DVD: filmArt (Giallo Edition #002)
Der Schwanz des Skorpions (Italien, Spanien 1971, Originaltitel: La coda dello scorpione)
Anita & George im Nahkampf
Lisa Baumer (Ida Galli) verliert ihren Ehemann durch einen Flugzeugabsturz. Auf die attraktive Frau wartet ein üppiges Trostpflaster, sie erhält eine Million US-Dollar aus der Lebensversichrung ihres verschiedenen Gatten. In Athen lässt sich unsere lustige Witwe die gesamte Summe in bar aushändigen. Bald trübt sich die Stimmung deutlich ein, Lisa wird von der resolut auftretenden Lara Florakis (Janine Reynaud) massiv unter Druck gesetzt, soll die Hälfte des Geldes abliefern. Kurz darauf fällt Lisa einem brutalen Mörder zum Opfer, das Geld ist verschwunden. Versicherungsdetektiv Peter Lynch (George Hilton) arbeitet eifrig an der Aufklärung der Vorgänge, ebenso interessiert befasst sich Journalistin Cléo Dupont (Anita Strindberg) mit dem Fall. Während der zuständige Inspektor Stavros (Luigi Pistilli) Peter Lynch für verdächtig hält, mit Unterstützung des Interpol-Ermittlers und John Stanley (Alberto de Mendoza) Nachforschungen anstellt, kommen sich Peter und Cléo langsam näher. Weitere Morde geschehen, wer steckt hinter den grausamen Taten ...???
Unbestritten war die erste Hälfte der siebziger Jahre die große Zeit des Giallo. Sergio Martino gehört zu den wichtigsten Regisseuren dieser Epoche, lieferte in dieser frühen Phase seiner Karriere fünf relevante Beiträge zum Genre ab. Es folgt eine kurze Übersicht der Werke neben
"Der Schwanz des Skorpions":
• Der Killer von Wien (Lo strano vizio della Signora Wardh)
• Die Farben der Nacht (Tutti i colori del buio)
• Your vice is a locked room and only I have the key (Il tuo vizio è una stanza chiusa e solo io ne ho la chiave)
• Torso - Die Säge des Teufels (I corpi presentano tracce di violenza carnale)
"Der Killer von Wien" erfeut
(nicht nur) das Auge mit überschäumender Sinnlichkeit und herrlichen Wendungen.
"Die Farben der Nacht" punktet mit okkult-pulsierender Schlagseite, während sich Grenzgänger
"Your vice ..." -auf Poe-Fundament- in prickelnd-bedrohlicher Dreiecksbeziehungskistensuhle
(und viel mehr) aalt.
"Torso" lebt
(teils) von boshaft-sadistischen Momenten, ist fraglos einer der wichtigsten Proto-Slasher neben Bavas
"Im Blutrausch des Satans" (Reazione a catena). So mutet
"Skorpion" auf den ersten Blick fast ein wenig unscheinbar an, vermeintlich fehlen ganz besondere Momente. Mit jeder Sichtung offenbart der Streifen mehr Potential! Sergio Martino beschränkt sich hier zwar auf bewährte Strickmuster, präsentiert uns diese jedoch nahezu formvollendet, garniert mit kleinen Spielereien und Höhepunkten. Martino mag kein Genie des Kalibers Mario Bava oder Dario Argento sein, ihn jedoch lediglich als geschäftstüchtigen Handwerker zu bezeichnen scheint mir unangemessen, viel Liebe zum Detail wird dem aufmerksamen Zuschauer nicht entgehen, mindestens Handwerks
kunst lasse ich gelten. Freilich darf die hervorragende Kameraarbeit von Emilio Foriscot nicht unerwähnt bleiben, gleiches gilt für den grandiosen Score aus der Feder des zuverlässigen Bruno Nicolai.
Auch das Ensemble wird bei Freunden des italienischen Genrekinos für Begeisterung sorgen, nicht nur die Hauptrollen wurden mit bekannten und geschätzten Gesichtern besetzt. George Hilton darf den smarten Schnüffler geben, natürlich erliegt die weibliche Hauptrolle seinem Charme, wir dürfen Hilton und Strindberg in vielen gemeinsamen Szenen genießen, packendes Finale inklusive. Immer wieder begeistert mich die kühle Schönheit der Schwedin Anita Strindberg, hinter deren nordischer Edelfassade es verlockend brodelt. Ein Blick hier, eine Geste da, trallala. Luigi Pistilli liefert erwartungsgemäß hohe Qualität. Leider gelang dem großartigen Schauspieler nie der ganz große Durchbruch, obschon in Italien ebenso als Theaterdarsteller geschätzt, sein Leben endete 1996 durch Selbstmord. Alberto de Mendoza gibt den gönnerhaft angehauchten Interpol Mitarbeiter, Ida Galli dominiert die Aufwärmphase, Janine Reynaud sorgt für fiese Momente, unterstützt durch Luis
"Fratzengeballer" Barboo. Leider bleibt nicht viel Raum für die wunderschöne Lisa Leonardi, deren Filmographie unerfreulicherweise nur wenige Einträge aufweist.
Wir bekommen einen Killer in schwarzen Klamotten und schwarzen Handschuhen zu sehen, Martino zeigt uns Morde voll blutroter Schönheit, gibt sich allerdings nicht allzu ausufernden Gewaltszenen hin, ähnliches gilt für die erotischen Momente. Unbeschwert wird Hitchcock aus der Schublade geholt, stilsicher gewählte Schauplätze sind sowieso garantiert, Einsatz von Zeitlupe und ungewöhnlichen Kameraperspektiven würzen das ohnehin schmackhafte Menü zusätzlich. Geldgier und Verdorbenheit lassen gierige Geiferlinge aus dem Boden sprießen, der Mensch ist eine Sau. Die Lösung des Falls setzt Martinos stilsicherer Inszenierung die Krone auf.
"Der Schwanz des Skorpions" mag nicht mein Liebling im Giallo-Kosmos sein, er ist auch ich nicht mein Favorit aus dem Schaffen Sergio Martinos. Dennoch schaue ich mir den Film immer wieder sehr gern an, kann mich an jeder Sekunde dieser gekonnten Zielgruppenbedienung erfreuen. Bestens für Einsteiger geeignet, dicke Empfehlung!
In Deutschland erfuhr
"Der Schwanz des Skorpions" bereits einige Auswertungen auf unterschiedlichen Formaten, die neue DVD von filmArt deckelt vorherige Veröffentlichungen. Im Vergleich zur DVD aus dem Hause X-Rated wurde die Bildqualität verbessert, neben der Videosynchronisation befindet sich nun auch die Kinosynchronisation an Bord. Ferner wird italienischer Ton angeboten, dazu ein interessantes Interview mit Sergio Martino, diverse Trailer, alternativer Vor- und Abspann, Vergleich zwischen 35mm und 16mm, abgerundet durch ein lesenswertes Booklet. Auch Besitzer älterer Ausgaben dürfen zugreifen, Einsteiger sowieso, klarer Kauftipp!
Es bleibt bei dicken 8/10 (sehr gut)!
Lieblingszitat:
"Im Schlafzimmer bist du besser als in der Küche."