Blutige Seide - Mario Bava (1964)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

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McBrewer
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von McBrewer »

@Doc²: sehr sehr schönes Review zu diesem tollen Film Bild

Zum Thema "Neuveröffentlichung die hundertste":
so war ich doch seit langem mal wieder bei dem "Filmdealer" meines Vertrauens zu Hause, der mir dann auch sogleich eine der vielen neuen Retro-Hardboxen von `84 unter die Nase hielt, der er gerade frisch bekommen hatte:

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Der Schriftzug auf dem Cover ist leicht mit SAMT hervorgehoben, in der Box sollte wohl auch ein kleines Poster sein. Natürlich befindet sich auf dem Silberling selbst nur die bekannte Amaray-Version (also Ohne Audiokommentar, Extras usw. der "alten" ANOLIS-Samt Auflage)
Gibt wohl noch eine weitere `84er VÖ von dem Film, ganz im Samtschuber ;) Ja und die Leute scheinen das wirklich wie blöde zu kaufen, das bei einem Preis aufwärts der 30Euro Marke :palm:
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dr. freudstein
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von dr. freudstein »

@Kollege: sehr schön anal-ysiert :knutsch:
Da bekommt man sofort wieder Lust, in den Film einzutauchen, aber allein das Lesen läßt einen schon mit der Zunge schnalzen :sabber:

Ja, BLUTIGE SEIDE ist nun mal ein Film, bei dem es mir nicht ausreicht, den nur einmal stehen zu haben, vor allem wenn die schick aufgemacht sind. Aber unendlich viele Versionen mit immer der gleichen Vorlage und vor allem, für sehr viel Geld.....also eine Perfect oder Ultimate Collection gerne, aber nur wegen der Verpackung alleine :|
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buxtebrawler
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von buxtebrawler »

Klasse Kritik, Doc2! :thup:
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Paco
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von Paco »

@DrDjangoMD:

Tolle Kritik für einen tollen Film! Ich versuche immer mal wieder, mir vorzustellen, wie genial es wohl gewesen wäre, Filme wie diesen (Gialli generell oder auch "Suspiria" usw.) damals zu schauen, als sie brandneu im Kino liefen...

Dieses Motiv für "Blutige Seide" gefällt mir auch sehr gut:
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jogiwan
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von jogiwan »

"Natürlich Nicole, das eiskalte Stück..."

Über Bavas bunten, grausamen und abgründigen Gesellschaftsreigen im Umfeld eines Modehauses muss man wohl keine großen Worte mehr verlieren. Ein illustres Panoptikum an heruntergekommenen Figuren in einem kaleidoskopartigen Farbenrausch, bei dem schon Auftakt absolut gelungen ist und den Zuschauer auf etwas ganz Besonderes vorbereitet. Der Zuschauer wird stets geschickt auf die falsche Fährte gelockt und am Ende kommt es sowieso fast ganz anders, als man denkt! Noch immer subjektive 11/10. Mindestens!
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Adalmar
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von Adalmar »

Ein Film, der von mir klar die Höchstpunktzahl bekommt.

Da müsste unbedingt mal eine BD kommen.
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karlAbundzu
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von karlAbundzu »

draussen sommer, was macht man da an einem schönen tag:
Wohnung verdunkeln und endlich BLUTIGE SEIDE am Stück sehen.
BAVA, und was man an ihm liebt: Großartiges Gespür für Kamera und ihre Wege, Farben, Ausstattung, Bauten! Und hier auch ein ganz spannender Script und ein toller Cast: klar der Mitchell, Eva B und sowiesodie Frauen (irgendwie beeindruckten mich auch die Kurzauftritte von Claude Dante sehr), der Antiquitäten-Kokser Dante di Paolo. Einzig schwach: Thomas Reiner, der immer steif da steht und seine Sätze aufsagt, aber die Polizeiarbeit interessiert hier niemand, also auch nicht Bava zB. Doch trotzdem: ein wenig Whodunnit ist da schon drin, erst fragt man sich, wer es war, dann, wer sein Helferlein ist. Und dann kommt die tolle Schlußszene Max vs Cristina.
Auch hervorzuheben der sleazige Soundtrack von Carlo Rustichello, hier eine Mischung aus CrimeJazz und Las Vegas Strip Grind.
In den Top 5 der Giallos!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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horror1966
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Re: Blutige Seide - Mario Bava

Beitrag von horror1966 »

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Blutige Seide
(Sei donne per L'assassino)
mit Cameron Mitchell, Eva Bartok, Thomas Reiner, Ariana Gorini, Dante DiPaolo, Mary Arden, Franco Ressel, Claude Dantes, Luciano Pigozzi, Lea Lander, Massimo Righi, Francesca Ungaro
Regie: Mario Bava
Drehbuch: Marcello Fondato / Giuseppe Barilla / Mario Bava
Kamera: Ubaldo Terzano / Mario Bava
Musik: Carlo Rustichelli
FSK 16
Italien / 1964

In einem Modesalon, in dem sich die Reichen, die Schönen und die Verruchten der Oberschicht treffen, sorgt eine Handtasche für erhebliche Aufregung. Offenbar enthält diese ein Geheimnis, das den feinen Damen und Herren zum Verhängnis werden könnte. Schon bald treibt ein maskierter Killer sein Unwesen unter den Mannequins...


Mit "Blutige Seide" präsentierte Regisseur Mario Bava 1964 wohl den Ur-Giallo schlechthin und präsentierte dem Zuschauer dabei ein farbenprächtiges Meisterwerk, das vor Ästhetik nur so strotzt. Rein von der Geschichte her gibt es sicherlich so manchen Vertreter der durchaus spannender gestaltet ist, doch wenn man den Film einmal als Gesamtwerk betrachtet dürfte es äußerst schwierig erscheinen, die vorhandene Klasse zu toppen. Inhaltlich offenbart sich die handelsübliche Mordserie, die dieses Mal die Modells eines Modesalons betrifft, so das innerhalb kürzester Zeit eine nach der anderen das Zeitliche segnet. Dabei setzt der Virtuose Bava weniger auf blutige Gewaltdarstellungen, denn die einzelnen Morde sind zumeist nur in Ansätzen zu erkennen und beinhalten auch nicht die oft in anderen Filmen verwendete reißerische Note, um das Szenario künstlich härter erscheinen zu lassen. Auch als Zuschauer konzentriert man sich eigentlich weniger auf die Taten des Killers, ist man doch viel zu sehr vom kräftigen Farbenspiel angetan, das einem der Ausnahme-Regisseur hier präsentiert. Ganz generell ist "Blutige Seide" ein visueller Hochgenuss und man verspürt nicht selten das Gefühl, hier von einem wahren Bilderrausch gnadenlos überrollt zu werden. So ist es dann auch nicht immer leicht sich auf die eigentliche Handlung des Geschehens zu konzentrieren, wobei diese es natürlich auf jeden Fall verdient hat, da sich eine durchgehend interessante-und spannende Story entpuppt, in der die Identität des Mörders und auch dessen Motive schon nach knapp 65 Minuten preisgegeben werden.

Bei einer Gesamtspielzeit von gut 85 Minuten mag sich nun manch einer die Frage stellen was in den letzten 20 Minuten noch das Interesse des Betrachters aufrecht erhalten soll, wenn ein Giallo so frühzeitig mit der Lösung des Ratespiels daher kommt. Bei fast jedem anderen Regisseur wäre diese Frage wohl auch nicht ganz ohne Berechtigung, doch Mario Bava zählte nun einmal zu den absoluten Ausnahmeerscheinungen seiner Zunft, so das man an dieser Stelle überhaupt nicht den Gedanken aufkommen lassen braucht, das eventuell Langeweile Einzug in die Geschichte halten würde. Obwohl nämlich die Fronten scheinbar gänzlich geklärt sind gibt sich noch einmal ein Erzählstrang zu erkennen, der für absolut erstklassig inszenierte 20 Schlussminuten garantiert, in denen sich ein finaler Showdown zu erkennen gibt, der das gesamte Szenario absolut perfekt abrundet und diesen Film zu einem wahren Meisterwerk emporsteigen lässt.

"Blutige Seide" als für später folgende Genre-Vertreter maßgebenden Film anzusehen ist sicher nicht übertrieben und an diversen Stellen merkt man auch ziemlich eindeutig, das hier ein Sub-Genre noch in den Kinderschuhen steckt. Das ist jetzt keineswegs als negative Kritik aufzufassen doch insbesondere die recht bieder in Szene gesetzten Tötungen der Opfer deuten ganz eindeutig an, das der Giallo hier die ersten Gehversuche macht. Erst in späteren Jahren als diese Filmart ihre absolute Hochzeit erfuhr wird einem dabei so richtig bewusst, welch wichtige Pionierarbeit ein Mario Bava hier geleistet hat, damit man auch noch in der heutigen Zeit die ganzen wunderbaren italienischen Klassiker bewundern kann, die der Giallo hervorgebracht hat. Das die Filme dabei teilweise viel derber ausfielen und zudem auch in den meisten Fällen mit einer ordentlichen Portion Erotik angereichert wurden ist sicherlich eine fast logische Weiterentwicklung, doch die gesamte Aufbauarbeit dafür ist in diesem hier vorliegendem Film zu erkennen, der zwar auch schon mit etlichen schönen Frauen ausgestattet ist, sich aber im Bezug auf die später folgenden Nacktszenen noch vollkommen geschlossen hält.

Wie dem auch sei, "Blutige Seide" ist definitiv ein visuell berauschendes Erlebnis, denn durch das kräftige Spiel mit den Farben entfachen die gezeigten Bildern eine fast schon hypnotische Wirkung, der man sich unmöglich verweigern kann. Mit einer unglaublichen Liebe zum Detail und seinem Hang zur absoluten Perfektion hat Bava dabei ein ästhetisches-und zeitloses Meisterwerk geschaffen, das jeder Liebhaber des italienischen Kinos kennen sollte. Und auch wenn es sicherlich noch spannendere Geschichten gibt, so lassen doch eher wenige einen dermaßen überzeugenden Gesamteindruck entstehen, wie es hier der Fall ist. Und so präsentiert sich im Endeffekt eine Gesamtkomposition aus Krimi, Thriller und Ästhetik, die einen regelrecht in Verzückung geraten lässt. Eher selten bekommt man einen Film präsentiert, in dem sämtliche Komponenten so stimmig ineinander übergreifen und dabei eine Wirkung auf den Betrachter ausüben, die man ohne Übertreibung als absolut magisch bezeichnen kann. So kann man sich dann auch nur ehrfurchtsvoll vor diesem Werk verneigen, das auch nach fast einem halben Jahrhundert überhaupt nichts von seinem reiz verloren hat.


Fazit:


Nicht umsonst hat ein Mario Bava seinen Werken immer eine ganz persönliche-und eigene Note beigefügt. Dabei kann man in der Regel immer davon ausgehen, das alle seine Werke über einen extrem künstlerischen Ausdruck verfügen, der auch in vorliegendem Szenario mehr als eindrucksvoll zum Ausdruck kommt. So wurde hier auch die Welt der Modells und der dazugehörigen Kreise bewusst etwas überzogen, hochgestochen und manchmal sogar ein wenig arrogant dargestellt, was dem Ganzen aber einen unglaublich glaubwürdigen Eindruck verleiht, der das Szenario noch einmal zusätzlich aufwertet.


10/10
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Prisma
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Re: Blutige Seide - Mario Bava (1964)

Beitrag von Prisma »


Eva Bartok   Cameron Mitchell   in

BLUTIGE SEIDE

● SEI DONNE PER L'ASSASSINO / 6 FEMMES POUR L'ASSASSIN / BLUTIGE SEIDE (I|F|D|MCO|1964)
mit Thomas Reiner, Lea Krüger, Claude Dantes, Arianna Gorini, Dante Di Paolo, Heidi Stroh, Giuliano Raffaelli, u. a.
eine Produktion der Emmepi Cinematografica | Les Productions Georges de Beauregard | Top Film | Monachia Film |
im Gloria Filmverleih
ein Film von Mario Bava


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»Bitte fang nicht an zu weinen, du verdirbst dir dein Make-Up!«
Cristiana (Eva Bartok) führt zusammen mit ihrem Partner Max (Cameron Mitchell) eine feudale Model-Agentur. Doch die oberflächliche Haute Couture wird durch einen Zwischenfall erschüttert. Das Mannequin Isabella (Francesca Ungaro) wurde brutal ermordet. Doch wo ist das Motiv zu suchen? Der ermittelnde Inspektor Silvestri (Thomas Reiner) tappt im Dunkeln. Nicole (Ariana Gorini), eine Kollegin des Mordopfers scheint allerdings mehr zu wissen, da sie das Tagebuch von Isabella gefunden hat. Darin stehen kompromittierende Informationen über Drogen und Erpressung, außerdem scheinen die Aufzeichnungen ein dunkles Geheimnis zu enthalten, für das jemand zum Mörder wurde. Nicole beschließt, die Aufzeichnungen der Polizei zu übergeben, doch sie ereilt das gleiche Schicksal. So einfach kommt der Killer allerdings nicht an sein Ziel, denn die Aufzeichnungen wurden von einem anderen Mannequin an sich genommen, die ab sofort ebenfalls in Lebensgefahr schwebt...

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Mario Bavas "Blutige Seide" zählt zu den Prototypen des Giallo-Genre und es ist auch nach über fünfzig Jahren noch überaus erstaunlich, wie sehr sich der wegweisende Charakter herausfiltern lässt, beziehungsweise sich richtiggehend in Reinkultur präsentiert. Im stilistischen Sinne ist somit durchaus ein Meisterwerk entstanden, das quasi gleichermaßen beispiellos war, und bis heute auch beispielhaft geblieben ist. Die Wendung style over substance wurde für Mario Bavas Beitrag vielleicht nicht direkt erfunden, aber "Blutige Seide" ist in diesem Zusammenhang als Musterbeispiel und auch als ganz offenkundige Expertise zu sehen. Die Verpackung lockt den Zuschauer mit beinahe allen Farben dieser Welt an, startet grelle Ablenkungsmanöver und übertüncht die eigentlich eher durchschnittliche Geschichte sehr bestimmend. Der Verlauf kann vielleicht als eine eher visuelle Attacke angesehen werden, was mehr darstellt, als unter normalen Umständen zu erwarten wäre, aber das wichtige ist, dass dieser Film auch nach so vielen Jahren immer noch phantasievoll, erfrischend, agil und einfach neuartig wirkt, wie eigentlich kaum ein anderer aus dieser Dekade. Der Plot hätte sich als hinkender Vergleich vielleicht in der seinerzeit entstandenen Edgar-Wallace-Reihe bei den Durchschnittsbeiträgen wohlgefühlt, wenngleich die Reihe für derartig stilistische Revolutionen zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen ist. Wie man sieht, wird man bei "Blutige Seide" manchmal zu Vergleichen verleitet, aber vor allem dazu, nach Seinesgleichen zu suchen. Zur hohen Stil-Dichte der Geschichte tragen die Beteiligten Charaktere bei, die in Form eines spektakulären Besetzungs-Karussells künstlich Gestalt annehmen.

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Die aus Ungarn stammende Britin Eva Bartok - eine der telegensten und am besten bezahlten Darstellerinnen auf europäischem Parkett - stand mit "Blutige Seide" bereits vor dem Ende ihrer turbulenten Karriere und es gibt viele Gründe, warum gerade dieser Auftritt einer ihrer einprägsamsten und besten geblieben ist. Bartok, die dem Empfinden nach mit zunehmendem Alter immer geheimnisvoller, aber vor allem auch immer schöner wurde, zeigt hier Beachtliches. Betrachtet man das Set, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Verpflichtung von Eva Bartok bestimmt kein Zufall gewesen sein kann, da sie sich in das artifiziell wirkende Umfeld nicht nur einfügt, sondern auf eigenartige Art und Weise wie geschaffen dafür wirkt. Haute Couture und Jet Set waren auch privat ihre Domänen, und so scheinen sich Image und die zu interpretierende Person miteinander zu verschmelzen, beziehungsweise die Voraussetzungen werden genau wie das Material Darsteller im Sinne aller Rahmenbedingungen dienstbar gemacht. Das Konzept Eva Bartok geht unter der Leitung von Mario Bava vollkommen auf. Wie bei allen anderen Charakteren auch, sieht man nur Oberflächlichkeit und künstliche Züge, die von Contessa Cristiana nahezu delegiert werden. Es handelt sich um eine recht interessante Variante, dass selbst die Schauspieler der Verpackung, oder der Silhouette des Films komplett untergeordnet erscheinen und lediglich wie hübsche Staffage wirken. Die Mannequins, die in der Agentur herumschleichen, wirken wie sprechende Schaufensterpuppen und die Auswahl der Darstellerinnen ist dabei perfekt, da man hauptsächlich auf Gesichtszüge achtete, die Markantes mit Zerbrechlichem vereinen.

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Die Herren bedienen hier ein ähnliches Prinzip, da sie ausschließlich stereotyp gezeichnet werden. Keiner von ihnen sticht besonders hervor, aber es ist ebenso wenig auf sie zu verzichten. Bemerkenswert ist, dass "Blutige Seide" für damalige Verhältnisse in allen Bereichen revolutionär erscheint, und es in vielerlei Hinsicht bis heute so geblieben ist. Der Film der Umkehrreaktionen besticht durch sein grelles Farbenspiel, Licht und Schatten symbolisieren Gefahr und Zerstörung, wirken aber gleichzeitig anziehend, ja nahezu verlockend. Das Artifizielle nimmt in diesem Szenario greifbare Gestalten an und Bava geht einen mutigen Schritt weiter, indem er sich eigentlich der Gesetze des S/W-Films und seinerzeit gängigen Formaten bedient, doch das Ganze wurde eben farblich angereichert und unterm Strich sogar optimiert. Die Bildgestaltung ist und bleibt in jeder Szene einfach umwerfend, denn es werden ungeahnte Konturen offen gelegt, und man könnte sagen, beinahe Reliefs erschaffen, die vielleicht heute noch nach Ihresgleichen suchen dürfen. Die flexible Kamera-Arbeit nutzt die Tiefe des Raumes optimal aus und das Detail-Bewusstsein ist hier schon bemerkenswert. Die eher klassische als ausgefallene Musik rundet das Geschehen sehr gut ab und das Ziel, Spannung zu erzeugen, wird definitiv erreicht. Man vergibt diesem Feuerwerk der bis dahin beispiellosen Neuerungen seine offensichtlichen Schwächen, die beispielsweise bei konventionellen Krimis wie ein langsam schleichendes Gift gewirkt hätten. Die Auflösung kommt dem Empfinden nach zu früh, und das Finale ist nicht stark genug, um diesen Eindruck zu überlagern. Isoliert man das Gerüst sowie die Geschichte an sich, bleibt eigentlich ein durchschnittlicher, wenn auch angenehmer Charakter zurück, stilistisch und inszenatorisch gesehen thront jedoch ein Meilenstein innerhalb eines Genres, dessen Farben niemals verblassen werden. Unterm Strich will auch die angemerkte Kritik hier nicht so recht greifen, wenn man bedenkt, dass das Konzept des Films eindeutig in eine andere Richtung geht. "Blutige Seide" sollte man als vornehmlich eleganten und zeitlosen Beitrag unbedingt gesehen haben.
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Il Grande Silenzio
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Re: Blutige Seide - Mario Bava (1964)

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:sabber:
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