaus in actionreiche Autostunts. Zur eingangs erwähnten thematischen Ausrichtung gesellen sich schließlich noch die industrielle Umweltverschmutzung, die der Film aufs Korn nimmt – selbstverständlich auf plakativste Weise – und ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Obrigkeit, die mit der Industrie gemeinsame Sache macht und sich einen feuchten Kehricht um die Interessen der einfachen Bevölkerung schert. Apropos plakativ: Fast sämtliche Darsteller betreiben permanentes Overacting, allen voran Mark Torgl als Melvin, der quasi die Definition des Overactings mit viel Mut zur Selbstverballhornung verkörpert. Ausgebildeter Schauspieler ist hier wohl kaum jemand und das macht schlicht überhaupt nichts. Etwas schwerer wiegt es da, dass die Einleitung des Finales ein bisschen langwierig geriert und der Soundtrack sich nach seinem schwachen Einstieg kaum steigert und belanglosen ‘80er-Pop abspult.

Nichtsdestotrotz ist „The Toxic Avenger“ aber zweifelsohne ein grenzüberschreitendes Feuerwerk des schlechten Geschmacks und mit seinem anarchischen Humor sowie dem Pfeifen auf sämtliche Konventionen und die selbstzensierende Schere im Kopf ein herausragendes Beispiel für freiwilligen, satirischen Schmodder-Trash, der trotz allem oder gerade deshalb ein weit über Insider-Kreise hinausgehendes Publikum fand. Beseelt vom Erfolg spendierte „Troma“ bis dato drei Fortsetzungen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Dealer Connection – Die Straße des Heroins
Nachdem der Drogenfahnder Fabio (Fabio Testi) von einem Job aus Asien zurückkehrt erhält er in Rom bereits seinen nächsten Auftrag. Undercover soll er sich in die Bande des mächtigen Drogenbarons Gianni (Joshua Sinclair) einschleusen. Doch nicht alles läuft glatt.
„Süchtige und Nutten sind alle gleich!“

Mit „Tote Zeugen singen nicht“ und „Ein Mann schlägt zurück“ mit Franco Nero in der jeweiligen Hauptrolle beteiligte sich auch der italienische Regisseur Enzo G. Castellari erfolgreich am Poliziesco-Genre. 1976 drehte er seinen Spät-Western „Keoma – Das Lied des Todes“ ebenfalls mit Nero in der Hauptrolle und wählte für seinen actionreichen Kriminalthriller „Racket“ aus dem gleichen Jahr Fabio Testi („Das Geheimnis der grünen Stecknadel“) als Star der Produktion, der sodann auch im 1977 erschienenen weiteren Poliziesco „Dealer Connection – Die Straße des Heroins“ die Hauptrolle bekleiden durfte.

Rom entpuppt sich immer mehr als Drogenumschlagsplatz auf der internationalen Achse des Heroingeschäfts. Der britische Interpol-Kommissar Mike Hamilton (David Hemmings, „Profondo Rosso“) wird nach Rom geschickt, um die großen Fische mit Hilfe des erfahrenen Undercover-Polizisten Fabio (Fabio Testi) dingfest zu machen. Fabio versucht, sich in die Verbrecherbande des Drogenbosses Gianni (Joshua Sinclair, „Wenn Du krepierst - lebe ich“) einzuschleusen und gerät dabei in Lebensgefahr…

„Knie nieder und friss Staub!“

Direkt zu Beginn springt „Dealer Connection“ von einem Drehort zum anderen zwischen Rom, New York, Kolumbien und Hongkong, währenddessen sich Castellari auch gleich einen Cameo-Auftritt genehmigt. Das soll anscheinend die Zusammenhänge des internationalen Drogengeschäfts verdeutlichen, ist im Prinzip aber nicht von weiterer Bedeutung. Dass Fabio, den Testi unrasiert und im Jeans-Outfit betont leger und verwegen gibt, Polizist ist oder zumindest von der Polizei bezahlt wird, ist schon früh zu erahnen, dennoch gönnt sich „Dealer Connection“ sehr viel Zeit, bis er dies offen ausspricht. Bis dahin habe ich den Eindruck, dass Castellari sein Publikum durch eine unnötig komplizierte Erzählweise vorsätzlich verwirren möchte, was meines Erachtens nicht sonderlich geglückt ist. Als viel interessanter erweisen sich die zahlreichen, zum Teil sicherlich dem Entstehungsjahr, zum Teil Castellaris Bestreben, einen Actionfilm statt eines Sozialdramas zu drehen, geschuldeten, oberflächlichen bis naiven Auseinandersetzungen mit dem Drogenkonsum und dessen Folgen aus Opfersicht, der plakativ alles Mögliche, was sensationslüstern durch die Medien kolportiert wurde, aufgreift und verarbeitet – sei es ein die letzten Krümel von der Klobrille leckender Junkie, sei es die verzweifelte Mutter, die ihrer Tochter einen Schuss setzt und konstatiert: „Du kannst ja nix dafür!“ Mit eigentlich gar nichts von alldem hat wiederum eine erotische lesbische Sexszene zwischen Sherry Buchanan („Der Tod trägt schwarzes Leder“) und einer weiteren jungen Dame zu tun…

Wie dem auch sei, es dauert eine ganze Weile, bis Action-Spezialist Castellari hält, was das Wissen um seine Position auf dem Regiesessel verspricht und wilde Schießereien eine Reihe aufwändiger Stunts und Actionszenen einleiten. Unterbrochen durch ein paar Albernheiten zwischendurch (Hemmings als Busengrabscher – ich bin entsetzt!) wird schließlich mit Beginn des letzten Drittels (!) bereits zum Finale geblasen, das weitestgehend auf Handlung verzichtet, sich zunächst trotz des bleihaltigen Argumentaustausch reichlich zieht, dann aber doch noch mal so richtig aufdreht und manch irren Stunt bietet. Neben den üblichen Prügeleien, Schießereien und Autocrashs ist mir besonders die meines Erachtens besonders starke und gelungene Szene auf einer Rolltreppe im Gedächtnis geblieben. Der Showdown findet sogar in der Luft statt, wobei Fabios Sportflieger ihn ganz schön weit trägt – dafür, dass es angeblich keinen Treibstoff hat… Schön finde ich, dass die Spur des Drogenrings auch zu Weißkitteln im Drogenlabor führt, sich das Drehbuch demnach nicht auf die üblichen Klischees vom Straßendealer und Zigarre rauchenden dekadenten Drogenbaron beschränkt. Begleitet wird „Dealer Connection“ von einem lässigen, pulsierenden mal Hi-Hat-, mal Bass-lastigen Percussions- und Orgel-Soundtrack von niemand Geringerem als den Prog-Score-Experten „Goblin“, der ganz klar zu den Stärken des Films zählt.

Die exploitative Herangehensweise an das Drogenthema treibt unterm Strich einige bizarre Blüten, ist aber nicht das Problem des Films. Als enttäuschend erweist sich vielmehr, dass man erschreckend wenig aus der anfänglich suggerierten Vielzahl an Drehorten macht und die beachtliche Action schlecht über den Film verteilt, sie nach dramaturgisch und erzählerisch nicht sonderlich geglückten zwei Dritteln geballt im letzten Teil abfeuert und dabei auch schon mal seine Darsteller vergisst: Testi ist allzeit präsent, doch aus Namen wie David Hemmings, Massimo Vanni („The Riffs – Die Gewalt sind wir“) und Romano Puppo („Fireflash – Der Tag nach dem Ende“) hätte man doch mehr herausholen können. Dank seines Italo-Flairs inkl. einiger markiger Sprüche bleibt unterm Strich ein leicht überdurchschnittlicher, spekulativer Action-Poliziesco, der kein Vergleich ist zu Castellaris wirklichen Klassikern und mit 5,5 von 10 Fixbestecken auskommen muss.
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Die Affäre Aldo Moro
Wie jeden Tag wird Aldo Moro (Gian Maria Volonté) am Morgen von seiner Eskorte abgeholt, um ihn im gepanzerten Wagen zu seinem Arbeitsplatz zu bringen. An diesem Tag steht ihm allerdings eine besondere Aufgabe bevor, denn es soll endlich zu einer Regierungs- Zusammenarbeit zwischen der christlich-konservativen Partei und der kommunistischen Partei unter seinem Vorsitz kommen - ein Kompromiss, an dem er schon lange gearbeitet hatte und den er gegen erheblichen Widerstand vor allem in seiner Partei durchsetzte. Doch Aldo Moro kommt nicht an seinem Ziel an. Die "Roten Brigaden" hatten die möglichen Fahrrouten mit als Polizisten verkleideten Terroristen unter ihre Kontrolle gebracht, provozieren einen Auffahrunfall, erschiessen seine Eskorte und entführen ihn. Er wird in ein Versteck gebracht, dass für lange Zeit sein Gefängnis sein wird...
„Wenn die Macht nicht den Menschen dient, nicht von Idealen getragen wird, dann wird jede Macht grausam und unmenschlich!“ (Aldo Moro)

Über die deutsche „Rote-Armee-Fraktion“ hört man häufig, dass sie unabhängig vom Erfolg ihres Tuns und der moralischen Rechtfertigung „nie die Falschen getroffen“ habe, und angesichts Personalien wie der Hanns Martin Schleyers beispielsweise mag das zunächst zutreffend erscheinen; anders stellt es sich bei näherer Betrachtung wiederum beim Attentat auf Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen dar, wobei der Fall nie aufgeklärt wurde und bis heute starke Zweifel an der Verantwortlichkeit der RAF bestehen. Bei ihren „Brüdern im Geiste“, der italienischen „Brigate Rosse“ fiele eine solche Aussage ungeachtet des ihr innewohnenden desillusionierten Zynismus noch wesentlich schwerer, denn diese soll ausgerechnet zu einem Zeitpunkt den amtierenden Ministerpräsidenten der italienischen Christdemokraten, Aldo Moro, umgebracht haben, als dieser die Zusammenarbeit mit der PCI, der kommunistischen Partei, anstrebte und den Austritt aus der NATO befürwortete. Dies geschah im Jahre 1978 und ist Gegenstand des Polit-Dramas „Die Affäre Aldo Moro“ des italienischen Regisseurs Giuseppe Ferrara („Die hundert Tage von Palermo“) aus dem Jahre 1986.

„Wir haben mit dem Angriff auf den Staat begonnen!“

Eine Texttafel informiert zu Beginn des Films grob zusammengefasst über den Hintergrund der folgenden Handlung, die eindringlich den Überfall auf Aldo Moro und seine Begleitung unter inflationärem Maschinengewehrgebrauch zeigt. Moro wird von der „Brigate Rosse“ entführt, wichtige Unterlagen werden aus Moros Autos entwendet. Von nun an wird sich Moro 55 Tage lang in der Gewalt der Terroristen befinden und sich dort vor einem selbsternannten „Volksgerichtshof“ verantworten müssen. Angereichert mit Originalfilmmaterial, rekonstruiert Ferrara diese Wochen, die letztlich die als „Historischen Kompromiss“ bezeichnete Kollaboration der „Democrazia Cristiana“ mit der PCI durchkreuzte und die Regierung in eine tiefe Krise stürzte. Vorsichtig und mit betonter Sachlichkeit analysiert der ehemalige Journalist Ferrara das Verhalten und die Positionen diverser einflussreicher Amts- und Würdenträger zur „Affäre Aldo Moro“ und benennt Ungereimtheiten, ohne vorschnelle Schlüsse zu ziehen, Schuldige zu benennen oder zu suggerieren, sie selbst vollumfassend durchschauen zu können. So findet die Polizei angeblich die Straße nicht, in der laut entsprechender Hinweise Moro gefangen gehalten werden soll, so wird Moro vorschnell für tot erklärt, doch das Bekennerschreiben stammt gar nicht von der „Brigate Rosse“ und, und das ist entscheidend, stellt sich die Politik selbst dann noch quer, als die Terroristen mit ihren Forderungen immer weiter heruntergegangen sind und lediglich noch die Freilassung einer schwerkranken „Brigadistin“ im Austausch gegen Moro fordern. Die sich selbst wenig bescheiden als „revolutionäre Avantgarde“ betrachtende Terrororganisation sieht sich, möchte sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren, gerade gezwungen, Moros Hinrichtung zu beschließen, suggeriert ihm, ihn freizulassen und erschießt ihn schließlich am 9. Mai 1978 in Rom.

Ausnahmeschauspieler Gian Maria Volonté („Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“) spielt Moro als gefassten, freundlichen, gläubigen Mann, der sich vernunftbetont mit seinen Entführern auseinandersetzt und sich schnell mit seiner Situation arrangiert. In Gesprächen politischen Inhalts erweisen sich die „Brigadisten“ nicht nur als manisch, sondern auch als zwar gekonnt Reden schwingend im marxistischen Klassenkampfduktus, jedoch damit nur ihre Unfähigkeit kaschierend, komplexe Zusammenhänge zu überblicken und zu begreifen – und somit letztlich als realitätsfremde Dogmatiker. Das Prinzip der innerhalb der sog. „Strategie der Spannung“ zum Zuge gekommenen Instrumentalisierung linker Gruppierungen für reaktionäre Zwecke findet erstmals Erwähnung, als die „Brigate Rosse“ beteuert, nichts mit einem ihnen zugeschriebenen Bombenattentat zu tun gehabt zu haben und sich Moro daraufhin an einen Putschversuch aus dem Jahre 1964 gegen seine Mitte-Links-Regierung erinnert. Ferrara lässt Moro nun darüber sinnieren, wer aus welchem Grunde ein Interesse daran haben könnte, dass er nicht lebend aus dieser Sache herauskommt – und es fallen ihm eine Menge ein. Ohne direkte Schuldzuweisungen auszusprechen, gelingt es Ferrara, den Zuschauer dafür zu sensibilisieren, wie manch öffentlich verurteilte terroristische Aktivität insgeheim von genau jenen Kräften begrüßt wird, die die Terroristen zu bekämpfen vorgeben, ihnen jedoch in die Hände spielen und sich zu ihren Erfüllungsgehilfen machen.

„Die Affäre Aldo Moro“ lebt viel von Andeutungen, der Zuschauer wird zum Mitdenken und dazu aufgefordert, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Nie lehnt sich Ferrara zu weit aus dem Fenster, er bleibt seiner journalistischen Sorgfalt verpflichtet. Faszinierend ist, wie es ihm gelingt, den dialoglastigen Stoff mit bekanntem Ausgang zu einer hochspannenden Angelegenheit zu machen. Der Film setzt ein gewisses Vorwissen voraus, ist aber durchaus auch geeignet, den unbedarfteren Zuschauer „anzufixen“ und zu eigenen Recherchen zu motivieren. Dabei könnte dann zum Beispiel herauskommen, wie die vorsichtig formulierten Thesen später untermauert wurden: So brachte bereits unmittelbar nach Moros Tod der Journalist Carmien Pecorelli diesen mit der sog. „Strategie der Spannung“ in Zusammenhang sowie mit einer NATO/CIA-Geheimorganisation, die erst 1990 unter dem Namen „Gladio“ aufgedeckt wurde. Moro hatte Kriegspläne der NATO ausgeplaudert und sich ihnen kritisch gegenüber geäußert. Pecorelli wurde nicht einmal ein Jahr nach Moros Tod ebenfalls ermordet. Eine Untersuchungskommission des italienischen Senats kam zu dem Schluss, dass die Geheimdienste in die Entführung involviert waren. Der US-Amerikaner Steve Pieczenik hatte den Krisenstab während der Entführung als Vertreter der US-Regierung beraten und Jahrzehnte später ausgesagt, dass man bewusst die „Brigate Rosse“ zum Töten Aldo Moros instrumentalisiert hätte, um die Kommunisten von der Regierungsmacht fernzuhalten. Und Historiker Daniele Ganser gab zu Protokoll, dass US-Außenminister Kissinger Moro dringend davon abgeraten hätte, die Kommunisten an der Regierung zu beteiligen und ihm sagte, dass er dies bereuen würde. Moro hätte an seinen Plänen festgehalten und wäre auf dem Weg zur Sitzung, während der er sie öffentlich verkünden wollte, entführt worden.

So ergibt sich abermals ein alarmierendes Bild davon, wie außerparlamentarischer Terrorismus und Staatsterrorismus eine unheilige Allianz eingehen. Giuseppe Ferrara ist einer von mehreren mutigen europäischen Filmemachern, die schon früh auf solche und ähnliche Zusammenhänge bis hin zu handfesten Komplotten hinwiesen, die genügend politischen Zündstoff in sich tragen, um die westlichen Demokratien letztlich als Scheingebilde zu entlarven und ihre Souveränität in Frage zu stellen.

(Beim Verfassen dieser Filmkritik habe ich für Hintergrundinformationen auf die deutsche Wikipedia zurückgegriffen und hoffentlich historisch korrekt wiedergegeben.)
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Meine nächste Kritik widme ich Onkel Joe ;)

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Der Joker
Mehrere Gewaltverbechen weisen eine Gemeinsamkeit auf: An allen Tatorten wurde eine Ass-Spielkarte zurückgelassen woraus sich auf den gleichen Täter schließen lässt . Kommissar Jan Bogdan (Peter Maffay) von der Hamburger Polizei nimmt daraufhin die Ermittlungen gegen den Killer auf und begibt sich damit in größte Gefahr.
„Drogen, Prostitution, Kleider!“

Der österreichische „Kottan ermittelt“-Regisseur Peter Patzak drehte 1987 in deutscher Produktion den in Hamburg spielenden Krimi/Thriller „Der Joker“ mit Schlagerrocker Peter Maffay in der Hauptrolle.

Das Hamburger Drogen- und Rotlichtmilieu wird von einer Mordserie erschüttert. Allen gemein ist, dass der Täter stets eine Ass-Spielkarte am Tatort zurücklässt. Jan Bogdan (Peter Maffay) und sein Kollege Toni (Massimo Ghini, „Sie sind unter uns!“), der eine heimliche Affäre zu Bogdans Freundin Daniela (Tahnee Welch, „Cocoon“) unterhält, leiten die Ermittlungen der Hamburger Mordkommission. Als sich der Vater Danielas und Betreiber des italienischen Restaurants „Santini“ weigert, auf die unverschämten Forderungen von Schutzgelderpressern einzugehen, explodiert dort eine Bombe, die Bogdan schwer verletzt und seine Beine lähmt. An den Rollstuhl gefesselt sinnt Bogdan auf Rache. Überraschende Unterstützung bekommt er dabei von der Unterwelt-Größe Dr. Proper (Michael York, „Austin Powers - Das Schärfste, was ihre Majestät zu bieten hat“), der ihn als Joker im perfiden Spiel der organisierten Kriminalität einsetzt…

„Bring mir ein Paar neue Beine!“

Patzak beginnt seinen Film mit Fahrten durch den Hamburger Kiez und die Hafenstraße zu Hausbesetzer-Zeiten. Kurz darauf laufen die ersten ‘80er-Jogginanzüge durchs Bild, doch mit seiner Sexszene mit einer rückentätowierten Dame findet man schnell zur Ästhetik zurück. Begleitet von einem Pop-Rock-Soundtrack von Tony Carey schmeichelt sich „Der Joker“ mit einigen wirklich gelungenen Bildkompositionen beim Publikum ein und macht den Film schmackhaft. Dieser wurde sehr auf US-amerikanisch gebürstet und man kann nur rätseln, weshalb man internationalen Schauspielern wie Michael York, Tahnee Welch oder Elliott Gould („American History X“) und verdienten Einheimischen wie Armin Mueller-Stahl („Fünf Patronenhülsen“) oder Monica Bleibtreu („Lola rennt“) nun ausgerechnet den schauspielunerfahrenen Maffay als Hauptrolle vorsetzte. Dieser gibt den knurrigen, coolen, letztlich aber vom Großstadt-Moloch desillusionierten Polizisten in einer Mischung aus „Tatort“-Schimanski und US-Kino-Antihelden, wurde als das Gegenteil eines Sonnyboys mimisch vermutlich nicht vor allzu große Herausforderungen gestellt und macht in den actionlastigeren Szenen gar keine so schlechte Figur. In den betont auf cool, lässig und abgeklärt getrimmten Dialogen jedoch spricht er fast keine Zeile am Stück, sondern erlaubt sich auffallend lange Sprechpausen, die vermutlich bedeutungsschwanger ausfallen sollen, in ihrem inflationären Gebrauch aber nicht nur häufig das Verständnis erschweren, sondern auch unfreiwillig komisch wirken.

Dabei ist die Geschichte durchaus interessant konstruiert worden und benutzt das Hamburger Milieu zielführend für einen Neo-noir-Krimi mit viel wohligem ‘80er-Flair mit seinen zigarettendunstblau-kalten Ausleuchtungen vieler Szenen, schönem Hamburger Lokalkolorit mit tollen, inzwischen historischen Bildern und einigen bizarren Einfällen (Stichworte „Pfeffer“, „Salz“ und Hundesalon). „Der Joker“ kommt ohne ausufernde Schießereien und Prügeleien aus, setzt stattdessen hier und da auf ein paar Explosionen und Blechschäden. Ansonsten dominiert die düstere Stimmung, unterbrochen von einem großen Hoffnungsschimmer für Bogdan, der jedoch gerade einmal bis zum pessimistischen und ernüchternden Ende reicht. Patzaks Film stellt die Polizei als letztlich ohnmächtige Marionetten des organisierten Verbrechens dar, die faule Kompromisse eingeht, sich benutzen lässt, regelmäßig in Lebensgefahr gerät und darüber im Privatleben zerbricht. Die dann und wann durchschimmernde Romantik wirkt wie ein zartes Pflänzchen, das sich durch den Asphalt bricht und in einem Umfeld des verzweifelten Gossen-Hedonismus zu überleben versucht (beides geht mit einem gewissen Erotik-Faktor einher). Dem Anspruch an seine Ernsthaftigkeit kann „Der Joker“ jedoch wie bereits angedeutet nicht durchgehend gerecht werden, immer wieder wirkt er zu gewollt und erzwungen und schrammt mit Maffays Aussprache sowie der einen oder anderen weithergeholten Idee auch gern mal nur knapp am Trash vorbei – ach, was sag ich, watet mindestens knöcheltief durch, amüsiert damit nicht zu knapp. Für Freunde des etwas abseitigen deutschen Genrefilms oder des speziellen ‘80er-Noir könnte „Der Joker“ aber ein unterhaltsames und charmantes Zeitdokument sein, das sich meines Erachtens aufgrund der vermittelten Stimmung besonders gut an einem verkaterten Sonntagabend macht und bitte als Peter-Patzak-, nicht Peter-Maffay-Film betrachtet werden sollte.

P.S.: Als geradezu visionär ist der Plan des Obergangsters zu begreifen, vom Drogen- ins Immobiliengeschäft umzusatteln… Ein schöner Seitenhieb, insbesondere vor dem Hintergrund des damaligen Häuserkampfes und der seit Jahren grassierenden Gentrifizierung innerhalb Hamburgs.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Terminator
In ferner Zukunft herrscht ein erbitterter Krieg der Menschen gegen die außer Kontrolle geratenen Maschinen. Um die Existenz des Rebellenanführers der Menschen - John Connor - ein für allemal auszulöschen schicken die Maschinen einen Kampfroboter (Arnold Schwarzenegger) in das Kalifornien der 1980er Jahre zurück. Er hat die Aufgabe John Connors Mutter (Linda Hamilton) ausfindig zu machen, sie zu töten und damit den noch ungeborenen Sohn aus dem Weg zu räumen. Doch auch die Rebellen schicken ihren besten Kämpfer Kyle Reese (Michael Biehn), der genau das verhindern soll. Dem scheinbar unzerstörbaren und bis an die Zähne bewaffneten Cyborg unterlegen, nehmen Sarah und Kyle den Kampf Mensch gegen Maschine auf...
„Die Maschinen erhoben sich aus der Asche des nuklearen Feuers!“

Nachdem der kanadische Ex-Roger-Corman-Schüler James Cameron sich im Zuge seines Spielfilm-Debüts „Piranha II – Fliegende Killer“ mit Produzent Ovidio G. Assonitis überworfen und einen herben Flop erlitten hatte, verfasste er im Jahre 1982 das Drehbuch für „Terminator“ und verkaufte es an die Produzentin Gale Anne Hurd für einen symbolischen Dollar unter der Bedingung, selbst Regie führen zu dürfen. 1984 schließlich war es dann endlich soweit und die Dreharbeiten zum Endzeit-Science-Fiction-Actioner konnten beginnen. Gedreht für nur 6,4 Millionen Dollar, wurde „Terminator“ ein Überraschungserfolg und zum Kult-B-Movie, der den Durchbruch für Cameron bedeutete und Hauptdarsteller Arnold Schwarzenegger („Conan – Der Barbar“) zu einem weiteren Sprung auf der Karriereleiter verhalf.

Im Jahre 2029 ist die Menschheit fast vollständig von einem Atomkrieg ausgelöscht worden und die Maschinen haben die Herrschaft erlangt. Diese wurden einst selbst von den Menschen entwickelt, richteten sich jedoch irgendwann gegen ihre Schöpfer. Die übriggebliebenen Menschen wurden von den Maschinen versklavt – abgesehen von einer Widerstandsgruppe unter Führung John Connors, die kurz vor einem entscheidenden Schlag gegen die Allmacht der Maschinen steht. Aus diesem Grunde entsenden die Maschinen eine Killermaschine, den Terminator T-800, in das Jahr 1984, wo der Android im menschlichen Antlitz John Connors Mutter Sarah (Linda Hamilton, „Kinder des Zorns“) töten soll, damit sie niemals ihren Sohn zur Welt wird bringen können. Doch auch die Rebellen sind in der Lage, jemanden zum Schutze Sarahs in die Vergangenheit zu schicken: Der Soldat Kyle Reese (Michael Biehn, „Aliens – Die Rückkehr“) versucht, den Terminator aufzuhalten…

Camerons „Terminator“ wurde zum Kultobjekt nicht nur der 1980er und zum Startschuss eines erfolgreichen Franchises, das sich bis heute gut vermarkten lässt. Dabei hebt sich dieses Original stilistisch noch deutlich vom zigmillionenschweren Nachfolger ab und präsentiert sich als grimmige, düstere Dystopie, beginnend mit einem in beeindruckende Bilder getauchten Einblick in die postapokalyptische Zukunft im Prolog. Danach jedoch spielt der Film im Los Angeles des Jahres 1984 in Genrefilm-typischer Ästhetik jener Dekade, ungeschönt, mit Blick auf Hinterhöfe, dunkle Straßen und zwielichtige Etablissements, von Hochglanzoptik dankenswerterweise keine Spur. Irgendwo dort fällt Muskelprotz Schwarzenegger aus der Zukunft unter blauen Blitzen auf der Erde, vollkommen nackt. Ein freches Punk-Trio fügt sich in die beschriebene Ästhetik des Films ein und wird prompt seiner Kleidung beraubt, in die sich fortan der Terminator hüllt. Das besorgt ein wenig augenzwinkernden Humor und komplettiert gleichzeitig das bekannte martialische Erscheinungsbild des fälschlicherweise im Film als Cyborg bezeichneten Androiden. Seine Grundausstattung an Schießwerk findet er beim lokalen Waffenhändler, der übrigens von niemand Geringerem als Dick Miller („Gremlins – Kleine Monster“) gespielt wird.

Nachdem man nun also den Terminator soweit ausgestattet hat, wagt Cameron einen weiteren Blick in die Zukunft – diesmal widmet er sich den Freiheitskämpfern und zeigt technisch begeisternde und inhaltlich beunruhigende Bilder wahrer Hightech-Action. Zurück in den ‘80ern erweist sich Schwarzenegger tatsächlich als gute Wahl für die Rolle, für die es vor allem um ein möglichst unemotionales Auftreten bei fast schon unmenschlicher Statur geht. Beides beherrscht der anabolikagestählte Österreicher, dem die Rolle nur wenige gesprochene Worte abverlangt, dessen hölzernes Spiel hier quasi Voraussetzung ist und dessen Mimik sich schlicht aufs Stoische zu beschränken hat. Manch einwandfrei umgesetzte Actionszene wird in Zeitlupe ausgekostet, Verfolgungsjagden im Straßenverkehr fordern Blechschäden, deftige Schießereien viele Tote. Nach einer in ihrer Konsequenz durchaus erschreckenden Disco-Schießerei wird dem Zuschauer per Point-of-View-Perspektive erstmals konkret gezeigt, dass es sich beim Terminator um eine Maschine handelt, was nur der Beginn einer Reihe faszinierender Spezialeffekte von Stan Winstons Team ist, die mit zunehmender Lädierung des dennoch beinahe unbesiegbaren Terminators zum Zuge kommen: Da ist der „offene Arm“ ebenso zu nennen wie das elektronische Auge, natürlich die allgemein großartige Maskenarbeit, ganz zu schweigen vom wandelnden Endoskelett im in den Horrorbereich tendierenden, starken Finale.

Doch der Film ist kein Technokrat, sondern hat auch seine menschliche Seite. Ein dritter Blick in die Zukunft offenbart schlimme Ghettos, Elend und Leid unter den letzten Menschen, während sich in der Gegenwart nach anfänglichem Misstrauen und Konfusionen Sarah und Kyle näherkommen und eine Sexszene miteinander haben dürfen, die Linda Hamilton oben ohne zeigt. Dabei sind diese Szenen kein unvermeidlicher Kitsch oder selbstzweckhafter Erotik-Faktor, sondern gehören ganz im Gegenteil unverzichtbar sowohl zur Dramaturgie als auch zur Handlung, wobei ich nicht weiter verraten möchte, was ohnehin jeder ahnt. Tatsächlich macht diese Szene den Film „rund“, was letztlich für das Drehbuch spricht. Ohnehin ist „Terminator“ fast so etwas wie Werbung für den Autoren-Genrefilm, denn zu kaum einem Zeitpunkt scheint es problematisch, dass Cameron Autor und Regisseur in Personalunion ist. Auch aus heutiger Sicht gibt es kaum Längen, aber auch keine Hektik trotz hohem Tempo, woran sicherlich auch Schnitter Mark Goldblatt seinen Anteil gehabt haben wird. Der von Hamilton & Co. kompetent geschauspielerte Film fiel mir, natürlich ohne in das sog. Großvaterparadoxon oder sonstige nerdige Hirnverknotungen einsteigen zu wollen, in mindestens einem Moment dennoch mit Logikproblemen auf, denn warum die Polizei bei Stürmung ihrer Wache lediglich auf den Körper des Terminators zielt, obwohl sie kurz zuvor erst Sarah erklärten, dass er wahrscheinlich eine schusssichere Weste trage, dürfte Camerons Geheimnis bleiben.

Obwohl mir als Schwarzenegger- und Cameron-Skeptiker „Terminator“ häufig überbewertet erscheint, beförderte meine jüngste Sichtung nach Jahrzehnten der Abstinenz einen wahrlich herausragend gemachten und zweifelsohne enorm einflussreichen Film zutage, der in aufwändiger Weise aus seinem zwar nicht mehr nach Low-Budget-Definition niedrigen, aber schon gar nicht in verschwenderischen Blockbuster-Dimensionen anzusiedelndem Budget das Maximum herausgeholt hat, den Zeitgeist der ‘80er sowohl aufgriff als auch mitprägte und ein betont ernsthaftes, aufsehenerregendes Spektakel in einer wohldosierten Mischung aus gängigen Science-Fiction-, düsteren Endzeitfilm-, explosiven Action- und sogar einigen Horror-Elementen bot. Brad Fiedels atmosphärische Synthesizer-Titelmelodie erkennt jeder Filmfreund sofort und in der richtigen Stimmung besitzt sie durchaus Gänsehaut-Potential. Doch wenngleich „Terminator“ den verantwortungsvollen Umgang mit technischen Innovationen mahnt und die Angst vor einem Atomkrieg – ein denk- und für Kunstschaffende dankbares Szenario zu Zeiten des Kalten Kriegs – nicht nur aufgreift, sondern regelrecht schürt, ist er dann doch auch ein Film für simple Gemüter, die gern muskulöse Männer mit dicken Wummen ballern sehen oder einem Waffenfetisch aufsitzen. Doch da Schwarzeneggers Gestalt hier in erster Linie noch Mittel zu Zweck ist und nicht der ganze Film um ihn herum konstruiert wurde, das Verhalten seiner Rolle zudem in keiner Weise als nachahmenswert verkauft werden soll, hat sich diese gelungene Alptraumvision um Objektivität bemühte 7,5 von 10 Telefonbucheinträgen zweifelsfrei verdient.
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buxtebrawler
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Terminator II – Tag der Abrechnung
Im Jahre 2029 tobt ein Krieg zwischen Menschen und Maschinen. Der Anführer ist John Connor. Die Maschinen schicken daraufhin erneut einen Terminator in die Vergangeheit. Diesmal, um John Connor im Kindesalter zu eliminieren. Geschickt wird ein T-1000, ein nahezu unzerstörbares Nachfolgemodel von einstigen Terminator, der dazu in der Lage ist, Form und Gestalt praktisch beliebig zu verändern. Erneut gelingt es dem Widerstand, einen Beschützer in die Vergangenheit zu schicken: einen Terminator Modell T-800, der an der Seite von John und seiner Mutter Sarah ums Überleben kämpfen muß.
„Hasta la vista, baby!“

Nach seiner actionreichen „Alien“-Fortsetzung „Aliens – Die Rückkehr“, die zu einem fulminanten Kreaturenspektakel geriet, und seinem End-‘80er-Beinahe-Flop „Abyss“ läutete der Kanadier James Cameron das neue Jahrzehnt mit der Fortsetzung seines 1984er Durchbruchs, dem Endzeit-Science-Fiction-Actioner „Terminator“, ein und präsentierte 1991 die offizielle Fortsetzung „Terminator II – Tag der Abrechnung“. US-amerikanisch-französisch koproduziert, wurde die erneut nach Camerons eigenem Drehbuch verfilmte Fortsetzung zum bis damals teuersten Film überhaupt – eventuell ein Grund, weshalb Cameron diesmal auf Nummer sicher ging?

Nachdem im Jahre 1984 Kyle Reese, der Widerstandskämpfer aus der Zukunft, die Ermordung Sarah Connors (Linda Hamilton) durch einen ebenfalls aus der Zukunft entsandten Terminator verhindern und damit die Chance aufrechterhalten konnte, dass Sarah den zukünftigen Rebellenführer John Connor zur Welt bringen wird, landet in den 1990ern erneut ein Terminator aus der Zukunft in Los Angeles. Diesmal handelt es sich um ein weiterentwickeltes Modell, das aus einer Flüssigmetalllegierung besteht und beliebig seine Form und Gestalt wandeln kann: ein T-1000 (Robert Patrick, „Jungle Force“). Dieser soll nun den mittlerweile geboren John Connor (Edward Furlong, „American History X“) im Kindesalter „terminieren“. Doch die Widerstandskämpfer aus der Zukunft konnten einen T-800 (Arnold Schwarzenegger), jenes Modell, das 1984 Jagd auf Sarah machte, zum Schutze Johns und seiner Mutter umprogrammieren und in den Kampf gegen den T-1000 schicken…

„Terminator II“ datiert den Nuklearkrieg auf 1997 und spielt angesichts des Alters John Connors in diesem Film ungefähr Mitte der 1990er, ausgehend vom Erscheinungsjahr also wenige Jahre in der Zukunft. Nach einer kurzen idyllischen Sequenz mit einem schaukelnden Kind wird diese jäh durchbrochen von einem überdimensionierten Dauerballerei-Science-Fiction-Action-Spektakel, während dem Sarah aus dem Off die Vorgeschichte in Erinnerung ruft. Brad Fiedels Synthesizer-Titelmelodie blieb identisch, ebenso Schwarzeneggers unbekleidetes Auftauchen aus der Zukunft unter viel Geblitze. Diesmal trifft es Rocker bzw. Biker, die er um ihre Kleidung entledigt. Alles anders ist indes verständlicherweise bei den Connors: Mutter Sarah sitzt in der Klapse, weil ihr niemand ihre Geschichte vom Terminator aus der Zukunft glaubt, Sohn John ist verhaltensauffällig und wurde bei Pflegeeltern untergebracht. Aus dem Soundtrack blökt Axl Rose „You Could Be Mine“.

Doch während bereits Camerons Vorgänger „Abyss“ auf revolutionäre Spezialeffekte wie Morphing und Computeranimationen setzte, was jedoch – passend zum Filminhalt – irgendwie unterging, betonte man diesmal besonders die für „Terminator II“ verwendete digitale Tricktechnik. Diese war seinerzeit spektakulär anzusehen, bot sie doch die Illusion absolut nahtloser Verflüssigungen und Verwandlungen des T-1000. Wohldosiert trugen sie zu großen Teilen zur Faszination des Films bei und setzten Maßstäbe. Ansonsten blieb man jedoch grundsätzlich beim bewährten Konzept und reizte Schießereien, Verfolgungsjagden und Stunts in einer wahnsinnig teuren Materialschlacht bis zum Äußersten aus – um jedoch gleichzeitig die Karte der Familienunterhaltung auszuspielen und sich im Gegensatz zum Original direkt an das Massenpublikum zu wenden. Und so krankt „Terminator II“ dann in seiner deutlich weniger düsteren Umsetzung u.a. daran, Muskelprotz Schwarzenegger als Sympathieträger mit rauer Schale und seine Roboterhaftigkeit als „Coolness“ verkaufen zu wollen. Der T-800 wird vermenschlicht und widerspricht damit komplett dem Konzept des Erstlings. Einen lächelnden Terminator möchte ich nicht sehen und einen Sprüche klopfenden nicht hören – schon gar nicht, wenn diese sich in den beknackten Mainstream-Humor auf niedrigem Niveau einreihen. Nicht minder geht einem Edward Furlong als neunmalkluger Junge auf den Geist – zumindest, sobald man aus der Pubertät heraus ist. Sein Auftreten ist ein Paradebeispiel für nervige Kinder in Spielfilmen, deren Rollen voller himmelschreiender Unwahrscheinlichkeiten konzipiert wurden. Doch die sich für Actionfilme interessierenden 11- bis 14-Jährigen Rotzlöffel wird’s begeistert und die Rolle in dieser Art dadurch ihre Berechtigung aus kommerzieller Sicht erfahren haben.

„Terminator II“ setzt selbst schwerstens auf Technik, um im gleichen Atemzug Angst vor Technologie zu schüren – insbesondere dann, wenn der T-800 nach einer guten Stunde (Kinofassung) aus dem Schraubenkästchen zu plaudern beginnt und erzählt, was genau in der Zukunft passieren wird. Das versieht die bekannte Hintergrundgeschichte mit viel mehr Details, erweitert sie, führt sie fort. Dies sind die Stärken des Films, denn die dystopische Geschichte weiß noch immer zu gefallen und zu verängstigen – vor allem dann, wenn nach etwas Leerlauf ganz unvermittelt heftigste und den Familienanspruch unterwandernde Bilder der nuklearen Apokalypse über dem Zuschauer hereinbrechen. In der Folge stellt der Film Fragen nach der moralischen Verantwortbarkeit von „Präventivschlägen“, bevor ihr Opfer die Gründe überhaupt erahnen kann, und lädt erneut zu nerdigen Zeitreise-Logik-Denkspielen ein. Zu meinem Bedauern scheint „Terminator II“ die Maxime zu vertreten, dass zum Durchsetzen seiner Ziele Gewalt und Zerstörung die effektivsten Möglichkeiten wären. Dieser von Cameron später in „True Lies“ auf die Spitze getriebenen und manch Actionfilm zum absoluten Stumpfsinn degradierenden Logik folgend werden geschlossene Türen einfach eingetreten und eben meist erst geschossen, dann gefragt. Das ist schade, denn es steht einerseits im Widerspruch zur zeitweise gar nicht einmal so simplen Handlung und andererseits hätte ich Cameron mehr Intelligenz zugetraut. Vermutlich handelt es sich auch hierbei schlicht um Zugeständnisse an das Massenpublikum, das man nicht überfordern möchte und ihm stattdessen einfach bietet, was es verlangt: einen schwerbewaffneten Muskelprotz, der Traum eines jeden Militaristen, der sich so vermutlich den idealen US-Soldaten vorstellt. Im langwierigen, enorm ausdauernden Action-Finale siegt dann endgültig der Stil über die Substanz und wird zum wahlweise begeisternden, weil überaus aufwändigen, feurigen, heillos übertriebenen oder aber ermüdenden, weil als monoton empfundenen und ausschließlich auf sich schnell abnutzende Schauwerte setzenden Spektaktel. Dieses mündet in furchtbar kitschigem Märtyer-Pathos und besiegelt das Ende einer Fortsetzung mit einigen interessanten Ansätzen und gelungenen Umsetzungen, das leider viel zu sehr nach überproduzierter, fragwürdiger Mainstream-Actiongülle als nach Kultfilm müffelt. Schade.
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Titanic
Die Geschichte der Titanic und ihres Untergang im Atlantik auf ihrer Jungfernfahrt am 15. April 1912. 1700 Menschen waren an Bord des Dampfers, als er mit einem Eisberg zusammenstieß. Nur 200 Menschen überlebten die größte Schiffskatastrophe des Jahrtausends, da nicht genügend Rettungsboote vorhanden waren. Wir erleben die Fahrt aus Sicht zweier grundverschiedener Menschen: Jack Dawson (Leonardo DiCaprio) und Rose DeWitt-Buchater (Kate Winslet). Rose, vom reichen Snob-Leben angeödet, will sich umbringen und Jack, Dritte-Klasse-Passagier und voller Lebenslust, rettet Rose und bringt sie von ihren Absichten ab. Beide verlieben sich ineinander. Ihre Liebe ist aber zum Scheitern verurteilt, da sie zwei zu verschiedenen sozialen Schichten entstammen. Doch Rose kämpft gegen ihren Verlobten (Billy Zane) und ihre strenge Mutter an und schafft es schließlich, sich von dem gehassten Snob-Dasein zu lösen. Doch kaum kann die große Liebe zwischen den Beiden gedeihen, kommt dem Schiff ein Eisberg in den Weg und fügt dem "unsinkbaren" Schiff ein 100 Meter langes Leck zu, welches die Katastrophe schließlich auslöst. Das Schiff beginnt zu sinken. Rose und Jack laufen um ihr Leben, wobei sie immer wieder von Roses hartnäckigem Verlobten verfolgt werden. Ein Wettlauf mit der Zeit und gegen das Wasser beginnt.
„Der größte Film aller Zeiten“?

Der größte Hype aller Zeiten! – So empfand ich damals den Rummel um „Titanic“, die x-te Verfilmung des Untergangs des Prestige-Schiffs RMS Titanic auf dessen Jungfernfahrt im Jahre 1912, die der Kanadier James Cameron („Titanic“) einmal mehr in Personalunion als Drehbuchautor und Regisseur ab Mitte der 1990er bis zur Veröffentlichung im Jahre 1997 nachvollzog. Und wieder einmal brach Cameron den Rekord für das höchste Budget, Titanic wurde mit satten 285 Millionen Dollar Produktionskosten der bis dato teuerste Film überhaupt – aber auch der erfolgreichste mit den höchsten Einspielergebnissen: er brach als erster die Milliarden-Marke. Nominiert wurde er für 14 Oscars und gewann derer 11 – kein Film wurde öfter nominiert, keiner gewann mehr. Und was für einen Aufwand Cameron für seine Mixtur aus Historien-Epos, Katastrophenfilm und Liebes-Melodram betrieb! Bereits 1995 tauchte er mit speziellen U-Booten, die vier Kilometer in die Tiefe gehen konnten, zum Wrack herunter und entsandte ein eigens für den Film entwickeltes (!), ferngesteuertes Mini-U-Boot mit Spezialkameras in die Innenräume des gesunkenen Schiffs, um exklusive Aufnahmen, Eindrücke, die zuvor nie niemand gesehen hatte, filmisch festzuhalten. Cameron erhielt Zugang zu Blaupausen der Titanic, die als vermisst galten. Möglichst originalgetreu wurde die Titanic in Form verschiedener Modelle rekonstruiert und mit weitestgehend authentischer Ausstattung bestückt. Ein 160.000 m² großes Gelände an der mexikanischen Pazifikküste wurde gekauft, um dort ein Filmstudio in den Ausmaßen einer Kleinstadt zu erreichten. Mit Sprengungen wurde der Untergrund präpariert. Und, und, und…

„Das ist ja ekelerregend!“

Die Hysterie um den Film hatte kolossal genervt und stieß auf mein Desinteresse sowie meine Ablehnung. „Titanic“ präsentierte mit dem zuvor bereits für „Gilbert Grape“ mit einem Oscar nominiert gewesenen männlichen Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio ein blondes Milchgesicht mit Popper-Frisur, der schlagartig zum Mädchenschwarm dank der um die historischen Ereignisse geflochtenen Romanze avancierte. Das verursachte bei einem rebellischen Halbstarken wie ich es war keine sonderliche Lust, in den Film zu gehen, sondern erschien im Gegenteil wie der ultimative, zu drei Stunden ausgewalzte Überkitsch, der Brechreiz verursacht und zum Hollywood-Phobiker macht. Während seiner Free-TV-Premiere wenige Jahre später saß ich irgendwie dabei, während mehrere Menschen aus dem Familien- und Bekanntenkreis ihn sich ansahen und verfolgte ihn so nebenher. Er wirkte in der Tat überaus schwülstig, überraschte mich aber mit einem durchaus beeindruckenden Finale. Nun, 17 Jahre nach seiner Premiere, ist der Hype soweit abgeklungen, dass ich mich an eine weitestgehend unvoreingenommene, erstmals konzentrierte Sichtung wagte.

„Ups, da hat einer das Wasser laufen lassen!“

Seit „The Beach“ weiß ich natürlich um die schauspielerischen Qualitäten DiCaprios, „Gilbert Grape“ und manch weiterer empfehlenswerte Film, an dem er beteiligt war, wurde zwischenzeitlich längst angesehen und für gut befunden. Mit ihm hatte ich längst meinen Frieden gemacht, doch wie steht es nun um seinen kommerziellen Durchbruch mit „Titanic“? Dieser beginnt zunächst einmal mit sepiagetränkten Aufnahmen winkender Menschen beim Auslaufen der Titanic, gefolgt von der Titeleinblendung und der Gegenwart des Jahres 1997, als Schatzsucher Lovett (Bill Paxton, „Aliens – Die Rückkehr“) und sein Team das Wrack erkunden und Camerons eingangs erwähnte Originalbilder zum Einsatz kommen. Diese von Zerstörung, Leid und Tod kündenden Unterwasseraufnahmen sind von morbider Faszination. Ein Schatz wird geborgen, der zwar nicht das erwartete Diamant-Collier „Herz des Ozeans“, dafür eine Aktzeichnung enthält, woraufhin sich die rüstige, 101-jährige Dame Rose Calvert (Gloria Stuart, „Der Unsichtbare“) telefonisch meldet, die in einer Nachrichtensendung vom Fund erfuhr. Diese war in den 1920ern als „Rose Dawson“ als Schauspielerin tätig, zudem soll Rose DeWitt Bukater, die Mrs. Calvert gewesen sein will, beim Untergang gestorben sein. Dennoch lässt man sie und Enkelin Lizzy (Suzy Amis, „Nadja“) einfliegen. Die Zweifel an ihrer Identität kann sie nach und nach ausräumen. Lovett lädt sie zu einer virtuellen Titanic-Reise ein und der unsensible, zottelige Assistent konfrontiert sie mit einer wissenschaftlichen Analyse des Untergangs Daraufhin, nach mittlerweile ca. 20 Minuten Laufzeit, beginnt ihre Erzählung aus ihrer Erinnerung heraus und damit die ausgedehnte Rückblende, die den eigentlichen Film ausmacht. Zugeben, das ist ein gut gewählter Aufhänger und obwohl sich Cameron bereits jetzt alle Zeit der Welt nimmt, erscheint dieser Quasi-Prolog, diese Rahmenhandlung, weder aufgesetzt noch überflüssig, sondern präsentiert beinahe „im Vorübergehen“ spektakuläre Originalaufnahmen und thematisiert in leicht kritischer Weise den kommerziellen Antrieb menschlichen Handels in Form der Schatzsucher um Brock Lovett. Zudem stellt er einen Bezugspunkt zur Gegenwart her, statt sich ausschließlich auf die Vergangenheit zu konzentrieren, so dass aus „Titanic“ zunächst eine gemütliche Erzählung wird, deren Einstieg für den Zuschauer hierdurch erleichtert wird.

Nun heißt es also wirklich „Leinen los“ für Camerons aufwändiges Historienkino mit seinen imposanten Bildern, die es bereits vor Einsetzen der Katastrophe zu sehen gibt – so ein als unsinkbar geltender Luxusdampfer, seinerzeit das größte Passagierschiff der Welt und Ausdruck von Technologie, Fortschritt und Wohlstand, macht natürlich optisch eine Menge her. Es stellt sich trotzdem die Frage, weshalb man sich einen dreistündigen Spielfilm mit bekanntem Ausgang anschauen sollte: Die Titanic rammt einen Eisberg, erweist sich als alles andere als unsinkbar und fordert 1.500 Tote, da sich aufgrund zu weniger Rettungsboote lediglich 200 Menschen retten konnten. Ich bleibe skeptisch und beobachte, wie Cameron die mehr oder wenige bekannte Handlung einer zunächst mäßig interessanten Romeo-und-Julia-Schmonzette zwischen dem bettelarmen und nur durch Spielerglück zu seiner Fahrkarte gekommenen irischen Abenteurer Jack Dawson (Leonardo DiCaprio) und der kurz vor ihrer Heirat stehenden, aus vermögendem Hause stammenden Rose DeWitt Bukater (Kate Winslet, „Sinn und Sinnlichkeit“) unterordnet. Diese lernen sich kennen und verlieben sich ineinander, obwohl Rose bereits dem reichen Schnösel Cal (Billy Zane, „Critters – Sie sind da“) versprochen wurde, der sich mit an Bord befindet. Um dies nachvollziehbar und nicht völlig weit hergeholt zu gestalten, benötigt „Titanic“ natürlich Zeit – viel Zeit, die er sich nimmt. Zusätzliche Brisanz entwickelt die Handlung, als sich nach einiger Zeit herausstellt, dass Rose' mitgereiste Familie eigentlich gar kein Geld mehr und deshalb ein verstärktes Interesse daran hat, Rose reich zu verheiraten. Doch der dem innewohnende Klassenkampf weicht immer wieder dem romantischen Kitsch, denke ich so bei mir, und nach 80 Minuten wird die Rückblende, von der man schon kurz davor war, zu vergessen, dass es eine ist, erstmals kurz unterbrochen.

Zurück in der Vergangenheit zieht Rose blank und der Zuschauer wird Zeuge der Entstehung der Aktmalerei, die zu Beginn des Films geborgen wurde. Jack entpuppt sich nämlich als talentierter Zeichner, dem sich Rose mehr und mehr öffnet, und die anfänglich zarte Romanze blüht weiter auf, ich entwickle stärkere Empathie mit dem verhinderten Paar, mit seiner Aufrichtigkeit allen Widrigkeiten zum Trotz, mit der Sehnsucht und dem Freiheitsdrang, die sich Bahn brechen. Atmosphärisch bin ich mittlerweile angekommen auf der Titanic, geholfen dabei hat die musikalische Untermalung, die immer dann besondere Wirkung entfacht, wenn die im Abspann von Celine Dion gesungene Titelmelodie in Form irisch-folkloristisch anmutender Flötentöne angespielt wird und sich in instrumental in verschiedenen Instrumentierungen durch den ganzen Film zieht, jedoch bei Weitem nicht das einzige Stück bleibt. Wieder wird die Rückblende kurz unterbrochen, doch nach rund 95 Minuten ist es soweit: Der berüchtigte Eisberg taucht auf und „Titanic“ wird zum Katastrophenfilm.

„Noch so ein Genre, das bei mir nicht sonderlich viele Steine im Brett hat“, denke ich mir, nachdem ich schon Historien-Epos und Liebesdrama akzeptiert habe. Doch anstatt sich ausschließlich auf unser Liebespaar zu konzentrieren und die vielen Menschen um sie herum zu Statisten zu degradieren, gelingt es „Titanic“, viele Nebenrollen und ihr Verhalten angesichts der sich abzeichnenden Extremsituation interessant zu gestalten und zu charakterisieren sowie einen interessanten Einblick in das große Ganze mit all seinen kleinen Rädchen zu gestatten, vom verschiedensten Bord-Personal über die Familien Rose' und Cals bis hin zu ausgewählten, von ihnen unabhängigen Passagieren. Nicht nur dadurch schafft es der Film tatsächlich, eine gewisse Spannung zu entwickeln, denn parallel zur allgemeinen Situation auf dem Schiff eskaliert der Konflikt zwischen Jack und Cal. Der Klassenkampf wird nun sehr viel stärker betont, die Feindseligkeiten Jack gegenüber treten jetzt offen zutage und damit einhergehend durchlebt Rose ihre Emanzipation, die einer zweiten Pubertät gleicht und starke feministische Züge trägt, zu einer starken Frauenrolle vom suizidgefährteten, in die Defensive gedrängten, im goldenen Käfig sitzenden Opfer der Umstände avanciert. Rose sprengt ihre Ketten und wird zu einer selbstbewussten Kämpferin, zu einer erwachsenen Frau, die ihre eigenen Entscheidungen trifft und verantwortet, der verlogenen Dekadenz der fragilen Fassade ihrer Familie eine direkte Absage erteilt und ihr Leben riskiert, um Jack aus einer sicheren Todesfalle zu befreien – all das vor dem Hintergrund des sinkenden Schiffs und einer sich immer auswegloser darstellenden Situation. Keine Frage – das ist aufregend. Die dritte Klasse wird eingesperrt, muss sich gewaltsam befreien, Panik und Chaos breiten sich aus und der Verteilungskampf um die zu wenigen Rettungsboote wird mit offenem Visier ausgetragen. Cal ist sich selbst der Nächste, trachtet Jack offen nach dem Leben und agiert immer schmieriger. In diesen Szenen entlarvt Cameron ohne jeden Anflug konservativer verklärender Romantik Standesdünkel und Aggressionen der höheren Schichten der damaligen Klassengesellschaft und bezieht Stellung zugunsten der Unterschicht. Der Off-Kommentar ist schon lange verstummt, nichts weist mehr auf eine Rückblende hin, der Zuschauer ist mittendrin im Geschehen und bangt an der Seite der verzweifelt und bedingungslos Liebenden, ohne das Schicksal der vielen unschuldigen Todgeweihten aus den Augen zu verlieren. Als das Unausweichliche geschieht und die Titanic schließlich auseinanderbricht und versinkt, kleiden Cameron & Co. die Katastrophe in derart hochkarätige, beeindruckende, berührende Bilder, dass ihr ganzes Ausmaß begreifbar, fast fühlbar wird und niemanden kalt lassen dürfte. Wie hier mit computergenerierten Animationen, Illusionen und Spezialeffekten in Kombination mit Modellbauten und Mechanik gearbeitet wurde, war wieder einmal wegweisend und hat nicht das Geringste mit dem Computerspiel-Look vieler heutiger Produktionen zu tun, die nichts Plastisches mehr im Pixelbrei aufweisen.

Ein todtrauriges Ende beschwört den Fatalismus einer chancenlosen Liebe, die einfach nicht sein darf und doch existiert, die geprägt ist von Edelmut und Selbstaufgabe, die sich an die letzten Hoffnungsschimmer klammert und bis zur allerletzten Sekunde feindlicher Umwelt und erdrückender Realität trotzt, die ihrer Ohnmacht mit Mut, Ungehorsam und Trotz gegenübertritt und damit zur puren Essenz der Romantik wird, zu einem aussichtslosen Kampf, den zu kämpfen sich dennoch lohnt, weil alles andere schlicht noch weniger Sinn ergäbe. Da braucht man sich auch nicht zu schämen, wenn man ein kleines Tränchen durchs Knopfloch drückt. Ein meines Erachtens grandioser Epilog in der Gegenwart knüpft genau dort an und nimmt die Angst vor dem Tod – denn der ist weniger schlimm als ein verschwendetes Leben ohne Kampf, Abenteuer und aufrichtige Gefühle, ganz gleich, ob diese mit Anerkennung oder Ablehnung, mit Erfüllung oder Leid einhergehen. Welch wunderbar emanzipatorisch-humanistische Aussage einer wundervoll altmodischen Tragödie, eingebettet in einen technologisch hochmodernen Film, der trotz exorbitanten Budgets und zweifelsohne aller manipulativer Konstruktion über ganz viel Herz verfügt. Nicht unter den Tisch kehren möchte ich Camerons Geschick, die Vergangenheit lebendig erscheinen zu lassen, sie einladend auszuleuchten, mit vielen unterhaltsamen Nebenschauplätzen zu versehen, stimmungsvoll mit Rot- und Blautönen zu arbeiten und seine Schauspieler in Szene zu setzen, die ohne Chargieren und fragwürdigen Humor auskommen und nie den Eindruck vermitteln, hinter dem Technik-Bombast die zweite Geige zu spielen. Zu den bereits erwähnten herausragenden Soundtrack-Elementen gesellen sich überraschend gut funktionierende Synthesizer- und Orchesterklänge sowie Chöre, die miteinander Hand in Hand gehen und ganz wie der Film Klassik mit Moderne verbinden. Welch große Rolle die Musik bisweilen spielt, ist unterbewusst stets wahrnehmbar, aber subtil genug, um nicht dominant alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Trotz einiger anachronistischer Details, die anscheinend durch sämtliche Kontrollen gerutscht sind, trotz der sich mir noch immer stellenden Frage, ob DiCaprios Erscheinungsbild seiner Rolle angemessen ist, trotz manch Klischees und eindimensionaler Dialoge, trotz oder gerade wegen seiner jeglicher Rationalität entrückten, kaum in die Realität passenden Ideale: Ja, „Titanic“ hat auch mich gepackt, nach anfänglichen Hürden beständig langsam, aber sicher für sich gewonnen, meine Vorurteile ad absurdum ge- und mich auf eine Reise durch die Zeit entführt und durch ein Wechselbad der Gefühle geschickt, letztlich das Eis gebrochen und zu Tränen gerührt. Ich kann nicht umhin, Cameron und seinem Team hierfür meinen Respekt zu zollen und einzusehen, dass auch ich wie fast jeder andere empfängliche für diese Sorte klassischen Kinos bin, sei es auch noch so modernistisch aufgebläht.
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Titanic II
Zum 100. Jubiläum des furchtbaren Unglücks der ersten Titanic wird ein neues Luxusschiff mit dem gleichen Namen gebaut. Es ist ausgerüstet mit den modernsten Eisberg-Warnsensoren und Sicherheitsmaßnahmen, doch niemand konnte damit rechnen, dass die Erderwärmung genau in dem Moment, als das Traumschiff ausläuft, dafür sorgt, dass eine riesige Eisfläche frei bricht und einmal mehr dafür sorgt, dass auch die Geschichte der "Titanic 2" ein tragisches Ende nimmt...
„Hilflos hingerotzte Havarie-Hämorrhoide“ (Oliver Kalkofe)

Die US-Mockbuster-Schmiede „The Asylum“ erdreistete sich im Jahre 2010, eine Fortsetzung des Cameron’schen höchstbudgetierten, bombastischen Mega-Erfolgs „Titanic“ aus dem Jahre 1997 zu suggerieren. Doch ist „Titanic II“ lediglich der Name eines neuen luxuriösen Passagierschiffs, dessen Besatzung und Fahrgäste in diesem Katastrophenfilm in Gefahr geraten. Shane Van Dyke, der zuvor bereits für „Paranormal Entity“ auf dem Regiestuhl saß, vereint Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion.

„Das ist monumental!“

Als sich die in einer Katastrophe geendete Jungfernfahrt der Titanic zum einhundertsten Mal jährt, soll mit der neu erbauten Titanic II alles anders werden: Der mit modernster Technik wie Eisberg-Warnsensoren etc. ausgestattete Luxusliner sticht mit zahlkräftigen Gästen unter Kapitän Hayden Walsh (Shane Van Dyke) in See, um von New York nach Southampton zu fahren. Als Krankenschwester an Bord ist seine Ex-Freundin Amy (Marie Westbrook, „Hillside Cannibals“), während ihr das Projekt argwöhnisch beobachtende Vater James (Bruce Davison, „Der Musterschüler“) nach Grönland berufen wird, wo sich infolge der globalen Erderwärmung Gletscher lösen und einen folgenschweren Tsunami verursachen…

„Sieht so aus, als würde sich die Geschichte wiederholen!“

Der Lowest-Budget-Heuler „Titanic II“ ist gleich in mehrerer Hinsicht ein Katastrophenfilm, dabei klingt die Geschichte angesichts der Thematisierung der Erderwärmung und des Schmelzens gigantischer Eismassen zunächst einmal gar nicht so doof – einmal abgesehen davon, dass in der abergläubischen Schifffahrt wohl niemand auf die Idee käme, ein Schiff „Titanic II“ zu nennen. Shane Van Dyke spielt also den Schmierlappen von Kapitän, der nach einem reichlich sinnlosen Prolog mit ein paar Schlampen im Arm sein Schiff betritt. Notdürftig wird durch oberlangweilig geführte Dialoge eine Beziehungskiste zwischen Käpt’n Walsh und seiner Ex Amy eingeflochten und versucht, diese um einen dramatischen Tragikfaktor in Form der Dreierkonstellation mit ihrem hohnmächtig zusehen müssenden Vater im Helikopter zu erweitern. Doch nicht nur die unglaubwürdigen Schauspieler sorgen dafür, dass man das Ganze kaum ernstzunehmen gewillt ist, viel schwerer wiegt da noch die Optik des Films. Die entstand zu verdammt großen Teilen am Computer, wo Meer, Eis etc. derart offensichtlich simuliert werden, dass kaum das Gefühl entsteht, tatsächlichen Naturgewalten ausgesetzt zu sein – von den digitalen Hintergründen ganz zu schweigen. Die Szenen im Inneren des Schiffs wurden zudem nicht nur im Studio, was verständlich wäre, sondern augenscheinlich in vollkommen unmaritimem Ambiente gedreht, was manch massiv gemauertes Stück Interieur erklärt. Nicht einmal um eine ausreichende Anzahl Komparsen, die den Eindruck tausender oder wenigstens hunderter wohlhabender Passagiere erwecken, hat man sich bemüht und so entsteht nur selten der Eindruck einer Massenpanik und flitzen auch schon mal die immer gleichen Menschen durch die Hintergründe. Geflitzt werden muss natürlich viel, denn es kommt genau so, wie es kommen muss: Zwar ist der Tsunami für das Schiff eine vergleichsweise geringe Gefahr, doch fliegen ihm die Eisbrocken nur so um die Ohren, so dass auch die Titanic II dem Untergang geweiht ist.

Begleitet von einem alles übertönenden, permanent dudelnden Soundtrack orchestraler Natur nimmt das Verhängnis seinen Lauf und der Überlebenskampf, bei dem wir hauptsächlich Walsh und Amy zusehen dürfen, wird kalt und feucht. Zu meiner Überraschung gibt es in all dem gleichförmigen Katastrophen-Gedöns zwischenzeitlich dann doch ein paar Hingucker bzw. Wachhalter in Form einiger garstiger Tode, aber vieles findet auch schlicht im Dunkeln und somit höchstens erahnbar statt. Gewürzt wird das Schmierentheater, das sich zieht wie Hechtsuppe, dann noch mit peinlich-pathetischem Märtyrer-Schwachsinn, der wenn nicht zur Gletscher-, so mindestens zur Hirnschmelze beiträgt. Nein, anstatt Camerons Blockbuster augenzwinkernd aufs Korn zu nehmen oder wenigstens ein bisschen Selbstironie durchblitzen zu lassen, wenn man schon kein freiwilliges Trash-Feuerwerk abbrennen möchte, ist „Titanic II“ nicht mehr als eine furchtbar langweilige C-Katastrophen-Katastrophe, die humorlos und auch unter Trash-Aspekten vorwiegend unlustig einen extrem unglaubwürdigen Schiffsuntergang abspult, so gut wie überhaupt nichts von interessanter Charakterzeichnung versteht (und sich diesbzgl. nicht einmal traut, Pole auszupendeln – Walsh z.B. ist weder Fisch noch Fleisch), ihre Dialoge müde herunterleiert und aussieht wie ein Videospiel. Den für die Produktionsforma typischen bekannten Namen eines verdienten Schauspielers, angesichts dessen man sich stets fragt, wie er oder sie hier nur hineingeraten konnte, liefert diesmal Bruce Davison, für den sich das Anschauen aber nun wirklich nicht lohnt. Bei „Titanic“ sind manch Tränen gekullert, und so ist auch „Titanic II“ zum Heulen – wenn auch aus gänzlich anderen Gründen. Kein epochaler Schiffsuntergang, mehr ein schmerzhaftes Ausrutschen in der Badewanne mit anschließendem Koma.

Mehr als 2,5 von 10 Eiswürfeln geb‘ ich nicht, ätsch!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Nightmare on the Street
Helen (Jenny Neumann) ist jung, attraktiv und eine begabte Schauspielerin dazu. Hinter dieser Fassade verbirgt sich aber eine gespaltene Persönlichkeit, die dauernd Selbstgespräche führt und unberechenbar ist. Das Problem basiert auf ständig wiederkehrende Schuldgefühle, die die Frau jahrelang mit sich schleppt, da sie im Teenageralter den Tod ihrer Mutter fahrlässig herbeiführte. Plötzlich finden seltsame Morde statt...
„Heute Abend hab‘ ich Lust, mich zu betrinken!“

Aussieploitation in Form eines waschechten Slashers – das ist „Nightmare on the Street“ des australischen Regisseurs John D. Lamond, sein dritte Regiearbeit nach dem Mondo „Australia After Dark“ und dem Erotik-Drama „Felicity - Sündige Versuchung“. Der Film erschien 1980 und somit zwei Jahre nach dem Subgenre-Begründer „Halloween“, auch die großen Klassiker „Freitag, der 13.“ und „Maniac“ waren bereits früher dran.

„Du hast die schönsten Titten!“

Als kleines Mädchen hat Cathy (Jennie Lamond, „Breakfast in Paris“) ihre Mutter (Maureen Edwards, „Ein Schrei in der Dunkelheit“) bei sexuellen Handlungen mit ihrem Liebhaber im fahrenden Auto überrascht und dadurch einen Unfall verursacht, zudem ihre Mutter versehentlich mit einer Scherbe der zersprungenen Autoscheibe tödlich verletzt. Man gibt dem Mädchen die Schuld am Tod ihrer Mutter und traumatisiert es dadurch zusätzlich. 16 Jahre später nennt Cathy sich Helen (Jenny Neumann, „Hell Night“) und ist eine junge, attraktive Schauspielerin geworden. Doch beim Einstudieren eines Theaterstücks, das sich mit dem Thema Tod auseinandersetzt, kommen die Erinnerungen, all die unterdrückten Schuldgefühle und schmerzhaften Gefühle wieder hoch. Parallel dazu beginnt eine unheimliche Mordserie im Theaterumfeld…

Der Prolog zeigt die Ereignisse aus dem Winter 1963 und damit die Traumatisierung des Kindes. In die Gegenwart steigt John D. Lamond mit einer Sexszene ein, die voyeuristisch gefilmt die Brüste der kopulierenden Dame in Großaufnahme einfängt. Ein offenbar weiblicher Killer schleicht in subjektiver Point-of-View-Perspektive umher und meuchelt ein nacktes Liebespaar. In der Folge lernt man Helen kennen, erfährt von ihrer schlimmen Kindheit und dass sie aufgrund derer ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität hat, gar noch Jungfrau ist. Sensibel nähert sich Schauspielkollege Terry (Gary Sweet, „Alexandra's Project“) ihr an und zeigt aufrichtiges Interesse an Helen – hysterische Anfälle während Theaterproben hin oder her. Zudem belauscht er ein Gespräch zwischen ihr und einer garstigen älteren Person; der gewiefte Zuschauer denkt natürlich sofort an „Psycho“ und die Zwiegespräche zwischen Norman Bates und seiner Mutter – die längst tot und Teil seiner gespalteten Persönlichkeit ist. Lamond schneidet die immer gleichen Szenen aus Helens Vergangenheit zwischen, um ihre Traumatisierung zu verdeutlichen. Tatwaffe der grassierenden Mordserie ist derweil stets eine Glasscherbe, und jedes Mal trifft es Menschen, die gerade Sex haben. Der Verdacht lastet also eindeutig auf Helen. Will ein skrupelloser geisteskranker Mörder den Verdacht auf Helen lenken? Welche geniale Handlungswendung wird „Nightmare on the Street“ präsentieren? Es bleibt spannend!

Plötzlich imaginiert Helen Tagträume der Morde – handelt es sich bei ihr um eine gespaltene Persönlichkeit? Ein weiteres Opfer wird nackt durch die Straßen gejagt und am Ende erweist sich der Anfangsverdacht als richtig, die Täterin ist schlicht und ergreifend die durchgeknallte Helen. Das wirkt dann doch ziemlich plump, als hätte sich Lamond nicht recht entscheiden können, ob er seinem Slasher ein Whodunit? gönnt oder á la „Halloween“ von vornherein mit offenen Karten spielt. In letzterem Falle hätte man wenigstens aus der Frage nach dem Motiv noch Spannung ziehen können, doch die psychopathologischen Hintergründe serviert bereits der Prolog auf dem Präsentierteller. Einen bewussten Bruch mit der Erwartungshaltung des Zuschauers vermute ich ebenfalls nicht, denn 1980 dürfte man bei einem Slasher wie diesem noch nicht um drei Ecken gedacht und einen Plottwist erwartet haben. So dramaturgisch unglücklich Lamonds augen- und im Falle des Soundtrack auch ohrenscheinlich stark von Hitchcocks „Psycho“ inspirierter Film auch sein mag, mit seinem hohen Gehalt nackter Haut und blutiger Morde unterhält er den Genrefan durchaus passabel. Dass er nur marginal überhaupt eine richtige Geschichte erzählt und viele Fragen offen lässt – z.B. weshalb sämtliche Morde unentdeckt bleiben –, kann er jedoch nicht überspielen. Dafür macht es aber Spaß, dem Darsteller-Ensemble zuzusehen, das sich engagiert zeigt und gern einmal zum Overacting neigt. Dies wiederum passt zur Karikatur der selbstverliebtem Theaterszene, die „Nightmare on the Street“ sicherlich auch ist, und visuell macht der Streifen durchaus auch etwas her, entwickelt auch wohlige Slasher-Atmosphäre. Außerdem lernt der Zuschauer, dass es Unglück bringt, im Theater zu pfeifen und darf sich fragen, ob Michele Soavi hierin die Inspiration für seinen Theater-Slasher „Aquarius“ alias „Stage Fright“ fand.

Für die einen Sex-und-Gewalt-Schund, für die anderen als ok durchgehende Genrekost.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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