Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme
Verfasst: So 17. Feb 2013, 17:59
GROSSES MIAMI-VICE-SPECIAL (ERSTE STAFFEL)
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Ich mag Polizeifilme! Harte Cops, die mit coolen Sprüchen und einer etwas zweifelhaften Moral die schmierige Verbrecherwelt aufräumen, sind in meinen Augen ein grandioses Handlungselement, welchem wir einige wundervolle Filme zu verdanken haben. In diesem Sinne bin ich auch ein Fan der „Dirty Harry“-Reihe oder der italienischen Errungenschaften auf diesem Gebiet. Ich dachte mir allerdings immer, eine fürs Fernsehen gedrehte Serie wird nicht das Budget und die kreative Crew haben, um in Sachen Action, Handlung oder Regie mit solchen Filmen mitzuhalten. Als ich die ersten paar Folgen von „Miami Vice“ sah, wusste ich, dass ich falsch gedacht hatte…
Ich weiß nicht genau, wie viel Geld Produzent Michael Mann in die einzelnen Episoden gesteckt hat, aber es ist beeindruckend, was für eine Menge an Schießereien und Explosionen in dieser Serie anzutreffen sind. Zudem verfügt jede Folge über eine originelle und spannende Story und eine professionelle Regie. Die Art und Weise, wie der sonnige Handlungsort mit seinen strahlenden und weniger strahlenden Seiten in Szene gesetzt wurde, sucht Ihresgleichen. Manche stilistische Einfälle finde ich zwar ein kleinwenig übertrieben – einige der Zeitlupeneinstellungen wirken störend und besonders in den ersten Episoden blieb das Bild zwischen zwei Schnitten ein wenig zu lange schwarz – aber im Großen und Ganzen sieht die Serie von der visuellen Komponente her atemberaubend aus. Die Handlungen haben auch jedes Mal eine gewisse Größe an sich. Damit meine ich, dass die Protagonisten Crockett und Tubbs nicht von Folge zu Folge irgendeinen 08/15-Mord aufklären müssen, nein, die haben es mit kaltblütigen Gangstern zu tun. Allabendlich müssen sie sich behaupten gegen Drogenbarone, Waffenhändler, Zuhälter, Straßengangs oder Al Bundys. Diesen Aspekten ist es zu verdanken, dass sich jede einzelne Folge von „Miami Vice“ wie ein eigenständiger Polizeifilm anfühlt, nur eben auf kurzweilige vierzig Minuten runter gekürzt.
Was oft im Zusammenhang mit dieser Serie erwähnt wird, ist ihr exzessives Porträtieren der Populärkultur, was in erster Linie Mode und Musik meint. Die Frage, die man sich heutzutage stellen muss lautet: Hat dies in unserer Zeit seinen Charme behalten, oder wirken die damaligen Kleider und Songs mittlerweile eher albern. In Sachen Mode ist die Antwort einfach: Sonny Crockett trägt manchmal ein Netzshirt! Ernsthaft, Sonny, ein Netzshirt? Ich meine, ich bin weiß Gott kein Modeexperte – mein Kleiderschrank besteht fast ausschließlich aus abgetragenen Sonderangeboten – aber selbst ich könnte diesen beiden Vogelscheuchen Modetipps geben. Zum Beispiel an Tubbs: Ein weit aufgeknöpftes Hemd ist gut, weil es Lässigkeit signalisiert; ein weit zugeknöpfter Anzug ist auch gut, weil er Seriosität signalisiert; aber ein weit aufgeknöpftes Hemd unter einem weit zugeknöpften Anzug ist nicht gut, weil es Albernheit signalisiert. Allerdings muss ich zugeben, dass besonders Don Johnson als Crockett eine gewisse Coolness ausstrahlt, bei der man ihm seine Netzshirts und rosa Hemdchen gern verzeiht. (Aber warum zum Teufel könnt ihr euch keine Socken anziehen. Ernsthaft, das hier ist Miami und nicht das Auenland, kauft euch endlich Strümpfe! )
Soviel zur Mode, nun zur musikalischen Gestaltung und diese ist auch heutzutage noch einfach nur grandios! Jan Hammer lieferte eine Vielzahl unvergesslicher Instrumental-Stücke, so, dass der Soundtrack zwar abwechslungsreich ist, aber über einen gleich bleibenden leicht wiederzuerkennenden Stil verfügt. Kompositionen wie das Titelthema oder „Crockett’s Theme“ passen von der Stimmung hervorragend zu den in der Serie vermittelten Emotionen, sind aber auch so harmonisch, dass man sie ebenso gut ohne visuelle Begleitung immer wieder gerne hört.
Neben Hammers Verdiensten werden immer wieder diverse Popsongs eingespielt und da die Serie in den 80ern gedreht wurde, handelt es sich dabei um gute Popsongs. Den ersten hört man gleich in der allerersten Episode, in einer Szene, in welcher ein Mann im Zeugenschutzprogramm von einem Auftragskiller kaltblütig erschossen wird. Mit welchem Song untermalt man am besten so eine Szene? „Bang, Bang, My Baby Shot Me Down“? „Knocking on Heavens Door“? „Highway to Hell“? Nein: „Girls just wanna have Fun“! Warum verfolgt mich dieser Song in letzter Zeit? Ich spiele zwecks eines billigen Gags in meiner „Django: Unchained“-Kritik darauf an, ich höre ihn in „Miami Vice“ und kaum sehe ich mir auf Youtube einige Folgen von „Charles in Charge“ (nebenbei bemerkt eine sehr zu empfehlenswerte Sitcom ) an, wird er dort auch angespielt. Bedenkt man in was für einem Ausmaß Cyndi Lauper 80er-Serien okkupierte, habe ich fast schon Angst davor, mir die dritte Staffel von „Allein gegen die Mafia“ anzusehen. Den absoluten Höhepunkt in Sachen Musik bietet jedoch die Folge „Der King“. In dieser ist nämlich „Self Control“ zu hören und selbstverständlich bin ich erst mal begeistert, denn der ist ohne Zweifel einer der besten Pop-Songs der 80er und es ist fast unmöglich ihn zu toppen. Und was geschieht? Sie toppen ihn! Ein paar Szenen später hören wir, und das ist mein voller Ernst, nichts anderes als Steppenwolf mit „Born to be Wild“!!! Wow! Ich meine, es ist eine Sache „Self Control“ in einer Serie zu spielen, aber zuerst „Self Control“ zu spielen und es dann noch mit „Born to be Wild“ zu toppen ist wirklich einmalig.
Neben berühmten Liedern bekommt man auch in einigen Folgen berühmte Menschen als Gaststars. In der ersten Staffel treten beispielsweise auf Bruce Willis (als seine Ehefrau misshandelnder Waffenhändler), John Turturro (als Zuhälter, der seine Prostituierten, wenn sie zu viel wissen, kaltblütig umbringen lässt), Ed O’Neill (als Undercover Polizist, der die Seiten wechselt und wahrscheinlich eine junge Schauspielerin grausam ermordet hat… was zum Teufel soll diese Misogynie unter den Gaststars? ) und last but not least die stets grandiose Pam Grier, die selbstverständlich wieder mal eine auf Selbstjustiz machen darf.
Was allerdings eine durchgehende Qualität der Serie ist – Songs und Gaststars, so überwältigend sie auch sein mögen, sind ja immer auf eine Folge beschränkt – sind die wiederkehrenden Charaktere, in erster Linie natürlich Crockett und Tubbs. Was mich an den beiden Figuren besonders begeistern kann, ist ihre Dynamik zusammen. Oft, wenn in Filmen zwei unterschiedliche Persönlichkeiten ein Team bilden – der eine ist ein erfahrener Vice-Cop aus dem Süden, der andere ist ein farbiger New Yorker Streifenpolizist – resultiert dies in irgendeiner billigen Buddy-Comedy. Ihre unterschiedlichen Charaktere werden in „Miami Vice“ jedoch nie als Basis für Humor genommen, im Gegenteil: Beide achten einander und respektieren die Eigenheiten des jeweils anderen. Während Crockett seine Erfahrung in der Polizeieinheit durch rationales Denken und ein größeres Verantwortungs-bewusstsein ausdrückt, ist Tubbs mehr der leichtlebige Jüngling (dies sieht man besonders gut in ihren zahlreichen Liebschaften: Wogegen Crockett während der ersten Staffel mehrere Beziehungen zu Frauen durchlebt, beschränkt sich Tubbs in der Regel auf Affären). Diese Differenz wird jedoch sehr subtil gehandelt und die beiden sind weit davon entfernt klischeehafte Stereotypen zu werden, sondern erscheinen als interessante und komplexe Charaktere.
Beide Darsteller – Don Johnson als Crockett und Philip Michael Thomas als Tubbs – leisten hervorragende Arbeit und gehen total in ihren Rollen auf. Sie haben eine großartige Chemie zusammen und man nimmt es ihnen ständig ab, dass sie miteinander befreundet sind. Wenn ich allerdings wählen müsste, wer von den beiden mehr Spaß macht, dann hat Johnson eindeutig die Nase vorne. Versteht mich nicht falsch, Philip Michael Thomas spielt seinen Part natürlich, glaubhaft und kann auch witzig sein, wenn ihm das Drehbuch einen spaßigen Satz in den Mund legt. Johnson auf der anderen Seite spielt auch natürlich und glaubhaft, bei ihm genügt aber seine bloße Anwesenheit um zu unterhalten. Er ist der Schauspieler der mit dem meisten Spaß bei der Sache zu sein scheint, seine Rolle ist die einzige mit einem Alligator namens „Elvis“ als Haustier und er verfügt über einige witzige Gesichtsausdrücke, wie beispielsweise dieses herrlich verdutzte Aus-der-Wäsche-Schauen, wenn er nachdenkt oder sich gerade mit gezückter Waffe anschleicht.
An irgendeinem Punkt der Serien-Entwicklung muss sich irgendein Produzent gedacht haben: „Wir haben in der Hauptrolle zwar einen ulkigen Typen, der gerne rosa Hemdchen trägt, aber trotzdem ist mir das weder humoristisch noch feminin genug!“ Und aus eben diesem Grund werden Crockett und Tubbs unterstützt von den Polizisten Zito und Switek (für den Humor) sowie Gina und Trudy (für das Feminine). Das Schöne an diesen vier Figuren ist nicht nur, dass sie untereinander befreundet sind, sondern auch, dass sie ihrem Beruf mit gewaltiger Freude nachgehen und einfach Spaß an ihrer Tätigkeit haben. In der Folge „Zu hoher Einsatz“ gibt es zum Beispiel eine nette Anfangsszene, in welcher Gina und Trudy, die in dieser Episode als Prostituierte undercover gehen, zusammen einen Einkaufsbummel machen und eine gewaltige Gaude dabei haben sich möglichst nuttige Klamotten auszusuchen. Auch Zito und Switek sind immer ganz aus dem Häuschen, wenn sie irgendwen ins Zeugenschutzprogramm nehmen können, weil das für sie bedeutet mit dieser Person in einem Motel herumzusitzen, sich Pizza zu bestellen und zusammen Monopoli zu spielen.
Dem Polizeipräsidium stand anfangs ein gewisser Rodriguez vor, der auch eine ziemlich unterhaltsame Figur war, doch unerwarteter Weise schon in einer der ersten Episoden das Zeitliche segnete. Dies bedeutet auf der positiven Seite, dass die Serie auf eine spannende Weise unberechenbar ist, und auf der negativen Seite, dass Rodriguez nicht mehr da ist, und wir wahrscheinlich irgendeinen doofen anderen Dude bekommen. Dem Internet entnahm ich die Information, dass dieser „doofe andere Dude“ ein gewisser Castillo sein wird, gespielt von Edward James Olmos. Ich sah mir einige Bilder von der Figur an und war enttäuscht, weil sie offenbar nur über einen einzigen ziemlich gelangweilten Gesichtsausdruck verfügt. Stutzig wurde ich erst, als ich sah, dass Olmos für seine Darstellung in „Miami Vice“ so ziemlich jeden Serienpreis den man bekommen kann, verliehen bekam. Mit einer gewissen Neugier sah ich mir also seine erste Folge an und wurde mehr als positiv überrascht:
Edward James Olmos ist in dieser Serie einfach nur genial! Er hat zwar wirklich nur einen einzigen Gesichtsausdruck drauf, aber dieser ist keinesfalls gelangweilt, sondern besteht in einem unheimlich bedrohlichen, etwas niedergeschlagenen Starren. Nicht nur die Zuseher bekommen eine Gänsehaut, wenn der Typ direkt in die Kamera blickt, sondern auch die fiktiven Charaktere. In „Der King“ beispielsweise gibt es eine Stelle, wo ein Drogenschmuggler vor Crockett und Tubbs davonlaufen will. Er flüchtet vor den beiden, rennt aber direkt in Castillo, der einfach nur dasteht und ihn anstarrt. Er zieht keine Waffe oder so, er starrt ihn einfach nur an und der Verbrecher wagt es nicht mal an ihm vorbeizugehen. Wunderbar ist auch, dass Olmos diesen eindrucksvollen Blick wirklich bei jeder Gelegenheit aufsetzt, ohne Ausnahme (selbst in den Crew-Fotos, wo alle anderen Darsteller einfach herumalbern hat er diesen Blick drauf). Ganz egal, ob er seinen Mitarbeitern gerade Instruktionen gibt, versucht seine Freunde aufzumuntern, oder ein Sandwich isst, er sieht immer so aus als hätte man ihm soeben mitgeteilt, dass ihn seine Frau verlässt, er Krebs hat und seine Lieblingsserie abgesetzt wurde. Und gerade weil Olmos‘ Mimik so eindeutig die Antipode jeglichen Humors ist, macht es ehrlich gesagt wirklich viel Spaß ihm zuzusehen.
Bei all den unterhaltsamen Nebencharakteren freut es, dass der Fokus der Handlung nicht in jeder Episode immer auf Crockett und Tubbs liegt. Hin und wieder bekommen wir auch eine Folge, in welcher Castillo oder Zito und Switek im Zentrum stehen. Auch der Ton der einzelnen Folgen ist nicht zwangsläufig derselbe. Sie enthalten zwar immer sowohl Tragik als auch Humor, aber meist überwiegt eines davon. Ich würde mich beschweren, wenn es innerhalb einer Folge zu Tonschwankungen kommt, dem ist aber nicht so: Die Stimmung, die in den ersten zehn Minuten erläutert wird, wird stets beibehalten, die Episoden als Ganzes variieren jedoch zwischen keinen Silberstreifen durchlassende Düsternis und der Vice-Version von „Ein seltsames Paar“. Man kann also nie ganz genau wissen, was man bekommt.
Außer den oben erwähnten Punkten hat die Serie allerdings noch irgendeinen weiteren positiven Aspekt, den ich nicht genau benennen kann. Ich weiß nicht ob es einfach Coolness ist oder was anderes, aber dieser positive Aspekt lässt einem darüber hinwegsehen, dass sie nicht vollkommen makellos ist. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Kleidungsstil der Hauptcharaktere manchmal ein wenig albern daher kommt. Sachen wie die übertriebene Lässigkeit der Protagonisten oder die ausgedehnten Autofahrt-Sequenzen, wurden sogar schon von der Sesamstraße mit ihrem „Miami Mice“ erfolgreich parodiert. Zudem gibt es unzählige unbeantwortete Fragen wie: Wo bewahrt Crockett in seinem kleinen Hausboot diese Berge von Designerklamotten auf? Warum gehen Miami, bedenkt man wie viele davon pro Folge ins Gras beißen, nie die Polizisten und Gangster aus (ernsthaft, über die Serie hinweg hat Crockett einen größeren Leichenberg zu verantworten als Django)? Warum kennt mittlerweile nicht jeder Verbrecherboss die beiden Polizisten, die allwöchentlich mit denselben Codenamen undercover gehen? Auf all diese Fragen gibt es genau eine Antwort: Wen kümmert’s?! Die Serie ist durchgehend spannend, cool, charmant, mitreißend, dramatisch und witzig. Ich habe jede einzelne Episode der ersten Staffel genossen und ich freue mich schon sehr auf Staffel Nr. 2, in welcher unter anderem Tomas Milian zu sehen sein wird.
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Ich mag Polizeifilme! Harte Cops, die mit coolen Sprüchen und einer etwas zweifelhaften Moral die schmierige Verbrecherwelt aufräumen, sind in meinen Augen ein grandioses Handlungselement, welchem wir einige wundervolle Filme zu verdanken haben. In diesem Sinne bin ich auch ein Fan der „Dirty Harry“-Reihe oder der italienischen Errungenschaften auf diesem Gebiet. Ich dachte mir allerdings immer, eine fürs Fernsehen gedrehte Serie wird nicht das Budget und die kreative Crew haben, um in Sachen Action, Handlung oder Regie mit solchen Filmen mitzuhalten. Als ich die ersten paar Folgen von „Miami Vice“ sah, wusste ich, dass ich falsch gedacht hatte…
Ich weiß nicht genau, wie viel Geld Produzent Michael Mann in die einzelnen Episoden gesteckt hat, aber es ist beeindruckend, was für eine Menge an Schießereien und Explosionen in dieser Serie anzutreffen sind. Zudem verfügt jede Folge über eine originelle und spannende Story und eine professionelle Regie. Die Art und Weise, wie der sonnige Handlungsort mit seinen strahlenden und weniger strahlenden Seiten in Szene gesetzt wurde, sucht Ihresgleichen. Manche stilistische Einfälle finde ich zwar ein kleinwenig übertrieben – einige der Zeitlupeneinstellungen wirken störend und besonders in den ersten Episoden blieb das Bild zwischen zwei Schnitten ein wenig zu lange schwarz – aber im Großen und Ganzen sieht die Serie von der visuellen Komponente her atemberaubend aus. Die Handlungen haben auch jedes Mal eine gewisse Größe an sich. Damit meine ich, dass die Protagonisten Crockett und Tubbs nicht von Folge zu Folge irgendeinen 08/15-Mord aufklären müssen, nein, die haben es mit kaltblütigen Gangstern zu tun. Allabendlich müssen sie sich behaupten gegen Drogenbarone, Waffenhändler, Zuhälter, Straßengangs oder Al Bundys. Diesen Aspekten ist es zu verdanken, dass sich jede einzelne Folge von „Miami Vice“ wie ein eigenständiger Polizeifilm anfühlt, nur eben auf kurzweilige vierzig Minuten runter gekürzt.
Was oft im Zusammenhang mit dieser Serie erwähnt wird, ist ihr exzessives Porträtieren der Populärkultur, was in erster Linie Mode und Musik meint. Die Frage, die man sich heutzutage stellen muss lautet: Hat dies in unserer Zeit seinen Charme behalten, oder wirken die damaligen Kleider und Songs mittlerweile eher albern. In Sachen Mode ist die Antwort einfach: Sonny Crockett trägt manchmal ein Netzshirt! Ernsthaft, Sonny, ein Netzshirt? Ich meine, ich bin weiß Gott kein Modeexperte – mein Kleiderschrank besteht fast ausschließlich aus abgetragenen Sonderangeboten – aber selbst ich könnte diesen beiden Vogelscheuchen Modetipps geben. Zum Beispiel an Tubbs: Ein weit aufgeknöpftes Hemd ist gut, weil es Lässigkeit signalisiert; ein weit zugeknöpfter Anzug ist auch gut, weil er Seriosität signalisiert; aber ein weit aufgeknöpftes Hemd unter einem weit zugeknöpften Anzug ist nicht gut, weil es Albernheit signalisiert. Allerdings muss ich zugeben, dass besonders Don Johnson als Crockett eine gewisse Coolness ausstrahlt, bei der man ihm seine Netzshirts und rosa Hemdchen gern verzeiht. (Aber warum zum Teufel könnt ihr euch keine Socken anziehen. Ernsthaft, das hier ist Miami und nicht das Auenland, kauft euch endlich Strümpfe! )
Soviel zur Mode, nun zur musikalischen Gestaltung und diese ist auch heutzutage noch einfach nur grandios! Jan Hammer lieferte eine Vielzahl unvergesslicher Instrumental-Stücke, so, dass der Soundtrack zwar abwechslungsreich ist, aber über einen gleich bleibenden leicht wiederzuerkennenden Stil verfügt. Kompositionen wie das Titelthema oder „Crockett’s Theme“ passen von der Stimmung hervorragend zu den in der Serie vermittelten Emotionen, sind aber auch so harmonisch, dass man sie ebenso gut ohne visuelle Begleitung immer wieder gerne hört.
Neben Hammers Verdiensten werden immer wieder diverse Popsongs eingespielt und da die Serie in den 80ern gedreht wurde, handelt es sich dabei um gute Popsongs. Den ersten hört man gleich in der allerersten Episode, in einer Szene, in welcher ein Mann im Zeugenschutzprogramm von einem Auftragskiller kaltblütig erschossen wird. Mit welchem Song untermalt man am besten so eine Szene? „Bang, Bang, My Baby Shot Me Down“? „Knocking on Heavens Door“? „Highway to Hell“? Nein: „Girls just wanna have Fun“! Warum verfolgt mich dieser Song in letzter Zeit? Ich spiele zwecks eines billigen Gags in meiner „Django: Unchained“-Kritik darauf an, ich höre ihn in „Miami Vice“ und kaum sehe ich mir auf Youtube einige Folgen von „Charles in Charge“ (nebenbei bemerkt eine sehr zu empfehlenswerte Sitcom ) an, wird er dort auch angespielt. Bedenkt man in was für einem Ausmaß Cyndi Lauper 80er-Serien okkupierte, habe ich fast schon Angst davor, mir die dritte Staffel von „Allein gegen die Mafia“ anzusehen. Den absoluten Höhepunkt in Sachen Musik bietet jedoch die Folge „Der King“. In dieser ist nämlich „Self Control“ zu hören und selbstverständlich bin ich erst mal begeistert, denn der ist ohne Zweifel einer der besten Pop-Songs der 80er und es ist fast unmöglich ihn zu toppen. Und was geschieht? Sie toppen ihn! Ein paar Szenen später hören wir, und das ist mein voller Ernst, nichts anderes als Steppenwolf mit „Born to be Wild“!!! Wow! Ich meine, es ist eine Sache „Self Control“ in einer Serie zu spielen, aber zuerst „Self Control“ zu spielen und es dann noch mit „Born to be Wild“ zu toppen ist wirklich einmalig.
Neben berühmten Liedern bekommt man auch in einigen Folgen berühmte Menschen als Gaststars. In der ersten Staffel treten beispielsweise auf Bruce Willis (als seine Ehefrau misshandelnder Waffenhändler), John Turturro (als Zuhälter, der seine Prostituierten, wenn sie zu viel wissen, kaltblütig umbringen lässt), Ed O’Neill (als Undercover Polizist, der die Seiten wechselt und wahrscheinlich eine junge Schauspielerin grausam ermordet hat… was zum Teufel soll diese Misogynie unter den Gaststars? ) und last but not least die stets grandiose Pam Grier, die selbstverständlich wieder mal eine auf Selbstjustiz machen darf.
Was allerdings eine durchgehende Qualität der Serie ist – Songs und Gaststars, so überwältigend sie auch sein mögen, sind ja immer auf eine Folge beschränkt – sind die wiederkehrenden Charaktere, in erster Linie natürlich Crockett und Tubbs. Was mich an den beiden Figuren besonders begeistern kann, ist ihre Dynamik zusammen. Oft, wenn in Filmen zwei unterschiedliche Persönlichkeiten ein Team bilden – der eine ist ein erfahrener Vice-Cop aus dem Süden, der andere ist ein farbiger New Yorker Streifenpolizist – resultiert dies in irgendeiner billigen Buddy-Comedy. Ihre unterschiedlichen Charaktere werden in „Miami Vice“ jedoch nie als Basis für Humor genommen, im Gegenteil: Beide achten einander und respektieren die Eigenheiten des jeweils anderen. Während Crockett seine Erfahrung in der Polizeieinheit durch rationales Denken und ein größeres Verantwortungs-bewusstsein ausdrückt, ist Tubbs mehr der leichtlebige Jüngling (dies sieht man besonders gut in ihren zahlreichen Liebschaften: Wogegen Crockett während der ersten Staffel mehrere Beziehungen zu Frauen durchlebt, beschränkt sich Tubbs in der Regel auf Affären). Diese Differenz wird jedoch sehr subtil gehandelt und die beiden sind weit davon entfernt klischeehafte Stereotypen zu werden, sondern erscheinen als interessante und komplexe Charaktere.
Beide Darsteller – Don Johnson als Crockett und Philip Michael Thomas als Tubbs – leisten hervorragende Arbeit und gehen total in ihren Rollen auf. Sie haben eine großartige Chemie zusammen und man nimmt es ihnen ständig ab, dass sie miteinander befreundet sind. Wenn ich allerdings wählen müsste, wer von den beiden mehr Spaß macht, dann hat Johnson eindeutig die Nase vorne. Versteht mich nicht falsch, Philip Michael Thomas spielt seinen Part natürlich, glaubhaft und kann auch witzig sein, wenn ihm das Drehbuch einen spaßigen Satz in den Mund legt. Johnson auf der anderen Seite spielt auch natürlich und glaubhaft, bei ihm genügt aber seine bloße Anwesenheit um zu unterhalten. Er ist der Schauspieler der mit dem meisten Spaß bei der Sache zu sein scheint, seine Rolle ist die einzige mit einem Alligator namens „Elvis“ als Haustier und er verfügt über einige witzige Gesichtsausdrücke, wie beispielsweise dieses herrlich verdutzte Aus-der-Wäsche-Schauen, wenn er nachdenkt oder sich gerade mit gezückter Waffe anschleicht.
An irgendeinem Punkt der Serien-Entwicklung muss sich irgendein Produzent gedacht haben: „Wir haben in der Hauptrolle zwar einen ulkigen Typen, der gerne rosa Hemdchen trägt, aber trotzdem ist mir das weder humoristisch noch feminin genug!“ Und aus eben diesem Grund werden Crockett und Tubbs unterstützt von den Polizisten Zito und Switek (für den Humor) sowie Gina und Trudy (für das Feminine). Das Schöne an diesen vier Figuren ist nicht nur, dass sie untereinander befreundet sind, sondern auch, dass sie ihrem Beruf mit gewaltiger Freude nachgehen und einfach Spaß an ihrer Tätigkeit haben. In der Folge „Zu hoher Einsatz“ gibt es zum Beispiel eine nette Anfangsszene, in welcher Gina und Trudy, die in dieser Episode als Prostituierte undercover gehen, zusammen einen Einkaufsbummel machen und eine gewaltige Gaude dabei haben sich möglichst nuttige Klamotten auszusuchen. Auch Zito und Switek sind immer ganz aus dem Häuschen, wenn sie irgendwen ins Zeugenschutzprogramm nehmen können, weil das für sie bedeutet mit dieser Person in einem Motel herumzusitzen, sich Pizza zu bestellen und zusammen Monopoli zu spielen.
Dem Polizeipräsidium stand anfangs ein gewisser Rodriguez vor, der auch eine ziemlich unterhaltsame Figur war, doch unerwarteter Weise schon in einer der ersten Episoden das Zeitliche segnete. Dies bedeutet auf der positiven Seite, dass die Serie auf eine spannende Weise unberechenbar ist, und auf der negativen Seite, dass Rodriguez nicht mehr da ist, und wir wahrscheinlich irgendeinen doofen anderen Dude bekommen. Dem Internet entnahm ich die Information, dass dieser „doofe andere Dude“ ein gewisser Castillo sein wird, gespielt von Edward James Olmos. Ich sah mir einige Bilder von der Figur an und war enttäuscht, weil sie offenbar nur über einen einzigen ziemlich gelangweilten Gesichtsausdruck verfügt. Stutzig wurde ich erst, als ich sah, dass Olmos für seine Darstellung in „Miami Vice“ so ziemlich jeden Serienpreis den man bekommen kann, verliehen bekam. Mit einer gewissen Neugier sah ich mir also seine erste Folge an und wurde mehr als positiv überrascht:
Edward James Olmos ist in dieser Serie einfach nur genial! Er hat zwar wirklich nur einen einzigen Gesichtsausdruck drauf, aber dieser ist keinesfalls gelangweilt, sondern besteht in einem unheimlich bedrohlichen, etwas niedergeschlagenen Starren. Nicht nur die Zuseher bekommen eine Gänsehaut, wenn der Typ direkt in die Kamera blickt, sondern auch die fiktiven Charaktere. In „Der King“ beispielsweise gibt es eine Stelle, wo ein Drogenschmuggler vor Crockett und Tubbs davonlaufen will. Er flüchtet vor den beiden, rennt aber direkt in Castillo, der einfach nur dasteht und ihn anstarrt. Er zieht keine Waffe oder so, er starrt ihn einfach nur an und der Verbrecher wagt es nicht mal an ihm vorbeizugehen. Wunderbar ist auch, dass Olmos diesen eindrucksvollen Blick wirklich bei jeder Gelegenheit aufsetzt, ohne Ausnahme (selbst in den Crew-Fotos, wo alle anderen Darsteller einfach herumalbern hat er diesen Blick drauf). Ganz egal, ob er seinen Mitarbeitern gerade Instruktionen gibt, versucht seine Freunde aufzumuntern, oder ein Sandwich isst, er sieht immer so aus als hätte man ihm soeben mitgeteilt, dass ihn seine Frau verlässt, er Krebs hat und seine Lieblingsserie abgesetzt wurde. Und gerade weil Olmos‘ Mimik so eindeutig die Antipode jeglichen Humors ist, macht es ehrlich gesagt wirklich viel Spaß ihm zuzusehen.
Bei all den unterhaltsamen Nebencharakteren freut es, dass der Fokus der Handlung nicht in jeder Episode immer auf Crockett und Tubbs liegt. Hin und wieder bekommen wir auch eine Folge, in welcher Castillo oder Zito und Switek im Zentrum stehen. Auch der Ton der einzelnen Folgen ist nicht zwangsläufig derselbe. Sie enthalten zwar immer sowohl Tragik als auch Humor, aber meist überwiegt eines davon. Ich würde mich beschweren, wenn es innerhalb einer Folge zu Tonschwankungen kommt, dem ist aber nicht so: Die Stimmung, die in den ersten zehn Minuten erläutert wird, wird stets beibehalten, die Episoden als Ganzes variieren jedoch zwischen keinen Silberstreifen durchlassende Düsternis und der Vice-Version von „Ein seltsames Paar“. Man kann also nie ganz genau wissen, was man bekommt.
Außer den oben erwähnten Punkten hat die Serie allerdings noch irgendeinen weiteren positiven Aspekt, den ich nicht genau benennen kann. Ich weiß nicht ob es einfach Coolness ist oder was anderes, aber dieser positive Aspekt lässt einem darüber hinwegsehen, dass sie nicht vollkommen makellos ist. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Kleidungsstil der Hauptcharaktere manchmal ein wenig albern daher kommt. Sachen wie die übertriebene Lässigkeit der Protagonisten oder die ausgedehnten Autofahrt-Sequenzen, wurden sogar schon von der Sesamstraße mit ihrem „Miami Mice“ erfolgreich parodiert. Zudem gibt es unzählige unbeantwortete Fragen wie: Wo bewahrt Crockett in seinem kleinen Hausboot diese Berge von Designerklamotten auf? Warum gehen Miami, bedenkt man wie viele davon pro Folge ins Gras beißen, nie die Polizisten und Gangster aus (ernsthaft, über die Serie hinweg hat Crockett einen größeren Leichenberg zu verantworten als Django)? Warum kennt mittlerweile nicht jeder Verbrecherboss die beiden Polizisten, die allwöchentlich mit denselben Codenamen undercover gehen? Auf all diese Fragen gibt es genau eine Antwort: Wen kümmert’s?! Die Serie ist durchgehend spannend, cool, charmant, mitreißend, dramatisch und witzig. Ich habe jede einzelne Episode der ersten Staffel genossen und ich freue mich schon sehr auf Staffel Nr. 2, in welcher unter anderem Tomas Milian zu sehen sein wird.