Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Der wüste Gobi
Die seit 2013 bestehende und damit noch recht junge Tradition, zu bestimmten Feiertagen einen Weimarer „Tatort“ um das Ermittlerduo Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) zu drehen und auszustrahlen, wurde am diesjährigen zweiten Weihnachtsfeiertag fortgesetzt: Wie seine vier Vorgänger ist auch „Der wüste Gobi“ eine Krimi-Komödie, bei der der Humor im Vordergrund steht. Nach einem Drehbuch von Murmel Clausen und Andreas Pflüger entstand unter der Regie Ed Herzogs ein in der forensischen Psychiatrie angesiedelter Fall: Der wegen Mordes an Frauen verurteilte Gotthilf Bigamiluschvatokovtschvili (Jürgen Vogel), genannt Gobi, bricht aus, hinterlässt eine erwürgte Krankenschwester und macht sich auf den Weg zu seiner Verlobten, der Harfenspielerin Mimi Kalkbrenner (Jeanette Hain). Derweil wird die Ehefrau des Professors Elmar Eisler (Ernst Stötzner), dem Chefarzt der Psychiatrie, der sich für Gobis Entlassung eingesetzt hatte, ermordet. Ob Gobi der Täter ist, ist zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt und Gegenstand der Untersuchungen Dorns, Lessings und des LKAs. Bekannt ist jedoch schon bald, dass Gobi sich in der Anstalt eine Art Harem hielt und einen Schlag beim weiblichen Personal weghatte, dem er regelmäßig Unterwäsche häkelte. Seine Mimi wiederum will davon, welch Casanova ihr Angebeteter ist und dass er ein wahnsinniger Mörder sein könnte, nichts wissen und hilft ihm auf seiner Flucht, die er bevorzugt durch die Kanalisation antritt. Dorn und Lessing, auch privat ein Paar, versuchen die kinderlose Freizeit zu nutzen, um sich endlich einmal wieder sexuell näherzukommen, leiden jedoch unter der defekten Heizung bei Minustemperaturen ebenso wie unter dem geistig minderbemittelten, penetranten Streifenpolizisten „Lupo“, sodass es beim bloßen Vorhaben bleibt.
Mittels mal mehr, mal weniger subtilem, jedoch nur selten krawalligem Humor, der auf seinen bizarren Fall ebenso setzt wie auf Sprachwitz, Situationskomik und Karikaturen des Polizeiapparats sowie psychiatrischer Anstalten, wird das Publikum ansprechend und kurzweilig unterhalten. Jürgen Vogel scheint einmal mehr in seiner Rolle voll aufzugehen, während das sympathische Ermittlerduo lange Zeit ungläubig zuschauen und sich mit zahlreichen Widrigkeiten wie verschwundenen Akten, einer alten Stasi-Geschichte etc. auseinandersetzen muss. Die sympathische, süß-schnippische Tschirner ist nach wie vor eine Augenweide; als Fan-Support zeigt sie sich in einer Szene in Unterwäsche, als selbstbewusste, lässige Kommissarin negiert sie jedes etwaige Girlie-Image. Ulmen kommt aus dem Komödiantischen, spielt seinen Lessing dafür zurückhaltend, um mit trockenem Humor und einer gewissen desillusionierten Abgeklärtheit zu punkten, die ihn in den richtigen Momenten ebenso wie seine Partnerin die richtigen Schlüsse ziehen lässt. Die stoische Miene beider bildet einen angenehmen Kontrast zum Humoranteil und unterstreicht, dass dieser keine Schenkelklopfer oder Chargierungen nötig hat. Figuren wie Kalkbrenner, Eisler & Co. wurden jeweils nur leicht überzeichnet; ihre Karikatur liegt in der Überbetonung nur weniger Eigenschaften, die sich dann auch erst nach und nach, dafür umso nachhaltiger zeigen und tatsächlich auch in dieser Groteske für so etwas wie Ratespaß und Spannung sorgen. Zudem macht man sich einen Jux daraus, ausgerechnet Jürgen Vogel, der wahrlich kein klassischer Beau ist, zum Womanizer zu erklären und spielt dadurch mit Schönheitsidealen und allem, was Männer über Frauen in Bezug auf Sexualpartnerwahl zu wissen glaubten.
Natürlich zündet nicht jeder Witz, hier und da wird dann doch zu dick aufgetragen und in ein starres Logik- oder Realismus-Gatter lässt sich diese Komödie schon gar nicht zwängen. Tonfall, Unaufgeregtheit und Ausrichtung sowie der „selbstkritische“ (in Anführungszeichen, weil der „Tatort“ natürlich nicht von wirklichen Gesetzeshütern hergestellt wird) Blick auf die Polizeiarbeit wissen aber zu gefallen und besiegeln einen „Tatort“, mit dem sich der Weihnachtswahnsinn prima ausklingen ließ.
Die seit 2013 bestehende und damit noch recht junge Tradition, zu bestimmten Feiertagen einen Weimarer „Tatort“ um das Ermittlerduo Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) zu drehen und auszustrahlen, wurde am diesjährigen zweiten Weihnachtsfeiertag fortgesetzt: Wie seine vier Vorgänger ist auch „Der wüste Gobi“ eine Krimi-Komödie, bei der der Humor im Vordergrund steht. Nach einem Drehbuch von Murmel Clausen und Andreas Pflüger entstand unter der Regie Ed Herzogs ein in der forensischen Psychiatrie angesiedelter Fall: Der wegen Mordes an Frauen verurteilte Gotthilf Bigamiluschvatokovtschvili (Jürgen Vogel), genannt Gobi, bricht aus, hinterlässt eine erwürgte Krankenschwester und macht sich auf den Weg zu seiner Verlobten, der Harfenspielerin Mimi Kalkbrenner (Jeanette Hain). Derweil wird die Ehefrau des Professors Elmar Eisler (Ernst Stötzner), dem Chefarzt der Psychiatrie, der sich für Gobis Entlassung eingesetzt hatte, ermordet. Ob Gobi der Täter ist, ist zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt und Gegenstand der Untersuchungen Dorns, Lessings und des LKAs. Bekannt ist jedoch schon bald, dass Gobi sich in der Anstalt eine Art Harem hielt und einen Schlag beim weiblichen Personal weghatte, dem er regelmäßig Unterwäsche häkelte. Seine Mimi wiederum will davon, welch Casanova ihr Angebeteter ist und dass er ein wahnsinniger Mörder sein könnte, nichts wissen und hilft ihm auf seiner Flucht, die er bevorzugt durch die Kanalisation antritt. Dorn und Lessing, auch privat ein Paar, versuchen die kinderlose Freizeit zu nutzen, um sich endlich einmal wieder sexuell näherzukommen, leiden jedoch unter der defekten Heizung bei Minustemperaturen ebenso wie unter dem geistig minderbemittelten, penetranten Streifenpolizisten „Lupo“, sodass es beim bloßen Vorhaben bleibt.
Mittels mal mehr, mal weniger subtilem, jedoch nur selten krawalligem Humor, der auf seinen bizarren Fall ebenso setzt wie auf Sprachwitz, Situationskomik und Karikaturen des Polizeiapparats sowie psychiatrischer Anstalten, wird das Publikum ansprechend und kurzweilig unterhalten. Jürgen Vogel scheint einmal mehr in seiner Rolle voll aufzugehen, während das sympathische Ermittlerduo lange Zeit ungläubig zuschauen und sich mit zahlreichen Widrigkeiten wie verschwundenen Akten, einer alten Stasi-Geschichte etc. auseinandersetzen muss. Die sympathische, süß-schnippische Tschirner ist nach wie vor eine Augenweide; als Fan-Support zeigt sie sich in einer Szene in Unterwäsche, als selbstbewusste, lässige Kommissarin negiert sie jedes etwaige Girlie-Image. Ulmen kommt aus dem Komödiantischen, spielt seinen Lessing dafür zurückhaltend, um mit trockenem Humor und einer gewissen desillusionierten Abgeklärtheit zu punkten, die ihn in den richtigen Momenten ebenso wie seine Partnerin die richtigen Schlüsse ziehen lässt. Die stoische Miene beider bildet einen angenehmen Kontrast zum Humoranteil und unterstreicht, dass dieser keine Schenkelklopfer oder Chargierungen nötig hat. Figuren wie Kalkbrenner, Eisler & Co. wurden jeweils nur leicht überzeichnet; ihre Karikatur liegt in der Überbetonung nur weniger Eigenschaften, die sich dann auch erst nach und nach, dafür umso nachhaltiger zeigen und tatsächlich auch in dieser Groteske für so etwas wie Ratespaß und Spannung sorgen. Zudem macht man sich einen Jux daraus, ausgerechnet Jürgen Vogel, der wahrlich kein klassischer Beau ist, zum Womanizer zu erklären und spielt dadurch mit Schönheitsidealen und allem, was Männer über Frauen in Bezug auf Sexualpartnerwahl zu wissen glaubten.
Natürlich zündet nicht jeder Witz, hier und da wird dann doch zu dick aufgetragen und in ein starres Logik- oder Realismus-Gatter lässt sich diese Komödie schon gar nicht zwängen. Tonfall, Unaufgeregtheit und Ausrichtung sowie der „selbstkritische“ (in Anführungszeichen, weil der „Tatort“ natürlich nicht von wirklichen Gesetzeshütern hergestellt wird) Blick auf die Polizeiarbeit wissen aber zu gefallen und besiegeln einen „Tatort“, mit dem sich der Weihnachtswahnsinn prima ausklingen ließ.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Mord ex Machina
Der siebte und vorletzte Fall des Saarbrücker Ermittlerduos Stellbrink (Devid Striesow) und Marx (Elisabeth Brück) wurde 2017 gedreht und war der erste ausgestrahlte „Tatort“ des Jahres 2018. Regisseur Christian Theede („Gonger - Das Böse vergisst nie“) debütierte damit in der ARD-Krimireihe, das Drehbuch stammt von Hendrik Hölzemann und David Ungureit.
Der zunächst nach einem Selbstmord aussehende Fall eines autonom fahrenden Autos, in dem Sebastian Feuerbach (Nikolai Kinski, „Rohtenburg“), der Justiziar des Saarbrücker IT-Unternehmens Conpac, ums Leben kommt, zwingt Stellbrink schließlich, sich mit Themen wie Big Data und Datenmissbrauch auseinanderzusetzen. Damit avanciert dieser „Tatort“ zu einer Lehrstunde für unbedarfte Zuschauer, denen die Brisanz dieses Themenbereichs bisher nicht bewusst war. Die Spur führt in die Hackerszene und so zählen zum Kreis der Verdächtigen neben Conpac-Chef Victor Rousseau (Steve Windolf, „Seitenwechsel“) die Hackerin Natascha (Julia Koschitz, „Shoppen“) und ihr „Loverboy“, der soziopathische Marco (Anton Spieker, „Von jetzt an kein Zurück“).
Insbesondere die Rolle Nataschas weiß aufgrund ihres ambivalenten Charakters zu überzeugen. Sexuell aufgeschlossen und die toughe Hackerin, die Stellbrink an der Nase herum- und vorführt, markierend, ist auch sie letztlich ein in Beziehungsfragen glückloser, verletzlicher, einsamer Mensch, der selbst is Lebensgefahr gerät. Nach Stieg Larssons Lisbeth Salander eine weitere Hackerin, die bereits durch ihr Geschlecht, doch auch weit darüber hinaus so gar nicht dem Klischee des fetten, ungewaschenen Computer-Nerds entspricht. Zu viel des Guten (ein häufiges Problem zeitgenössischerer „Tatorte“) ist ihre libidiöse Annäherung an den sich auf Freiersfüßen befindenden Stellbrink, stark vereinfach dargestellt wurden die Hackerangriffe (ein Foto im Chat einer Partnerbörse fungiert hier als Überträger von Schad-Software…) und der Lösungsvorschlag, den Stellbrink den Zuschauer anbietet, nämlich der komplette Technik-Rollback in Form eines Verzichts auf Smartphone & Co. ist ebenso billig wie er Quatsch ist.
Ansonsten bekommt man aber einen ziemlich unterhaltsamen, gut gemachten „Tatort“ geboten, den man offenbar passend zur Thematik besonders technisch aussehen lassen wollte und so immer wieder auf den netten Kameraeffekt setzt, Protagonisten durch technische Schnittstellen hindurch zu filmen – als nähme die Technik eine subjektive Sicht ein. Dies verstärkt den sicherlich gewünschten Eindruck, die Technik würde ein Eigenleben entwickeln und sich uns mitunter wesentlich genauer betrachten als wir sie. Stellbrink schultert diesen Fall beinahe allein, von einem klassischen Duo ist nicht viel übrig geblieben. Die (wenigen) komödiantischen Momente können andere besser und hätte man sich sparen können, um den modernen technisch kalten Neo-Noir-Effekt zu verstärken, der diesen „Tatort“ über seine für Datenschutz sensibilisierende Aussage hinaus sehenswert macht.
Der siebte und vorletzte Fall des Saarbrücker Ermittlerduos Stellbrink (Devid Striesow) und Marx (Elisabeth Brück) wurde 2017 gedreht und war der erste ausgestrahlte „Tatort“ des Jahres 2018. Regisseur Christian Theede („Gonger - Das Böse vergisst nie“) debütierte damit in der ARD-Krimireihe, das Drehbuch stammt von Hendrik Hölzemann und David Ungureit.
Der zunächst nach einem Selbstmord aussehende Fall eines autonom fahrenden Autos, in dem Sebastian Feuerbach (Nikolai Kinski, „Rohtenburg“), der Justiziar des Saarbrücker IT-Unternehmens Conpac, ums Leben kommt, zwingt Stellbrink schließlich, sich mit Themen wie Big Data und Datenmissbrauch auseinanderzusetzen. Damit avanciert dieser „Tatort“ zu einer Lehrstunde für unbedarfte Zuschauer, denen die Brisanz dieses Themenbereichs bisher nicht bewusst war. Die Spur führt in die Hackerszene und so zählen zum Kreis der Verdächtigen neben Conpac-Chef Victor Rousseau (Steve Windolf, „Seitenwechsel“) die Hackerin Natascha (Julia Koschitz, „Shoppen“) und ihr „Loverboy“, der soziopathische Marco (Anton Spieker, „Von jetzt an kein Zurück“).
Insbesondere die Rolle Nataschas weiß aufgrund ihres ambivalenten Charakters zu überzeugen. Sexuell aufgeschlossen und die toughe Hackerin, die Stellbrink an der Nase herum- und vorführt, markierend, ist auch sie letztlich ein in Beziehungsfragen glückloser, verletzlicher, einsamer Mensch, der selbst is Lebensgefahr gerät. Nach Stieg Larssons Lisbeth Salander eine weitere Hackerin, die bereits durch ihr Geschlecht, doch auch weit darüber hinaus so gar nicht dem Klischee des fetten, ungewaschenen Computer-Nerds entspricht. Zu viel des Guten (ein häufiges Problem zeitgenössischerer „Tatorte“) ist ihre libidiöse Annäherung an den sich auf Freiersfüßen befindenden Stellbrink, stark vereinfach dargestellt wurden die Hackerangriffe (ein Foto im Chat einer Partnerbörse fungiert hier als Überträger von Schad-Software…) und der Lösungsvorschlag, den Stellbrink den Zuschauer anbietet, nämlich der komplette Technik-Rollback in Form eines Verzichts auf Smartphone & Co. ist ebenso billig wie er Quatsch ist.
Ansonsten bekommt man aber einen ziemlich unterhaltsamen, gut gemachten „Tatort“ geboten, den man offenbar passend zur Thematik besonders technisch aussehen lassen wollte und so immer wieder auf den netten Kameraeffekt setzt, Protagonisten durch technische Schnittstellen hindurch zu filmen – als nähme die Technik eine subjektive Sicht ein. Dies verstärkt den sicherlich gewünschten Eindruck, die Technik würde ein Eigenleben entwickeln und sich uns mitunter wesentlich genauer betrachten als wir sie. Stellbrink schultert diesen Fall beinahe allein, von einem klassischen Duo ist nicht viel übrig geblieben. Die (wenigen) komödiantischen Momente können andere besser und hätte man sich sparen können, um den modernen technisch kalten Neo-Noir-Effekt zu verstärken, der diesen „Tatort“ über seine für Datenschutz sensibilisierende Aussage hinaus sehenswert macht.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Kopper
Mit „Kopper“ schickt die „Tatort“-TV-Krimireihe den männlichen Part eines der langlebigsten Ermittlerduos in Rente: Es ist Andreas Hoppes letzter Einsatz als italienischstämmiger Hauptkommissar Mario Kopper an der Seite seiner Kollegin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in Ludwigshafen. Produziert 2017, ausgestrahlt im Januar 2018, inszenierte der TV-Krimi-erfahrene Regisseur Roland Suso Richter ein Drehbuch Patrick Brunkens.
Auf der Straße trifft Kopper zufällig Sandro Giangreco (Michele Cuciuffo, „Maria Mafiosi“), einen Freund aus sizilianischen Kindheitstagen, wieder. In einer Kneipe gehen sie ihr Wiedersehen begießen, als plötzlich ein Angehöriger der italienischen Mafia nach einem kurzen Gespräch auf Sandro feuert. Kopper reagiert blitzschnell und erschießt seinerseits den Angreifer. Im Anschluss werden grob die Spuren verwischt und das Weite gesucht. Es stellt sich heraus, dass Sandro für mehrere Morde jahrelang hinter Gittern saß und mit der Mafia endgültig abschließen will. Er erklärt sich bereit, als Kronzeuge gegen die Organisation auszusagen, wenn Kopper ihn in ein Zeugenschutzprogramm vermittelt. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, die Mafia wenig begeistert von Koppers Dazwischenfunken und der letzte Kronzeuge gerade erst im Gefängnis tot aufgefunden worden – ein Suizid, den Koppers ahnungslose Kolleginnen Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) untersuchen. Als schließlich Koppers Spuren am Tatort, der Kneipe, gefunden werden, führt dies zu Konfusionen und Kontroversen...
„Kopper“ besorgt quasi nachträglich lange versäumte Charakterisierungen des Namensgebers dieser Episode, wofür neben Dialogen mit Sandro Rückblenden in Form von Super-8-Aufnahmen aus der gemeinsamen Kindheit zum Einsatz kommen. Nachdem die Ludwigshafener Beiträge zuletzt stark in Ungnade gefallen waren und mitunter gar als Tiefpunkte der Reihe galten, bemüht man sich redlich um Wiedergutmachung und einen würdevollen Abgang Koppers. Dem wird auch geschuldet sein, dass man als Sujet kein klassisches Whodunit? wählte, das den Fokus auf die Ermittlungsarbeiten legt, sondern vielmehr in Thriller-Manier das Hauptaugenmerk auf die Beziehung Koppers zu seinem Jugendfreund und dessen beispielhafte Verstrickungen mit der Mafia richtet, die Kopper nicht nur in akute Gefahr, sondern auch in Gewissenskonflikte bringen. Zudem legt dieser „Tatort“ den Finger in die offenbar reale Wunde der unzureichenden Möglichkeiten der deutschen Justiz, der Mafia habhaft zu werden und ihre Zeugen adäquat zu schützen. Wie sehr dies misslingt, zeigt eindrucksvoll der Prolog um den erwähnten Suizid.
Auch die Rahmenhandlung um mafiöse Verstrickungen im Geschäft mit Chemiemüll scheint in der Realität verankert – wurde jedoch leider wie allgemein fast alles, was über die spannende, emotionale Beziehung zwischen Kopper und Sandro hinausgeht, unglücklich kompliziert konzipiert und/oder erzählt, sodass insbesondere die daraus resultierenden langen Dialogpassagen der Nebenfiguren ermüdend wirken. Was dieser „Tatort“ an Hintergründen anbietet, ist für den eigentlichen Gehalt dieser Episode zu nebensächlich, als dass es derart herausgestellt und damit vom Kern der Geschichte unschön ablenken sollte. Auch das eine oder andere Klischee hätte es in dieser Ausprägung vielleicht nicht bedurft, wenngleich das größte sicherlich bereits der Aufhänger darstellt: einen deutschen Kommissar mit italienischen Wurzeln der Mafia auszusetzen.
Daraus ergibt sich indes eine unterhaltsame, recht sensible Mischung aus Charakterstudie, Mafia-Thriller, Krimi und Freundschafts-Drama um Vertrauen, Loyalität und falsches Spiel, in der Andreas Hoppe sich als mehr als überdurchschnittlicher Charakterdarsteller beweisen kann, der Actionszenen genauso gut meistert wie insbesondere die äußerlich ruhigen, psychologisch jedoch an ihm zehrenden Momente und erahnen lässt, dass man ihn mit seiner hier gezeigten überlegten, in sich ruhenden, fast stoischen und dennoch herzlichen Art im „Tatort“ vermissen wird. Der Epilog wiederum beweist einmal mehr: Bulle im vorzeitigen Ruhestand müsste man sein...
Mit „Kopper“ schickt die „Tatort“-TV-Krimireihe den männlichen Part eines der langlebigsten Ermittlerduos in Rente: Es ist Andreas Hoppes letzter Einsatz als italienischstämmiger Hauptkommissar Mario Kopper an der Seite seiner Kollegin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in Ludwigshafen. Produziert 2017, ausgestrahlt im Januar 2018, inszenierte der TV-Krimi-erfahrene Regisseur Roland Suso Richter ein Drehbuch Patrick Brunkens.
Auf der Straße trifft Kopper zufällig Sandro Giangreco (Michele Cuciuffo, „Maria Mafiosi“), einen Freund aus sizilianischen Kindheitstagen, wieder. In einer Kneipe gehen sie ihr Wiedersehen begießen, als plötzlich ein Angehöriger der italienischen Mafia nach einem kurzen Gespräch auf Sandro feuert. Kopper reagiert blitzschnell und erschießt seinerseits den Angreifer. Im Anschluss werden grob die Spuren verwischt und das Weite gesucht. Es stellt sich heraus, dass Sandro für mehrere Morde jahrelang hinter Gittern saß und mit der Mafia endgültig abschließen will. Er erklärt sich bereit, als Kronzeuge gegen die Organisation auszusagen, wenn Kopper ihn in ein Zeugenschutzprogramm vermittelt. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, die Mafia wenig begeistert von Koppers Dazwischenfunken und der letzte Kronzeuge gerade erst im Gefängnis tot aufgefunden worden – ein Suizid, den Koppers ahnungslose Kolleginnen Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) untersuchen. Als schließlich Koppers Spuren am Tatort, der Kneipe, gefunden werden, führt dies zu Konfusionen und Kontroversen...
„Kopper“ besorgt quasi nachträglich lange versäumte Charakterisierungen des Namensgebers dieser Episode, wofür neben Dialogen mit Sandro Rückblenden in Form von Super-8-Aufnahmen aus der gemeinsamen Kindheit zum Einsatz kommen. Nachdem die Ludwigshafener Beiträge zuletzt stark in Ungnade gefallen waren und mitunter gar als Tiefpunkte der Reihe galten, bemüht man sich redlich um Wiedergutmachung und einen würdevollen Abgang Koppers. Dem wird auch geschuldet sein, dass man als Sujet kein klassisches Whodunit? wählte, das den Fokus auf die Ermittlungsarbeiten legt, sondern vielmehr in Thriller-Manier das Hauptaugenmerk auf die Beziehung Koppers zu seinem Jugendfreund und dessen beispielhafte Verstrickungen mit der Mafia richtet, die Kopper nicht nur in akute Gefahr, sondern auch in Gewissenskonflikte bringen. Zudem legt dieser „Tatort“ den Finger in die offenbar reale Wunde der unzureichenden Möglichkeiten der deutschen Justiz, der Mafia habhaft zu werden und ihre Zeugen adäquat zu schützen. Wie sehr dies misslingt, zeigt eindrucksvoll der Prolog um den erwähnten Suizid.
Auch die Rahmenhandlung um mafiöse Verstrickungen im Geschäft mit Chemiemüll scheint in der Realität verankert – wurde jedoch leider wie allgemein fast alles, was über die spannende, emotionale Beziehung zwischen Kopper und Sandro hinausgeht, unglücklich kompliziert konzipiert und/oder erzählt, sodass insbesondere die daraus resultierenden langen Dialogpassagen der Nebenfiguren ermüdend wirken. Was dieser „Tatort“ an Hintergründen anbietet, ist für den eigentlichen Gehalt dieser Episode zu nebensächlich, als dass es derart herausgestellt und damit vom Kern der Geschichte unschön ablenken sollte. Auch das eine oder andere Klischee hätte es in dieser Ausprägung vielleicht nicht bedurft, wenngleich das größte sicherlich bereits der Aufhänger darstellt: einen deutschen Kommissar mit italienischen Wurzeln der Mafia auszusetzen.
Daraus ergibt sich indes eine unterhaltsame, recht sensible Mischung aus Charakterstudie, Mafia-Thriller, Krimi und Freundschafts-Drama um Vertrauen, Loyalität und falsches Spiel, in der Andreas Hoppe sich als mehr als überdurchschnittlicher Charakterdarsteller beweisen kann, der Actionszenen genauso gut meistert wie insbesondere die äußerlich ruhigen, psychologisch jedoch an ihm zehrenden Momente und erahnen lässt, dass man ihn mit seiner hier gezeigten überlegten, in sich ruhenden, fast stoischen und dennoch herzlichen Art im „Tatort“ vermissen wird. Der Epilog wiederum beweist einmal mehr: Bulle im vorzeitigen Ruhestand müsste man sein...
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Diese Filme sind züchisch krank!
- karlAbundzu
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Ja, der Kopper, ich werde ihn vermissen. Er hat ja noch ein versöhnliches, hübsches Ende bekommen, und ich htte mir ein wenig mhr ein leichteren Tatort mit ihm gewünscht, dass die Italienkarte mit den gerade aktuellen (naja, dass mit dem Müll ist ja auch schon ein paar Jahrzehnte beannt, aber da kam ja gerade eine neue Drehung mit dem Zurückverschiffen rein, neulich einen Artikel gelesen, der so ungeheuer ähnlich den Vorgängen im Tatort waren, bis zu dem Restaurant, brrr) gespielt wird, fand ich ein bißchen allzu Kopper-Klischee - mäßig.
Insgesamt war der Tatort jedoch spannend und gut gefilmt.
Ciao, Kopper. Ich weiß noch, wie du 1996 zu Lena gestossen bist und ein bißchen mehr Farbe in die Reihe brachtest.
Insgesamt war der Tatort jedoch spannend und gut gefilmt.
Ciao, Kopper. Ich weiß noch, wie du 1996 zu Lena gestossen bist und ein bißchen mehr Farbe in die Reihe brachtest.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Schwarzes Wochenende
Der deutsche Regisseur Dominik Graf trug bis dato vier Epsioden zur öffentlich-rechtlichen „Tatort“-TV-Krimireihe bei. Für seinen ersten „Tatort“ konnte er mit Götz George in seiner Paraderolle als Kommissar Schimanski zusammenarbeiten, der seinerzeit half, etwas mehr Dreck und Schnoddrigkeit einzubringen – wohlgemerkt auf Ermittlerseite. Das populärste Elaborat ihrer Zusammenarbeit, „Die Katze“, war noch nicht gedreht, als „Schwarzes Wochenende“ mit zwei Jahren Verspätung 1986 als dreizehnter Fall des Ermittlerduos Schimanski/Thanner (Eberhard Feik) über die Mattscheiben flimmerte – ein aus dem „Tatort“-Allerlei herausragender Kriminalfilm, um dessen Drehbuch Graf und Co-Autor Bernd Schwamm kämpfen mussten und der bereits 1984 abgedreht war, in den Archiven des WDR jedoch erst reifen musste…
Schimanski liegt verkatert in der Koje, weil er mittels Alkohol versucht hatte, die schrecklichen Bilder des Vortags zu vergessen, die ihn bis in seine Träume verfolgen: Er hatte nicht verhindern können, dass sich ein Täter mittels einer Handgranate selbst richtet. Just in diesem Moment wird unter dem Fenster seines Schlafzimmers ein weiterer Mord verübt: Der Möbelunternehmer Heinrich Hencken wird erschossen. Dessen Sohn Siggi (Jochen Striebeck, „Schwarz-Rot-Gold - Alles in Butter“) verdächtigt den Erzrivalen Heinz Möhlmann (Siegfried Wischnewski, „Der letzte Zeuge“), mit dem die Familie seit frühen Nachkriegszeiten im Clinch liegt, bzw. dessen Filius Hubert (Dieter Pfaff, „Der Dicke“) oder dessen Tochter Reinhild (Barbara Freier, „Neonstadt“), die ausgerechnet mit Siggi Hencken einst ein amouröses Verhältnis pflegte. Ferner eine Rolle spielt Journalist Engelbrecht (Michael Wittenborn, „Drei gegen Drei“), der seit längerem an Möhlmann dran ist und in brisanten Angelegenheiten recherchiert. Und je tiefer Schimanski. Thanner & Co. in den Fall eintauchen, desto mehr Verflechtungen offenbaren sich und desto mehr Figuren erhält das mörderische Spiel, das auch weitere Opfer fordert…
Graf und Schwamm entwickelten eine hochkomplexe Geschichte, die die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers einfordert, sich diese aber auch zu sichern versteht. Dies geschieht durch eine Dramaturgie, die sich erst gar keine Zeit für Durchhänger erlaubt, aber jeder Szene den Raum gibt, den sie zur Entfaltung benötigt. Spannung ergibt sich sowohl aus dem Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums sowie der Verquickung aus Whodunit? und Motiv, denn die Zusammenhänge werden immer komplexer. Ausgehend von einer erbitterten Konkurrenz zweier Möbelunternehmensdynastien gräbt man sich immer tiefer in einen Sumpf aus Niedertracht und abgrundtiefer Feindschaft, die endlich ihre Entladung fand. Damit erzählt „Schwarzes Wochenende“ auch einiges übers Nachkriegsdeutschland, über herrische ehemalige Nazischergen und ihre Rolle in der Gesellschaft, einen Moral- und Sittenverfall, der keiner ist, da nie etwas war, was hätte verfallen können, sowie eine Selbstherrlichkeit, die erst ein Kommissar vom Typ und Schneid eines Schimanskis dem einen oder anderen Delinquenten austreiben muss – was zu einigen der stärksten Szenen des Films führt. Wer am Ende wirklich geschossen hat, ist letztlich dann fast egal, denn die Schuld an einem derartigen jahrzehntelang unter der Oberfläche gebrodelt habenden Zerwürfnis ist längst nicht mehr an einem Individuum festzumachen.
Grafs „Tatort“ spielt tatsächlich lediglich an einem einzigen ereignisreichen Wochenende, was sporadische Datumseinblendungen betonen. Bei allem findet Graf dennoch Zeit, an Schimanskis Profil zu feilen, indem er ihn mit seiner aktuellen Liebschaft streiten und das Thema Körperpflege im Dialog mit dem sich im Auto rasierenden Thanner diskutieren lässt. Dass es schließlich auch akustische Versatzstücke aus Schimanskis vernebelter Erinnerung sind, die zur Aufklärung führen, darf sicherlich als Hinweis auf Grafs Kenntnis des italienischen Giallo-Genres gedeutet werden – man denke beispielsweise an „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“, dessen Protagonist es ähnlich ergeht. Möglicherweise kamen hier auch die Funksprüche, die aus dem Off über den natürlichen Filmton gelegt wurden und später zu einem Markenzeichen Grafs wurden, erstmals zum Einsatz. Ein besonderes Vergnügen sind neben den generell für „Tatort“-Niveau überdurchschnittlichen schauspielerischen Leistungen besonders aus heutiger Sicht die Wiedersehen mit dem viel zu früh verstorbenen Dieter Pfaff sowie der jungen Mariele Millowitsch („Nikola“).
Dass ausgerechnet dieser „Tatort“ zwei Jahre lang vom WDR zurückgehalten wurde, weil man fürchtete, das Publikum abzuschrecken oder zu überfordern, mutet angesichts aktueller experimenteller, häufig bewusst aus der Reihe fallender Beiträge kurios an und ist ein nicht nur fernsehwissenschaftlich interessantes Indiz dafür, welch Beharrlichkeit es seinerzeit erforderte, Qualität und Innovation in Formaten wie diesem durchzusetzen.
Der deutsche Regisseur Dominik Graf trug bis dato vier Epsioden zur öffentlich-rechtlichen „Tatort“-TV-Krimireihe bei. Für seinen ersten „Tatort“ konnte er mit Götz George in seiner Paraderolle als Kommissar Schimanski zusammenarbeiten, der seinerzeit half, etwas mehr Dreck und Schnoddrigkeit einzubringen – wohlgemerkt auf Ermittlerseite. Das populärste Elaborat ihrer Zusammenarbeit, „Die Katze“, war noch nicht gedreht, als „Schwarzes Wochenende“ mit zwei Jahren Verspätung 1986 als dreizehnter Fall des Ermittlerduos Schimanski/Thanner (Eberhard Feik) über die Mattscheiben flimmerte – ein aus dem „Tatort“-Allerlei herausragender Kriminalfilm, um dessen Drehbuch Graf und Co-Autor Bernd Schwamm kämpfen mussten und der bereits 1984 abgedreht war, in den Archiven des WDR jedoch erst reifen musste…
Schimanski liegt verkatert in der Koje, weil er mittels Alkohol versucht hatte, die schrecklichen Bilder des Vortags zu vergessen, die ihn bis in seine Träume verfolgen: Er hatte nicht verhindern können, dass sich ein Täter mittels einer Handgranate selbst richtet. Just in diesem Moment wird unter dem Fenster seines Schlafzimmers ein weiterer Mord verübt: Der Möbelunternehmer Heinrich Hencken wird erschossen. Dessen Sohn Siggi (Jochen Striebeck, „Schwarz-Rot-Gold - Alles in Butter“) verdächtigt den Erzrivalen Heinz Möhlmann (Siegfried Wischnewski, „Der letzte Zeuge“), mit dem die Familie seit frühen Nachkriegszeiten im Clinch liegt, bzw. dessen Filius Hubert (Dieter Pfaff, „Der Dicke“) oder dessen Tochter Reinhild (Barbara Freier, „Neonstadt“), die ausgerechnet mit Siggi Hencken einst ein amouröses Verhältnis pflegte. Ferner eine Rolle spielt Journalist Engelbrecht (Michael Wittenborn, „Drei gegen Drei“), der seit längerem an Möhlmann dran ist und in brisanten Angelegenheiten recherchiert. Und je tiefer Schimanski. Thanner & Co. in den Fall eintauchen, desto mehr Verflechtungen offenbaren sich und desto mehr Figuren erhält das mörderische Spiel, das auch weitere Opfer fordert…
Graf und Schwamm entwickelten eine hochkomplexe Geschichte, die die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers einfordert, sich diese aber auch zu sichern versteht. Dies geschieht durch eine Dramaturgie, die sich erst gar keine Zeit für Durchhänger erlaubt, aber jeder Szene den Raum gibt, den sie zur Entfaltung benötigt. Spannung ergibt sich sowohl aus dem Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums sowie der Verquickung aus Whodunit? und Motiv, denn die Zusammenhänge werden immer komplexer. Ausgehend von einer erbitterten Konkurrenz zweier Möbelunternehmensdynastien gräbt man sich immer tiefer in einen Sumpf aus Niedertracht und abgrundtiefer Feindschaft, die endlich ihre Entladung fand. Damit erzählt „Schwarzes Wochenende“ auch einiges übers Nachkriegsdeutschland, über herrische ehemalige Nazischergen und ihre Rolle in der Gesellschaft, einen Moral- und Sittenverfall, der keiner ist, da nie etwas war, was hätte verfallen können, sowie eine Selbstherrlichkeit, die erst ein Kommissar vom Typ und Schneid eines Schimanskis dem einen oder anderen Delinquenten austreiben muss – was zu einigen der stärksten Szenen des Films führt. Wer am Ende wirklich geschossen hat, ist letztlich dann fast egal, denn die Schuld an einem derartigen jahrzehntelang unter der Oberfläche gebrodelt habenden Zerwürfnis ist längst nicht mehr an einem Individuum festzumachen.
Grafs „Tatort“ spielt tatsächlich lediglich an einem einzigen ereignisreichen Wochenende, was sporadische Datumseinblendungen betonen. Bei allem findet Graf dennoch Zeit, an Schimanskis Profil zu feilen, indem er ihn mit seiner aktuellen Liebschaft streiten und das Thema Körperpflege im Dialog mit dem sich im Auto rasierenden Thanner diskutieren lässt. Dass es schließlich auch akustische Versatzstücke aus Schimanskis vernebelter Erinnerung sind, die zur Aufklärung führen, darf sicherlich als Hinweis auf Grafs Kenntnis des italienischen Giallo-Genres gedeutet werden – man denke beispielsweise an „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“, dessen Protagonist es ähnlich ergeht. Möglicherweise kamen hier auch die Funksprüche, die aus dem Off über den natürlichen Filmton gelegt wurden und später zu einem Markenzeichen Grafs wurden, erstmals zum Einsatz. Ein besonderes Vergnügen sind neben den generell für „Tatort“-Niveau überdurchschnittlichen schauspielerischen Leistungen besonders aus heutiger Sicht die Wiedersehen mit dem viel zu früh verstorbenen Dieter Pfaff sowie der jungen Mariele Millowitsch („Nikola“).
Dass ausgerechnet dieser „Tatort“ zwei Jahre lang vom WDR zurückgehalten wurde, weil man fürchtete, das Publikum abzuschrecken oder zu überfordern, mutet angesichts aktueller experimenteller, häufig bewusst aus der Reihe fallender Beiträge kurios an und ist ein nicht nur fernsehwissenschaftlich interessantes Indiz dafür, welch Beharrlichkeit es seinerzeit erforderte, Qualität und Innovation in Formaten wie diesem durchzusetzen.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Déjà-vu
Der erste Dresdner „Tatort“ des Jahres 2018 ist zugleich der erste nach Hauptdarstellerin Alwara Höfels‘ Bekanntgabe, bereits wieder aus dem Format aussteigen zu wollen – aufgrund „unterschiedliche[r] Auffassungen zum Arbeitsprozess“ und eines „fehlenden künstlerischen Konsens“. Auch der Hauptautor der Dresdner Episoden, Ralf Husmann („Stromberg“), hat das Handtuch geworfen, nachdem man in Dresden weg vom Komödiantischen, hin zum konventionellen Krimi umschwenken wollte. An Stelle seiner verfassten Mark Monheim und Stephan Wagner das Skript zu „Déjà-vu“, das vom bisher jüngsten „Tatort“-Regisseur, dem Studenten-Oscar-Gewinner Dustin Loose, inszeniert wurde. Es spricht also vieles dafür, dass dieser „Tatort“ in die Hose hätte gehen können. Doch es kam ganz anders:
Die Geschichte über einen Kindermord, begangen von einem Päderasten, wird mit der nötigen Sensibilität erzählt. Dabei vergisst man auch die Emotionalität nicht, ganz im Gegenteil: Die emotionale Betroffenheit in ihren verschiedenen Facetten, die ein solch unfassbares Verbrechen auslöst, zieht sich durch sämtliche Figuren dieses „Tatorts“: Der aufbrausende Stiefvater (Jörg Malchow, „Spuk am Tor der Zeit“) des Ermordeten gerät mit den den Fundort absichernden Polizisten in Konflikt und macht sich später selbst strafbar, als er auf den vermeintlich pädophilen Schwimmlehrer (Niels-Bruno Schmidt, „Bermuda-Dreieck Nordsee“) des Jungen losgeht, der jedoch Opfer falscher Anschuldigungen wurde – und dabei Hauptkommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) gleich mit ins Krankenhaus befördert. Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) hadert nach wie vor mit dem ähnlichen, drei Jahre zurückliegenden Fall des gleichaltrigen verschwundenen Jakob Nemec, dessen Eltern Matej (Jörg Witte, „Hirngespinster“) und Julia (Anna Grisebach, „Nachthelle“) angesichts des aktuellen Falls hellhörig werden. Von sensationslüsternen Boulevard-Journalisten wird Schnabel immer wieder auf Jakob angesprochen und fast schon verhöhnt, was Schnabel nicht auf sich sitzen lassen möchte und u.a. in einer spontanen Brandrede die Lockerung datenschutzrechtlicher Bestimmung einfordert, um z.B. DNA-Spuren besser auswerten zu können. Zu einem späteren Zeitpunkt erinnert Sieland ihn an Gründe für diese strengen Vorschriften. Durch das Gegenüberstellen beider Positionen greifen die Dialoge eine aktuelle Debatte auf. Bei Hauptkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) liegen die Nerven blank, als sich ihr Sohn ihres Erachtens etwas zu sehr mit ihrem Nachbarn anfreundet, mit dem sie eine frische Affäre unterhält – die prompt darunter leidet, vermutlich gar zerbricht. Und während der Täter (Benjamin Lillie, „Dead Man Working“) sich bereits sein nächstes Opfer ausguckt, weiß dessen attraktive Freundin (Alice Dwyer, „Kombat Sechszehn“) eigentlich sehr genau Bescheid, will es jedoch nicht wahrhaben…
Es ist brütend heiß in diesen Dresdner Tagen. Die flirrende Hitze macht ohnehin schon allen zu schaffen und dann bricht auch noch eine solche Tat über der Stadt herein. „Déjà-vu“ wird ein Stück weit zu einem Porträt einer Stadt im emotionalen Ausnahmezustand, heruntergebrochen auf einige durch den Fall miteinander verknüpfter Charaktere. Das Whodunit? wird schnell aufgelöst, fortan bleibt man im Krimi/Thriller/Dramen-Mix nah an den Ermittlungsarbeiten der Polizei – mit all ihren Widrigkeiten, letztlich aber auch Erfolgen. Jung-Regisseur Loose überzeugt dabei überraschend auf fast ganzer Linie, denn das richtige Timing, Dramaturgie und Spannung scheint er locker aus dem Ärmel zu schütteln. Die Kamera darf hin und wieder zeigen, was sie kann, ohne sich dabei allzu sehr in den Vordergrund zu drängen: Unterwasseraufnahmen in Zeitlupe, ausdörrende Sommerhitze in weiten Panoramen, reflektierende Autokarosserien, prasselnder Sommerregen, dessen starke symbolische Wirkkraft eng mit dem Ende dieser Folge verknüpft ist. In seiner atmosphärischen Entfaltung hat „Déjà-vu“ nicht viel mit dröger Standard-TV-Krimi-Kost gemein.
Es ist schade, dass dieses Team nun auseinandergerissen wird (filmisch angedeutet durch eine Schwangerschaft Sielands). So etwas Gutes kam schon lange nicht mehr aus Dresden.
Der erste Dresdner „Tatort“ des Jahres 2018 ist zugleich der erste nach Hauptdarstellerin Alwara Höfels‘ Bekanntgabe, bereits wieder aus dem Format aussteigen zu wollen – aufgrund „unterschiedliche[r] Auffassungen zum Arbeitsprozess“ und eines „fehlenden künstlerischen Konsens“. Auch der Hauptautor der Dresdner Episoden, Ralf Husmann („Stromberg“), hat das Handtuch geworfen, nachdem man in Dresden weg vom Komödiantischen, hin zum konventionellen Krimi umschwenken wollte. An Stelle seiner verfassten Mark Monheim und Stephan Wagner das Skript zu „Déjà-vu“, das vom bisher jüngsten „Tatort“-Regisseur, dem Studenten-Oscar-Gewinner Dustin Loose, inszeniert wurde. Es spricht also vieles dafür, dass dieser „Tatort“ in die Hose hätte gehen können. Doch es kam ganz anders:
Die Geschichte über einen Kindermord, begangen von einem Päderasten, wird mit der nötigen Sensibilität erzählt. Dabei vergisst man auch die Emotionalität nicht, ganz im Gegenteil: Die emotionale Betroffenheit in ihren verschiedenen Facetten, die ein solch unfassbares Verbrechen auslöst, zieht sich durch sämtliche Figuren dieses „Tatorts“: Der aufbrausende Stiefvater (Jörg Malchow, „Spuk am Tor der Zeit“) des Ermordeten gerät mit den den Fundort absichernden Polizisten in Konflikt und macht sich später selbst strafbar, als er auf den vermeintlich pädophilen Schwimmlehrer (Niels-Bruno Schmidt, „Bermuda-Dreieck Nordsee“) des Jungen losgeht, der jedoch Opfer falscher Anschuldigungen wurde – und dabei Hauptkommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) gleich mit ins Krankenhaus befördert. Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) hadert nach wie vor mit dem ähnlichen, drei Jahre zurückliegenden Fall des gleichaltrigen verschwundenen Jakob Nemec, dessen Eltern Matej (Jörg Witte, „Hirngespinster“) und Julia (Anna Grisebach, „Nachthelle“) angesichts des aktuellen Falls hellhörig werden. Von sensationslüsternen Boulevard-Journalisten wird Schnabel immer wieder auf Jakob angesprochen und fast schon verhöhnt, was Schnabel nicht auf sich sitzen lassen möchte und u.a. in einer spontanen Brandrede die Lockerung datenschutzrechtlicher Bestimmung einfordert, um z.B. DNA-Spuren besser auswerten zu können. Zu einem späteren Zeitpunkt erinnert Sieland ihn an Gründe für diese strengen Vorschriften. Durch das Gegenüberstellen beider Positionen greifen die Dialoge eine aktuelle Debatte auf. Bei Hauptkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) liegen die Nerven blank, als sich ihr Sohn ihres Erachtens etwas zu sehr mit ihrem Nachbarn anfreundet, mit dem sie eine frische Affäre unterhält – die prompt darunter leidet, vermutlich gar zerbricht. Und während der Täter (Benjamin Lillie, „Dead Man Working“) sich bereits sein nächstes Opfer ausguckt, weiß dessen attraktive Freundin (Alice Dwyer, „Kombat Sechszehn“) eigentlich sehr genau Bescheid, will es jedoch nicht wahrhaben…
Es ist brütend heiß in diesen Dresdner Tagen. Die flirrende Hitze macht ohnehin schon allen zu schaffen und dann bricht auch noch eine solche Tat über der Stadt herein. „Déjà-vu“ wird ein Stück weit zu einem Porträt einer Stadt im emotionalen Ausnahmezustand, heruntergebrochen auf einige durch den Fall miteinander verknüpfter Charaktere. Das Whodunit? wird schnell aufgelöst, fortan bleibt man im Krimi/Thriller/Dramen-Mix nah an den Ermittlungsarbeiten der Polizei – mit all ihren Widrigkeiten, letztlich aber auch Erfolgen. Jung-Regisseur Loose überzeugt dabei überraschend auf fast ganzer Linie, denn das richtige Timing, Dramaturgie und Spannung scheint er locker aus dem Ärmel zu schütteln. Die Kamera darf hin und wieder zeigen, was sie kann, ohne sich dabei allzu sehr in den Vordergrund zu drängen: Unterwasseraufnahmen in Zeitlupe, ausdörrende Sommerhitze in weiten Panoramen, reflektierende Autokarosserien, prasselnder Sommerregen, dessen starke symbolische Wirkkraft eng mit dem Ende dieser Folge verknüpft ist. In seiner atmosphärischen Entfaltung hat „Déjà-vu“ nicht viel mit dröger Standard-TV-Krimi-Kost gemein.
Es ist schade, dass dieses Team nun auseinandergerissen wird (filmisch angedeutet durch eine Schwangerschaft Sielands). So etwas Gutes kam schon lange nicht mehr aus Dresden.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Ich fand den auch spannend, gut gefilmt und schön straight. Und finde ja auch den Brandbach großartig. Schade, dass mit dem Team Schluss ist.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Kinder der Gewalt
Der siebte gemeinsame Fall des Kölner TV-Krimi-Ermittlerduos Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) datiert auf das Jahr 1999 und entstand unter der Regie Ben Verbongs, dessen einziger Beitrag zur „Tatort“-Reihe er bleiben sollte. Das Drehbuch stammt von Verbong und Edgar von Cossart.
Der kleine Jürgen (Christian Mickeleit) – Sohn der Hauswirtin (Saskia Vester, „Winterschläfer“) Ballaufs – ist tot. Er wurde erschossen auf der Schultoilette aufgefunden. Zuvor war er bereits von Mitschülern terrorisiert und misshandelt worden. Diese, u.a. der aufmüpfige Tucky (Tom Schilling, „Oh Boy“), hatten ihn zuvor bereits gezwungen, sich an ihren Einbrüchen zu beteiligen und stehen wiederum in Konflikt zu kleinkriminellen türkischstämmigen Mitschülern, die andere Mitschüler „abziehen“ und mit kleinen Mengen Drogen dealen. Der ältere, bei der Polizei aktenkundige Johannes Schmitz (Nikolaus Benda, „Der Superbulle und die Halbstarken“) gibt an, die „deutschen“ Schüler vor „den Türken“ beschützen zu wollen und hängt ständig mit seinem Auto vor der Schule herum. Als Tucky & Co. bei einem ihrer Raubzüge erwischt und aufs Polizeirevier gebracht wurden, erspähten sie dort auch Jürgen im Gespräch mit den Kriminalbeamten. Musste Jürgen sterben, weil man ihn für einen Verräter hielt?
Die Domstadt nicht als Karnevalshochburg und rheinländische Toleranz-Oase, sondern als sozialer Brennpunkt mit ethnischen Konflikten bis hin zu Mord – das ist der Ausgangspunkt dieses „Tatorts“, der sich gut gemeint auf Milieustudien und Ursachenforschung begibt, dabei jedoch in Klischees und eigenartigen Konstruktionen versackt. Interessant ist die Mauer kindlichen Schweigens, die sowohl aufs Angst als auch Misstrauen und nicht zuletzt Kodex fußt und durch die kaum ein Erwachsener zu dringen vermag, was es den Ermittlern lange Zeit schwer macht. Jedoch will dieser „Tatort“ zu viel auf einmal und vermengt zahlreiche Handlungsstränge, die jeder für sich bereits für einen einzelnen Beitrag zur Reihe geeignet gewesen wären: Mobbing an der Schule und daraus resultierende Verzweiflung der Opfer, sich sozial benachteiligt wähnende Schüler mit Migrationshintergrund, die damit ihre Überfälle rechtfertigen, Drogen und Waffen in Schülertaschen, ein sich aufspielender mutmaßlicher Rechtsextremist (hier hanebüchener- und weltfremderweise mit Horror- und Punk-Plakaten an den Zimmerwänden), der Kinder um sich reiht und unter falschen Schutzversprechungen ausnutzt sowie junge Rabauken aus prekären familiären Verhältnissen, die einem lieblosen Zuhause zu entfliehen versuchen und dadurch auf die schiefe Bahn geraten – das ist viel zu viel auf einmal, wodurch die Figuren- und Charakterzeichnungen auf der Strecke bleiben.
Zudem geben die Ermittler, allen voran Ballauf, ein schräges Bild ab: Mir nichts, dir nichts schleust sich Ballauf als neuer Sportlehrer in Jürgens Klasse ein und unterrichtet die Schüler, als könne so gut wie jeder diesen Job aus dem Effeff machen. Und obwohl er seiner Hauswirtin und ihrem Sohn Jürgen sehr nahe zu stehen bzw. gestanden zu haben scheint, wirkt er seltsam anteilnahmslos, kann nach Jürgens Tod mit Kollege Schenk scherzen und scheint persönlich kaum betroffen. Entgegen seines Softie-Habitus fasst er die (prä-)pubertären Delinquenten aber gern mal hart, an der Grenze zur Misshandlung im Dienst, an. So richtig zusammenpassen will all das nicht, zumal allein schon fragwürdig erscheint, dass Ballauf in diesem Fall ob seiner persönlichen Betroffenheit überhaupt ermitteln darf.
Immerhin gelang es aber, melancholisch-triste Bilder Kölns einzufangen, die maßgeblich zur intendierten Atmosphäre beitragen und gut zur allgemein ziemlich miesen, depressiven Phase des ausklingenden 20. Jahrhunderts passen. Sehenswert ist auch Tucky-Jungmime Tom Schilling, der hier aussieht wie ein kleiner Punk. Und Dietmar Bär, der hier in erster Linie als um seine Tochter bangender Vater sowie als schlechter Fußballtorhüter in Erscheinung tritt und für einige eher alberne humoristische Szenen herhalten muss, ist eigentlich immer gern gesehen – auch in schwächeren „Tatorten“ wie diesem.
Kurioses Detail: Offenbar hat Johannes-Schmitz-Darsteller Nikolaus Benda 2005 in der Krimiserie „Soko 5113“ einen gewissen Klaus Behrendt gespielt...
Der siebte gemeinsame Fall des Kölner TV-Krimi-Ermittlerduos Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) datiert auf das Jahr 1999 und entstand unter der Regie Ben Verbongs, dessen einziger Beitrag zur „Tatort“-Reihe er bleiben sollte. Das Drehbuch stammt von Verbong und Edgar von Cossart.
Der kleine Jürgen (Christian Mickeleit) – Sohn der Hauswirtin (Saskia Vester, „Winterschläfer“) Ballaufs – ist tot. Er wurde erschossen auf der Schultoilette aufgefunden. Zuvor war er bereits von Mitschülern terrorisiert und misshandelt worden. Diese, u.a. der aufmüpfige Tucky (Tom Schilling, „Oh Boy“), hatten ihn zuvor bereits gezwungen, sich an ihren Einbrüchen zu beteiligen und stehen wiederum in Konflikt zu kleinkriminellen türkischstämmigen Mitschülern, die andere Mitschüler „abziehen“ und mit kleinen Mengen Drogen dealen. Der ältere, bei der Polizei aktenkundige Johannes Schmitz (Nikolaus Benda, „Der Superbulle und die Halbstarken“) gibt an, die „deutschen“ Schüler vor „den Türken“ beschützen zu wollen und hängt ständig mit seinem Auto vor der Schule herum. Als Tucky & Co. bei einem ihrer Raubzüge erwischt und aufs Polizeirevier gebracht wurden, erspähten sie dort auch Jürgen im Gespräch mit den Kriminalbeamten. Musste Jürgen sterben, weil man ihn für einen Verräter hielt?
Die Domstadt nicht als Karnevalshochburg und rheinländische Toleranz-Oase, sondern als sozialer Brennpunkt mit ethnischen Konflikten bis hin zu Mord – das ist der Ausgangspunkt dieses „Tatorts“, der sich gut gemeint auf Milieustudien und Ursachenforschung begibt, dabei jedoch in Klischees und eigenartigen Konstruktionen versackt. Interessant ist die Mauer kindlichen Schweigens, die sowohl aufs Angst als auch Misstrauen und nicht zuletzt Kodex fußt und durch die kaum ein Erwachsener zu dringen vermag, was es den Ermittlern lange Zeit schwer macht. Jedoch will dieser „Tatort“ zu viel auf einmal und vermengt zahlreiche Handlungsstränge, die jeder für sich bereits für einen einzelnen Beitrag zur Reihe geeignet gewesen wären: Mobbing an der Schule und daraus resultierende Verzweiflung der Opfer, sich sozial benachteiligt wähnende Schüler mit Migrationshintergrund, die damit ihre Überfälle rechtfertigen, Drogen und Waffen in Schülertaschen, ein sich aufspielender mutmaßlicher Rechtsextremist (hier hanebüchener- und weltfremderweise mit Horror- und Punk-Plakaten an den Zimmerwänden), der Kinder um sich reiht und unter falschen Schutzversprechungen ausnutzt sowie junge Rabauken aus prekären familiären Verhältnissen, die einem lieblosen Zuhause zu entfliehen versuchen und dadurch auf die schiefe Bahn geraten – das ist viel zu viel auf einmal, wodurch die Figuren- und Charakterzeichnungen auf der Strecke bleiben.
Zudem geben die Ermittler, allen voran Ballauf, ein schräges Bild ab: Mir nichts, dir nichts schleust sich Ballauf als neuer Sportlehrer in Jürgens Klasse ein und unterrichtet die Schüler, als könne so gut wie jeder diesen Job aus dem Effeff machen. Und obwohl er seiner Hauswirtin und ihrem Sohn Jürgen sehr nahe zu stehen bzw. gestanden zu haben scheint, wirkt er seltsam anteilnahmslos, kann nach Jürgens Tod mit Kollege Schenk scherzen und scheint persönlich kaum betroffen. Entgegen seines Softie-Habitus fasst er die (prä-)pubertären Delinquenten aber gern mal hart, an der Grenze zur Misshandlung im Dienst, an. So richtig zusammenpassen will all das nicht, zumal allein schon fragwürdig erscheint, dass Ballauf in diesem Fall ob seiner persönlichen Betroffenheit überhaupt ermitteln darf.
Immerhin gelang es aber, melancholisch-triste Bilder Kölns einzufangen, die maßgeblich zur intendierten Atmosphäre beitragen und gut zur allgemein ziemlich miesen, depressiven Phase des ausklingenden 20. Jahrhunderts passen. Sehenswert ist auch Tucky-Jungmime Tom Schilling, der hier aussieht wie ein kleiner Punk. Und Dietmar Bär, der hier in erster Linie als um seine Tochter bangender Vater sowie als schlechter Fußballtorhüter in Erscheinung tritt und für einige eher alberne humoristische Szenen herhalten muss, ist eigentlich immer gern gesehen – auch in schwächeren „Tatorten“ wie diesem.
Kurioses Detail: Offenbar hat Johannes-Schmitz-Darsteller Nikolaus Benda 2005 in der Krimiserie „Soko 5113“ einen gewissen Klaus Behrendt gespielt...
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: der irre Iwan
Ein gutes Jahr nach dem ersten komödiantischen Feiertags-„Tatort“ des Weimarer Ermittlerduos Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) folgte am Neujahrstag 2015 der zweite Streich, ebenfalls aus der Feder der Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger. Die Regie übernahm diesmal Richard Huber („Das Biest im Bodensee“), für den die Verquickung von Krimi und Komödie kein Neuland war.
Bei einem Überfall auf die Stadtkämmerei werden nicht nur 120.000 EUR erbeutet, sondern auch Sekretärin Sylvia Kleinert (Nora Quest, „Die rote Zora“) erschossen – vermeintlich versehentlich, als der maskierte Täter gleich mehrere Warnschüsse abfeuerte und die Kugeln durch die dünnen Wände das Opfer trafen und tödlich verletzten. Dorn und Lessing bezweifeln jedoch, dass es sich um einen Kollateralschaden handelt, finden heraus, dass Kämmerer Iwan Windisch (Jörg Witte, „About a Girl“) ein Verhältnis mit der Toten hatte – und sich unversehens in einem immer verrückter werdenden Fall wieder, der sie in die Geisterbahn und ins Spiegelkabinett eines Rummelplatzes, in ein Tätowierstudio, ins Leichenschauhaus sowie einen FKK-Club führt und Bekanntschaft mit der eifersüchtigen Nicole Windisch (Therese Hämer, „Neger, Neger, Schornsteinfeger“), der Geisterbahnbetreiberin Rita Eisenheim (Sophie Rois, „Der Hauptmann von Köpenick“), dem einen oder anderen Kleinkriminellen (Dominique Horwitz, „Ein tödliches Wochenende“ und Pit Bukowski, „Tatort: Im Schmerz geboren“) und einem plötzlich auftauchenden Zwilling machen lässt. Führt da jemand ein bizarres Doppelleben? Was sind wessen Motive? Wo ist die Beute und wer überhaupt der Täter? Der bereits aus dem ersten Weimarer „Tatort“ bekannte und just aus der Haft entlassene Caspar Bogdanski jedenfalls nicht…
Fragen über Fragen und das Duo ermittelt, indem es im antiquarischen Passat ihres Chefs von Einsatzort zu Einsatzort „eilt“ und ihn dabei nach und nach in seine Einzelteile zu zerlegen droht. Dieser Running (oder vielmehr Driving) Gag ist nur einer von vielen humoristischen Momenten in diesem „Tatort“ voller verschrobener Charaktere, unter denen Dorn und Lessing noch am zurechnungsfähigsten wirken, obwohl sie selbst auch alles andere als normal sind – wie sich u.a. in ihren kuriosen Versuchen, sich zu verloben, offenbart. Die wendungsreiche Handlung hat es dann auch wahrlich in sich und steckt voller Überraschungen, die dramaturgisch auf den Punkt gebracht gleichsam fesseln und unterhalten, und wurde darüber hinaus mit ein wenig Erotik (Szenen im FKK-Club), Filmzitaten (wer denkt nicht an „Shining“, wenn Nicole Windisch mit einer Axt hinter ihrem Mann her ist?) und sogar existenziellen Fragen gespickt: Ist der eigene Lebensentwurf der richtige oder möchte man nicht aus einmal aus ihm ausbrechen, evtl. gar mit jemand anderem tauschen? Wie gut kennt man seinen Partner eigentlich? Und lohnt es sich überhaupt, angesichts kranker und zerbrechender Beziehungen um einen herum über Heirat nachzudenken?
Besonders der subtilere Humor, für den die ebenso coole wie zu sarkastischen Kommentaren neigende Dorn und der eigentlich eher abgeklärte, hier jedoch von seiner Partnerin und Kollegin in Personalunion getriebene Lessing sorgen, kommt prächtig zur Entfaltung – wenn letzterer leider auch manch Dialog vernuschelt. Die Kulturstadt Weimar wird zum Schauplatz einer Groteske, durch die das ermittelnde Duo nicht immer zielsicher, letztlich jedoch mit der nötigen vorausschauenden Intelligenz wandelt und den Fall löst, sich gegenseitig jedoch fester aneinander bindet, nachdem die Geschehnisse auch für den Zuschauer mittels Rückblenden aufgedröselt wurden. Die Hamburger Folkrocker Element of Crime spielen zum romantischen Ausgang dieses „Tatorts“ dann ihr melancholisches „Wenn der Wolf schläft“ und liefern damit den musikalischen Höhepunkt eines an Highlights nicht armen Soundtracks, der mit Kylie Minogues „I Should be so Lucky“ beginnt und The Clash („The Guns of Brixton“) ebenso erklingen lässt wie – wie passend – Body Counts „Cop Killer“.
Welch ein Glücksfall für Weimar, welch heiterer Lichtblick in der TV-Krimilandschaft!
Ein gutes Jahr nach dem ersten komödiantischen Feiertags-„Tatort“ des Weimarer Ermittlerduos Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) folgte am Neujahrstag 2015 der zweite Streich, ebenfalls aus der Feder der Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger. Die Regie übernahm diesmal Richard Huber („Das Biest im Bodensee“), für den die Verquickung von Krimi und Komödie kein Neuland war.
Bei einem Überfall auf die Stadtkämmerei werden nicht nur 120.000 EUR erbeutet, sondern auch Sekretärin Sylvia Kleinert (Nora Quest, „Die rote Zora“) erschossen – vermeintlich versehentlich, als der maskierte Täter gleich mehrere Warnschüsse abfeuerte und die Kugeln durch die dünnen Wände das Opfer trafen und tödlich verletzten. Dorn und Lessing bezweifeln jedoch, dass es sich um einen Kollateralschaden handelt, finden heraus, dass Kämmerer Iwan Windisch (Jörg Witte, „About a Girl“) ein Verhältnis mit der Toten hatte – und sich unversehens in einem immer verrückter werdenden Fall wieder, der sie in die Geisterbahn und ins Spiegelkabinett eines Rummelplatzes, in ein Tätowierstudio, ins Leichenschauhaus sowie einen FKK-Club führt und Bekanntschaft mit der eifersüchtigen Nicole Windisch (Therese Hämer, „Neger, Neger, Schornsteinfeger“), der Geisterbahnbetreiberin Rita Eisenheim (Sophie Rois, „Der Hauptmann von Köpenick“), dem einen oder anderen Kleinkriminellen (Dominique Horwitz, „Ein tödliches Wochenende“ und Pit Bukowski, „Tatort: Im Schmerz geboren“) und einem plötzlich auftauchenden Zwilling machen lässt. Führt da jemand ein bizarres Doppelleben? Was sind wessen Motive? Wo ist die Beute und wer überhaupt der Täter? Der bereits aus dem ersten Weimarer „Tatort“ bekannte und just aus der Haft entlassene Caspar Bogdanski jedenfalls nicht…
Fragen über Fragen und das Duo ermittelt, indem es im antiquarischen Passat ihres Chefs von Einsatzort zu Einsatzort „eilt“ und ihn dabei nach und nach in seine Einzelteile zu zerlegen droht. Dieser Running (oder vielmehr Driving) Gag ist nur einer von vielen humoristischen Momenten in diesem „Tatort“ voller verschrobener Charaktere, unter denen Dorn und Lessing noch am zurechnungsfähigsten wirken, obwohl sie selbst auch alles andere als normal sind – wie sich u.a. in ihren kuriosen Versuchen, sich zu verloben, offenbart. Die wendungsreiche Handlung hat es dann auch wahrlich in sich und steckt voller Überraschungen, die dramaturgisch auf den Punkt gebracht gleichsam fesseln und unterhalten, und wurde darüber hinaus mit ein wenig Erotik (Szenen im FKK-Club), Filmzitaten (wer denkt nicht an „Shining“, wenn Nicole Windisch mit einer Axt hinter ihrem Mann her ist?) und sogar existenziellen Fragen gespickt: Ist der eigene Lebensentwurf der richtige oder möchte man nicht aus einmal aus ihm ausbrechen, evtl. gar mit jemand anderem tauschen? Wie gut kennt man seinen Partner eigentlich? Und lohnt es sich überhaupt, angesichts kranker und zerbrechender Beziehungen um einen herum über Heirat nachzudenken?
Besonders der subtilere Humor, für den die ebenso coole wie zu sarkastischen Kommentaren neigende Dorn und der eigentlich eher abgeklärte, hier jedoch von seiner Partnerin und Kollegin in Personalunion getriebene Lessing sorgen, kommt prächtig zur Entfaltung – wenn letzterer leider auch manch Dialog vernuschelt. Die Kulturstadt Weimar wird zum Schauplatz einer Groteske, durch die das ermittelnde Duo nicht immer zielsicher, letztlich jedoch mit der nötigen vorausschauenden Intelligenz wandelt und den Fall löst, sich gegenseitig jedoch fester aneinander bindet, nachdem die Geschehnisse auch für den Zuschauer mittels Rückblenden aufgedröselt wurden. Die Hamburger Folkrocker Element of Crime spielen zum romantischen Ausgang dieses „Tatorts“ dann ihr melancholisches „Wenn der Wolf schläft“ und liefern damit den musikalischen Höhepunkt eines an Highlights nicht armen Soundtracks, der mit Kylie Minogues „I Should be so Lucky“ beginnt und The Clash („The Guns of Brixton“) ebenso erklingen lässt wie – wie passend – Body Counts „Cop Killer“.
Welch ein Glücksfall für Weimar, welch heiterer Lichtblick in der TV-Krimilandschaft!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- buxtebrawler
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- Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
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Re: Tatort - Der Diskussionsthread zur Krimiserie
Tatort: Der kalte Fritte
Feiertags-Weimar-„Tatort“ mit Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner), der sechste, diesmal anlässlich der Karnevalsfeierlichkeiten 2018. Das Drehbuch musste Murmel Clausen diesmal allein verfassen, die Regie führte Titus Selge („Tatort: Am Ende des Tages“). Glücklicherweise widmete man sich gänzlich unkarnevalistischen Themen:
Ein Auftragskiller (Lars Rudolph, „Lola rennt“) erschießt den Milliardär Alonzo Sassen in dessen Villa, wird kurz darauf jedoch selbst gerichtet, nämlich von Sassens junger Frau Lollo (Ruby O. Fee, „Als wir träumten“). Das Motiv schien ein Kunstraub zu sein, doch auf diese Finte fallen die Kommissare Dorn und Lessing nicht herein: Sie sollte von einer weitaus komplexeren Gemengelage ablenken. Das Ermittlerduo heftet sich an Lollos Fersen, die in Fritjof „Fritte“ Schröders (Andreas Döhler, „Der Turm“) Bordell führen – ihrem ehemaligen Arbeitgeber, den sie nach einer erneuten Anstellung fragt. Um Frittes Bruder Martin (Sascha Alexander Geršak, „Winterkartoffelknödel“) ist es wirtschaftlich wesentlich schlechter bestellt: Zusammen mit seiner Frau Cleo (Elisabeth Baulitz, „Polizeiruf 110: Im Schatten“) betreibt er einen unrentablen Steinbruch. Sie hoffen darauf, dass ihr Steinbruch für das geplante „Goethe-Geomuseums“ gepachtet wird, um sich finanziell zu sanieren. Jedoch hatte auch Sassen der Stadt ein Baugrundstück offeriert… Und dann ist da noch Architekt Prof. Ilja Bock (Niels Bormann, „Mondkalb“), der ein intimes Verhältnis zu Cleo zu unterhalten pflegt. Weshalb also musste Sassen wirklich sterben?
In zunächst gewohnt humoristischer Weise gehen Dorn und Lessing dieser Frage nach und lernen dabei u.a. Kommissariatsleiter Kurt Stichs (Thorsten Merten) Vater (Hermann Beyer, „Dark“) kennen, der es mit dem Gesetz weit weniger genau nimmt als sein Filius. Den übrigen Charakteren mangelt es diesmal jedoch nicht nur an Profil, sondern vor allem an der Sympathie, die man als Zuschauer manch Delinquent oder schlicht schrägem Vogel in den vorausgegangenen Weimarer Fällen entgegenbrachte. Dafür ist die Zahl der Personalien dann auch etwas hoch, deren Rollen sich aufgrund der größeren Unnahbarkeit der Figuren schwieriger erschließen, selbst wenn in den Dialogen alles Wichtige bereits gesagt worden ist. Die Handlung läuft diesmal nicht so leicht rein wie sonst.
Eine offenbar bewusst eingeführte Veränderung sind die ungewohnt ernsten Momente, die den komödiantischen Tonfall konterkarieren: Gerade noch räkelte sich die verdeckt ermittelnde Dorn im Nuttendress an einer Tanzstange – eine köstliche Szene, die bewusst nicht auf Erotik getrimmt wurde, sondern vielmehr eine Persiflage auf Poledance darstellt –, da wird sie im nächsten Moment misshandelt und zu vergewaltigen versucht. Den Zuschauer trifft dies wie ein Schlag und lässt ihn alles andere als unberührt; die Sequenz steht gewissermaßen sinnbildlich dafür, wie schnell aus Spaß bitterer Ernst werden kann. Die Handlung mündet gar in ein hochdramatisches Finale, in dem auch Lessing an seine Grenzen gerät und in einer Mischung aus purer Wut und Verzweiflung einen schweren inneren Kampf auszufechten hat, während er mit der Waffe auf den Verantwortlichen zielt. Dieser „Tatort“ legt es offenbar darauf an, die verletzliche Seite der sonst so abgeklärten Ermittler zu zeigen, sie aus ihrer Sicherheit, in der sie sich mit ihrer vorausschauenden Intelligenz, ihrer Bildung und ihrem Sarkasmus sowie nicht zuletzt ihrer Zweierbeziehung wähnen, zu reißen. Diese Momente gehen wahrlich an die Nieren.
Dennoch bleibt genügend Zeit für Dorns süffisante sarkastische Kommentare, Lessings Klugscheißereien (man bekommt wieder ein paar Lektionen mehr oder minder unnützen Wissens mit auf den Weg) und etwas Screwball-Comedy zwischen beiden, beispielsweise in Gesprächen über den gemeinsamen, nach wie vor nie gezeigten Sohn. Und dann ist da ja auch noch Ruby O. Fee, die in Interviews stets den Eindruck macht, etwas neben sich zu stehen und deshalb perfekt geeignet ist für die verwirrt erscheinende Lollo, die statt Kaffee Milch aufsetzt, aber ganz gut im Kopfrechnen ist. Und anscheinend auch in manch anderem…
Feiertags-Weimar-„Tatort“ mit Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner), der sechste, diesmal anlässlich der Karnevalsfeierlichkeiten 2018. Das Drehbuch musste Murmel Clausen diesmal allein verfassen, die Regie führte Titus Selge („Tatort: Am Ende des Tages“). Glücklicherweise widmete man sich gänzlich unkarnevalistischen Themen:
Ein Auftragskiller (Lars Rudolph, „Lola rennt“) erschießt den Milliardär Alonzo Sassen in dessen Villa, wird kurz darauf jedoch selbst gerichtet, nämlich von Sassens junger Frau Lollo (Ruby O. Fee, „Als wir träumten“). Das Motiv schien ein Kunstraub zu sein, doch auf diese Finte fallen die Kommissare Dorn und Lessing nicht herein: Sie sollte von einer weitaus komplexeren Gemengelage ablenken. Das Ermittlerduo heftet sich an Lollos Fersen, die in Fritjof „Fritte“ Schröders (Andreas Döhler, „Der Turm“) Bordell führen – ihrem ehemaligen Arbeitgeber, den sie nach einer erneuten Anstellung fragt. Um Frittes Bruder Martin (Sascha Alexander Geršak, „Winterkartoffelknödel“) ist es wirtschaftlich wesentlich schlechter bestellt: Zusammen mit seiner Frau Cleo (Elisabeth Baulitz, „Polizeiruf 110: Im Schatten“) betreibt er einen unrentablen Steinbruch. Sie hoffen darauf, dass ihr Steinbruch für das geplante „Goethe-Geomuseums“ gepachtet wird, um sich finanziell zu sanieren. Jedoch hatte auch Sassen der Stadt ein Baugrundstück offeriert… Und dann ist da noch Architekt Prof. Ilja Bock (Niels Bormann, „Mondkalb“), der ein intimes Verhältnis zu Cleo zu unterhalten pflegt. Weshalb also musste Sassen wirklich sterben?
In zunächst gewohnt humoristischer Weise gehen Dorn und Lessing dieser Frage nach und lernen dabei u.a. Kommissariatsleiter Kurt Stichs (Thorsten Merten) Vater (Hermann Beyer, „Dark“) kennen, der es mit dem Gesetz weit weniger genau nimmt als sein Filius. Den übrigen Charakteren mangelt es diesmal jedoch nicht nur an Profil, sondern vor allem an der Sympathie, die man als Zuschauer manch Delinquent oder schlicht schrägem Vogel in den vorausgegangenen Weimarer Fällen entgegenbrachte. Dafür ist die Zahl der Personalien dann auch etwas hoch, deren Rollen sich aufgrund der größeren Unnahbarkeit der Figuren schwieriger erschließen, selbst wenn in den Dialogen alles Wichtige bereits gesagt worden ist. Die Handlung läuft diesmal nicht so leicht rein wie sonst.
Eine offenbar bewusst eingeführte Veränderung sind die ungewohnt ernsten Momente, die den komödiantischen Tonfall konterkarieren: Gerade noch räkelte sich die verdeckt ermittelnde Dorn im Nuttendress an einer Tanzstange – eine köstliche Szene, die bewusst nicht auf Erotik getrimmt wurde, sondern vielmehr eine Persiflage auf Poledance darstellt –, da wird sie im nächsten Moment misshandelt und zu vergewaltigen versucht. Den Zuschauer trifft dies wie ein Schlag und lässt ihn alles andere als unberührt; die Sequenz steht gewissermaßen sinnbildlich dafür, wie schnell aus Spaß bitterer Ernst werden kann. Die Handlung mündet gar in ein hochdramatisches Finale, in dem auch Lessing an seine Grenzen gerät und in einer Mischung aus purer Wut und Verzweiflung einen schweren inneren Kampf auszufechten hat, während er mit der Waffe auf den Verantwortlichen zielt. Dieser „Tatort“ legt es offenbar darauf an, die verletzliche Seite der sonst so abgeklärten Ermittler zu zeigen, sie aus ihrer Sicherheit, in der sie sich mit ihrer vorausschauenden Intelligenz, ihrer Bildung und ihrem Sarkasmus sowie nicht zuletzt ihrer Zweierbeziehung wähnen, zu reißen. Diese Momente gehen wahrlich an die Nieren.
Dennoch bleibt genügend Zeit für Dorns süffisante sarkastische Kommentare, Lessings Klugscheißereien (man bekommt wieder ein paar Lektionen mehr oder minder unnützen Wissens mit auf den Weg) und etwas Screwball-Comedy zwischen beiden, beispielsweise in Gesprächen über den gemeinsamen, nach wie vor nie gezeigten Sohn. Und dann ist da ja auch noch Ruby O. Fee, die in Interviews stets den Eindruck macht, etwas neben sich zu stehen und deshalb perfekt geeignet ist für die verwirrt erscheinende Lollo, die statt Kaffee Milch aufsetzt, aber ganz gut im Kopfrechnen ist. Und anscheinend auch in manch anderem…
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!