Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)
Verfasst: Fr 14. Nov 2014, 18:03
Danke für die Besprechung/Einschätzung. Die Folge 83 konnte ich leider nie sehen.
European Genre Cinema
https://www.deliria-italiano.org/phpbb/
Prisma hat geschrieben:
● Folge 27: ANONYMER ANRUF (1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Martin Lüttge, Gerlinde Locker, Jürgen Goslar, Dunja Rajter, Friedrich Joloff, Hanne Hiob, Paul Edwin Roth
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Helmut Käutner
»Ihre Frau betrügt Sie!« So lautet der erste seltsame Anruf, der bei Kurt Gersdorf eingeht und kurz darauf folgt ein zweites Telefonat, bei dem der Fremde behauptet, Frau Gersdorf betrüge ihn mit Herrn Stein, dessen eigenem Onkel. Von Zweifeln getrieben, sucht Gersdorf die Villa seines Onkels auf und schon beim Betreten fallen Schüsse und die Alarmanlage ertönt laut. Stein wurde soeben ermordet. Handelt es sich um eine mörderische Falle, oder hat der Neffe einen perfiden Plan ausgeführt? Kommissar Keller machen die unterschiedlichen Zeugenaussagen skeptisch, außerdem stellt sich heraus, dass die Mordwaffe dem Hauptverdächtigen Gersdorf gehört. Kann er seine Unschuld beweisen..?
Folge 27 beginnt mit Panorama-Einstellungen der Stadt, schwenkt in Gersdorfs Dachgeschoss und beschäftigt sich mit einigen Details seiner Wohnung, bis der erste anonyme Anruf ertönt. Bereits zu Beginn wird ganz klar deutlich, dass Helmut Käutners Episode mit einem glasklaren Aufbau überzeugen wird und die gesamte Konstruktion schmückt sich im Verlauf mit einigen raffinierten Zügen. Leider ist folgendes jedoch nicht wegzudiskutieren, denn der Kriminalfall an sich ist leider vollkommen unspektakulär. Man verfolgt das Ganze und merkt bald, dass es eigentlich kaum Tatverdächtige gibt und wenn man sich schließlich an den Titel der Episode erinnert, hinterfragt man natürlich, wer der anonyme Anrufer gewesen ist. Spätestens hier fällt der Groschen, da man die Stimme der Person aufgrund ihrer prägnanten Farbgebung erkennt. Ziemlich schade, denn spätestens damit ist eine gute Portion Spannung einfach hinfällig geworden. Die Falle, die gnadenlos in der Villa des Herrn Stein zuschnappt, ist ansonsten sehr originell, auch die beteiligten Personen, die einiges zu verbergen haben, und deren eigenartige Beziehungen zueinander, sind mindestens einmal anschaulich gestaltet worden, wenngleich auch die Integration einiger der berüchtigten heiligen Nutten der Serie erneut fadenscheinig wirkt. Insgesamt gesehen hebt sich diese Angelegenheit deswegen nicht vom Mittelmaß ab, eher das Gegenteil ist der Fall.
Die Besetzung ist bunt, aber nicht uninteressant zusammen gewürfelt worden. Martin Lüttge, der in Kommissar-Fragen bereits einen wesentlich prägnanteren Auftritt zu verbuchen hatte, wirkt als Student Gersdorf etwas bemitleidenswert, da er ohne Weitsicht und ziemlich naiv in eine mörderische Falle tappt. Dem Eindruck nach scheinen seine Kompensationsstrategien ziemlich begrenzt zu sein, auch die Tatsache, was ihm nahe stehende Personen aus seinem direkten Umfeld treiben und zu was Menschen im Allgemeinen aus Kalkül und Egoismus fähig sein können, scheint ihm vollkommen fremd zu sein. Gerlinde Locker als seine zunächst unscheinbar anmutende Gattin wirkt recht überzeugend als Verantwortliche zum Aufbessern der Haushaltskasse. Anschaffen fürs Studium ihres ziellos wirkenden Mannes, das hat man jedenfalls von Gerlinde Locker auch nicht alle Tage gesehen, wobei sich allerdings Zweifel etablieren, ob das Geschilderte der Logik oder der Wahrscheinlichkeit entspricht. Eine weitere Genossin der diskreten Prostitution stellt die aparte Dunja Rajter dar, die ich in ihren wenigen und belanglosen Rollen immer sehr gerne sehe. Leider wurde sie hier mit einer Stimme synchronisiert, die einem beinahe schmerzhaft ins Ohr springt. Ich musste dabei sofort an Evelyn Opela denken, die (wie Rajter eben auch) gerade durch ihre charmante Original-Stimme so nachhaltige Akzente setzen konnte, aber hier wie ein Fremdkörper wirkt. Mit Jürgen Goslar und Friedrich Joloff bekommt man sehr überzeugende Interpreten zu Gesicht, die im Endeffekt auch den Kreise der Verdächtigen darstellen, da der Anrufer zu Beginn schließlich ein Mann war. Die komplette Folge besteht dem Empfinden nach ausschließlich aus Verhören, das große Aha bleibt auch nach der sehr gelungenen Überführung des Täters, bei der alle in der Villa zusammen geführt werden, leider aus, die Charakterzeichnungen wirken wenig geschliffen. Auch das Prinzip, dass wieder einmal ein rücksichtsloser Unmensch das Zeitliche segnen musste, wirkt langsam überholt (wenn auch nachvollziehbar), das Tatmotiv offenbart sich 5 vor 12 und drängt sich quasi aus dem Nichts auf. Ja, diese Folge lässt einen nicht nur unschlüssig, sondern leider auch etwas unzufrieden zurück, da sie einerseits klassisch konstruiert wirkt, ihr andererseits aber das gewisse Etwas fehlt. Übrigens ist Helmut Käutners Beitrag ärgerlicherweise in der "Kommissar"-Box nicht enthalten.
Ich kann halt Gedanken lesen.Prisma hat geschrieben:Bis Folge 27 bin ich doch hier eigentlich noch gar nicht gekommen!
Beängstigend!ugo-piazza hat geschrieben:Ich kann halt Gedanken lesen.
Das ist doch aber ein ewiger Running-Gag, der sich bereits in den frühen Folgen wiederfindet. Alle anderen Beteiligen wissen nicht Bescheid und Kommissar Keller löst das Rätsel.ugo-piazza hat geschrieben: Das Ende freilich erinnert mich zu sehr an Hercule Poirot, wenn alle Beteiligten am Tatort versammelt sind, und das Tatmotiv wird im letzten Satz von Kommissar Keller wie das Kaninchen aus dem Hut gezaubert.
Naja, sind doch noch keine 40 oder 50!FarfallaInsanguinata hat geschrieben:Bin ich jetzt bereits vier oder fünf Folgen im Rückstand?!