Slaughter (Jack Starrett, 1972) 8/10
Gangster sprengen den Vater von Slaughter in die Luft. Keine gute Idee, denn der Ex-Elitesoldat Slaughter will dafür Blut sehen! Er recherchiert einen Namen und einen Treffpunkt und legt den vermeintlichen Attentäter um. Ebenfalls keine gute Idee, denn dadurch funkt er dem US-Schatzamt dazwischen, dem er mit der Aktion eine groß angelegte Überwachung kaputtgemacht hat. Kurzerhand akquiriert das Schatzamt Slaughter und schickt ihn nach Südamerika, denn dort sitzt derjenige, der den Anschlag auf Slaughters Daddy tatsächlich befohlen hat, und Slaughter darf ihn zur Strecke bringen, um dann hinterher als freier Mann da zu stehen. Und damit der Attentäter den Film nach Gesetz und Ordnung auch wirklich überlebt, bekommt Slaughter zwei Babysitter. Nun ja, der Mann hat da so seine eigenen Vorstelllungen von Recht und Gerechtigkeit. Und von Babysitten erst recht …
Jim Brown: Eine schwarze Kampfmaschine mit exakt anderthalb Gesichtsausdrücken und der Ausstrahlung einer Ein-Mann-Armee. Auch wenn relativ bald auffällt, dass die Actionszenen recht schnell geschnitten sind, was ja im Allgemeinen nicht auf die Kampfqualitäten des Schauspielers hindeutet, so punktet Brown vor allem mit seiner eiskalten und harten Aura. Der Mann will Blut sehen, und zwar um jeden Preis. Bei Slaughter ist der Name Programm: Sein Auftrag heißt Blutwurst, seine Mission ist Vergeltung für erlittenes Unrecht. Ob er sich dabei selbst ins Unrecht setzt? Ob er bestehende Gesetze übertreten muss? Ob er allein ist? Alles gleich, der Mann hat eine Aufgabe, und die erledigt er. Ein Actionheld wie er im Buche steht, mit einer Schwäche für Einzelgänge die er auf die harte Tour erledigt, für markige Oneliner sowie für eine schöne Frau. Mehr Charakterisierung hat es hier einfach nicht, mehr würde das schauspielerische Talent von Jim Brown auch nicht hergeben, aber das reicht schließlich auch vollkommen aus. Mit seiner physischen Präsenz kann der Mann einen Film in der Hauptrolle beindruckend tragen, alles andere ist eine Sache der Nebendarsteller, und die sind exquisit:
Stella Stevens ist Ann: Ein Lächeln wie Jamie Lee Curtis zu ihren schönsten EIN FISCH NAMENS WANDA-Zeiten, ein traumhafter Körper der in seiner ganzen Pracht bestaunt werden darf, und viel sexy Ausstrahlung. Ann wurde irgendwann vor vielen Jahren mal an Hoffo verschenkt, seitdem ist sie sein Eigentum. Ann hasst diese Situation, weiß aber auch, dass ihr Leben sich nicht mehr ändern wird, es sei denn durch einen gewaltsamen Tod. Ihren Tod. Aber im Angesicht von Slaughter kommt der Gedanke auf, dass auch Hoffos Tod etwas bewirken könnte, und Slaughter ist ein erheblicher angenehmerer Bettgefährte als (mutmaßlich) Hoffo. Eine Frau in den besten Jahren, die in einer üblen Situation feststeckt, und plötzlich wieder Morgenluft wittert. Mit solch einer Frau sollte immer gerechnet werden, und Stella Stevens gibt dieser Frau unauffällig, und dadurch genau richtig, viel Tiefe und Hintergrund. Sehr beeindruckend!
Rip Torn als Hoffo: Was hat man dem armen Kerl in diesem Film angetan? So ein komplett rücksichtsloses Overacting habe ich selten gesehen – der Eindruck, als ob Torn die Dreharbeiten nur komplett sturzbesoffen überstehen konnte, ist immanent. Ein nasser, dreckiger, heruntergekommener und hinterhältiger Straßenköter, so wirkt er, und so agiert auch sein Charakter. Ein ultra-brutaler und skrupelloser Gangster mit Ambitionen, der die Maxime
Töten oder getötet werden längst verinnerlicht hat. Hoffo schmollt, Hoffo quält, Hoffo tötet, Hoffo freut sich über den Tod von anderen, Hoffo spielt mit dem Leben und der Gesundheit seiner Umgebung wie ein Kind mit Bauklötzen. Und wenn alles zusammenstürzt? Egal, das eigene Leben geht ja weiter. Eine Knarre, ein Whisky, Ann an der Seite, und alles wird wieder gut. Im Zweifelsfall ist der große Boss da zum Reinemachen, und man selber ist ja nur der Mann fürs Grobe. Unverhofft hat Hoffo die Möglichkeit, aus der Sackgasse als rechte Hand des großen Bosses Mario Felicé herauszukommen und Karriere zu machen. Dass er diese Chance aber erst bekommt, als er mit dem Rücken bereits an der Wand steht, das bemerkt er viel zu spät, und zeigt dann, dass er zum Boss niemals das Zeug gehabt hätte. Keine Nerven, kein Durchhaltevermögen, nur ein armes Würstchen mit viel zu großen Hoffnungen und dem falschen Mann auf den Fersen.
Charaktere wie Hoffo gibt und gab es im Krimi, im Thriller und im Actionfilm schon unzählige, aber Rip Torn schafft das Kunststück, der Figur mit seinem völlig übertriebenen Spiel Persönlichkeit einzuhauchen. Sie aus der flachen Leinwandfigur in etwas Dreidimensionales zu verwandeln, in etwas Gefährliches und Echtes, und damit eine bleibende Erinnerung zu schaffen. Von daher ist es völlig gleich, ob Rip Torn nüchtern oder betrunken auf dem Set war, seine Performance ist hochgradig beeindruckend!
Jack Starrett: Ist das wirklich der gleiche Jack Starret, der nur 2 Jahre früher den unglaublich langweiligen und stumpfsinnigen Western SCHREIT, WENN WIR VERRECKEN gedreht hat? Na, vielleicht hatte er da ja nur einen schlechten Tag, denn sein Regie-Erstling RUN, ANGEL, RUN! initiiert trotz vieler inhaltlicher Schwächen bereits ein technisches Niveau, das in SLAUGHTER problemlos wiederzuerkennen ist und weiter ausgebaut wird. Abgesehen von der prinzipiell angenehm gradlinigen und punktgenauen Umsetzung eines Action-Films fällt auf, wie erstklassig SLAUGHTER technisch umgesetzt wurde. Kadrierung und Bildkomposition sind ganz großes Hollywood-Format und bieten im Kino die Möglichkeit zu multiplen Orgasmen des Zuschauers. Laut Vorspann wurde SLAUGHTER auf
Todd-AO 35 gedreht, und dies sieht man dem Film in jeder Sekunde an. Die wilde Action Story mit diesen perfekt durchkomponierten Bildern, dem starken Soundtrack, der das immergleiche Thema in verschiedenen Variationen wiederholt und niemals langweilig wird, das reißt selbst vor dem Fernseher ziemlich mit. Im Kino, auf der großen Leinwand, muss SLAUGHTER eine Actiongranate vor dem Herrn sein … Extrem beeindruckend!
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Man stelle sich diese Bilder im Kino vor ...
Klar kann man das ganze auch als ange-blaxploitationtes Baller-Kintopp vom Dümmsten ansehen. Aber SLAUGHTER ist mehr. SLAUGHTER unterhält vortrefflich, und bietet mit den genannten Features mehr als die meisten Action-Gülle-Schlaftabletten späterer Jahre. Da gibt es diese Szene, wenn Harry mit dem Muscle Car in vollem Galopp vor der Hacienda des Bösen einfährt, Slaughter mit Gewehr im Anschlag aus dem noch rollenden Auto steigt und erstmal zeigt was in seiner Wumme steckt. Das, Freunde, ist Action-Kino wie es sein sollte. Und dafür können mir die ganzen wunderbaren Anspielungen auf James Bond und auf Italo-Western, die in SLAUGHTER ebenfalls noch drin stecken und beim Entdecken ziemlichen Spaß machen, gestohlen bleiben. SLAUGHTER rockt auf allen Ebenen einfach ungemein …
8/10