Re: DrDjangoMDs Ordination für kränkelnde Filme
Verfasst: Fr 5. Jul 2013, 11:24
BLUTSPUR IM PARK
Originaltitel: Una farfalla con le ali insanguinate
Alternativtitel: Das Messer
Land: Italien
Jahr: 1971
Genre: Giallo
Regie: Duccio Tessari
Boah, Stress mit den Uni-Abschlussarbeiten, draußen eine Affenhitze, jeder will was von einem, da muss man sich zwischendurch mal einen gemütlichen Abend machen, sich in seinen Fernsehsessel kuscheln, das letzte Stück Geburtstagstorte aus dem Tiefkühler nehmen, einen Wohlfühl-Kräutertee aufbrühen und einen Film einlegen, der einfach nur nett ist. So wie den, den ich mir gekauft habe. Ich habe die Inhaltsangabe noch nicht gelesen, aber der Originaltitel lautet „Una farfalla con le ali insanguinate“. Nun, ich kenne die meisten dieser Wörter nicht, aber ich weiß, was „farfalla“ bedeutet. „Schmetterling“! Und wer ist der hübsche Schmetterling? Natürlich Carole André, denn die spielt in dem Film mit. Super! Carole André ist spitze. Hoffentlich wird das ein netter romantischer Film mit vielen Großaufnahmen der hübschen Carole. Also, DVD eingelegt, Film ab!
Handlung:
Die junge Francoise (Carole André) wird ermordet… Moment, was? ...Stop, stop, stop! Kritik aus! Carole André stirbt gleich nach dem Vorspann??? Nein! Warum? Die Filmemacher müssen ENDLICH aufhören Carole André umzubringen! Warum stirbt Carole André nur so oft in Filmen? Was? Weil ihre Rolle stirbt? Na und, dann schreibt man halt das Drehbuch um! Sobald Carole André in einem Film mitspielt, ist das Script unverzüglich umzuschreiben. Und zwar mit folgenden Wortlaut: „Carole André sitzt anderthalb Stunden herum und blickt lächelnd in Richtung Kamera. Ende.“ Bitte! Das wäre ein toller Film. Fulci, Dallamano, denkt gefälligst mal darüber nach was ich hier sage. Ja? Gut, dann kann ich ja weiter machen…
Kritik:
Spaß bei Seite und ganz ehrlich, ich bin zu tiefst beeindruckt. Duccio Tessaris „Blutspur im Park“ gehört zu den allerbesten Gialli, die ich je gesehen habe. Ich spreche hier Top-5-Territorium, mindestens. Selbst die ewig griesgrämigen Dudes vom Lexikon des Internationalen Filmes nehmen für dieses Meisterwerk endlich eine Auszeit ihres unermüdlichen Kreuzzuges gegen alles was in Filmen Spaß macht und können nicht umhin ihn einen „Solide gemachten, spannenden Thriller in geschmackvoller Kulisse“ zu nennen. Und recht haben sie damit!
Der ganze Film strotzt nur so vor einer leicht depressiven, aber gleichsam wunderschönen, bittersüßen Melancholie, hervorgerufen durch die traurige Klaviermusik, den wolkenverhangenen Himmel und natürlich auch den Part Carole Andrés der damit beginnt, dass sie grausam ermordet wird und später aus Rückblenden besteht, die dem armen Zuseher nochmal unter die Nase reiben wie süß, lebenslustig und freundlich die Frau, die von Beginn an tot ist, war.
Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass ich mich diesmal nicht über die Abwesenheit eines wirklichen Protagonisten beschwere. Normalerweise geht ohne eine sympathische Hauptfigur, mit der man mitfühlen kann und um deren überleben wir zittern können, für mich eine Menge Spannung verloren, aber in „Blutspur im Park“ ist von Anfang an schon genug Spannung da, weil jeder Zuseher wissen will wer für Carole Andrés Tod verantwortlich ist, damit man ihn hängen sehen kann, möglichst langsam, möglichst qualvoll. In diesem Sinne freut es auch, dass sie Carole nicht zu einem von vielen Opfern irgendeines Psychopathen gemacht haben, nein, nein, sie ist schon das Hauptmordopfer, um das sich der ganze Film dreht.
Die Kamera fasst jede einzelne Szene äußerst kunstvoll ein und Tessari beschert uns eine Vielzahl beeindruckender Bildkompositionen, ohne dabei jedoch überzustilisieren und den Zuseher damit aus der Handlung herauszuholen. Die Darsteller machen ihre Sache allesamt hervorragend. Wir bekommen Ida Galli, die in Sachen Eleganz mittlerweile Audrey-Hepburn-Dimensionen erreicht; den zu Recht berühmten Helmut Berger; Günther Stoll, einen meiner absoluten Lieblinge der Wallace-Ära; Tessaris Ehefrau Lorella De Luca; sowie Silvano Tranquilli als Commissario Mag-Kaffee-Nicht, der in diesem Film ein wenig so aussieht, als wäre er der gemeinsame Sohn von Peter Cushing und Herbert Fux. Ich weiß, dass das biologisch nicht möglich ist, aber der Gedanke, dass Cushing und Fux als treusorgende Eltern in einem beschaulichen Haus am Lande den kleinen Silvano Tranquilli großziehen gefällt mir trotzdem.
Diese Darsteller spielen nun alle sündhafte, zwielichtige Figuren, sodass wir ausnahmslos jeden einen Mord zutrauen. Hier ist die Zusammenfassung (gemeint ist jeweils, wenn ich den Darstellernamen sage, die jeweilige Rolle): Giancarlo Sbragia betrügt seine Frau Ida Galli mit der Alkoholikerin Lorella De Luca. Ida Galli derweil betrügt ihren Mann mit Günther Stoll, der wiederrum versucht die Tochter von Galli Wendy D’Olive zu vergewaltigen, die sich den ganzen Film wie eine kratzbürstige unhöfliche Göre verhält und ein Verhältnis mit Helmut Berger hat, der in ihrer Liebesnacht total den Verstand verliert und dem Publikum einige Crazy-Helmut-Gesichtsausdrücke beschert. Gott, die einzige Figur, die halbwegs normal ist, ist Carole André…und die ist tot.
Neben all den tausenden Vorteilen, die der Film hat, ist die Art und Weise, wie er sein Mörder-Rätsel präsentiert der Größte. Er konfrontiert uns mit unzähligen Fragen, die er alle ohne große Erklärungen in der letzten Szene klärt. Er verleitet uns dazu unzählige Theorien über die Identität des Killers anzustellen, nur um uns in der letzten Szene eine Auflösung zu präsentieren, die vollkommen auf der Hand liegt, aber auf die man trotzdem nicht gekommen ist, obwohl sie Commissario Mag-Kaffee-Nicht in ähnlicher Weise schon zu einem frühen Punkt der Handlung in Betracht gezogen hat. So vieles gibt es in dem Film, auf das ich eine Antwort will und mit einer einzigen Szene beantwortet er alle diese Fragen, alles löst sich wie durch ein Wunder auf einmal auf, absolut perfekte Geschichte, gut gemacht, bravo!
Fazit: Großartiger Film, gekonnt wird eine absolut perfekt ausbalancierte Story mit einer Reihe zwielichtiger Charaktere und einer wundervollen melancholischen Atmosphäre erzählt. 10/10
Originaltitel: Una farfalla con le ali insanguinate
Alternativtitel: Das Messer
Land: Italien
Jahr: 1971
Genre: Giallo
Regie: Duccio Tessari
Boah, Stress mit den Uni-Abschlussarbeiten, draußen eine Affenhitze, jeder will was von einem, da muss man sich zwischendurch mal einen gemütlichen Abend machen, sich in seinen Fernsehsessel kuscheln, das letzte Stück Geburtstagstorte aus dem Tiefkühler nehmen, einen Wohlfühl-Kräutertee aufbrühen und einen Film einlegen, der einfach nur nett ist. So wie den, den ich mir gekauft habe. Ich habe die Inhaltsangabe noch nicht gelesen, aber der Originaltitel lautet „Una farfalla con le ali insanguinate“. Nun, ich kenne die meisten dieser Wörter nicht, aber ich weiß, was „farfalla“ bedeutet. „Schmetterling“! Und wer ist der hübsche Schmetterling? Natürlich Carole André, denn die spielt in dem Film mit. Super! Carole André ist spitze. Hoffentlich wird das ein netter romantischer Film mit vielen Großaufnahmen der hübschen Carole. Also, DVD eingelegt, Film ab!
Handlung:
Die junge Francoise (Carole André) wird ermordet… Moment, was? ...Stop, stop, stop! Kritik aus! Carole André stirbt gleich nach dem Vorspann??? Nein! Warum? Die Filmemacher müssen ENDLICH aufhören Carole André umzubringen! Warum stirbt Carole André nur so oft in Filmen? Was? Weil ihre Rolle stirbt? Na und, dann schreibt man halt das Drehbuch um! Sobald Carole André in einem Film mitspielt, ist das Script unverzüglich umzuschreiben. Und zwar mit folgenden Wortlaut: „Carole André sitzt anderthalb Stunden herum und blickt lächelnd in Richtung Kamera. Ende.“ Bitte! Das wäre ein toller Film. Fulci, Dallamano, denkt gefälligst mal darüber nach was ich hier sage. Ja? Gut, dann kann ich ja weiter machen…
Kritik:
Spaß bei Seite und ganz ehrlich, ich bin zu tiefst beeindruckt. Duccio Tessaris „Blutspur im Park“ gehört zu den allerbesten Gialli, die ich je gesehen habe. Ich spreche hier Top-5-Territorium, mindestens. Selbst die ewig griesgrämigen Dudes vom Lexikon des Internationalen Filmes nehmen für dieses Meisterwerk endlich eine Auszeit ihres unermüdlichen Kreuzzuges gegen alles was in Filmen Spaß macht und können nicht umhin ihn einen „Solide gemachten, spannenden Thriller in geschmackvoller Kulisse“ zu nennen. Und recht haben sie damit!
Der ganze Film strotzt nur so vor einer leicht depressiven, aber gleichsam wunderschönen, bittersüßen Melancholie, hervorgerufen durch die traurige Klaviermusik, den wolkenverhangenen Himmel und natürlich auch den Part Carole Andrés der damit beginnt, dass sie grausam ermordet wird und später aus Rückblenden besteht, die dem armen Zuseher nochmal unter die Nase reiben wie süß, lebenslustig und freundlich die Frau, die von Beginn an tot ist, war.
Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass ich mich diesmal nicht über die Abwesenheit eines wirklichen Protagonisten beschwere. Normalerweise geht ohne eine sympathische Hauptfigur, mit der man mitfühlen kann und um deren überleben wir zittern können, für mich eine Menge Spannung verloren, aber in „Blutspur im Park“ ist von Anfang an schon genug Spannung da, weil jeder Zuseher wissen will wer für Carole Andrés Tod verantwortlich ist, damit man ihn hängen sehen kann, möglichst langsam, möglichst qualvoll. In diesem Sinne freut es auch, dass sie Carole nicht zu einem von vielen Opfern irgendeines Psychopathen gemacht haben, nein, nein, sie ist schon das Hauptmordopfer, um das sich der ganze Film dreht.
Die Kamera fasst jede einzelne Szene äußerst kunstvoll ein und Tessari beschert uns eine Vielzahl beeindruckender Bildkompositionen, ohne dabei jedoch überzustilisieren und den Zuseher damit aus der Handlung herauszuholen. Die Darsteller machen ihre Sache allesamt hervorragend. Wir bekommen Ida Galli, die in Sachen Eleganz mittlerweile Audrey-Hepburn-Dimensionen erreicht; den zu Recht berühmten Helmut Berger; Günther Stoll, einen meiner absoluten Lieblinge der Wallace-Ära; Tessaris Ehefrau Lorella De Luca; sowie Silvano Tranquilli als Commissario Mag-Kaffee-Nicht, der in diesem Film ein wenig so aussieht, als wäre er der gemeinsame Sohn von Peter Cushing und Herbert Fux. Ich weiß, dass das biologisch nicht möglich ist, aber der Gedanke, dass Cushing und Fux als treusorgende Eltern in einem beschaulichen Haus am Lande den kleinen Silvano Tranquilli großziehen gefällt mir trotzdem.
Diese Darsteller spielen nun alle sündhafte, zwielichtige Figuren, sodass wir ausnahmslos jeden einen Mord zutrauen. Hier ist die Zusammenfassung (gemeint ist jeweils, wenn ich den Darstellernamen sage, die jeweilige Rolle): Giancarlo Sbragia betrügt seine Frau Ida Galli mit der Alkoholikerin Lorella De Luca. Ida Galli derweil betrügt ihren Mann mit Günther Stoll, der wiederrum versucht die Tochter von Galli Wendy D’Olive zu vergewaltigen, die sich den ganzen Film wie eine kratzbürstige unhöfliche Göre verhält und ein Verhältnis mit Helmut Berger hat, der in ihrer Liebesnacht total den Verstand verliert und dem Publikum einige Crazy-Helmut-Gesichtsausdrücke beschert. Gott, die einzige Figur, die halbwegs normal ist, ist Carole André…und die ist tot.
Neben all den tausenden Vorteilen, die der Film hat, ist die Art und Weise, wie er sein Mörder-Rätsel präsentiert der Größte. Er konfrontiert uns mit unzähligen Fragen, die er alle ohne große Erklärungen in der letzten Szene klärt. Er verleitet uns dazu unzählige Theorien über die Identität des Killers anzustellen, nur um uns in der letzten Szene eine Auflösung zu präsentieren, die vollkommen auf der Hand liegt, aber auf die man trotzdem nicht gekommen ist, obwohl sie Commissario Mag-Kaffee-Nicht in ähnlicher Weise schon zu einem frühen Punkt der Handlung in Betracht gezogen hat. So vieles gibt es in dem Film, auf das ich eine Antwort will und mit einer einzigen Szene beantwortet er alle diese Fragen, alles löst sich wie durch ein Wunder auf einmal auf, absolut perfekte Geschichte, gut gemacht, bravo!
Fazit: Großartiger Film, gekonnt wird eine absolut perfekt ausbalancierte Story mit einer Reihe zwielichtiger Charaktere und einer wundervollen melancholischen Atmosphäre erzählt. 10/10