Re: Der Exterminator - James Glickenhaus (1980)
Verfasst: Mi 21. Feb 2018, 19:01
„Der Exterminator“ oder „Sing mir das Hohelied der Apathie“
Robert Ginty ist der „Exterminator“. Das klingt nach einer vor Kraft strotzenden, nach einer überlebensgroßen Rolle.
Ha, weit gefehlt!
Die meiste Zeit schlurft Ginty als passioniert-phlegmatischer Larry Bird Lookalike durch die Gegend, dessen Credo nur aus 6 Worten zu bestehen scheint: „Mir ist alles eigentlich völlig egal!“.
Anthony Steffens Gesichtsmuskulatur ist im Vergleich dazu hyperaktiv.
Mienenspiel?
Fehlanzeige!
Identifikationsmöglichkeiten mit dem Zuschauer?
Identifik- was?
Einen monokausalen Erklärungsansatz für die expressive Teilnahmslosigkeit liefert der Film gleich in der Anfangsszene mit: John Eastland (Ginty) war in Vietnam und musste dort schlimme Dinge miterleben, die ihn (womöglich) traumatisiert haben.
Aber das ist Spekulation.
Aufhänger der Geschichte ist das Treiben einer grenzdebilen Rockergang, den „Ghetto Ghouls“ und die sollte man gesehen haben. Die sind nämlich so „ghetto“, dass sie coole Backpatches mit ihrem Gangnamen auf der Kutte tragen. Und Getränkelager am helllichten Tage (versteinern da Ghouls nicht eigentlich?) während der normalen Arbeitszeit knacken, so dass das Risiko entdeckt zu werden bei ca. 100 % liegt. Genau genommen, ist grenzdebil untertrieben, sind die Bandenmitglieder doch allesamt komplett verblödet.
Eastland und sein Arbeitskollege Michael Jefferson (Steve James) arbeiten zum Zeitpunkt des Einbruchs auf der Rampe des Lagerkomplexes (ca. 10 m von den einbrechenden und plündernden Ghouls entfernt) und greifen heldenhaft ein. Es setzt eine Tracht Prügel, in deren Verlauf ein Rocker eine Palette Dosenbier übergezogen bekommt. Duell Nr. 1 geht also an den arbeitenden Teil der amerikanischen Bevölkerung. Aber der Frieden hält nicht lange, denn kurz darauf wird Jefferson von den „Ghetto Ghouls“ überfallen und schwer verletzt. Im Krankenhaus wird er an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen. Die Prognose des behandelnden Arztes lautet, dass er wahrscheinlich gelähmt bleiben wird. Sofern er überhaupt überlebt. Damit konfrontiert, schwört Eastland Rache. Der Exterminator ist geboren.
Im folgenden ermordet unser Held alle Ghouls, derer er habhaft werden kann. Darüber hinaus findet er Gefallen an seiner Rolle als Rächer. Woher ich das weiß, wenn man äußerlich keinerlei Gefühlsregung feststellen kann und es auch keinen Einblick in Eastlands Psyche gibt? Nun, der Exterminator erweitert sein Beuteschema. Auch Mitglieder des organisierten Verbrechens, Zuhälter oder Kinderschänder werden mit Flammenwerfer, Maschinengewehr und einem geringfügig zweckentfremdeten XXL-Fleischwolf exterminiert. Des weiteren erleben wir Verfolgungsjagden per Motorrad und einen Hundemord aus Notwehr. Letzterer wird ausgesprochen leidenschaftslos mit irgendeinem Küchenutensil durchgeführt.
Low-Budget Actionfans kommen hier voll auf ihre Kosten.
Alles hässlich schön und schlecht gut.
Für mich benötigen gelungene Exploitationfilme aber auch eine weitere Zutat: blöde Dialoge.
Und zwar unfreiwillig komische Dialoge.
Die sind das Salz in der Suppe.
Da geht mir das Herz auf.
Da schüttelt es mich.
Ein Schmankerl in dieser Hinsicht ist ein Frühstück des Paten der New Jersey Fleischmafia Mr. Pontivini (Dick Boccelli). Diesem fällt bei der Zeitungslektüre auf, dass zeitgenössische Comics nichts mehr taugen. „Also, diese Comics sind fürchterlich!“ entfährt es ihm und er wendet sich, soziale Interaktion imitierend, an seine junge Geliebte:„Kennst Du noch Buck Rogers?“.
Allerdings halten sich die popkulturellen Gemeinsamkeiten der Frühstückenden in Grenzen und sein Anhängsel verneint. Selbst als ein „Mitarbeiter“ die morgendliche Zweisamkeit stört und den Paten darüber informiert, dass im Fleischgeschäft mit Umsatzeinbußen zu rechnen ist, sinniert dieser immer noch über die bedenklichen Entwicklungen von amerikanischen Comics. Er wolle nichts von den alten Zeiten wissen, denn „da konnte man wenigstens noch die Comics verstehen! Heute gibt's ja nur noch kosmische Enten und Sternenkrieg und so 'nen Scheiß...“.
Für Feingeist Pontivini ist klar, dass geschäftlicher Misserfolg und unverständliche Comicstrips in der Tageszeitung nicht zufällig zur gleichen Zeit passieren können. Da muss ein Zusammenhang bestehen! Nein, es ist viel mehr. Comics sind der singuläre Gradmesser dafür, wie es um die Hochkultur, ach was sage ich, die Weltlage bestellt ist.
Diese größenwahnsinnige wie auch kulturpessimistische Einschätzung der Gesamtsituation ähnelt Kanye Wests anklagendem Ausruf: „Where's the culture at?“, als ein Modelabel abgelehnt hatte, eine Lederjogginghose zu produzieren.
2 Gründe, um sich den leidenschaftlich leidenschaftslosen „Exterminator“ anzugucken? Bitte:
1. Es gibt etliche geschmackvolle Geschmacklosigkeiten.
2. Man wird Zeuge einer hirnverbrannten Meta-Diskussion über Comics.
Robert Ginty ist der „Exterminator“. Das klingt nach einer vor Kraft strotzenden, nach einer überlebensgroßen Rolle.
Ha, weit gefehlt!
Die meiste Zeit schlurft Ginty als passioniert-phlegmatischer Larry Bird Lookalike durch die Gegend, dessen Credo nur aus 6 Worten zu bestehen scheint: „Mir ist alles eigentlich völlig egal!“.
Anthony Steffens Gesichtsmuskulatur ist im Vergleich dazu hyperaktiv.
Mienenspiel?
Fehlanzeige!
Identifikationsmöglichkeiten mit dem Zuschauer?
Identifik- was?
Einen monokausalen Erklärungsansatz für die expressive Teilnahmslosigkeit liefert der Film gleich in der Anfangsszene mit: John Eastland (Ginty) war in Vietnam und musste dort schlimme Dinge miterleben, die ihn (womöglich) traumatisiert haben.
Aber das ist Spekulation.
Aufhänger der Geschichte ist das Treiben einer grenzdebilen Rockergang, den „Ghetto Ghouls“ und die sollte man gesehen haben. Die sind nämlich so „ghetto“, dass sie coole Backpatches mit ihrem Gangnamen auf der Kutte tragen.
► Text zeigen
Eastland und sein Arbeitskollege Michael Jefferson (Steve James) arbeiten zum Zeitpunkt des Einbruchs auf der Rampe des Lagerkomplexes (ca. 10 m von den einbrechenden und plündernden Ghouls entfernt) und greifen heldenhaft ein. Es setzt eine Tracht Prügel, in deren Verlauf ein Rocker eine Palette Dosenbier übergezogen bekommt. Duell Nr. 1 geht also an den arbeitenden Teil der amerikanischen Bevölkerung. Aber der Frieden hält nicht lange, denn kurz darauf wird Jefferson von den „Ghetto Ghouls“ überfallen und schwer verletzt. Im Krankenhaus wird er an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen. Die Prognose des behandelnden Arztes lautet, dass er wahrscheinlich gelähmt bleiben wird. Sofern er überhaupt überlebt. Damit konfrontiert, schwört Eastland Rache. Der Exterminator ist geboren.
Im folgenden ermordet unser Held alle Ghouls, derer er habhaft werden kann. Darüber hinaus findet er Gefallen an seiner Rolle als Rächer. Woher ich das weiß, wenn man äußerlich keinerlei Gefühlsregung feststellen kann und es auch keinen Einblick in Eastlands Psyche gibt? Nun, der Exterminator erweitert sein Beuteschema. Auch Mitglieder des organisierten Verbrechens, Zuhälter oder Kinderschänder werden mit Flammenwerfer, Maschinengewehr und einem geringfügig zweckentfremdeten XXL-Fleischwolf exterminiert. Des weiteren erleben wir Verfolgungsjagden per Motorrad und einen Hundemord aus Notwehr. Letzterer wird ausgesprochen leidenschaftslos mit irgendeinem Küchenutensil durchgeführt.
Low-Budget Actionfans kommen hier voll auf ihre Kosten.
Alles hässlich schön und schlecht gut.
Für mich benötigen gelungene Exploitationfilme aber auch eine weitere Zutat: blöde Dialoge.
Und zwar unfreiwillig komische Dialoge.
Die sind das Salz in der Suppe.
Da geht mir das Herz auf.
Da schüttelt es mich.
Ein Schmankerl in dieser Hinsicht ist ein Frühstück des Paten der New Jersey Fleischmafia Mr. Pontivini (Dick Boccelli). Diesem fällt bei der Zeitungslektüre auf, dass zeitgenössische Comics nichts mehr taugen. „Also, diese Comics sind fürchterlich!“ entfährt es ihm und er wendet sich, soziale Interaktion imitierend, an seine junge Geliebte:„Kennst Du noch Buck Rogers?“.
Allerdings halten sich die popkulturellen Gemeinsamkeiten der Frühstückenden in Grenzen und sein Anhängsel verneint. Selbst als ein „Mitarbeiter“ die morgendliche Zweisamkeit stört und den Paten darüber informiert, dass im Fleischgeschäft mit Umsatzeinbußen zu rechnen ist, sinniert dieser immer noch über die bedenklichen Entwicklungen von amerikanischen Comics. Er wolle nichts von den alten Zeiten wissen, denn „da konnte man wenigstens noch die Comics verstehen! Heute gibt's ja nur noch kosmische Enten und Sternenkrieg und so 'nen Scheiß...“.
Für Feingeist Pontivini ist klar, dass geschäftlicher Misserfolg und unverständliche Comicstrips in der Tageszeitung nicht zufällig zur gleichen Zeit passieren können. Da muss ein Zusammenhang bestehen! Nein, es ist viel mehr. Comics sind der singuläre Gradmesser dafür, wie es um die Hochkultur, ach was sage ich, die Weltlage bestellt ist.
Diese größenwahnsinnige wie auch kulturpessimistische Einschätzung der Gesamtsituation ähnelt Kanye Wests anklagendem Ausruf: „Where's the culture at?“, als ein Modelabel abgelehnt hatte, eine Lederjogginghose zu produzieren.
2 Gründe, um sich den leidenschaftlich leidenschaftslosen „Exterminator“ anzugucken? Bitte:
1. Es gibt etliche geschmackvolle Geschmacklosigkeiten.
2. Man wird Zeuge einer hirnverbrannten Meta-Diskussion über Comics.
► Text zeigen