bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Der Panther II – Eiskalt wie Feuer
Kommissar Grindel stößt in seinem Dezernat auf Fälle von Selbstjustiz. Zu offensichtlich werden Drogenbosse und Zuhälter bei ihren vermeintlichen Verhaftungen regelrecht hingerichtet. Doch wer sind die Verantwortlichen dieser erbarmungslosen Lynchjustiz? Bei seinen Untersuchungen findet Grindel heraus, daß auch sein engster Mitarbeiter in diese miesen Machenschaften verwickelt ist. Daß seine Gegner zu allem fähig sind, muß er bald am eigenen Leib erfahren. Angeschossen wird Grindel jedoch zum "Panther", der Blut geleckt hat und die Spur seiner Beute nie mehr verliert...
„An dir wird ein Exempel statuiert!“

Wieder einmal schlug der eigensinnige deutsche Verleih zu und suggerierte, dass der französische Action-Thriller mit dem Originaltitel „Ne réveillez pas un flic qui dort“ die Fortsetzung des 1985 entstandenen Films „Der Panther“ wäre. Tatsächlich steckt hinter dem 1988 veröffentlichten Film dasselbe Team um Regisseur José Pinheiro und in der Hauptrolle findet sich ebenfalls der französische Genrefilm-Star Alain Delon wieder. „Der Panther II“ basiert auf dem Buch „Clause de style“ von Frédéric Fajardie.

Die Spur einer mörderischen Selbstjustizserie führt Kommissar Grindel (Alain Delon) in die eigenen Reihen: Die Polizei ist unterwandert von Faschisten, die mit einer Todesschwadron in Paris kurzerhand lynchen, was ihrer Meinung nach kein Recht zu leben hat. Einer von Grindels engsten Mitarbeitern ist selbst Mitglied jener Geheimorganisation, in deren Visier bald auch Grindel landet…

„Die Latrine ist schon des Öfteren der Beichtstuhl gewesen!“

Offenbar thematisch beeinflusst vom zweiten „Dirty Harry“-Film „Callahan“ und sich stilistisch an den harten Vertretern der Polizei-Thriller orientierend, knöpft sich „Der Panther II“ den beliebten Selbstjustiz-Diskurs von der intelligenteren Seite her vor: Anstatt die Mär von ach so machtlosen Polizisten zu nähren, werden die Gefahren, die von dieser Form von Selbstjustiz ausgehen, aufgezeigt, die bei kaltblütigem Mord anfangen und bis zum Staatsstreich und dem Errichten einer Diktatur reichen. Dabei bedient man sich jedoch einer stark auf den Unterhaltungsmarkt zugeschnittenen Bildsprache, die neben viel Action diverse grausame Morde verhältnismäßig explizit darstellt – mal kurios in Form solch ungewöhnlicher Waffen wie einer Cyankali-Wumme oder Pfeil und Bogen, mal derart sadistisch, dass es einem die Sprache verschlägt: Da wird ein Gangster überfallen, ihm die Wohnung auseinandergenommen und schließlich bei lebendigem Leibe verbrannt; ein anderer wird zwangskastriert etc. Generell wird kurzer Prozess gemacht, ein Informant z.B. noch während seines Telefonats mit Grindel erschossen. Auch „Kollateralschäden“ werden in Kauf genommen: In der grandios inszenierten, bereits erwähnten und wahrhaft schockierenden Pfeil-und-Bogen-Szene wird ein Freund Grindels auf einem Karussell sitzend hingerichtet, zückt im Sterben noch seinen Revolver und schießt in die Menge, u.a. auf Kinder!

„Ich könnte nur kotzen, aber mich hält der Hass aufrecht!“

Soviel zum beunruhigenden Gewaltlevel des Films. Eine digitale Datums- und Zeitanzeige verschafft anfänglich einen genauen Überblick über die Vorgänge und große Probleme, zu folgen dürfte der Zuschauer ohnehin nicht haben, denn dass Kommissar Roger Scatti (Michel Serrault, „Ein Käfig voller Narren“) hinter all dem steckt, daraus macht der Film von vornherein keinen Hehl. Jener Scatti hat die Organisation 20 Jahre lang aufgebaut, „gegen Kommunismus“, wie er behauptet und damit einen Bezug zum kapitalistischen Antikommunismus herstellt, der seit jeher Steigbügelhalter des Faschismus ist. An der Rolle des ihm treu ergebenen blonden Jungfaschos Lutz (Xavier Deluc, „Her mit den kleinen Französinnen“) lässt das Drehbuch ebenfalls keinerlei Zweifel und eben dieser Lutz ist es ausgerechnet, der an der Seite Grindels und dessen Assistenten Pèret (Patrick Catalifo, „Wilde Kinder“) der Verschwörung das Handwerk legen soll. Kurzzeitig Hochspannung kommt auf, als Gendarmen angeben, die gesamte Gendarmerie infiltrieren zu wollen, Scatti jedoch dagegen ist, da er Machtverlust befürchtet. Doch anstatt hiervon ausgehend die drohende Infiltration eines ganzen Systems exemplarisch zu verarbeiten, gehen auch die ambitionierten Gendarmen den Weg alles Irdischen. Fortan macht sich bemerkbar, dass „der Panther II“ dramaturgisch nicht ganz geglückt ist, da der Zuschauer einen hohen Wissensvorsprung hat und fast alle Personalien kennt. Dennoch hat auch dieser Film etwas Unberechenbares und überrascht immer wieder mit Action- und Gewalteinlagen, nimmt zudem Bezug auf reale politische Ereignisse wie die argentinischen Todesschwadronen oder terroristische Bombenleger, hat manch markigen Spruch zu bieten und verfügt sogar über etwas Humor.

Etwas unentschlossen ist die Charakterisierung Grindels, der wohl auch so etwas wie einen harten Hund darstellen soll, der sich dennoch nicht bis in faschistoide Abgründe hinabbegibt – außer eben, seine Ermittlungen erfordern es, um eben jene aufzudecken. Zum Finale hin jedenfalls kommt er den hohen Herren immer weiter auf die Spur und muss mitansehen, wie ernst es den Faschisten ist, die lieber den Märtyrertod wählen, statt sich vor dem Gesetz verantworten zu müssen: Da wird sich beispielsweise aus dem Fenster gestürzt oder Harakiri begangen. Auch mit diesen Szenen punktet der Film, denn damit hat er einmal mehr das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Am Ende wird aus einem fahrenden LKW auf Grindel geballert und die Action somit auf die Straße verlagert. Man stellt man sich gegenseitig Fallen, bis doch noch eine bisher unbekannte Verwicklung enttarnt wird. Inwieweit Grindels Pointe dann die Aussage des Films unterhöhlt, in ihrer Form die eigentliche Aussage darstellt oder schlicht als befriedigungsstiftender Faktor für das Publikum integriert wurde, darf dann gern Gegenstand auch über das Abspannende hinausgehender Überlegungen sein. Unterm Strich ein guter, meines Erachtens unterbewerteter Film, der sich zwischen ein paar Stühle setzt und die eine oder andere Schwäche nicht verleugnen kann, jedoch durchaus geeignet ist, mein Interesse am französischen Polizei-Thriller ein Stück weit zu wecken.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Maniac Cop 2
Der gnadenlose, angeblich verstorbene Cop Matt Cordell (Robert Z'Dar) schlägt wieder zu. Noch immer will die New Yorker Polizei nicht Wahr haben, dass der "Maniac Cop" noch am Leben ist. In den kriminellen Strassen vom Big Apple, findet er einen gleichgesinnten Triebmörder, der ihm bei seinen Taten behilflich ist. Nur der unerschrockene Polizist McKinney (Robert Davi) wagt den Kampf gegen das "Schizo-Duo" und deren Machenschaften...
„Der Unterschied ist nicht allzu groß zwischen einem Cop und einem Maniac-Cop!“

1990 beauftragte Produzent und Drehbuchautor Larry Cohen den US-Regisseur William Lustig mit den Dreharbeiten zur „Maniac Cop“-Fortsetzung, jener Mischung aus Slasher und Actionfilm, die 1988 vom selben Team realisiert wurde. Es wurde der zweite Teil einer Trilogie.

Und immer noch ist der unbarmherzige Killer-Cop Matt Cordell (Robert Z'Dar, „Cherry 2000“) am leben. Während die New Yorker Polizei in ihrer Ignoranz noch immer nicht wahrhaben will, dass Cordell hinter den Ereignissen des ersten Teils steckt, freundet sich Cordell mit dem Triebtäter Turkell (Leo Rossi, „Halloween II“) an und plant einen Rachefeldzug gegen die Polizei, die ihn verriet und die Gefängnisinsassen, die ihm seinerzeit nach dem Leben trachteten. Die Polizeipsychologin Susan Riley (Claudia Christian, „The Hidden – Das unsagbar Böse“) und der raubeinige Bulle McKinney (Robert Davi, „Predator II“) versuchen, das Schlimmste zu verhindern und die Tötungsmaschine in Uniform zu stoppen.

Nach der Wiederholung des Finales aus dem Vorgänger betont Lustig einmal mehr die dreckige Großstadt-Atmosphäre und führt als neuen Charakter den Bad-Ass-Cop McKinney in die Handlung ein, dem Richter „den Abschaum“ zu schnell wieder auf die Straße lassen. Das erinnert nicht von ungefähr an Lustigs Selbstjustiz-Actioner „Vigilante“; grob gesagt ersetzt McKinney den von Bruce Campbell („Tanz der Teufel“) gespielten Jack Forrest, der schnell aus dem Film gekillt wird. Auch Teresa Mallory wird bald unerwartet getötet, womit nur Cordell persönlich aus Teil 1 übrig bleibt. Bühne frei für Leo Rossis Overacting als Triebtäter Turkell, der in einem Strip-Club eingeführt wird, dessen Ambiente William Lustig Gelegenheit bietet, ein paar nackte Brüste zu zeigen. Was als Parallelhandlung um den wahnsinnigen Stripperinnen-Mörder beginnt, kreuzt die Wege Cordells, als Turkell letztgenannten in seine Wohnung mitnimmt und sich mit ihm anfreundet. Die Bildung dieses besonderen Duo infernale nimmt man zum Anlass für schaurige Szenen wie das erstmalige Zeigen von Cordells entstelltem Gesicht, der angestrengt seinen Namen haucht, aber auch für eine Wiederholung der Rückblende aus Teil 1, die die Gewalt zeigt, die Cordell im Gefängnis angetan wurde.

Der offensichtlich höher als sein Vorgänger budgetierte „Maniac Cop II“ verfügt über einige starke Szenen wie die der blinden Kioskverkäuferin, die aus dem Krieg erzählt und einen Vergleichen zwischen Leichen und Cordell zieht, setzt vor allem aber verstärkt auf Action. So bekommt man aufregende Stunts wie die einer von außen an ein fahrendes, führerloses Auto geketteten Frau und weitere Karosserie-Karambolagen ebenso geboten wie Schießereien (besonders gelungen und schwarzhumorig: ein Schießstand schießt zurück, Cordell tritt hervor), ein wahres, an „Terminator“ erinnerndes Massaker in einer Polizeistation, viele Explosionen und ein feuriges Finale im Knast, durch den Cornell rachenehmend und brennend wütet. Das ist alles beeindruckend und gern recht explizit umgesetzt, Langeweile kommt keine auf. Auf der anderen Seite verrennt sich „Maniac Cop II“ aber etwas arg in seiner Hintergrundgeschichte, wenn aus dem rachsüchtigen Brutalo-Cop aus dem ersten Teil, der zu normalen Lebzeiten reihenweise Menschen misshandelt hat und somit eine autoritätskritische Aussage mitschwang, plötzlich ein Verschwörungs- und Korruptionsopfer wird, den erst das Geständnis des Polizeichefs umstimmt. Keine Rede mehr vom bösen Bullen Matt Cornell, im Gegenteil: Cordell wird fast zu so etwas wie einem Sympathieträger umgedeutet; und am Ende rechtfertigt McKinney gar Selbstjustiz durch Polizisten, wodurch „Maniac Cop II“ eine üble reaktionäre Schlagseite bekommt. Auf die Idee, die Gründe für Cornells übernatürliche Kräfte einmal zu beleuchten, kam man stattdessen nicht, wenngleich sich hier das Bild eines „Rachegeists aus dem Jenseits“ verdichtet.

Letztlich ist „Maniac Cop II“ eine überraschend gelungene Mischung aus Slasher und Action-Thriller, die diesmal klar stärker gen Action und mehr Brutalität tendiert, technisch und schauspielerisch kaum einen Grund für Beanstandungen bietet, im Erzählerischen aber immer noch seine Schwächen offenbart und sich trotz seiner Comichaftigkeit zu einer fragwürdigen Aussage hinreißen lässt. Erwähnenswert auch der witzige „Maniac-Cop-Rap“ im Abspann, der das Gezeigte wiederum ein Stück weit ironisiert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Graduation Day
Nachdem die junge Laura, Mitglied eines College-Laufteams, durch einen Blutsturz gestorben ist, soll sie am Abschlußtag des Schuljahres (Graduation Day) gesondert geehrt werden. Genau an diesem Tag beginnt ein maskierter Killer, alle Mitglieder des Sportteams auf kreative wie grausame Art und Weise dahinzumetzeln, wobei die Liste der Verdächtigen natürlich lang ist, umfaßt sie doch die Schwester, den Rektor, den Trainer, den Freund und die Eltern. Aber vielleicht war es ja jemand ganz anderes...
„Wer bildest du dir denn ein, was du bist?!“ (Sportler und Sprache...)

US-Regisseur Herb Freed („Jenseits des Bösen“) ist einer von vielen, die Anfang der 1980er während der grassierenden Slasher-Welle ein Stück vom Kuchen abbekommen wollten und einen niedrig budgetierten eigenen Titel ins Rennen schickten. Sein 1981 zeitgleich mit der ersten „Freitag der 13.“-Fortsetzung veröffentlichter „Graduation Day“ trägt zur Tradition bei, einen Slasher an einem besonderen Tag („Halloween“, „Prom Night“, „Blutiger Valentinstag“, „Freitag der 13.“ etc.) spielen zu lassen und wählte den titelgebenden Tag des Schulabschlusses. Die Rechnung ging anscheinend auf und „Graduation Day“ spielte fast das Zehnfache seiner Produktionskosten ein.

Trainer George Michaels (Christopher George, „Ein Zombie hing am Glockenseil“) betreut die Sport-Leistungskurse der örtlichen Highschool und muss eines Tages mitansehen, wie seine Schülerin Laura unter seinen Anfeuerungen zwar den Rekord bricht, jedoch kurz darauf tot zusammenbricht. Den Schulabschlusstag möchte man der verstorbenen Schülerin widmen, auch Lauras ältere Schwester und Navi-Soldatin Anne (Patch Mackenzie, „Die Wiege des Schreckens“) möchte partizipieren und kommt zurück in die Stadt. Zeitgleich beginnt ein Unbekannter eine unheimliche Mordserie an Lauras ehemaligen Sportkurs-Mitschülern...

Schon im Prolog mit seinen Sportszenen, während derer es zum Tod Lauras kommt, stechen dem Zuschauer die 1980er voll ins Auge: 1981 waren Tennissocken, Schweißbänder etc. bereits voll en vogue, dazu dudelt ein schlimmer '80s-Disco-Soundtrack. Die eigentliche Handlung setzt zeitlich ein paar Wochen später ein und bleibt im Sportschüler-Milieu, was für Freunde des Subgenres eine durchaus interessante Variation des klassischen Teenie-Umfelds bedeuten dürfte. Klassisch auch der Killer, der jedoch nicht nur mit einem Messer, sondern auch mit einer Stoppuhr bewaffnet sein erstes Opfer verfolgt und schließlich tötet. Viel vom Mörder sieht man nicht, die subjektive Point-of-View-Perspektive kommt zum Einsatz, seine Identität bleibt bis zum Finale unbekannt und die Tätersuche gerät zum Whodunit? mit mehreren Verdächtigen, zu denen u.a. Schwester Anne und Trainer Michaels zählen. Der Slasher-Fan fühlt sich zuhause und sollte es sich gemütlich machen, denn sonderlich aufregend oder atmosphärisch wird es fortan zwischen den einzelnen Morden nicht unbedingt. Diese fallen zwar originell (Höhepunkt: eine mit Stacheln präparierte Fallmatte für einen Stabhochspringer) und recht blutig bis sogar splatterig aus, sind stellenweise jedoch arg billig gelöst worden und entsprechend durchschaubar. Freed versucht einzelne Charaktere, vor allem natürlich die Verdächtigen, grob zu charakterisieren und widmet ihnen etwas Zeit. Wenn Anne sich ein Fotoalbum anguckt, werden Einzelbilder ihrer Erinnerung zwischengeschnitten; ein Stilelement, das sich später auch bei einem turnenden Mädchen wiederfindet. Besonders auffallend jedoch sind die zahlreichen Zeitschindereien des Films: Während die Tumulte bei der Diplom-Übergabe, im Rahmen derer der Prinzipal ausgebuht wird, noch spaßig anzuschauen sind, muss man schon ein besonderes Faible für Füllszenen oder eben Freude an reichlich Zeitkolorit haben, um dem Versuch einer Schülerin, sich eine Versetzung beim Musiklehrer zu, äh, „erschlafen“ und die anschließende Konfrontation des Lehrkörpers mit einem entsprechenden Tonbandmitschnitt, einer Gesangseinlage und dem Auftritt der New-Wave-Band „Felony“ in einer Rollschuhdisco (!) sowie einer abgefahrenen Tanzeinlage (derer es im '80er-Horror gar nicht so wenige gibt) wirklich etwas abgewinnen zu können – die Handlung voran bringt all das nicht wirklich. Zwischenzeitlich darf man dem einen oder anderen eigenartigen Dialog lauschen und einmal mehr den Blickwinkel des Mörders einnehmen, wenn er schwer atmend die Mädchenumkleide begafft. Irgendwann sieht man ihn gar in voller Pracht, jedoch ausgestattet mit einem Gesichtsschutz. Wer auch gern mal Leichtathletik im TV schaut, bekommt hier professionelle Turnübungen in Zeitlupe geboten. Klingt vielleicht schlimmer, als es ist, denn irgendwie ist „Graduation Day“ mit seinem Potpourri etwas hilfloser Streckung und seinen Kuriositäten lustig.

Das Whodunit? jedenfalls ist sauber konstruiert und wenn der Zuschauer erfährt, dass Laura an einem Blutgerinsel starb und sieht, wie Anne dem Trainer Vorwürfe macht, macht das Miträtseln durchaus Laune. Das den Täter schließlich mehr oder weniger überraschend entlarvende Finale hat es dann auch in sich und alles, was ein zünftiger Slasher-Showdown braucht: Dramatik, Tragik, Psycho-Thrill, die üblichen vom Mörder drapierten Leichen, die irgendwann endlich gefunden werden etc. So atmosphärisch eher dröge und dramaturgisch gestreckt „Graduation Day“ lange Zeit auch gewesen ist, hier spielt Freed im Prinzip das aus, was man sehen möchte und beweist, das Subgenre verstanden zu haben. Die allerletzte Szene ist etwas bizarr, aber das ist im Prinzip der ganze Film, der sich schauspielerisch auf üblichem B-Slasher-Niveau bewegt und unterm Strich ein für Fans sehenswerter Vertreter aus der Hochphase des Subgenres sein sollte, für filmhistorisch interessierte ein schönes Beispiel für eine sehr klassisch ausgerichtete Variation des Genrestoffs, für alle anderen aber vermutlich ein eher langatmiges und billiges Suhlen in Klischees, das zudem zu häufig unfreiwillig komisch ausfällt, um überhaupt einmal bedrohlich zu wirken. Wenn der Soundtrack übrigens gerade einmal keine fragwürdigen Auswüchse des noch jungen Jahrzehnts interpretiert, erinnert er zeitweilig an „Psycho“, was ich gern als Verneigung vor Hitchcocks Urvater des Slashers werte.
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Brennende Rache
In einer Vollmondnacht, vor einigen Jahren, wollte eine Gruppe jugendlicher Camper ihrem Aufseher für seine Unfreundlichkeit eine Lektion erteilen. Dabei erlitt dieser schwere Verstümmelungen und nun ist er auf blutige Rache aus. Das Morden hat begonnen und die Blutspur zieht sich durch den dunklen Wald.
„Ich möchte nicht so leben wollen wie dieser Krüppel!“

Nach dem Erfolg des Camp-Slasher-Archetypen „Freitag der 13.“ von Sean S. Cunningham versuchten sich auch andere an der Thematik; eines der populärsten Beispiele ist „Brennende Rache“ alias „The Burning“ des Regisseurs Tony Maylam, der zuvor lediglich mit einem Abenteuerfilm in Erscheinung trat. „Brennende Rache“ ist einer der ersten Filme der Vertriebs- und Produktionsfirma „Miramax“ und kam 1981 kurz nach der ersten „Freitag der 13.“-Fortsetzung in die Kinos.

Der Aufseher des Ferienlagers „Camp Blackfoot“, der von allen nur Cropsy (Lou David, „Der Exterminator“) genannt wird, ist ein echter Stinkstiefel und dementsprechend unbeliebt bei den Kindern und Jugendlichen. Eines Tages fällt er einem Dumme-Jungen-Streich zum Opfer und verbrennt bei lebendigem Leibe. Schwerstverletzt kommt er ins Krankenhaus, muss sich dort als Penner bezeichnen lassen, wird aber tatsächlich wieder aufgepäppelt und kann nach fünf Jahren das Hospital verlassen. Er hat jedoch nur noch einen Lebenssinn: Blutige Rache zu nehmen... Kurz nach seiner Entlassung wird das „Camp Stonewater“ von einer grausamen Mordserie überrollt.

„Brennende Rache“ ist ein recht dreistes „Freitag der 13.“-Plagiat, das allerdings vieles richtig macht: So gelingt es Regisseur Maylam und den Autoren, darunter Produzent Harvey Weinstein, spielend, die Sommer-Camp-Atmosphäre zu reproduzieren inkl. aller Klischees wie jugendlichen Albereien und anzüglichen pubertären Gesprächen, typischen Teenie-Problemchen, düsteren Lagerfeuergeschichten, Nacktbaden im See, Sex im Wald etc. Der Genre-Skeptiker verdreht entnervt die Augen, der Slasher-Fan frohlockt und wird prima unterhalten. Dieser wird sich auch an den blutigen Spezialeffekten Tom Savinis erfreuen, womit „Brennende Rache“ beispielsweise vor Subgenre-Kollegen wie „Graduation Day“ aus demselben Jahr die Nase von hat.

Der Prolog zeigt bereits die Vorgeschichte in Gänze. Nach den Eröffnungsangaben sind fünf Jahre vergangen und Cropsy sucht zunächst eine Prostituierte auf, um diese zu meucheln, bevor er das Ferienlager heimsucht. Dort entkommt das erste Mädel noch knapp dem Tod durch Cropsys Heckenschere, die er als bevorzugtes Mordwerkzeug auserkoren hat. Die erste Hälfte des Films vergeht ansonsten mit ein wenig Oben-ohne, Vorstellung der Aufseher und einiger Besucher, ganz vorn dabei: Mobbing-Opfer Alfred (Brian Backer, „Police Academy 4... und jetzt gehts rund“), der nicht schwimmen kann, aber gern mal nackte Tatsachen bespannt, und sein Widersacher, ein stupider Muskel (Larry Joshua, „In der Stille der Nacht“), der es permanent auf ihn abgesehen hat, sowie besagter Lagerfeuergeschichte, die den Prolog noch einmal Revue passieren lässt, Cropsy als alkoholkranken, sadistischen Verwalter beschreibt und in einen False Scare mündet. Außerdem kommen sich die Aufseher Todd (Brian Matthews, „Herr der Fliegen“) und Michelle (Leah Ayres, „Kopfjagd“) nach einiger Zeit näher. Der erste Mord im Camp geschieht erst nach 46 Minuten.

Dann jedoch nimmt „Brennende Rache“ wieder an Fahrt auf, zelebriert ein saftiges Massaker während einer Floßtour, weitere brutale, blutige Morde und hochwertige Savini-SFX. Szenenübergänge werden ab und zu passenderweise in ein tiefes Rot getaucht. Im Finale, das quasi Außenseiter gegen Außenseiter aufeinander hetzt, erkennt Cropsy einen seiner Peiniger wieder und geht mit einem Flammenwerfer auf ihn los, womit sich der Feuerkreis schließlich schließt. Das Besondere an „Brennende Rache“ ist, dass der Täter von vornherein feststeht, auf ein Whodunit? also verzichtet. Durch die Aufdröselung der Hintergründe bereits im Prolog nimmt er sich selbst die Chance, Spannung aus Fragen nach Täter und Motiv beziehen zu können. Dennoch sieht man den Täter bis zum Finale nie, dann und wann wird auch genretypisch auf die Point-of-View-Perspektive zurückgegriffen. Dies geschieht in erster Linie, um Spannung aus der Verschleierung seines entstellten Äußeren zu erzeugen – was auch gelingt. Des Weiteren fallen die sonnendurchfluteten Sommerbilder auf, die im Gegensatz zu den Vorbildern des Films auf sämtliche Regen- und Gewittereinlagen verzichten, zumindest ein Klischee also aussparen. Erwähnenswert auch die tolle musikalische Untermalung Rick Wakemans, der hochfrequentiöse Synthesizer-Klänge beisteuerte. Meines Erachtens ist „Miramax“ mit „Brennende Rache“ eines der unterhaltsamsten „Freitag der 13.“-Rip-Offs gelungen, das charmantes, blutiges Entertainment des schlechten Geschmacks im Camp der Klischees bietet und während der Hochphase des Stalk'n'Slash-Kinos dazu beitrug, diese liebgewonnenen Allgemeinplätze zu verfestigen. Im Schauspielerensemble finden sich übrigens einmal mehr Namen, die später zu noch größerem Ruhm als der Teilnahme an diesem Film gelangen sollten: Holly Hunter („Das Piano“) und Jason Alexander („Seinfeld“) übernehmen Nebenrollen.
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Die Killermafia
"Ganz Italien wird durch eine Serie rätselhafter Morde schockiert. Ein riesiges Polizeiaufgebot, ganze Hubschrauberstaffeln werden eingesetzt, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Kommissar Solgni, Spezialist in der Bekämpfung des organisierten Verbrechertums, wird eigens aus Mailand eingeflogen. Korrupte Beamte, bestochene Polizisten... ein tödlicher Auftrag."
„Keine Aufregung, wir sind nur von der Polizei!“

Der in erster Linie für seine Gialli bekannte italienische Genre-Tausendsassa Sergio Martino („Der Killer von Wien“) bediente in den 1970ern auch das seinerzeit beliebte Poliziesco-Genre, also den italienischen Polizeifilm. Sein 1975 veröffentlichter „Die Killermafia“ mit dem französischen Ex-Model Luc Merenda („Der Mann ohne Gedächtnis“) in der Hauptrolle wirkt dabei wie die exploitative Variante einen Polit-Thrillers à la Damiani.

In Italien grassiert eine Mordwelle, die einen ranghohen Militäroffizier nach dem anderen das Leben kostet. Die Täter versuchen dabei, ihre Taten wie Selbstmorde aussehen zu lassen. Inspektor Giogio Solmi (Luc Merenda) ermittelt im Fall eines recht offensichtlich zum Mordopfer gewordenen Erpressers, die Spuren führen zu einer jungen Prostituierten (Paola Tedesco, „Die Stimme des Todes“). Diese jedoch entkommt selbst nur knapp einem Mordanschlag und weist jegliche Schuld von sich. Je tiefer Solmi in den Fall einsteigt, desto mehr kommt er hinter eine großangelegte politische Verschwörung, in deren Zusammenhang auch die Morde an den Militärs stehen. Wer steckt dahinter und, für den Moment noch wichtiger: wem kann er überhaupt noch trauen?

„Geld ist alles, mein lieber Herr Kommissar!“

Die deutsche Fassung beginnt mit drei recht drastisch gezeigten Morden und macht auch nicht Halt vor weiteren Verstümmelungen der Opfer. Eines wird beispielsweise aufs Gleis gelegt und vom Zug überrollt, so dass Blut auf die Kameralinse (!) spritzt. Auf diesen herben Einstieg verzichtet die internationale Fassung, die am Tatort des mit einem Schürhaken erschlagenen Mordopfers einsteigt. „Die Killermafia“ legt zunächst ein hohes Tempo vor. Eine Rückblende nach 20 Minuten zeigt, was wirklich geschah und als sich der Geheimdienst einschaltet, sind Solmi und der Zuschauer gleichermaßen mittendrin im sich durch mehrere Institutionen ziehenden Polit-Thriller, der wie eine ganze Reihe weiterer italienischer Filmproduktionen die korrupte Führungsriege harsch kritisiert und die akute Gefahr eines Putsches von rechts aufgreift. In „Die Killermafia“ wird nicht nur wichtiges Beweismaterial in Form eines Tonbands im Büro der Staatsanwaltschaft vernichtet, sondern skrupellos über Leichen gegangen: Ein jeder, der zu viel weiß, wird kurzerhand um die Ecke gebracht (und Solmi somit sämtlicher Zeugen beraubt), wobei sich kein Ort als sicher erweist: Falsche Pfleger dringen in ein Krankenhaus ein und mähen das Wachpersonal mit Maschinengewehren um, eine falsche Motorradstreife schießt auch in Polizeiwägen und hat Solmi endlich unter Zuhilfenahme von Folter ein Geständnis erpresst, wird eine Gefängnisrevolte anberaumt und der Delinquent vom Dach gestoßen. Kein Wunder, dass auch Solmi bald ins Visier gerät, bei einem ihm geltenden Bombenanschlag stirbt sein Partner.

„Nehmen Sie doch Vernunft an! Warum wollen Sie alle gegen sich haben?“

Nachdem Martino für einige gewichtige Dialoge das Tempo zwischenzeitlich etwas gedrosselt hatte, zieht er es alsbald wieder deutlich an, bietet viel mal mehr, mal weniger unvermittelt auftretende Action-Einlagen, darunter eine wirklich aufregend gefilmte, spektakuläre Verfolgungsjagd, in die gleich mehrere Kraftfahrzeuge verwickelt sind. Höhepunkt ist die Sprengung eines Paramilitärcamps, bei der es wie im Kriegsfilm zugeht: Wilde Schießereien, Hubschrauber-Stunts und Handgranatenwürfe. Gleichberechtigt ist jedoch die Handlung, die (Achtung, Spoiler!) die Zusammenhänge zwischen Kapital, Geheimdiensten und Faschismus aufzeigt, indem sie die Spur zum Industriellen Martinetti (Claudio Gora, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“) führen lässt, der sich in seiner ersten Szene direkt über „linksgerichtete Schmierblätter“ auslässt und einen Staatsstreich plant. Mit von der Partie ist der italienische Geheimdienst in Form von Captain Mario Sperli (Tomas Milian, „Die Kröte“), der schließlich antidemokratische Reden schwingt. Auch ausländische Geheimdienste kommen ins Spiel, Verfassungsschutzmitarbeiterin und Solmis Freundin Maria (Delia Boccardo, „Das wilde Auge“) steht u.a. mit dem BND in Kontakt. Stilecht und genretypisch fällt das Ende desillusionierend und pessimistisch aus.

„Das ist eine politische Angelegenheit!“

Darstellerisch reißt „Die Killfermafia“ keine Bäume aus, doch Merenda macht seine Sache grundsolide. Tomas Milian findet sich in einer für ihn ungewöhnlichen Rolle als Geheimdienstchef, die er ruhig und besonnen statt wie sonst üblich besonders exaltiert oder exzentrisch spielt. US-Amerikaner Mel Ferrer („Krieg und Frieden“) als Staatsanwalt beschränkt sich auf das Nötigste. Mit seiner rauen, rasanten und polterigen Inszenierung ist Sergio Martino die Melange aus klassischen Poliziesco-Motiven und hochbrisanten Polit-Thriller-Elementen recht gut gelungen, wenn man ihm den Anspruch, den er vorzugeben scheint, auch nicht ganz abnimmt und „Die Killermafia“ doch eher nach dem Mitschwimmen auf einer Erfolgswelle aussieht. Eine gewisse Plakativität, wenn Solmi die Staatsform derart flammend verteidigt, dass er keinerlei Veränderung an ihr duldet und die Naivität, dass Verfassungsschutz, BND und Konsorten zweifelsohne auf der Seite der Demokratie stünden, lassen ebenso darauf schließen wie die Versuche, möglichst viele verschiedene Genre-Charakteristika unterzubringen. So darf sich ein Polizist ausgiebig über gestiegene Preise beklagen und sich als unterbezahlter Kopfhinhalter stilisieren, während man Solmi die Härte und Kaltschnäuzigkeit eines Selbstjustizbullen anzudichten versucht, wenn er einen Verdächtigen foltert und damit auch noch Erfolg hat, der Zweck also die Mittel heiligt. Auch das Ende, das ich hier trotz meiner relativ vielen Spoiler nicht auch noch verrate, gab es so ähnlich schon des Öfteren. Eine rein exploitative Ausschlachtung möchte ich Martino indes nicht unterstellen, eher den recht geglückten Versuch, den Anspruch eines Diamiani mit der Action eines Castellari und dem Polizeibild eines Lenzi zu vereinen. Dass die jeweiligen „Originale“ für sich genommen meist noch besser sind, steht derweil aber außer Frage.
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Antropophagus II
Ein junger Mann wird schwerverletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Doch schon kurz nach der Operation sind seine Wunden fast wieder verheilt. Die Untersuchungen der Polizei bringen jedoch sehr schnell Licht in die mysteriösen Vorfälle. Aufgrund einer starken radioaktiven Verseuchung, wurde der Mann zu einer mordenden Bestie. Noch während die Polizei einen wichtigen Zeugen befragt, flieht der Killer aus der Klinik. Sein von Leichen gesäumter Weg führt ihn direkt in das Haus eines gelähmten Mädchens und ihrer Familie...
„Das ist absurd!“

1981 drehte der italienische Vielfilmer und gern als Schmuddel-Trasher abgetane Joe D’Amato „Absurd“ alias „Antropophagus II“ (alle andere, unzähligen Alias-Titel erspare ich mir an dieser Stelle) und suggerierte damit bewusst eine Fortsetzung des kultigen, ein Jahr zuvor erschienenen kannibalistischen „Man-Eater“ alias „Antropophagus“ – mit dem dieser an US-Slasher angelehnte Schnellschuss allerdings nichts zu tun hat – bis eben auf die Tatsache, dass D’Amato wieder auf seinen Kumpel George Eastman für die Hauptrolle zurückgreifen konnte.

Der Grieche Mikos Stenopolis (George Eastman) hat mit radioaktivem Material gearbeitet. Ein ungewollter Nebeneffekt seiner Arbeit war eine Veränderung seiner Zellstruktur, durch die er grandiose Selbstheilungskräfte erlangt hat. Sein Geist jedoch kennt nur noch einen Befehl: Töten! Seitdem ist er auf der Flucht vor einem Priester (Edmund Purdom, „Ein schwarzer Tag für den Widder“), die ihn schließlich in eine US-amerikanische Kleinstadt treibt. Dort schlitzt er sich den Wanst am Gartenzaun einer wohlhabenden Familie auf und wird ins Krankenhaus eingeliefert – aus dem er sich kurze Zeit später selbst entlässt und eben jene Familie aufsucht. Auf seinem Weg zu ihr hinterlässt er eine blutige Spur…

„Das ist kein Mensch mehr – das ist ein Ungeheur!“

Nach dem großartigen „Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf“ und dem sehr kruden, aber auch charmanten „Man-Eater“ läutete „Antropophagus II“ einen Abwärtstrend im Horrorfilm-Schaffen D’Amatos ein. Die Handlung scheint lediglich als Aufhänger für eine Aneinanderreihung möglichst brutaler und blutiger Splattereffekte zu dienen und mit ihrem gentechnisch veränderten Mutanten mit Selbstheilungskräften keinen weiteren Sinn zu ergeben. Lieblos wird das Geschehen nach Slasher-Manier in eine US-amerikanische Kleinstadt verlegt und mit Ankunft der Babysitterin zum recht offensichtlichen „Halloween“-Plagiat. Die Darstellerriege mit vielen „No-Names“ krampft sich bemüht durch das Schmierentheater und verfügt über besonders nervige Mimen wie den kleinen Jungen, der anscheinend überhaupt nicht weiß, was er dort überhaupt tut und den vermutlich angepeilten Effekt, dass man sich um ihn besonders sorgt, komplett torpediert. Das Verhalten der Charaktere ist meist nur schwer nachzuvollziehen und irgendeine Form von Empathie mag nicht so recht aufkommen. Eastman soll zwar einen Mutanten darstellen, sieht die ganze Zeit aber schlicht aus wie George Eastman eben aussieht – hünenhaft und respekteinflößend, von Maskenarbeit à la „Man-Eater“ jedoch keine Spur. Man verlässt sich ausschließlich auf seine Statur und seinen irren Blick, den er zugegebenermaßen gut beherrscht. Verfügte „Man-Eater“ noch über so etwas wie eine vielleicht nicht immer ganz geglückte, doch deutlich wahrnehmbare Dramaturgie, behält „Antropophagus II“ fast durchgehend das immer gleiche Tempo bei immer gleichem Ablauf bei, was ab einem gewissen Punkt schlicht ermüdend wirkt. Der Täter steht von vornherein fest, ein Motiv gibt es nicht und die Erklärung für sein Verhalten ist völlig belanglos, an den Haaren herbeigezogen und wird ebenfalls zu einem relativ frühen Zeitpunkt mit etwas pseudowissenschaftlichen Blabla erläutert. Bewusst erzeugte morbide Atmosphäre darf man keine erwarten, die abseitige Stimmung des Films ist reines Zufallsprodukt resultierend aus der billigen, schundigen Inszenierung, außer in jenen Momenten, in denen der Soundtrack Carlo Maria Cordios vereinzelt zu Hochform aufläuft.

Was „Antropophagus II“ für mich als Genre-Fan dennoch zumindest in die Durchschnittlichkeit rettet, ist tatsächlich der Grad an grafischer Gewalt: Schon zu Beginn stolpert Stenopolis mit herausquillendem Gedärm ins Haus, kurze Zeit später bohrt er sich durch den Kopf einer Krankenschwester, spannt im weiteren Verlauf jemanden auf eine Sägebank und steckt später den Babysitter (Annie Belle, „Laura“) mit dem Kopf in den Backofen, während die Kamera minutenlang auf ihren Überlebenskampf hält. Handwerklich sind diese Spezialeffekt durchaus von einem gewissen Niveau und wissen für sich betrachtet zu überzeugen sowie in ihrer Konsequenz zu verschrecken. Auch Spannung kommt dann doch endlich einmal auf, als Stenopolis zum zweiten Mal das Haus der Familie betritt und das Finale einläutet, das in einer äußert makabren Schlusseinstellung mündet, die mir allein schon einen Punkt wert ist. Trotzdem: „Antropophagus II“ ist einer stumpfsinnigsten Slasher, die ich kenne, und das will schon ‘was heißen. Das Drehbuch passte vermutlich auf einen Bierdeckel.

Wenn man keinen Schimmer davon hat, was einen guten Slasher eigentlich ausmacht und ihn lediglich auf seinen Gewaltanteil reduziert, kommt Murks wie dieser dabei heraus. Gegen „Antropophagus II“ ist „Man-Eater“ jedenfalls ein vielschichtiges, tiefenpsychologisches Arthouse-Drama.
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Stromberg – Der Film

„Hier in dem Laden scheißen sie dir auf den Kopf und du sagst auch noch: ‚Danke für den Hut!‘.“

Zum Überraschungserfolg im deutschen Fernsehen avancierte schnell die vom britischen Format „The Office“ inspirierte Comedy-Serie „Stromberg“, die im pseudodokumentarischen Mockumentary-Stil den Büroalltag um den Leiter der Schadensregulierung der fiktiven Capitol-Versicherung, Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst), aufs Korn nimmt und es auf fünf Staffeln brachte. Für einen Kinofilm indes fehlte das Geld, weshalb man Ende 2011 eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich ins Leben rief. 2014 war es dann soweit und „Stromberg – Der Film“ kam unter bewährter Regie von Arne Feldhusen („Der Tatortreiniger“) im abendfüllenden Format ins Kino.

Strombergs Filiale der Capitol-Versicherung soll geschlossen werden. Der drohenden Arbeits- und aus seiner Sicht damit Bedeutungslosigkeit versucht Stromberg zu begegnen, indem er entgegen seines ursprünglichen Plans nun doch mitsamt Belegschaft zur 50jährigen Firmenjubiläumsfeier nach Botzenburg reist, um sich dort bei der Konzernleitung für einen höheren Posten zu empfehlen. Doch auch Dauermobbingopfer Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel) hegt ähnliche Pläne und so kommt es zum erbitterten Konkurrenzkampf zwischen beiden mit harten Bandagen. So ganz nebenbei versucht Stromberg, seine verflossene Büroaffäre Jennifer „Schirmchen“ Schirrmann (Milena Dreißig) zurückzugewinnen. Dass die Feier im Chaos endet, besorgen aber auch Nebenkriegsschauplätze wie der mitgereiste Pflegesohn (Max Kluge) des kinderlosen Ehepaars Tanja (Diana Staehly) und Ulf Steinke (Oliver Wnuk), der aus asozialen Verhältnissen stammt und nicht wirklich bereit ist, mit den Steinkes ein heiles Familienleben zu heucheln, Strombergs Konfrontation mit ehemaligen Kollegen bzw. Konkurrenten und der ganz normale Firmenfeier-Wahnsinn…

Bereits die erste und beste Staffel hatte das Büroleben, vornehmlich das Verhalten Vorgesetzter in Person des ultimativen Egomanen, Karrieristen und Opportunisten Bernd Stromberg, hinreichend und angenehm intelligent wie subtil karikiert und damit wenn nicht alles, so doch bereits das meiste gesagt. Quintessenz: Büro ist Krieg. Die folgenden Staffeln wurden daraufhin plakativer und krawalliger, stärker auf Eskalation ausgerichtet, waren aber immer noch wirklich gute Unterhaltung und eine willkommene Abwechslung innerhalb der deutschen Fernsehlandschaft. Der Kinofilm setzt nun in sämtlichen Belangen noch einmal einen drauf und versucht, aus dem miefigen Büro-Ambiente auszubrechen, um das ganz große, kinogerechte Spektakel zu inszenieren. Den Doku-Soap-Stil, der suggeriert, dass sämtliche Aufnahmen von einem Fernsehteam stammen, das die Capitol-Belegschaft dokumentarisch begleitet, behielt man dafür bei; dieser macht sich jedoch lediglich dann wirklich bemerkbar, wenn Stromberg & Co. in Einzelszenen Statements abgeben und dabei vor hinkendsten Vergleichen nicht zurückschrecken. Dieser saukomische Sprach- und Spruchwitz ist nur ein Pfeiler des „Stromberg“-Gebildes, das ansonsten hauptsächlich auf Situationskomik von leise über herrlich kindisch (was bei Möchtegern-Alphamännchen mit Anzug und Krawatte besonders lustig ist) bis aberwitzig setzt und über eine hohe Trefferfrequenz verfügt – ganz zu schweigen von all den Seitenhieben auf die Branche und ihre Protagonisten, die ganze Steifheit des Geschäftsknigges und Verlogenheit, den Sozialdarwinismus der firmeninternen Karriereleiter, die Intrigen, die Macken und Neurosen der Mitarbeiter, die „politische Korrektheit“, die sich bei genauerem Hinsehen als bloße Fassade entlarvt etc. Gern geschieht dies in Form auf den Punkt formulierter Dialoge, die vor Einfallsreichtum nur so strotzen. Generell darf man (nicht nur) den Autoren eine grandiose Beobachtungsgabe attestieren, denn erst durch die Überzeichnung einiger Verhaltensweisen dürfte sich manch Zuschauer über deren Existenz bewusstwerden. Im Mittelpunkt steht irgendwann besagte Jubiläumsfeier, die einen guten Eindruck davon vermittelt, welch, zumindest in einem großen Rahmen wie diesem, langweiliges, vollends inszeniertes Brimborium solche Feierlichkeiten sind, und zwar exakt so lange, bis sich der offizielle Teil dem Ende nährt und die Gäste sich aus Frust, Langeweile o.ä. zu betrinken beginnen, aus ihren so lange so genau einstudierten Rollen als Anzug- und Kostümträger herausfallen und ihr wahres Gesicht zeigen. Allgemeingültigere Themen sind Midlife-Krisen insbesondere der Herren der Schöpfung, fragwürdige Alleinunterhalter (Carsten Meyer) auf Festen, auch die Verballhornung des Doku-Soap-TV-Formats.

Doch all das reichte anscheinend für „Stromberg – Der Film“ nicht, weshalb man auch Sex inkl. entblößter weiblicher Oberweiten sowie eine deftige Massenschlägerei integriert. Das ist – wenngleich zum Teil reale Ereignisse der Versicherungsmisswirtschaft Pate standen – ein bisschen Zuviel des Guten; doch im Anschluss wird’s dann gar völlig absurd, wenn Stromberg sich in seinem Opportunismus zum Arbeitskämpfer und schließlich einer Mischung aus Lenin und Che hochstilisieren lässt und damit zur bundesweiten Protestikone wird, bis er sich schließlich in die Politik abseilt. Diese im Zeitraffer ablaufenden Ereignisse scheinen mir jedoch bewusst einen anderen Stil anzunehmen und setzen sich satirisch mit der Politik und ihren Heuchlern zusammen, in die ein Stromberg ebenso gut wie in die Versicherungsbranche passt – wenn nicht gar besser. Mit dem Gastauftritt Frank-Walter Steinmeiers (Frank-Walter Steinmeier), der zunächst überflüssig und nervig auf mich, im Nachhinein jedoch wie ein schöner Seitenhieb auf die ebenso überflüssige und nervige SPD wirkt und ich mir vorstellen kann, dass Steinmeier gar nicht ahnt, in was er da hineingeraten ist, schließt sich dann der Kreis zum Prolog, denn die eigentliche Handlung war im Prinzip eine ausgedehnte Rückblende. Um es auf den Punkt zu bringen: Für Freunde der Serie ist eigentlich alles drin, wenn auch manch einer den klassischen Büroalltag vermissen wird, der nur kurz am Rande stattfindet. Sämtliche bedeutenden Charaktere der Serie geben sich noch einmal ein Stelldichein, von „Sabbel“ (Marja Beckmann) über „Tuberkel“ (Tatjana Alexander) bis Turçulu (Sinan Akkuş), und zugegebenermaßen manchmal etwas ruckartige Wechsel im Verhalten zeigen die Ambivalenz der Rollen, die ohne unzweifelhafte Sympathieträger auskommen, und ihre Unberechenbarkeit auf. Ich habe im Kino mitunter schallend gelacht, habe mich einmal mehr über Christoph Maria Herbsts großartige schauspielerische Leistung gefreut (nicht zu vergessen Bjarne Mädel!) und hatte noch Stunden später den Ohrwurm „Lass das mal den Papa machen“ von Stefan Raab im Ohr. Eine gelungene Leinwand-Portierung der Serie, von der man allerdings nicht den leiseren Humor der ersten Staffel erwarten sollte, die allerdings trotzdem viel zwischen den Zeilen bzw. Bildern zu lesen bietet. 7,5 von 10 Firmenwerbespotpremieren gebe ich noch unter dem Eindruck des Kino-Spaßes stehend, kann mir aber gut vorstellen, dass das Spektakel in den eigenen vier Wänden dann doch etwas einbüßt, denn Krawall und Absurdität ersetzen im Zweifelsfall dann eben doch nicht den Charme des Subtileren.
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Blue Steel
Die junge Beamtin Meagan (Jamie Lee Curtis) tötet in ihren ersten Dienststunden bei einem Raubüberfall den Täter mit mehreren Schüssen aus ihrer 44er. Als der Ort des Verbrechens von der Polizei gesichert wird, ist die Tatwaffe nicht mehr aufzufinden, und Meagan wird suspendiert. Als plötzlich mit der verschwundenen Waffe scheinbar willkürliche Morde geschehen, beginnt für Meagan ein Alptraum. Ein Psychopath treibt sein mörderischen Unwesen und schon bald muß sie feststellen, daß sie selbst im Fadenkreuz des Killers ist...
„Das lieb‘ ich so an dieser Stadt: Wenn man einen Stock nach oben wirft, landet er mit Sicherheit auf einem Taxi oder einem Krankenwagen!“

Nach dem Vampir-Horrorfilm „Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“ versuchte die US-amerikanische Regisseurin Kathryn Bigelow, mit ihrem dritten Spielfilm „Blue Steel“ aus dem Jahre 1989, eine weitere Männerdomäne zu durchbrechen: Den Polizei-Thriller.

Megan (Jamie Lee Curtis, „Halloween“) kommt frisch von der Polizeischule und wird direkt Zeugin eines bewaffneten Ladenüberfalls. Als sie eingreift, sieht sie sich gezwungen, den Kriminellen (Tom Sizemore, „Natural Born Killers“) in Notwehr zu erschießen. Doch unbemerkt von Megan und anderen Zeugen wird die Waffe des Täters vom Supermarktkunden Eugene Hunt (Ron Silver, „Entity“) eingesteckt, der sich klammheimlich vom Tatort entfernt. Und der Börsenmakler entwickelt eine krankhafte Obsession für seine neugewonnene Macht, ritzt Megans Namen in die Munition und begeht wahllose Morde. Megan hingegen wird vom Dienst suspendiert, da es für ihre Vorgesetzten den Anschein hat, dass sie einen unbewaffneten Dieb erschossen hätte. Eugene indes ist nicht nur besessen von seinem Revolver, sondern auch von der jungen Polizistin, mit der er eine romantische Beziehung einzugehen versucht…

Statt eines knallharten „Cops“ in der Hauptrolle präsentiert Kathryn Bigelow, die zusammen mit Eric Red auch das Drehbuch verfasste, mit Jamie Lee Curtis als Megan Turner eine selbstbewusste junge Frau, die zu Beginn des Films gerade als frischgebackene Polizistin vereidigt wird und stolz wie Oskar ist. Dieser Schritt bedeutet für sie nicht eine einfache Berufswahl, sondern auch eine Emanzipation – gesellschaftlich sowieso, doch sind ihrem Falle die Gründe in erster Linie im privaten Bereich zu suchen: Ihr Vater (Philip Bosco, „Gottes vergessene Kinder“) ist partout dagegen, dass seine Tochter den Beruf der Polizistin ergreift und misshandelt zudem in unregelmäßigen Abständen ihre Mutter (Louise Fletcher, „Einer flog über das Kuckucksnest“). Somit dürfte aus psychologischer Sicht eine Reaktion auf selbst erfahrenes Unrecht und die Bewältigung des Ohnmachtsgefühls ebenfalls eine Rolle spielen – was selbstredend ebenfalls Teil einer Emanzipation ist, sowohl in geschlechtlicher Hinsicht, als auch auf der Gefühlsebene. Fragen nach den Gründen für ihre Berufswahl begegnet Megan mit Sarkasmus.

Eingebettet in schöne Bilder der endenden 1980er inklusive faszinierender Hubschrauberaufnahmen des leuchtenden nächtlichen New Yorks, und viele wunderbar illuminierte Szenen (man beachte in diesem Zusammenhang die gehäuft auftretenden durch Fenster einfallenden Sonnenstrahlen) ist „Blue Steel“ nur zeitweilig als Polizei-Action-Thriller zu betrachten. Dies ist während des beschriebenen Überfalls der Fall, der mit Megans vorsichtigen, nervösen Einschreiten spannend inszeniert wird und in deren Verlauf Megan eine ganze Schusssalve auf den Räuber abfeuert, der blutüberströmt unter der Wucht der Einschüsse durch die Scheibe fliegt – was zur Hölle waren das für Geschosse? In der Folge gerät „Blue Steel“ zum lupenreinen Psycho-Thriller, der Ron Silver als Eugene Hunt von der Leine lässt und aus dem Börsenspekulanten einen eiskalten, wahnsinnigen Mörder macht, im Großstadtdschungel passend zu seinem Nachnamen auf der Jagd nach Opfern, um sein manisches Machtbedürfnis zu befriedigen. Ron Silver umgibt die düstere Aura eines Wolfs im Schafspelz, eines nach außen hin biederen Anzugträgers, dessen vordergründig freundliches, charmantes Auftreten nur Teil eines perfiden Spiels ist, das er mit Megan spielt und sie zunächst auch erfolgreich um den Finger wickelt, bis sie ihn durchschaut – doch ihr niemand Glauben schenkt.

Die daraus resultierende Stimmung gelingt Bigelow, insbesondere nach dem Bruch in der Erzählweise, wenn der Wissensvorsprung des Zuschauers erlischt, spannend umzusetzen, indem sie eine unangenehme, beunruhigende Nähe Hunts zu Megan zulässt, die bisweilen gar in Ansätzen an Lee Curtis‘ Rolle in „Halloween“ erinnert, wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen. Nicht nur bei Erschießungen arbeitet Bigelow mit dramatischen Zeitlupen, die Gewalteruptionen sind wohldosiert und relativ explizit, dadurch erschreckend und berührend, spielen jedoch nie die dominante Rolle des Films, der vielmehr zum Psycho-Duell zwischen zwei entgegengesetzten Charakteren gerät. Jamie Lee Curtis füllt ihre Rolle prima aus und agiert ebenso wie ihre Rolle auf Augenhöhe mit Silver. Das Finale ist konsequent, wenn auch innerhalb des Genre-Sujets nichts wirklich Besonderes. Woran es dem relativ linearen „Blue Steel“ aber wirklich mangelt, ist eine nähere Beleuchtung des Charakters Hunts, der Ursachen seiner offensichtlichen Persönlichkeitsstörung, der Hintergründe seiner Mordlust. Das wäre interessant gewesen und hätte „Blue Steel“ bestimmt zu mehr Tiefe verholfen, so aber bleibt Eugene Hunt lediglich ein austauschbarer, wenn auch besonders perfider Psychopath. Unterm Strich steht ein gelungener, gut besetzter und geschauspielerter, emanzipatorischer Film, der Bigelows inszenatorisches Geschick unterstreicht, in Bezug auf sein Drehbuch jedoch gern noch etwas Gewicht hätte vertragen können.
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Small Town Massacre
Vier Kleinstadtbewohner sind einem unbekannten Täter zum Opfer gefallen. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Inspektor John Brady verfolgt eine Spur, die ihn in ein psychiatrisches Institut führt. Hier unterziehen sich Freiwillige scheinbar harmlosen Tests und Selbstversuchen. John glaubt, daß der wahnsinnige Dr. Le Sange, auf dessen Konto auch der Tod von Bradys Frau geht, in die Sache verwickelt ist. Brady fährt in das Institut und macht dort eine erstaunliche und zugleich erschreckende Entdeckung...
„Alles Schwindel!“

Der erste von nur drei Spielfilmen des Regisseurs Michael Laughlin ist die 1981 in Neuseeländisch-australisch-US-amerikanischer Koproduktion entstandene Melange aus Slasher und Mad-Scientist-Horror „Small Town Massacre“ alias „Strange Behaviour“ alias „Die Experimente des Dr. S.“. Die Handlung wurde zwar in einer US-Kleinstadt angesiedelt, gedreht wurde jedoch in Neuseeland.

In der Kleinstadt Galesburg treibt ein Mörder sein Unwesen, der seine Opfer mit einem Messer ersticht und verstümmelt. Nachdem er endlich gefasst ist, führt die Frage nach seinem Motiv zur Klinik des verstorbenen Dr. Le Sange (Arthur Dignam, „Die Duellisten“), der in der Vergangenheit Probanden als Versuchskaninchen für Drogenexperimente eingesetzt hatte und wo nun scheinbar harmlose Hypnose-Versuche durchgeführt werden, mit denen sich Jugendliche ihr Taschengeld aufbessern können…

Laughlins Film mit den vielen Alias-Titeln („Blutige Schreie“ und „Dead Kids“ sind weitere) präsentiert sich zunächst zur Musik von Tangerine Dream wie ein typischer Slasher. Den Ersten Mord bekommt der Zuschauer nur als Schatten im Kerzenschein zu Gesicht (was zweifelsohne prima aussieht). Nach einer Kostümparty mit den unvermeidlichen ausgedehnten, doch bemerkenswerten Tanzeinlagen greift eine unbekannte Hand erneut zum Messer; jemand in einer gruseligen Maske ersticht einen Waldo (Jim Boelsen, „Der Bikini-Shop“) und jagt einen Backfisch durch ein Waldstück übers Gelände in den Pool. Der Mörder entkommt und – nimmt seine Maske ab, gibt sich zu erkennen, beendet das Whodunit?. Nun stellt sich die Frage nach dem Motiv und vor allem nach der Eigenverantwortlichkeit, wenn kurze Zeit später ein dickes Mädchen eine Haushälterin killt.

Fortan konzentriert sich „Small Town Massacre“ auf die Ermittlungen Polizeichef Bradys (Michael Murphy, „Batmans Rückkehr“) und betont seine Mad-Scientist-Elemente. Reichlich bizarr mutete bereits die Vorlesung des toten Dr. Le Sange im ersten Drittel des Films und das damit verbundene Experiment mit einem Huhn an. Dass dies offenbar als nichts unbedingt Außergewöhnliches betrachtet wird, verleiht Laughlins Films eine gewisse Entrücktheit, von der ich nicht weiß, ob sie beabsichtigt war oder aus der Unerfahrenheit des Regisseurs resultierendes Zufallsprodukt ist, denn trotz schöner Kamerafahrten eine Hausfassade herauf und motivierter Schauspieler sowie einem generell positiven technischen Eindruck rumpelt es dramaturgisch wie inhaltlich bisweilen ganz schön. Wohldosierte Schreckmomente und der interessante Subgenre-Crossover sowie die Pionierstellung, die der Film anscheinend im neuseeländischen Horrorfilm einnimmt, retten „Small Town Massacre“ trotz ab einem zu frühem Punkt reichlich vorhersehbarer Handlung und der einen oder anderen Ungereimtheit jedoch über den Durchschnitt. 5,5 von 10 Versuchskaninchen opfert Dr. Le Bux dafür.
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Tödliche Gedanken
Cynthia Kellogg (Demi Moore) wird von dem Polizisten John Woods (Harvey Keitel) verhört: Sie soll ihm Auskünfte über das Verhältnis ihrer besten Freundin Joyce Urbanski (Glenne Headly) zu deren Ehemann James (Bruce Willis) geben. Denn wie sich herausstellt ist James ermordet worden und Joyce steht unter Verdacht. Was Cynthia zu berichten weiß, trägt nicht unbedingt zu deren Entlastung bei. Woods erfährt, dass James ein cholerischer Rüpel war, der Joyce oft erniedrigte. Dies ging soweit, dass Joyce sogar versuchte ihn zu vergiften. Trotzdem ist sich Woods bei seinem Verhör nicht sicher, inwieweit er die Wahrheit von Cynthia erfährt...
US-Regisseur Alan Rudolph („Caged Women II - Gepeinigt und gequält“) wurde 1991 damit betraut, das US-Krimi-Drama „Tödliche Gedanken“ nach einem Drehbuch von William Reilly und Claude Kerven zu inszenieren. Koproduziert wurde der Film von Demi Moore („Eine Frage der Ehre“), die auch eine der Hauptrollen übernahm und ihren damaligen Ehemann Bruce Willis („12 Monkeys“) im Ensemble unterbrachte.

Polizist John Woods (Harvey Keitel, „Bad Lieutenant“) verhört die junge Frau Cynthia Kellog (Demi Moore) wegen des Mords an James Urbanski (Bruce Willis), dem Mann ihrer besten Freundin Joyce Urbanski (Glenne Headly, „Paperhouse - Alpträume werden wahr“), die unter dringendem Tatverdacht steht. Im Verlauf des Verhörs erfährt Woods von Cynthia, welch cholerischer und brutaler, kokain- und alkoholsüchtiger Ehemann James war und wie sehr Joyce darunter zu leiden hatte, so dass sie gar einen Mordversuch unternahm, den Cynthia jedoch vereitelte. Doch sagt Cynthia die ganze Wahrheit?

„Tödliche Gedanken“ beginnt im Polizeirevier mit den Verhör-Dialogen, doch damit’s kein Kammerspiel wird, werden Cynthias Erzählungen in Form von ausgiebigen Rückblenden gezeigt. Diese beginnen mit der Hochzeit Joyce‘ und James‘, während der James bereits aus der Reihe fällt. Nach einer Wiederaufnahme des Verhör-Gegenwart geht’s in der Vergangenheit zurück in den Friseursalon, in dem Joyce arbeitet, und der Zuschauer kann sich langsam sicher sein, dass James‘ Ausfallerscheinungen keine Ausnahmen, sondern eher die Regel sind. Eine weitere Rückblende führt auf einen Rummelplatz, an dessen Rande es schließlich zur Eskalation kommt.

Bruce Willis ist, streng gegen seine üblichen Rollen gebürstet, lustig anzusehen als Choleriker und zugedröhnter Koks- und Alk-Junkie, geht aber auch schnell auf die Nerven. Klar, das soll der von ihm dargestellte Charakter schließlich, doch ist’s hier schon zu viel des „Guten“. Über weite Strecken gestaltet sich „Tödliche Gedanken“ repetitiv und überraschungsarm, formuliert viele überflüssige Dialoge und wird damit schnell langweilig. Erst nach 74 Minuten offenbart sich die erste Überraschung, wenn der Zuschauer erfährt, dass auch Cynthias Mann tot ist – etwas davon zu sehen bekommt man allerdings nicht. Wenn „Tödliche Gedanken“ am Ende seine Pointe ausspielt und dem Zuschauer zu verstehen gegeben wird, worin Cynthia die Unwahrheit gesagt hat, was sich wirklich auf dem Rummelplatz zugetragen hat, wirkt der Film auf mich, als würde er mich erwartungsvoll ansehen und darauf warten, dass ich vor Begeisterung ob dieser ach so unvorhergesehenen Wendung frohlockend in die Hände klatsche. Stattdessen frage ich mich, was das alles soll und gehe davon aus, dass das niemand, weder Autoren noch Regisseur, so recht weiß. Nachdem man sich bis zum Ende wachgehalten hat, ist das nun wirklich nicht der erhoffte Paukenschlag, vielmehr der belanglose Schlusspunkt hinter einem belanglosen Filmchen.

Dieses fällt zwar handwerklich wie schauspielerisch solide aus (am besten gefällt Headly), doch eine sonderlich faszinierende Schauspielerin ist die hier dauergewellt auftretende Demi Moore meines Erachtens nicht. Hinter ihrer Leistung im nur ein Jahr später erschienenen „Eine Frage der Ehre“ bleibt sie deutlich zurück. Positiv fällt die atmosphärische Filmmusik Mark Ishams auf, aber viel mehr bleibt dann auch nicht mehr übrig von diesem erzählerisch misslungenen, biederen und nichtssagenden Drama, das schon längst wieder vergessen gewesen wäre, hätte ich mir nicht vorgenommen, auch über diesen Film etwas zu notieren.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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