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Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Di 30. Dez 2014, 18:45
von Prisma

● Folge 25: DER MORD AN FRAU KLETT (1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Alfred Balthoff, Hans Ernst Jäger, Vadim Glowna, Hilde Volk, Laurence Bien, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Dietrich Haugk


In einem heruntergekommenen Viertel findet ein Lumpensammler eine Ermordete, die in einem Hinterhof einfach in einer Mülltonne abgelegt wurde. Um mit diesem rätselhaften Fall weiterzukommen, untersucht Kommissar Keller den sozialen Hintergrund der toten Frau Klett, die - wie sich schnell heraus stellt - ein sehr karges Leben geführt haben muss. Auch zu ihrem Mann und ihrem Sohn hatte sie schon länger keinen Kontakt mehr und keiner kann oder will eigentlich wirklich viel über die Frau berichten, bis die Spur in ein zweifelhaftes Lokal führt, wo sich einige Zusammenhänge entschlüsseln...

Folge 25 beginnt recht eindrucksvoll mit dem Ende einer Frau, die im Leben offensichtlich kaum das Nötigste zur Verfügung gehabt hat. Nicht nur für den Zuschauer, sondern auch die für ermittelnden Personen (die ja schließlich so einiges gewöhnt sind) offenbart sich eine Situation der Bestürzung, da die Tote einfach in einen Müll-Container abgelegt wurde, wie Abfall den man dringend loswerden möchte, weil man ihn nicht mehr ertragen kann. Hinzu kommt, dass die Frau schrecklich zugerichtet vorgefunden wird. Das Aufzeigen des sozialen Hintergrundes von Frau Klett dokumentiert wohl, dass nach Ansicht des Mörders einfach nur ein wertloses Leben beendet wurde. Zunächst bilden diese Bausteine eine gewisse Tragik und Nachdenklichkeit oder auch Entrüstung, doch eigentlich stellt sich relativ schnell heraus, dass man nur versuchte, eine äußerst schwache Geschichte durch Emotionen auf dem Servierteller zu verschleiern. Diese Krokodilstränen des Drehbuches verwässern leider die gesamte Angelegenheit in beinahe unangenehmer Art und Weise, so dass man es eigentlich vorweg nehmen kann: "Der Mord an Frau Klett" ist eine ungewöhnlich schwache und aufdringliche Kommissar-Folge geworden. Man kann ihr schließlich zu Gute halten, dass Dietrich Haugk versuchte, die Episode handwerklich-solide ins Ziel zu bringen.

Die Besetzungsliste mit Alfred Balthoff, Hans Ernst Jäger, Vadim Glowna und Hilde Volk bringt mir ein persönliches, für Kommissar-Verhältnisse beispielloses Horror-Kabinett zu Stande und auch hier hat man es in dieser Hinsicht mit der wohl bislang schwächsten Episode zu tun. Eine abgesattelte Truppe, die wenigstens die schäbigen Schauplätze und die triste Geschichte unterstreichen. Gut, die unsympathischen Charaktere gehören zwingend zu diesem Fall, da sie die nebulöse Geschichte mit ihren markanten, oder eher gesagt eigenartigen Kapriolen prägen sollen. Doch leider passt hier nichts zusammen. Alle klagen über das karge Leben und merken nicht, dass sie sich in ihrer Resignation und Lethargie bereits längst dem Schicksal hinnehmend gebeugt haben. Die einzige von ihnen, die schließlich ihr Leben aus Stroh zu Gold machen wollte, wurde ermordet. Diese hoffnungslosen Fälle wurden nicht im Geringsten stichhaltig, oder wenigstens annähernd verständlich für den Zuschauer herausgearbeitet, lediglich Else Knott als Frau Klett konnte eine hauchdünne Duftmarke setzen. Die Regie versucht jedenfalls die Folge durch Kompetenz glattzubügeln, was jedoch leider nicht komplett gelungen ist. Das Finale ist versöhnlicherweise noch sehr einprägsam und rasant ausgefallen, aber dennoch bleibt der Fall mit seinen Irrungen und Wirrungen im Rahmen dubioser Familienverhältnisse und dem Sinn des Ganzen Theaters eher schwach. Bei Zbyněk Brynychs Beiträgen hatte man trotz teils unerträglichen Passagen wenigstens eine auch teilweise beachtliche Besetzung (sozusagen als Tranquilizer) zur Verfügung, hier ist erstmals die Geschichte trotz schwerer Geschütze sehr wässrig, was allerdings viel schwerer ins Gewicht fällt ist, dass es keinen adäquaten darstellerischen Ausgleich gibt. Insgesamt eine überwiegend unbeeindruckende Folge, obwohl man sich angesichts der Intention dieser Erzählung nicht unbeeindruckt fühlen sollte. Einfach zu verdächtig!

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Sa 10. Jan 2015, 05:26
von FarfallaInsanguinata
Folge 26: Die kleine Schubelik

Ein notorischer Säufer wurde in seinem Bett mit einem Kissen erstickt. Kommissar Keller und seinem Team ist sofort klar, dass es sich um eine "Beziehungstat" handeln muss, deshalb beschränken sich die Ermittlungen auf das nächste Umfeld des Opfers.

Da mich heute Nacht das schlechte Gewissen, aufgrund meines ewigen Besprechungsrückstandes, plagte und ich außerdem nicht ins Bett gehen mochte, mir diese Folge aber auf Video daheim nicht vorliegt, nutzte ich die Möglichkeit youtube zur Rate zu ziehen. "Der Kommissar" in 16:9 war ein eigentümliches Erlebnis, was sich aber aushalten ließ. Nur bei den PKWs machte sich der Fehler deutlich bemerkbar, so breit und flach war der Dienst-BMW der ermittelnden Beamten dann in Real doch nicht. :mrgreen:
Die von mir bisher nicht rezensierten Folgen habe ich vorerst großzügig übersprungen. :oops:

Die Sozialisation aller Anwesenden findet sich in der Unterschicht und die präsentierten Behausungen erinnern eher an Baracken oder bestenfalls Schrebergartensiedlungen, da sollten heutige Hartz-IV-Empfänger gerne mal einen Blick wagen. Der von Reinecker so geliebte Klassen-Konflikt fällt hier also flach.
Ein Tscheche wird damals noch als "Exot" präsentiert, aber auch sonst ist das Gehabe der Personen mit ihrem typischen Zeitkolrit, siehe etwa der latente Sexismus einiger Personen, nicht uninteressant. Dieser Umstand macht für mich allerdings auch den hauptsächlichen Reiz der Episode aus. Die Krimihandlung inklusive der Auflösung vermögen dann doch nicht mehr als ein freundlich wohlwollendes "naja" hervorzubringen, wobei die titelgebende Person wider Erwarten nur eine Nebenrolle spielt und echte Spannung sich kaum einstellt.

Mein bescheidenes Fazit daher - als Sozialstudie spannend, als Krimi eher mau und im Gesamtkontext der Serie nur im Durchschnitt.

P.S. Niedlich übrigens der junge Thomas Piper tatsächlich mal in Angesicht und nicht nur als Synchronstimme, mit der er ja später deutlich bekannter wurde.

P.P.S. Dies ist offensichtlich die letzte Folge, in der die durchaus wehrhafte Kriminalassistentin Helga Lauer auftritt. Wieso eigentlich?

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Sa 10. Jan 2015, 05:59
von FarfallaInsanguinata
Folge 24: Eine Kugel für den Kommissar

Von dieser Folge hatte ich übrigens als Kind einen schrecklichen Ohrwurm, wegen dem endlos abgespielten "Hey Joe". Jahre später konnte ich dann zumindest die Version von Jimi Hendrix, die nicht die aus der Sendung ist, aufpicken. :lol:

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Mo 12. Jan 2015, 20:54
von Prisma

● Folge 26: DIE KLEINE SCHUBELIK (1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz und Emely Reuer
Gäste: Peter Kuiper, Erni Mangold, Margarethe von Trotta, Susanne Schaefer, Josef Fröhlich, Sigfrit Steiner, Thomas Piper
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Georg Tressler


Der Gelegenheitsarbeiter Schubelik wird tot in seinem Bett aufgefunden. Starb er eines natürlichen Todes? Er bewohnte eine kleine Laube am Rande der Stadt. Zunächst deutet keine Spur auf ein Gewaltverbrechen hin, doch Kommissar Keller ist skeptisch und rekonstruiert den Tag vor Schubeliks Tod noch einmal. Es hat eine Feier stattgefunden bei der auch die minderjährige Tochter des Toten, genannt die kleine Schubelik und ein Freund von ihm anwesend waren. War noch jemand zur besagten Zeit dort und kommt daher als Täter in Frage? Die Ermittlungen durchleuchten die Familienverhältnisse und fügen das Puzzle schließlich zusammen...

Mit einer Regie-Arbeit von Georg Tressler weiß man die Angelegenheit eigentlich in sicheren Händen. "Die kleine Schubelik" gehört allerdings nicht zu dieser Gattung und kann aufgrund des eintönigen Kriminalfalles, vor allem aber wegen der denkbar schwachen Titel gebenden Figur kaum Punkten. Lediglich die Charakterzeichnungen der übrigen Akteure sind wirklich gelungen und überzeugen daher auch in den meisten Fällen. Wenige Verdächtige in Verbindung mit einem herkömmlichen Fall, lassen die Handlung hier deutlich an Spannungshintergrund verlieren und die Vorhersehbarkeit erscheint daher exponiert zu sein wie selten. Die Einführung in die Geschichte ist mehr als eindeutig, genau wie die Zeichnung des Ermordeten, der ein Tyrann gewesen sein muss, und über dessen Ableben man bei einigen Beteiligten mehrmals beinahe Erleichterung sehen kann. So ist die ganze Angelegenheit auch wieder einmal schnellstens eine Art Konglomerat aus Kriminalfall und Milieu-Studie mit einigen gescheiterten Existenzen geworden, allerdings der weniger beeindruckenden Sorte, da es zu empfundener, ja aufgesetzter Tragik kommt. Allerdings darf man Folge 26 zu Gute halten, dass sie handwerklich, der Schauplätze wegen und vor allem ermittlungstechnisch so manches an Überzeugung zu bieten hat.

Für ein derartiges Milieu hatte man mit einem Kaliber wie Peter Kuiper als Klenze auf jeden Fall den richtigen Mann zur Verfügung. Seine geprahlte Manneskraft steht offenbar antiproportional zu seiner Intelligenz und er präsentiert sich als klassischer, Ekel erregender Prolet. Warum lange Reden schwingen, wenn die Fäuste doch eine eindeutigere Sprache sprechen, warum Arbeiten, wenn diese doch bekanntermaßen nur krank macht, warum nur eine Frau haben, wenn es doch so viele gibt? Kuiper liefert eine großartige und vor allem glaubwürdige Interpretation ab. Beim ersten Verhör weiß man bereits sofort mit wem man es zu tun hat. Seine Frau, die er betrunken auch gerne windelweich prügelt, wird von ihm hin und herschickt, ja wie ein minderwertiges Objekt behandelt und man kann ihn beobachten, wie er die sichtlich angewiderte Helga mit einem geilen Grinsen fixiert, oder wirklich eher schon angafft. Dabei hört man ständig den Sekundenzeiger der Uhr ticken, die sich im Raum befindet, was Klenze eindeutig charakterisiert. Eine Zeitbombe, die jederzeit ausrasten könnte oder schon längst explodiert ist. Somit bietet diese Folge eines der wohl groteskesten, aber auch interessantesten Verhöre der ganzen Reihe. Margarethe von Trotta überzeugt als resignierte Ehefrau dieses Herrn ebenfalls und sie gehört wie die meisten anderen Interpreten in die Riege der bedauernswerten Personen (von denen besonders noch Erni Mangold hervorsticht), die sich mutwillig mit einer Art Hölle arrangiert haben. Emely Reuer hat in dieser wenig erbaulichen Atmosphäre leider schon ihren letzten Auftritt als Helga. Sie bekam hier eine der wenigen Möglichkeiten, sich ein etwas mehr in den Fokus zu rücken, was besonders im Zusammenspiel mit einem lüsternen Peter Kuiper zur Geltung kommt. So erteilt sie ihm die wohl beste Abfuhr der Kommissar-Reihe, als sie ihn auf seine plumpen Avancen quasi fragt, als ob er noch ganz bei Trost sei. Eine Köstlichkeit! Ansonsten verläuft die Episode wie gesagt wenig originell, für meine Begriffe sogar langweilig, weil sie vorhersehbar erscheint und man vergleichsweise wesentlich besseres gesehen hat. Auch dieser tragisch angehauchte Versuch von Georg Tressler hat mich persönlich unbeeindruckt zurück gelassen, genau wie es schon beim Vorgänger der Fall war.

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Do 15. Jan 2015, 20:37
von FarfallaInsanguinata
Erfreut kann ich feststellen, dass wir "im Prinzip" mit unserer Wertung dieser Folge konform gehen, Prisma.
Aber ... ich hatte ja eh schon Bedenken, weil meine Besprechung in durchnächtigter Müdigkeit aufgrund von "unbedingt was schreiben wollen" reichlich hingeschludert war. Nach deinen Ausführungen sehe ich mich mindestens dreifach bestätigt. :oops:

Beim nächsten Mal versuche ich dann doch, mir wieder etwas mehr Mühe zu geben. ;)

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Do 15. Jan 2015, 20:53
von Prisma
Ach was, ich finde deine Einschätzung hat es schon auf den Punkt gebracht. Bei der Folge ist nicht viel zu machen und die Vorzüge sind schnell zusammen gefasst. Peter Kuiper sorgt für ein bisschen Stimmung, abstoßender geht es wohl kaum und da Emely Reuer ihren letten Auftritt hatte, fand ich es ganz schön, dass sie noch einmal zeigen konnte, was in ihr steckt. Besonders die Szenen zwischen den beiden haben mir großen Spaß gemacht. Ansonsten kann man Kriminalfall und Inszenierung so gut wie abschreiben. Warum Reuer so plötzlich ihren Abschied nahm, weiß ich allerdings auch nicht.

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Fr 23. Jan 2015, 02:01
von FarfallaInsanguinata
Folge 27: Anonymer Anruf

Ein Mann wird durch einen Telefonanruf aufgeschreckt ("Ihre Frau betrügt Sie!") und dadurch in das Haus seines Onkels gelockt, der prompt bei seinem Eintreffen erschossen wird. Handelt es sich tatsächlich um eine bösartig gestellte Falle, wie der Verdächtige den Kommissar glauben machen möchte oder ist er doch selbst der Täter?

Der Schauplatz dieser Folge ist zum wiederholten Male einer von Reineckers allerliebsten. Eine Villa mit parkähnlichem Grundstück, folglich handelt es sich bei dem Opfer um einen wohlhabenden Unternehmer. Auch die obligatorische Haushälterin ist selbstredend anwesend. Allerdings war der Mann ein Emporkömmling aus niedrigsten Umständen und entpuppt sich dazu laut Zeugnis aller Hinterbliebenen als rücksichtsloser und skrupelloser Egoist. So kommt im Verlauf der Ermittlungen zutage, dass der Ermordete sich nicht eben viele Freunde machte, was den Kreis der Tatverdächtigen beträchtlich erhöht. Der sonst vorhandene Klassenkonflikt wird diesmal symbolisiert durch den Neffen, der sich um keinen Preis dem Karrieredenken seines Onkels anpassen wollte, sondern stattdessen lieber ein brotloses Studium favorisierte.
Der geniale Überfliegerstatus von Kommissar Keller wurde selten so prägnant in Szene gesetzt wie hier, geht er doch bereits etwa zwanzig Minuten vor Schluß für einige Minuten auf die Terasse der Villa um nachzudenken und verkündet dann wie gewohnt, alles im Griff zu haben.
Das bekannte Zusammentrommeln aller Beteiligten am Schauplatz und die Entlarvung des Täters fielen für meinen Geschmack diesmal allerdings ein wenig schwächlich aus. Da war der Aha-Effekt in anderen Folgen definitiv größer.

Unterm Strich bleibt eine angenehme Folge mit ebenso angenehmen Gastdarstellern, Martin Lüttge, Gerlinde Locker, Jürgen Goslar, Dunja Rajter, und einem noch angenehmeren Regisseur, Helmut Käutner, die aber keine neuen Akzente setzen kann und sich im guten Durchschnitt platziert. Herausragend oder gar innovativ als das alles keinesfalls, dazu gibt es zuviel bereits bekannte Routine zu sehen.

P.S. Wenn in der Wohnung des Neffen auf einem Plattenspieler Singles aufgelegt werden und diese danach lieblos ungeschützt ohne Hülle in der Gegend rumliegen, dreht sich mir doch glatt der Magen um. :nixda:

P.P.S. Welche rechtlichen Probleme gab es nun bei dieser Episode, die eine Aussparung in der DVD-Veröffentlichung rechtfertigen? Weiß das jemand?

P.P.P.S.
ugo-piazza hat geschrieben: Die Besetzung ist gut, und musikalisch gibt's diesmal Leonard Cohens "Suzanne" auf die Ohren.
Ha, hat mich mein Ohr also doch nicht getrogen. Hatte das nicht mehr weiter nachrecheriert, aber Cohen wäre auch mein Tipp gewesen. :D

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Fr 23. Jan 2015, 11:46
von Prisma

● Folge 27: ANONYMER ANRUF (1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Martin Lüttge, Gerlinde Locker, Jürgen Goslar, Dunja Rajter, Friedrich Joloff, Hanne Hiob, Paul Edwin Roth
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Helmut Käutner


»Ihre Frau betrügt Sie!« So lautet der erste seltsame Anruf, der bei Kurt Gersdorf eingeht und kurz darauf folgt ein zweites Telefonat, bei dem der Fremde behauptet, Frau Gersdorf betrüge ihn mit Herrn Stein, dessen eigenem Onkel. Von Zweifeln getrieben, sucht Gersdorf die Villa seines Onkels auf und schon beim Betreten fallen Schüsse und die Alarmanlage ertönt laut. Stein wurde soeben ermordet. Handelt es sich um eine mörderische Falle, oder hat der Neffe einen perfiden Plan ausgeführt? Kommissar Keller machen die unterschiedlichen Zeugenaussagen skeptisch, außerdem stellt sich heraus, dass die Mordwaffe dem Hauptverdächtigen Gersdorf gehört. Kann er seine Unschuld beweisen..?

Folge 27 beginnt mit Panorama-Einstellungen der Stadt, schwenkt in Gersdorfs Dachgeschoss und beschäftigt sich mit einigen Details seiner Wohnung, bis der erste anonyme Anruf ertönt. Bereits zu Beginn wird ganz klar deutlich, dass Helmut Käutners Episode mit einem glasklaren Aufbau überzeugen wird und die gesamte Konstruktion schmückt sich im Verlauf mit einigen raffinierten Zügen. Leider ist folgendes jedoch nicht wegzudiskutieren, denn der Kriminalfall an sich ist leider vollkommen unspektakulär. Man verfolgt das Ganze und merkt bald, dass es eigentlich kaum Tatverdächtige gibt und wenn man sich schließlich an den Titel der Episode erinnert, hinterfragt man natürlich, wer der anonyme Anrufer gewesen ist. Spätestens hier fällt der Groschen, da man die Stimme der Person aufgrund ihrer prägnanten Farbgebung erkennt. Ziemlich schade, denn spätestens damit ist eine gute Portion Spannung einfach hinfällig geworden. Die Falle, die gnadenlos in der Villa des Herrn Stein zuschnappt, ist ansonsten sehr originell, auch die beteiligten Personen, die einiges zu verbergen haben, und deren eigenartige Beziehungen zueinander, sind mindestens einmal anschaulich gestaltet worden, wenngleich auch die Integration einiger der berüchtigten heiligen Nutten der Serie erneut fadenscheinig wirkt. Insgesamt gesehen hebt sich diese Angelegenheit deswegen nicht vom Mittelmaß ab, eher das Gegenteil ist der Fall.

Die Besetzung ist bunt, aber nicht uninteressant zusammen gewürfelt worden. Martin Lüttge, der in Kommissar-Fragen bereits einen wesentlich prägnanteren Auftritt zu verbuchen hatte, wirkt als Student Gersdorf etwas bemitleidenswert, da er ohne Weitsicht und ziemlich naiv in eine mörderische Falle tappt. Dem Eindruck nach scheinen seine Kompensationsstrategien ziemlich begrenzt zu sein, auch die Tatsache, was ihm nahe stehende Personen aus seinem direkten Umfeld treiben und zu was Menschen im Allgemeinen aus Kalkül und Egoismus fähig sein können, scheint ihm vollkommen fremd zu sein. Gerlinde Locker als seine zunächst unscheinbar anmutende Gattin wirkt recht überzeugend als Verantwortliche zum Aufbessern der Haushaltskasse. Anschaffen fürs Studium ihres ziellos wirkenden Mannes, das hat man jedenfalls von Gerlinde Locker auch nicht alle Tage gesehen, wobei sich allerdings Zweifel etablieren, ob das Geschilderte der Logik oder der Wahrscheinlichkeit entspricht. Eine weitere Genossin der diskreten Prostitution stellt die aparte Dunja Rajter dar, die ich in ihren wenigen und belanglosen Rollen immer sehr gerne sehe. Leider wurde sie hier mit einer Stimme synchronisiert, die einem beinahe schmerzhaft ins Ohr springt. Ich musste dabei sofort an Evelyn Opela denken, die (wie Rajter eben auch) gerade durch ihre charmante Original-Stimme so nachhaltige Akzente setzen konnte, aber hier wie ein Fremdkörper wirkt. Mit Jürgen Goslar und Friedrich Joloff bekommt man sehr überzeugende Interpreten zu Gesicht, die im Endeffekt auch den Kreise der Verdächtigen darstellen, da der Anrufer zu Beginn schließlich ein Mann war. Die komplette Folge besteht dem Empfinden nach ausschließlich aus Verhören, das große Aha bleibt auch nach der sehr gelungenen Überführung des Täters, bei der alle in der Villa zusammen geführt werden, leider aus, die Charakterzeichnungen wirken wenig geschliffen. Auch das Prinzip, dass wieder einmal ein rücksichtsloser Unmensch das Zeitliche segnen musste, wirkt langsam überholt (wenn auch nachvollziehbar), das Tatmotiv offenbart sich 5 vor 12 und drängt sich quasi aus dem Nichts auf. Ja, diese Folge lässt einen nicht nur unschlüssig, sondern leider auch etwas unzufrieden zurück, da sie einerseits klassisch konstruiert wirkt, ihr andererseits aber das gewisse Etwas fehlt. Übrigens ist Helmut Käutners Beitrag ärgerlicherweise in der "Kommissar"-Box nicht enthalten.

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Fr 23. Jan 2015, 23:12
von CamperVan.Helsing
FarfallaInsanguinata hat geschrieben:
P.P.S. Welche rechtlichen Probleme gab es nun bei dieser Episode, die eine Aussparung in der DVD-Veröffentlichung rechtfertigen? Weiß das jemand?
Ich hab da mal was gehört (ohne Gewähr), dass es urheberrechtliche Probleme mit den Käutner-Erben geben soll.

Re: Der Kommissar [TV-Serie] (1969 - 1976)

Verfasst: Di 27. Jan 2015, 19:33
von Prisma

● Folge 28: DREI TOTE REISEN NACH WIEN (1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper und Fritz Eckhardt
Gäste: Hans Caninenberg, Dieter Borsche, Herbert Steinmetz, Hilde Weissner, Christoph Bantzer, Susanne Wisten, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Dietrich Haugk


Eine anonyme Morddrohung richtet sich gegen Schreiner Bessmer, den Buchhändler Sasse und den Großkaufmann Roth. Diese Ankündigung steht in direktem Zusammenhang zu der letzten Vergnügungsfahrt nach Wien, die die drei alten Freunde gemeinsam unternommen hatten. Es gab häufiger solche Reisen, um dem Alltagstrott und dem langweiligen Eheleben entkommen zu können. Als Bessmer auf offener Straße ermordet wird ist klar, dass es sich um tödlichen Ernst handelt. Auch die Schüsse wurden aus einem Wagen mit Wiener Kennzeichen abgegeben. Was ist bloß in Wien geschehen und warum führen alle Wege dort hin? Kommissar Keller versucht, die übrig gebliebenen Herren vor Anschlägen zu schützen, doch die Zusammenhänge liegen im Dunkeln...

Dietrich Haugk lieferte mit "Drei Tote reisen nach Wien" einen richtigen Kommissar-Klassiker ab, der sogar - wenn man das Ganze ein bisschen mehr gestreckt sieht - blendend als Spielfilm funktioniert hätte. In Folge 28 merkt man wieder, dass man sich noch einmal aufraffte, um frischen Wind in die Reihe und in das übliche Konzept zu bringen, was nach den schwächeren Vorgängern der zweiten Staffel auch dringend notwendig war. So kommt es zu einigen Neuerungen und unterschiedlichen Herangehensweisen, die genügend Potential liefern, um sich abzuheben, was ja im Endeffekt auch gelungen ist, da es sich außerdem um einen sehr spannenden Stoff handelt. Episode 28 wirkt überraschend. Der maskierte Mörder sorgt für eine richtig unheimliche Atmosphäre, auch seine Vorgehensweise erscheint wesentlich brutaler zu sein als es sonst den Anschein hatte. Dieser wesentlich nachhaltigere Eindruck entsteht nicht zuletzt auch deswegen, da die Morde hier gezeigt werden und die Toten, nicht wie sonst üblich, gefunden werden, und die Tat an sich eine Sache der Fantasie zu bleiben hatte. Auch bleibt es diesmal nicht nur bei einem Mord und insgesamt bekommt man es bei Kommissar-Verhältnissen schon mit einer neuen Ebene der Spannung zu tun. Zusätzlich gibt es ein gelungenes Crossover mit der Integration des Wiener Kollegen, Oberinspektor Marek, so dass "Drei Tote reisen nach Wien" schließlich wesentlich aufwendiger inszeniert wirkt, als viele seiner Artgenossen.

Bei derartig gehobenen Voraussetzungen durfte natürlich eine Glanz-Besetzung nicht fehlen, die alleine mit den Titel-Figuren schon bemerkenswert ausgestattet ist. Die drei Toten, die Vergnügungen nicht abgeneigt sind, bekamen durch Hans Caninenberg, Dieter Borsche und Herbert Steinmetz sehr überzeugende, wenn auch vollkommen unterschiedliche Gesichter. Auch die Familienverhältnisse bekamen sehr differenzierte Färbungen. Wo es bei Erwin Bessmers Tod zu Tränen seiner Frau kommt, was innerhalb der Serie einen Seltenheitscharakter besitzt, denn meistens waren die Beteiligten über diverse Ableben erleichtert oder zeigten sich sogar unempfindlich, gibt es im Hause Sasse vorwurfsvolle und desillusionierte Konversationen, die von Hans Caninenberg und Hilde Weissner scharfzüngig und pointiert dargeboten werden. Auch Dieter Borsche als wohlhabender Kaufmann glänzt durch einen Präzisionsauftritt. Alle schüren sie die Befürchtung, dass Schweigen letztlich tödlich sein kann, so dass die Folge deswegen, aber auch aus den unterschiedlichsten Gründen von einer gesunden Spannung profitiert. Episode 28 offenbart ihre Stärken wie am Fließband, was durchaus positiv zu verstehen ist. Originelle Wendungen, dosierte Effekte, stichhaltige Charakterzeichnungen, tolle Schauplätze und schließlich die klassischen Ermittler-Tätigkeiten überzeugen hier restlos. "Drei Tote reisen nach Wien" verblüfft letztlich durch die Verschleierungstaktik des Drehbuches, und man ist sich als Zuschauer bis zum Ende hin nicht im Klaren darüber, wohin die Reise denn tatsächlich gehen wird. Dass die Regie die günstigen Voraussetzungen optimal genutzt hat, wird in jeder Minute dieser weit über dem Durchschnitt liegenden Kommissar-Folge sichtbar. Auch viele Einfälle, wie beispielsweise der alternative Abspann mit Darstellern und Namen, Rückblenden als Standbilder, etc., wirken als Bonus sehr erfrischend. Ein überzeugender Kommissar-Volltreffer voller Dynamik, Kompetenz und Vorstellungsvermögen.