Was vom Tage übrigblieb ...

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Emmanuelle – Amazone des Dschungels (Bruno Zincone, 1988) 4/10

Emmanuelle und eine Gruppe von Mannequins sind unterwegs in den venezolanischen Dschungel, um eine private Modenschau auf der Hacienda eines reichen Rancheros zu geben. Im Gepäck sind ziemlich wertvoller Schmuck, ein total süßer Versicherungsdetektiv der auf den Schmuck aufpassen soll, und eine blinde und nackte Passagierin die sich in einer Art Handkoffer versteckt hat. Der zweite Offizier des Schiffes ist der böse Wicht des Films und verschachert die Mädels an einen Gangster, der sie dann, zusammen mit dem Schmuck, auf einem Sklavenmarkt mitten im Dschungel verkauft.

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“Offiziere sind wie Ärzte – Sie dürfen alles sehen.“

Mein persönlicher Höhepunkt (das Wortspiel ist nicht beabsichtigt!) kam während des Indianerüberfalls auf den Sklavenmarkt: Die Indianer sind mit Blasrohren ausgestattet, aber damit die Szene ein wenig dramatischer wirkt kam irgendjemand auf die Idee, die tödlichen Pustepfeile mit Schussgeräuschen zu unterlegen. Die klassischen Schussgeräusche von Querschlägern …

Der Rest ist eine mal mehr und mal weniger erotische Aneinanderreihung von nackten Frauen und fiesen Männern. Natalie Uher hat einen sehr schönen Körper, aber nicht wirklich Ausstrahlung. Die Schlangentänzerin hätte ich stattdessen gerne länger gesehen, die hat erheblich mehr Flair als die Natalie, und bietet auch viel viel mehr Knistern. An der Stelle würde mich auch die französische HC-Fassung interessieren, weil ich mir gut vorstellen kann, dass die Kombination aus der Schlangentänzerin und der längeren Liebesszene der beiden Frauen auf dem Schreibtisch sehr spannend rüberkommt. Aber irgendwie ist diese Version nicht aufzutreiben …

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Sehr ansprechend fotografiert ist das Ganze, und das ist das eigentlich Positive an dem Flick, wenngleich ich das bei einem französischen Softsexer auch voraussetze. Inhaltlich darf man halt absolut gar nichts erwarten, dann kann man sich zumindest über schöne Bilder von schönen Menschen freuen die schöne Dinge tun. Mehr ist es einfach nicht …!

4/10
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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Punks kommt aus Amerika (Karl Heinz Martin, 1935) 7/10

Punks kommt aus Amerika zurück. Punks, das ist eigentlich Werner Holzhausen. Mit 100 Mark ist er vor 10 Jahren fortgegangen, mit 100 Mark kommt er jetzt zurück – Den Rest seiner Devisen hat er auf der Überfahrt beim Pokern rausgeschmissen. Und diesen Hunderter verliert er auch noch im Hafen, so dass er, als er dem Taxi(!)chauffeur auf der Fahrt von Hamburg nach Berlin ein Mittagessen spendieren will, in allergrößte Bedrängnis kommt. Als er dann endlich in Berlin ankommt ist der Anzug futsch, das Gepäck verloren, und die Moral ungebrochen. Punks organisiert sich im Golf-Club einen schnieken neuen Anzug und lernt dabei Britta Geistenberg kennen, die an dem forschen jungen Mann durchaus Gefallen findet.
Doch grundsätzlich ist Punks jetzt endlich da wo er hin wollte: Bei seinem Onkel Holenius, einem Antiquitätenhändler, und dessen Nichte Marlis. Holenius steckt gerade mitten in einer größeren Transaktion: Er kann eine Perle im Wert von 50.000 Mark an einen Prinzen verkaufen. Einen echten Prinzen! Und der Prinz möchte sogar noch eine weitere Perle dieser Art!! Als Holenius in Amsterdam eine zweite Perle findet, kostet die aber 100.000 Mark. Und auf die Idee, dass er Betrügern aufsitzen könnte, kommt Holenius gar nicht erst. Gottseidank ist Punks da …

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Rein prinzipiell eine altmodische und biedere Komödie, ist PUNKS KOMMT AUS AMERIKA vor allem eines: Unglaublich unterhaltsam, sehr lustig, und ausgesprochen rasant. Zumindest im ersten Drittel kommen weder Punks noch der Zuschauer zum Atemholen, so aberwitzig sind die Erlebnisse des Weltreisenden. Mit der Ankunft beim etwas vertrottelten Onkel nimmt sich das Tempo dann zwar ein wenig zurück und dafür kommt Romantik ins Spiel, aber der Spielwitz und die verrückten Ideen bleiben. Wie Punks den Spielsalon der Frau Geistenberg leert um mit seiner Angebeteten allein sein zu können, das ist schon ziemlich genial, und könnte so auch ohne weiteres von einem Terence Hill gespielt sein. Auch die komische Episode mit dem Autoklau (“Wenn man etwas erreichen will, dann muss man schon fest zupacken und sich nehmen was man braucht“, so sieht es Britta Geistenberg, so eine Einstellung imponiert ihr. Kurz darauf ist ihr Auto gestohlen, und als sie es wiederbekommt ist eine Notiz dabei: “Ich habe mir genommen was ich gebraucht habe. Bis heute Abend …“) könnte ohne weiteres aus jedem Filmlustspiel der 50er bis 70er-Jahre stammen. Was nichts anderes heißen soll, als dass PUNKS überhaupt nicht altbacken rüberkommt, sondern im Gegenteil verhältnismäßig modern wirkt.

Attila Hörbiger ist vielleicht nicht die Idealbesetzung für einen romantischen Liebhaber und Draufgänger, aber er passt, und seine Erfahrung und Ausstrahlung machen die fehlende Attraktivität und Jugend mehr als wett. Sybille Schmitz darf bei ihrem einzigen Filmflirt beobachtet werden – Zwar gibt sie wie meist die unnahbare Dame von Welt, aber ihr Schmachten in Richtung Punks hat Seltenheitswert und zeigt, was für eine großartige Schauspielerin sie doch war. Und Heny Lorenzen als der böse Wicht mit dem Namen von Schliff ist sowieso der Brüller vor dem Herrn: Ein Schauspiel, das mich stark an Marty Feldman erinnert, eine herzallerliebste Trottelei, und irgendwie ist Lorenzen, neben dem manchmal etwas nervigen Ralph Arthur Roberts als Holenius, fast der heimliche Star des Films. Und überhaupt, diese Namen: Der feine Pinkel heißt von Schliff und brüllt sich beim Eishockey die Seele aus dem Leib, während der abgebrannte Weltenbummler Holzhausen heißt und formvollendet mit Damen umgehen kann.

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Rein prinzipiell könnte PUNKS KOMMT AUS AMERIKA also eine altmodische und biedere Komödie sein, aber tatsächlich ist der Flick vor allem zu Beginn rasend schnell, urkomisch, und bei aller Anspruchslosigkeit mordsmäßig unterhaltsam. Ein späterer Titel des Films lautete auch EIN MANN MIT TEMPO, was den Nagel auf den Kopf trifft. Wer sich für die Wurzeln eines, sagen wir, Louis de Funès interessiert, kommt an PUNKS nicht vorbei.

7/10

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

Stray Cat Rock: Sex Hunter! (Yasuharu Hasebe, 1970) 6/10

Mako ist die Anführerin einer Girls Gang. Na ja, OK, Gang ist ein wenig übertrieben: Es werden Männer auf Parkplätzen beraubt und es wird getanzt und Haschisch geraucht. Die (männlichen) Eagles mit ihrem Anführer Baron sind da schon ein ganz anderes Kaliber: Die fahren in alten Militär-Jeeps durch die Gegend und verprügeln nicht-reinrassige Japaner. Sogenannte Mischlinge, die sie aus Langeweile mit eingebildetem Hass verfolgen. Susumu, Barons rechte Hand, behauptet, dass Makos Freundin Megumi seine Geliebte sei. Als der Streuner Kazuma sich mit den Eagles anlegt, weil er in Megumi meint seine lang gesuchte Schwester wiedergefunden zu haben (und weil Mako sich in Kazuma und in Baron zugleich verliebt), wollen die Eagles für klare Verhältnisse sorgen: Kazuma wird übelst mißhandelt, und Baron geht mit Mako ins Bett, während gleichzeitig ihre Freundinnen an eine Gruppe Amerikaner verkauft werden, die die Frauen vergewaltigen. Ab jetzt herrscht Krieg auf den Straßen! Und das bedeutet, dass Kazuma dem Tode geweiht ist.

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Man könnte die Handlung auch durchaus vernachlässigen. Was an SEX HUNTER! zuerst auffällt ist dieser unglaubliche Stilwille, dieses Aneinanderhängen ikonischer Bilder zum Erzeugen von Stimmung. Aber noch viel eminenter ist die Fetischisierung von allem was amerikanisch ist: Die Pilotensonnenbrillen der Eagles, die Werbung für Firestone und alle Männer rauchen ausschließlich Lucky Strike, der amerikanische Blues in der Mischlings-Bar Mama Blues, die Willys Jeeps, in denen die Eagles durch die Stadt fahren. Und durch diese gewolle Amerikanisierung ist der Film eine einzige Fundgrube an Zitaten: SEX HUNTER! ist nichts anders als die hochkomprimierte Zusammenfassung aller US-Western, die bis dahin jemals gedreht wurden. Der einsame Mann, der in die Stadt kommt um seine Schwester zu suchen, und sich dabei mit den örtlichen Platzhirschen (= Cowboys) anlegt und mit ihnen kämpfen muss, denn einer ist zuviel in dieser Stadt. Das geht soweit, dass Kazuma an einem Lasso hinter einem Jeep hergezogen wird, wie in DER TOD RITT DIENSTAGS - Ja, eine Menge Italo-Western sind natürlich auch dabei, aber die Grundhaltung ist erzamerikanisch: Die Liebesgeschichte. Die Romantik. Kazuma arbeitet als Coca Cola-Fahrer. Und der Messerkampf zu Beginn ist aus DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN entlehnt. Amerikanisches Kino, amerikanische Kultur in seiner reinsten Form.

Was ebenfalls dazu gehört, zu den Begriffen Kino und Kultur gleichermaßen wie zu den Komplexen USA und Japan, ist die Ausgrenzung von Andersartigem. Das Thema in SEX HUNTER! lautet immer wieder Reinrassigkeit bzw. Rassismus. Kazuma ist ein Mischling, gezeugt während der Nachkriegszeit, Megumi also ebenfalls, und dass Baron da ein dunkles Geheimnis hat, welches nur ein einziger Mensch kennt, das bedeutet, dass genau einer zuviel von diesem Geheimnis weiß.
Dieses Thema wird hier sehr spielerisch angegangen: „Sehr passend ist der mehrfache Auftritt der japanischen Pop-Girl Combo Golden Half im Stammclub der Eagles und der Alley Cats, wo sie ihre Top Hits „Gelbe Kirsche“, „Ich will einen Liebhaber“ und „Verbotene Nacht“ zum Besten geben. Golden Half (aka Golden Hafu) bestand aus vier bis fünf Sängerinnen, die halbjapanischer, halb „ausländischer“ Herkunft waren. Anfang der 70er ausgesprochen populär, hatten sie viele Hit Singles und traten unter anderem in der FUJI TV Sendung „BEAT POP“, der Comedy Show „Hachiji Dayo!“ und dem Kinofilm „Delinquent Girl Boss: Blossoming Night Dreams“ auf. Ihre Bekleidung war aufregend knapp und ihre Cover Songs beinhalteten Texte, die eine „einheimische“ TV Pop Combo nicht durchgekriegt hätte. Obwohl halbjapanisch, wurden sie stets als Import Band gehandelt.
Einerseits bedienten Golden Half exakt die japanische Fantasie der hemmungslosen, erotischen Ausländerin im konsumierbaren Format, andererseits nutzten Golden Half das rassistische Stigma um Grenzen auszuloten und unterwanderte dieses vielleicht sogar durch ihren Idol Status.
“ (1)

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Doch obwohl dieses Thema sehr präsent ist und die Handung überhaupt erst in Gang bringt, könnte man es auch durchaus ignorieren, denn der Großteil des Films ist reine Pop-Kultur auf dem Weg zum exploitativen Filmvergnügen. SEX HUNTER! ist eine Fundgrube für Filmliebhaber. Eine Schatzkiste für Celluloid-Fetischisten und alle die es werden wollen. Ziemlich Over the Top, und doch ernsthaft genug um zu fesseln. Aber Obacht, SEX HUNTER! ist kein durchgeknallter Sexploiter im Stil von DER TIGER VON OSAKA! Im Jahr 1970 wurden durch genau solche Filme die Wege in Richtung Exploitaton geebnet, aber der Stil war noch dem Pop-Kino der 60er verhaftet. So ist auch beispielsweise die düstere Grimmigkeit etwa der SASORI-Filme keinen Moment vorhanden, trotz der wunderbaren Meiko Kaji in der Hauptrolle als Mako, dafür sorgt schon das alles durchdringende Sixties-Flair: Es wird gesungen, Bands spielen in fast-psychedelischen Disco-Ambiente, die Musik changiert zwischen leichen Easy Listening und hartem Beat, und irgendwie hatte ich ständig den Eindruck, dass Seijun Suzuki jeden Augenblick um die Ecke kommt, als so stark empfand ich seinen Einfluss. Was auch kein Wunder ist, arbeitete doch Yasuharu Hasebe am Drehbuch mit, und der wiederum war lange Zeit gemeinsam mit Suzuki an der Arbeit. Und wenn man dann noch weiß, dass Hasebe sehr stark von John Huston und Sam Fuller beeinflusst wurde, dann schließt sich der Kreis …
Wenn also Suzuki jemals einen SASORI-Film nach einem Drehbuch von John Ford gedreht hätte, dann wäre wahrscheinlich so etwas wie SEX HUNTER! dabei herausgekommen. Etwas so Unglaubliches, dass man es selber gesehen haben muss um zu glauben, dass es tatsächlich existiert …

(1): Zitiert aus: http://www.maslohs.de/filmkritiken/dvd-neuerscheinungen/stray-cat-rock-sex-hunter/

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Maulwurf
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Girl Boss Guerilla (Noribumi Suzuki, 1972) 7/10

Die Red Helmet Gang aus Tokio kommt nach Kyoto und macht dort ziemlich schnell klar, wer jetzt der neue (Girl) Boss ist: Sachiko und ihre Mädels fackeln nicht lange, und wo sie hinlangen wächst kein Gras mehr. Die frühere Anführerin Rika ist schnell erledigt, und Nami, die einsame Wölfin, schließt sich zwar den Red Helmets nicht an, aber die Freundschaft zwischen Sachiko und Nami ist nach einer dreitägigen Prügelei tief und fest. Doch bei ihren kleinen Gaunereien kommen die Red Helmets den Yazuka in die Quere: Die Tsutsui-Bande ist ein anderes Kaliber als die Frauengangs, denn die schlagen schnell und hart zu, und das sind dann auch keine kleinen Prügeleien mehr - Da geht es ums eigene kleine Leben. Im letzten Moment mischt sich der Boxer Ichiro ein und rettet Sachiko – eine Liebe zwischen Ohrfeigen und Liebesangriffen entsteht. Klar, dass Tsutsui sich das nicht gefallen lässt, und als der Manager von Ichiro sich weigert unter das schützende Dach von Tsutsui zu schlüpfen, gerät die Situation ganz erheblich außer Kontrolle.

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Ich liebe diesen Moment zu Beginn des Films, wenn Sachiko den Motorrad-Punks ihre nackte Brust entgegenhält, und alle Männer vor der Tätowierung zurückschrecken! Auch der Rest ist teilweise komisch, teilweise schräg, und garantiert immer hochgradig unterhaltsam. Es gibt kaum eine ruhige Minute in GIRL BOSS GUERILLA – Entweder es wird geprügelt, oder beleidigt, oder beides. Für einen Film von 1972 hat es jede Menge Nacktheit und deutlich gezeigten Sex, und das einzige was bemängelt werden könnte wäre die Zimperlichkeit in Bezug auf den Tod: Gerade gegen Ende, wenn Nami den Tsutsui‘ gegenübersteht, hätte der Body Count gerne höher und blutiger ausfallen dürfen. Das unterscheidet GIRL BOSS GUERILLA auch von den italienischen Filmen jener Zeit: Er geht ein klein wenig vorsichtiger zugange. GIRL BOSS GUERILLA kommt so lässig daher wie ein italienischer Genrefilm, er wiegt sich genauso in den Hüften, hat einige genauso einprägsame Momente, und die Musik könnte fast von Stelvio Cipriani stammen, so gut schmeichelt sich der Mix aus Big Band und Beat in die Gehörgänge. Aber die Europäer waren 1972 in der Darstellung von Sex und Gewalt doch ein gutes Stück weiter, was vor allem das Showdown aus heutiger Sicht ein klein wenig enttäuschend ausfallen lässt.

Nichtsdestotrotz ein absolut gelungener Partyfilm mit hohem Spaßfaktor und jeder Menge Schauwerte. Reiko Ike und Miki Sugimoto Seite an Seite in einem Film – Was kann da noch schief gehen? Eben: Zuschauen, entspannen, draufhauen …

7/10

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Maulwurf
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Slaughter (Jack Starrett, 1972) 8/10

Gangster sprengen den Vater von Slaughter in die Luft. Keine gute Idee, denn der Ex-Elitesoldat Slaughter will dafür Blut sehen! Er recherchiert einen Namen und einen Treffpunkt und legt den vermeintlichen Attentäter um. Ebenfalls keine gute Idee, denn dadurch funkt er dem US-Schatzamt dazwischen, dem er mit der Aktion eine groß angelegte Überwachung kaputtgemacht hat. Kurzerhand akquiriert das Schatzamt Slaughter und schickt ihn nach Südamerika, denn dort sitzt derjenige, der den Anschlag auf Slaughters Daddy tatsächlich befohlen hat, und Slaughter darf ihn zur Strecke bringen, um dann hinterher als freier Mann da zu stehen. Und damit der Attentäter den Film nach Gesetz und Ordnung auch wirklich überlebt, bekommt Slaughter zwei Babysitter. Nun ja, der Mann hat da so seine eigenen Vorstelllungen von Recht und Gerechtigkeit. Und von Babysitten erst recht …

Jim Brown: Eine schwarze Kampfmaschine mit exakt anderthalb Gesichtsausdrücken und der Ausstrahlung einer Ein-Mann-Armee. Auch wenn relativ bald auffällt, dass die Actionszenen recht schnell geschnitten sind, was ja im Allgemeinen nicht auf die Kampfqualitäten des Schauspielers hindeutet, so punktet Brown vor allem mit seiner eiskalten und harten Aura. Der Mann will Blut sehen, und zwar um jeden Preis. Bei Slaughter ist der Name Programm: Sein Auftrag heißt Blutwurst, seine Mission ist Vergeltung für erlittenes Unrecht. Ob er sich dabei selbst ins Unrecht setzt? Ob er bestehende Gesetze übertreten muss? Ob er allein ist? Alles gleich, der Mann hat eine Aufgabe, und die erledigt er. Ein Actionheld wie er im Buche steht, mit einer Schwäche für Einzelgänge die er auf die harte Tour erledigt, für markige Oneliner sowie für eine schöne Frau. Mehr Charakterisierung hat es hier einfach nicht, mehr würde das schauspielerische Talent von Jim Brown auch nicht hergeben, aber das reicht schließlich auch vollkommen aus. Mit seiner physischen Präsenz kann der Mann einen Film in der Hauptrolle beindruckend tragen, alles andere ist eine Sache der Nebendarsteller, und die sind exquisit:

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Stella Stevens ist Ann: Ein Lächeln wie Jamie Lee Curtis zu ihren schönsten EIN FISCH NAMENS WANDA-Zeiten, ein traumhafter Körper der in seiner ganzen Pracht bestaunt werden darf, und viel sexy Ausstrahlung. Ann wurde irgendwann vor vielen Jahren mal an Hoffo verschenkt, seitdem ist sie sein Eigentum. Ann hasst diese Situation, weiß aber auch, dass ihr Leben sich nicht mehr ändern wird, es sei denn durch einen gewaltsamen Tod. Ihren Tod. Aber im Angesicht von Slaughter kommt der Gedanke auf, dass auch Hoffos Tod etwas bewirken könnte, und Slaughter ist ein erheblicher angenehmerer Bettgefährte als (mutmaßlich) Hoffo. Eine Frau in den besten Jahren, die in einer üblen Situation feststeckt, und plötzlich wieder Morgenluft wittert. Mit solch einer Frau sollte immer gerechnet werden, und Stella Stevens gibt dieser Frau unauffällig, und dadurch genau richtig, viel Tiefe und Hintergrund. Sehr beeindruckend!

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Rip Torn als Hoffo: Was hat man dem armen Kerl in diesem Film angetan? So ein komplett rücksichtsloses Overacting habe ich selten gesehen – der Eindruck, als ob Torn die Dreharbeiten nur komplett sturzbesoffen überstehen konnte, ist immanent. Ein nasser, dreckiger, heruntergekommener und hinterhältiger Straßenköter, so wirkt er, und so agiert auch sein Charakter. Ein ultra-brutaler und skrupelloser Gangster mit Ambitionen, der die Maxime Töten oder getötet werden längst verinnerlicht hat. Hoffo schmollt, Hoffo quält, Hoffo tötet, Hoffo freut sich über den Tod von anderen, Hoffo spielt mit dem Leben und der Gesundheit seiner Umgebung wie ein Kind mit Bauklötzen. Und wenn alles zusammenstürzt? Egal, das eigene Leben geht ja weiter. Eine Knarre, ein Whisky, Ann an der Seite, und alles wird wieder gut. Im Zweifelsfall ist der große Boss da zum Reinemachen, und man selber ist ja nur der Mann fürs Grobe. Unverhofft hat Hoffo die Möglichkeit, aus der Sackgasse als rechte Hand des großen Bosses Mario Felicé herauszukommen und Karriere zu machen. Dass er diese Chance aber erst bekommt, als er mit dem Rücken bereits an der Wand steht, das bemerkt er viel zu spät, und zeigt dann, dass er zum Boss niemals das Zeug gehabt hätte. Keine Nerven, kein Durchhaltevermögen, nur ein armes Würstchen mit viel zu großen Hoffnungen und dem falschen Mann auf den Fersen.
Charaktere wie Hoffo gibt und gab es im Krimi, im Thriller und im Actionfilm schon unzählige, aber Rip Torn schafft das Kunststück, der Figur mit seinem völlig übertriebenen Spiel Persönlichkeit einzuhauchen. Sie aus der flachen Leinwandfigur in etwas Dreidimensionales zu verwandeln, in etwas Gefährliches und Echtes, und damit eine bleibende Erinnerung zu schaffen. Von daher ist es völlig gleich, ob Rip Torn nüchtern oder betrunken auf dem Set war, seine Performance ist hochgradig beeindruckend!

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Jack Starrett: Ist das wirklich der gleiche Jack Starret, der nur 2 Jahre früher den unglaublich langweiligen und stumpfsinnigen Western SCHREIT, WENN WIR VERRECKEN gedreht hat? Na, vielleicht hatte er da ja nur einen schlechten Tag, denn sein Regie-Erstling RUN, ANGEL, RUN! initiiert trotz vieler inhaltlicher Schwächen bereits ein technisches Niveau, das in SLAUGHTER problemlos wiederzuerkennen ist und weiter ausgebaut wird. Abgesehen von der prinzipiell angenehm gradlinigen und punktgenauen Umsetzung eines Action-Films fällt auf, wie erstklassig SLAUGHTER technisch umgesetzt wurde. Kadrierung und Bildkomposition sind ganz großes Hollywood-Format und bieten im Kino die Möglichkeit zu multiplen Orgasmen des Zuschauers. Laut Vorspann wurde SLAUGHTER auf Todd-AO 35 gedreht, und dies sieht man dem Film in jeder Sekunde an. Die wilde Action Story mit diesen perfekt durchkomponierten Bildern, dem starken Soundtrack, der das immergleiche Thema in verschiedenen Variationen wiederholt und niemals langweilig wird, das reißt selbst vor dem Fernseher ziemlich mit. Im Kino, auf der großen Leinwand, muss SLAUGHTER eine Actiongranate vor dem Herrn sein … Extrem beeindruckend!
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Klar kann man das ganze auch als ange-blaxploitationtes Baller-Kintopp vom Dümmsten ansehen. Aber SLAUGHTER ist mehr. SLAUGHTER unterhält vortrefflich, und bietet mit den genannten Features mehr als die meisten Action-Gülle-Schlaftabletten späterer Jahre. Da gibt es diese Szene, wenn Harry mit dem Muscle Car in vollem Galopp vor der Hacienda des Bösen einfährt, Slaughter mit Gewehr im Anschlag aus dem noch rollenden Auto steigt und erstmal zeigt was in seiner Wumme steckt. Das, Freunde, ist Action-Kino wie es sein sollte. Und dafür können mir die ganzen wunderbaren Anspielungen auf James Bond und auf Italo-Western, die in SLAUGHTER ebenfalls noch drin stecken und beim Entdecken ziemlichen Spaß machen, gestohlen bleiben. SLAUGHTER rockt auf allen Ebenen einfach ungemein …

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8/10
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Totgemacht – The Alzheimer Case (Erik van Looy, 2003) 6/10

Der Killer Antonio Ledda kommt von Marseille nach Antwerpen, um dort zwei Hits auszuführen. Der erste Job geht ziemlich glatt über die Bühne, Ledda ist ein alter Mann und beherrscht seinen Job aus dem FF. Allerdings hat er auch so seine Prinzipien, weswegen er den zweiten Job ablehnt: Er tötet keine Kinder! Ein Bekannter erledigt dann die Arbeit und wird auch auf Ledda angesetzt, der allerdings den Spieß umdreht und nun auf seinen ganz privaten Rachefeldzug geht: Es geht um Kindsmissbrauch, und da kann Ledda aus Erfahrung ein Wörtchen mitreden. Da versteht er überhaupt keinen Spaß! Er bindet die Polizei ein, ist aber immer mehrere Schritte vor Kommissar Vincke und seinen Leuten am Ziel. Die dürfen dann die Leichen einsammeln und sich um die Beweise gegen die Hintermänner kümmern. Doch da ist noch ein größeres Problem: Ledda ist ein alter Mann. Er hat Alzheimer. Und er vergisst immer häufiger Dinge. Etwa, seine Pistole nachzuladen …

“Ich kann Belgien nicht ausstehen.“ “So geht es doch jedem.“

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Ein Kommissar und ein Killer. Eine Kombination, die über alle Filmdekaden hinweg immer wieder Stoff für neue Ideen und neue Spannung gibt. Hier ist es nun ein Killer der sich Namen und Ereignisse auf den Arm kritzelt, und der gerade noch weiß warum er überhaupt unterwegs ist. Ein interessantes Thema, zu dem es zwei Referenzfilme gibt die einem unweigerlich einfallen, und denen sich TOTGEMACHT zwangsläufig stellen muss: Christopher Nolans MEMENTO aus dem Jahr 2000, wo das Kurzzeitgedächtnis des Protagonisten nur noch über Notizen auf dem eigenen Körper funktioniert (was in TOTGEMACHT folgerichtig zitiert wird), und Johnnie Tos VENGEANCE von 2009, wo der Killer eine Kugel im Kopf hat, die allmählich sein Erinnerungsvermögen zerstört,.

Gleich vorweg: Die Klasse der beiden genannten erreicht TOTGEMACHT bei weitem nicht. Weder die Komplexität und der Ideenreichtum von MEMENTO, noch die Kompromisslosigkeit sowie die physische und psychische Härte von VENGEANCE werden erreicht. Was TOTGEMACHT auszeichnet ist diese trist-melancholische Stimmung, die man so oft in Filmen antrifft die in Belgien spielen. Diese Mischung aus dünnem Bier, Dauerregen und öder Landschaft, kombiniert mit Kindsmissbrauch und erstklassiger Schokolade …

Nein im Ernst, TOTGEMACHT bietet zwar genau diese beschriebene Stimmung, hat aber vor allem mit den Charakteren zu kämpfen, die nicht so ganz überzeugen wollen, und nachfolgend dann auch ein wenig mit den Schauspielern. Die Idee mit dem Alzheimer-Killer ist gut, aber die Motivation Leddas, diesen Job überhaupt anzunehmen, und die warme und gemütliche Umgebung Südfrankreichs gegen einen Trip in die ungeliebte Vergangenheit einzutauschen, die ist nicht wirklich nachvollziehbar. Kommissar Vincke (Koen de Bouw) ist cool, aber er besitzt nicht genügend Charisma um den Film als Antagonist zu tragen (denn Ledda ist entschieden die Hauptfigur, und Ledda besitzt auch unsere Sympathien), und der Assistent Freddy (Werner de Smedt) pendelt zwischen komischem Sidekick und nerviger Nebenfigur, und kann, bis auf wenige Ausnahmen, nicht wirklich überzeugen.

Da helfen die herrlichste trist-melancholische Atmosphäre und die besten Action-Sequenzen nichts: Wenn die Schauspieler und die Charaktere nicht so richtig passen, dann ist einfach der Wurm drin. Szenen wie der Kampf im Parkhaus oder Leddas Ausbruch aus dem Gefängnis sind erstklassig eingefangen, wenngleich die Flashbacks Leddas oft ein wenig den Aufbau und den Erzählfluss untergraben, aber wie gesagt: Insgesamt fehlt einfach der stützende Unterbau durch die Figuren. Wie Fleisch ohne den stützenden Knochen, wenn ihr wisst was ich meine …

TOTGEMACHT packt das oft heikle Thema Kindsmißbrauch in eine ordentliche Thrillerhandlung (allein der Teaser ist pure Gänsehaut), und garantiert auf jeden Fall einen unterhaltsamen Filmabend, bleibt aber leider auf der dreiviertelten Strecke irgendwo im Drehbuch stecken, um sich dann an den unüberzeugenden Darstellern festzufahren. Schade um die gute Idee …

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The Mothman Prophecies – Tödliche Visionen (Mark Pellington, 2002) 6/10

Der Starreporter John Klein verliert bei einem Autounfall seine Frau. An und für sich ist Klein ein rational denkender und handelnder Mensch, aber dass seine Frau vor und nach dem Unfall Visionen von einem Wesen hatte, von etwas das ein Engel gewesen sein könnte oder aber auch ein Dämon, das beschäftigt ihn doch sehr. Als er für eine Story von Washington nach Richmond fahren soll, landet er durch mysteriöse Umstände in West Virginia – 600 Meilen entfernt von seinem Ziel, anderthalb Stunden Fahrzeit, und völlig ohne jede Erinnerung. Genauso wenig wie er sich erinnert, dass er die letzten beiden Nächte an der Tür des Arbeiters Gordon Smallwood geklopft haben soll. Klein nistet sich in dem Kaff ein, beginnt eine vorsichtige Romanze mit der örtlichen Polizistin, und bekommt allmählich heraus, dass diese Visionen hier von sehr vielen Menschen wahrgenommen wurden. Und dann kommt der Tag, wo Klein mit dem Wesen hinter dieser Vision telefoniert …

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Mehr als drei Monate ist es mittlerweile her, dass ich die MOTHMAN PROPHECIES gesehen habe, und in den drei Monaten ist mir zu dem Film außer einer Inhaltsangabe rein gar nichts eingefallen. Ist der Film schlecht? Ist er nichtssagend? Ist er langweilig? Nein, nichts davon. MOTHMAN PROPHECIES ist ein ordentlich gemachter Mainstream-Horrorfilm mit Akte X-Touch, bei dem eigentlich alles passt. Settings, Schauspieler, Musik, Story … Alles da wo es hingehört, und alles auf einem, für US-amerikanische Filme üblichen, technisch hohen Niveau. Aber warum fällt mir dazu so gar nichts ein? Bilder die vorüber ziehen, eine Geschichte die ihren Weg geht, und dahinter ist einfach … Nichts.

In der Folge outet sich MOTHMAN PROPHECIES als typisches Kunstprodukt des modernen Kinos. Schöne Bilder, wenig Inhalt, etwas Grusel, der durch überstilisierte Bilder und eine entsprechend passende Musik transportiert wird, und nichts, was irgendwie hängenbleibt. Was einen an den Film gerne zurückdenken lässt. Was berührt oder beschäftigt, was anzieht oder abstößt. Das Vermeiden von Emotionen jedweder Art wird betrieben, damit bloß keine eigenen Gedanken entstehen können. Zum Beispiel was denn wäre, wen es einen Mothman tatsächlich gäbe, und was wir, wenn wir ihm begegnen würden, mit dem verbleibenden Rest unseres Lebens denn wohl anfangen würden.

MOTHMAN PROPHECIES ist perfekt durchkomponierte Unterhaltung, die für knapp 2 Stunden ablenkt, und danach innerhalb der gleichen Zeit wieder vergessen wird. Wie der Schatten einer Motte, die kurz durch das Blickfeld fliegt und sofort wieder verschwindet. Kein Grund sich Gedanken zu machen. Kein Grund sich zu beunruhigen.

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Tote pflastern seinen Weg (Franco Prosperi, 1976) 8/10

Salvatore Massimo verabschiedet sich von seiner im Rollstuhl sitzenden Mutter, fährt in die Stadt, zieht sich die Sturmhaube über und überfällt ein Schmuckgeschäft. Dumm halt, dass die sich schließenden Stahljalousien nur von außen aufgehen, und den stümperhaften Räuber schnurstracks in die Arme der Polizei und damit ins Gefängnis führen. Dort muss sich Massimo seinen Platz in der Hierarchie erkämpfen, wodurch er Kontakt zum Gangsterboss Giulianelli bekommt. Der findet Geschmack an dem jungen Mann und rechnet ihm vor, dass er nicht unter 10 Jahren davonkommen wird, dass er sich aber gerne Giulianellis Leuten anschließen kann wenn sie die Biege machen. Und nichts anderes wollte Massimo erreichen, denn Salvatore Massimo ist in Wirklichkeit Massimo Torlani. Ein Undercovercop, der den Auftrag hat ein Drogenkartell zu sprengen. Und der sich selber den Auftrag gegeben hat, diejenigen Männer, die seine Mutter vor drei Jahren in den Rollstuhl geschossen haben, unter die Erde zu bringen – Die Männer ebendieses Drogensyndikats, mit dem Giulianelli zu tun hat. Keine leichte Aufgabe: Giulianelli hat Feinde, und Giulianelli hat den Ehrgeiz, sich seinen Platz im Syndikat zurückzuerobern. Damit hat Massimo eine Menge Arbeit. Und nicht die geringsten Skrupel …

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Der Zuschauer wiederum hat eine Menge Freude, denn TOTE PFLASTERN SEINEN WEG ist ein echtes Highlight des Actionkinos der 70er-Jahre. Ein Meisterwerk aus der zweiten Reihe, ein funkelndes Juwel der Massenproduktion. Denn die damals übliche schnelle und kostengünstige Herstellung sieht man dem Film durchaus an: Anschlüsse passen nicht, die Geschichte offenbart einiges an Löchern, und so richtig viel Handlung ist irgendwie auch nicht vorhanden.

Drauf geschissen! TOTE PFLASTERN SEINEN WEG bahnt sich seinen Weg in das Herz des Zuschauers durch ein wahres Actionfeuerwerk. Ray Lovelock prügelt und ballert was das Zeug hält. Ich glaube, die einzigen Szenen, in denen er keine gewalttätigen Ausbrüche hat sind, wenn er mit Elke Sommer im Bett landet. Aber lang geht das nicht, dann muss er wieder ran, einen LKW durch das französisch-italienische Hinterland steuern und sich einiger Gangster erwehren, die seinen Laster stehlen wollen. Die Bande ist definitiv in der Überzahl, aber das interessiert Massimo in keinster Weise: Der holt sich seinen LKW zurück, koste was es wolle. Eine verdammt spannende und eindrucksvolle Sequenz, die neueres Zeugs wie etwa den TRANSPORTER mühelos auf die hinteren Plätze verweist.

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Überhaupt sind die Actionszenen alle sehr stark inszeniert, was bei einem Film, der fast ausschließlich aus Actionszenen besteht, ein wahres Glück ist. Schließlich kennt man da aus Italien auch das ein oder andere Negativbeispiel … Aber TOTE PFLASTERN SEINEN WEG macht sehr viel sehr richtig: Starke Schauspieler mit viel Ausstrahlung, ordentliche Musik (Ray Lovelock singt das Titellied selber), tolle Stunts, eine hochwertige und nicht übertrieben alberne Synchro mit dem ein oder anderen Schenkelklopfer an Bord (“Junge, Du glaubst gar nicht, wie beschissen Du mit einem Loch im Schädel aussiehst!“), eine bleihaltige Verfolgungsjagd durch Rom, die in bezug auf Wildheit und Rücksichtslosigkeit schwer Maßstäbe setzt, und nur von Elke Sommer hätte ich mir gerne ein wenig mehr gewünscht. Die Erotik kommt entschieden zu kurz, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau …

Keine tiefschürfende Untersuchung des Films, keine tiefenanalytische Betrachtung des Kurvenverhaltens von Ray Lovelock auf seinem Motorrad in Relation zur Eröffnungssequenz von EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN. Stattdessen einfach nur eine Menge Spaß, tolle Action, ein breites Grinsen im Gesicht und eine ganz große Empfehlung für einen mordsmäßig abwechslungsreichen Film, der keinen Anspruch mitbringt, keine widerlichen Szenen im Gepäck hat die zum Diskutieren anregen, der die Politik komplett übergeht und auch keine Psychologie versucht an den Mann zu bringen. Sondern der nur eines will: Schlagkräftig und bleihaltig unterhalten!

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Beitrag von Maulwurf »

Der Gendarm von St. Tropez (Jean Girault, 1964) 7/10

Das Aufeinanderprallen zweier Welten, die Kollision von Sitte und Sünde: Wachtmeister Cruchot aus Kleinmiesnestdorf, der unerbittlich Hühnerdiebe und Schwarzfischer verfolgt, wird nach St. Tropez versetzt! St. Tropez! DAS Sündenbabel schlechthin. Sodom und Gomorrha lauern auf den biederen Gendarmen!! Schon auf dem Weg von der Bushaltestelle zum neuen Revier schreibt er neun(!) Verwarnungen aus! Und dann auch noch die Nudisten!! Denen rückt er generalstabsmäßig auf den nackten Leib, um ihnen die Sünde auszutreiben. Dabei merkt er gar nicht, dass seine Tochter, die hübsche und lebenshungrige Nicole, sich mit Jugendlichen eingelassen hat, die es mit Recht und Gesetz nicht immer so ganz genau nehmen. Erst als Nicoles Freund ein Auto stiehlt, in dem sich wiederum ein, von einem Gangster gestohlenes, Gemälde befindet, bemerkt Cruchot den Schiefstand in seiner Familie. Und geht mit unerbittlicher Strenge dagegen vor: Tochter in den Hausarrest geben, gestohlenes Auto zurückstehlen, vor den eigenen Kollegen flüchten …

Seien wir mal ehrlich: Zwischen einem Film wie, sagen wir mal, AM SONNTAG WILL MEIN SÜSSER MIT MIR SEGELN GEHEN und dem GENDARM besteht eigentlich kaum ein Unterschied. Auf der deutschen Seite ein harmloses Lustspiel mit gern gesehenen Schauspielern, flotter Musik und Urlaubsträumen für die Daheimgebliebenen, und in der französischen Ausgabe ein harmloses Lustspiel mit gern gesehen Schauspielern, flotter Musik und Urlaubsträumen für die Daheimgebliebenen. Doch während AM SONNTAG… heute als Beispiel für Opas langweilig-biederes Kino gelten mag (zu Unrecht übrigens, der Film ist ausgesprochen spaßig), ist der GENDARM ein immer wieder gern gesehener Klassiker der Filmkomik.

Denn den einen Unterschied gibt es eben doch, und der heißt Louis de Funès. Der Giftzwerg mit dem Hang zur Großmannsucht, der Kleinbürger der es nicht ertragen kann wenn andere anders leben, das war seine Paraderolle, und wenn wir gleich nochmal ehrlich sind: So lieben wir ihn auch heute noch. Als geifernden und cholerischen, Hass versprühenden und dabei unwiderstehliche Komik erzeugenden Spießer, der im immerwährenden Kampf gegen die Umwelt seinen (kleinen) Mann stehen muss.

Und nach vielen vielen Jahren, in denen de Funès sich kontinuierlich nach oben gearbeitet hat*, war dann 1964 das Jahr, in dem er mit dem ersten Teil der FANTOMAS-Serie und dem GENDARM VON ST. TROPEZ seinen Durchbruch zum Superstar erlebte. Hier dreht er so richtig auf, gibt dem Affen Zucker, und lässt Mimik und Gemeinheiten entgleisen dass es nur so eine Freude ist. Hier kann er seine Untergebenen triezen, seine Tochter bevormunden, und gegenüber dem Herrn Reviervorsteher untertänigst zeigen, was für ein toller Gendarm er ist. Nach oben Buckeln, nach unten treten. Die Umwelt terrorisieren, und dem Zuschauer einen Lachanfall nach dem anderen spendieren. Und auch, wenn die Geschichte um das gestohlene Bild sich manchmal vielleicht ein wenig mühsam zieht, dann ist trotzdem immer rechtzeitig ER zur Stelle, um mit Hilfe wohlgesetzter Tobsuchtsanfälle ein gepflegtes Chaos zu verbreiten. Der erste Gendarm-Film, der aus der gesamten Serie sicher auch der Beste ist (was aber natürlich Geschmackssache ist), ist höchst charmant gealtert, und bereitet im neuen Jahrtausend immer noch das gleiche Vergnügen wie einige Jahrzehnte früher, als der kleine Maulwurf vor dem Fernseher Tränen gelacht hat. Ein Rundumsorglosvergnügen der chaotischen und cholerischen Art, auch heute noch.

*De Funès hat dazu mal erzählt, dass er in seiner ersten Filmrolle nichts anderes gemacht habe als eine Tür zu öffnen. Im Laufe der Jahre wurden die Türen dann immer größer, bis er zu guter Letzt die Tür zum Produzenten öffnete.
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Beitrag von Maulwurf »

Fear City – Das Buch einer Bestie (Abel Ferrara, 1984) 4/10

New York in Angst und Schrecken: Ein Unbekannter überfällt Nachtclubtänzerinnen auf dem Heimweg und verstümmelt oder ermordet sie. Die Mädchen wollen nicht mehr auftreten, die Clubs bleiben leer, die Geschäfte leiden. Die Besitzer der Starlite-Agentur, Matt und Nicky, wollen den Mörder fangen, aber es gibt nicht den geringsten Hinweis, wer das sein könnte. Jemand von der Konkurrenz? Möglich, aber irgendwann wird auch dort das erste Mädchen getötet. Die Familie, zu der Matt und Nicky gehören, beginnt langsam nervös zu werden, und die vollkommen unfähigen Cops der Mordkommission werden noch viel nervöser. Und mitten drin in diesem Hexenkessel sind Matt und Loretta, die mal ein Liebespaar waren, und jetzt wieder zusammenfinden. Loretta tanzt, und Matt hat Angst. Beide gehen auf ihre Art damit um: Sie mit Heroin, er mit Whiskey …

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Was jetzt schon in der Inhaltsangabe relativ klischeehaft klingt, entpuppt sich beim Ansehen als – klischeehaft. Im Ernst: Der weitaus größte Teil der Handlung ist vorhersehbar, bis dahin, dass der Ausgang vieler Szenen von vornherein klar ist. Und was noch viel schlimmer ist: Die ganze Chose ist banal und wird vor allem zum Ende hin immer platter. So schön vor allem die Vorbereitung zum Showdown fotografiert ist, so einfallslos ist die Narration: Matt bezieht ein Zimmer in einer Absteige, läuft durch New York, bestaunt die Sonnenuntergänge und joggt wie ein Wilder, derweil der Killer in seinem Trainingsraum den Bruce Lee gibt, und die Nebendarsteller in kurzen Szenen nachdenklich neben die Kamera stieren. Eine zielgerichtete und spannungsgeladene Suche nach dem Unbekannten findet nicht statt. Alle warten auf den Zufall, dass sich Jäger und Gejagter (was für hochtrabende Worte) über den Weg laufen.
Die Figuren (und nicht nur die) sind zelluloidgewordenes Schemata: Matt ist ein Ex-Boxer, der im Ring mal jemanden getötet hat, und sich jetzt mit Schuldvorwürfen und dem damit zusammenhängendem, übermäßigen Alkoholkonsum rumärgern muss. Nicky ist der Sohn eines Mafiosos, der, genauso wie Matt, lieb und nett zu seinen Mädels ist, und wenn sie mal nicht tanzen wollen, dann dürfen sie halt daheim bleiben. Auch die Clubbesitzer müssen nicht unbedingt zahlen wenn sie nicht wollen. Alles liebe Menschen, wie wir es vom organisierten Verbrechen in New York ja schon immer geahnt haben … Der Obercop Wheeler ist ein dummes und nochmal extradummes Dreckschwein, der seine eigene Einfallslos- und Machtlosigkeit hinter Wut und Aggression versteckt, die er am liebsten an den bösen bösen Jungs auslässt (obwohl die doch ganz liebe Menschen sind, siehe oben …), und sein Partner Sanchez ist ein kleiner dummer Mann mit hässlichen Klamotten, der an Dudley Moore erinnert und auch genauso ereignislos ist. Last but not least Loretta, die aufregend tanzt, von allen Männern begehrt wird, und natürlich harte Drogen zum Überleben im Großstadtdschungel benötigt.
Figuren, wie wir sie schon hundertmal gesehen haben, und wie sie einfach nur langweilen. In einigen Momenten merkt man, was Abel Ferrara eigentlich vorschwebte, nämlich ein, mit Gewalt und Sex aufgepeppter, Neo-Noir, der die Hintergassen New Yorks genauso zeigen soll wie die kaputten Gestalten die diese Gassen bevölkern. Eine Hommage an den klassischen Noir der 50er-Jahre, wie an der Musik klar zu bemerken ist. Herausgekommen ist aber nur ein flacher Versuch mit wenig Gewalt und kaum Sex, Figuren vom Reißbrett durch eine düstere und neon-beleuchtete Welt zu scheuchen, und dieser Versuch mündet am Ende stellenweise sogar in eine Parodie auf die gängigen Actionreißer seiner Zeit. Oder soll man die letzten 20 Minuten mit der Hinleitung zum Showdown und dem selbigen wirklich ernst nehmen? Dinge wie Charakterisierungen oder Tiefe werden den Personen nach Schema F aufgedrückt, alles spielt sich auf dem Niveau einer Vorabendserie aus früheren Zeiten ab. Keine Figur ist wirklich beachtenswert, keine Figur weckt Interesse an ihrem Schicksal.

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Manche Szenen erinnern stark an die italienischen Gialli aus den 70ern, ohne aber deren Raffinesse und Stilsicherheit auch nur ansatzweise zu erreichen. Nicht einmal die Verkommenheit und der Schmutz eines NEW YORK RIPPER ist zu spüren, dafür ist FEAR CITY wiederum nicht dreckig genug. Der narrative Aufbau hingegen ist eher der eines Slashers: Ein bekannter Mörder geht umher und macht halt das, was Mörder in Filmen im Allgemeinen so machen. Dafür allerdings sind die Morde nicht hauptsächlich genug dargestellt, hat es zuviel ablenkende Handlung. Und für einen Psychothriller ist die Figur des Mörders erheblich zu eindimensional. So richtig passt es an keiner Stelle …
Was dem Film nicht anzukreiden ist, ihm dann aber einen weiteren bösen Tritt versetzt, ist die sterile deutsche Synchro, die sich auch nicht entblödet, aus dem italienischen Wort Pazzo (= verrückt) einen Namen zu machen („Er heißt Pazzo“) und das Wort capisci (“Verstehst Du?“) aus dem englischen Dialog tatsächlich zu “übersetzen“ mit capisco (“Ich verstehe“). Nein, ich verstehe nicht …Tatsächlich ist FEAR CITY in Deutschland eine Video-Premiere gewesen, und alle alle Vorurteile gegenüber Video-Synchros werden hiermit mal wieder bestätigt …

Positives gibt es aber tatsächlich auch zu vermelden: Wie bereits erwähnt ist der Film gut fotografiert, und gerade die nächtlichen Eindrücke der Vergnügungsmeile sind oft sehr stimmungsvoll. Die deutsche Fassung bietet einiges an nackten und gewalttätigen Schauwerten (die amerikanische Fassung hält sich da extrem zurück), und Tom Berenger und Melanie Griffith spielen tatsächlich einigermaßen erfolgreich gegen das dümmliche Skript an. Gerade Tom Berenger gibt den harten Jungen mit dem weichen Herzen recht gekonnt. Ein Mann, den man und frau gerne als Freund hätte, der immer für einen da ist und hilft. Auch hier also wieder diese klischeebeladene Charakterisierung, aber wenigstens sehr gut gespielt und rübergebracht. Was dann tatsächlich ausreicht, um dem Maulwurf wenigstens ein klein wenig Vergnügen bereitet zu haben. Aber ganz ehrlich: Eine Folge einer x-beliebigen Krimiserie aus dem 80ern ist oftmals abwechslungsreicher, spannender und interessanter. Was zu vier von zehn Boxhandschuhen reicht, aber mit schwerem Hang zum Bodensatz …

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