NOSFERATOUR im Rahmen unseres 14. Forentreffens in Lübeck 2023
Ehrlich gesagt hatte ich mich auf die Nosferatour so gut wie gar nicht vorbereitet, ganz im Gegensatz zu Karlabundzu, der gar einen Lübecker Stadtplan mit den entscheidenden Stellen markierte, und uns kompetent, wie es auf der Tourismusseite metergenau veranschlagt wird, 2,94km durch die Altstadt geleitete.
Insgesamt vier Drehorten konnten wir dabei begegnen, von denen einer sofort ins Auge springt, wenn man den Film gesehen hat, und einer von meiner Seite aus etwas Anstrengung bedurfte, um betreten werden zu können.
Gleich neben dem Holstentor – eines von zwei noch erhaltenen Portalen der alten Stadtbefestigung – stehen die sogenannten Salzspeicher, ein Ensemble ehemaliger Lagerhäuser im Stil der Backsteinrenaissance an der Obertrave, das in Murnaus Film dem Grafen Orlok als Domizil dient, nachdem er es endlich mit seinen Sarg und seinen Pestratten von den Karpaten ins fiktive Wisborg geschafft hat. Eine Szene zeigt ihn, wie er ein Bootchen per mentaler Kräfte über den Travekanal steuert; später bereitet er Heldin Ellen schlaflose Nächte, da er jeden Abend am Fenster seiner neuen Behausung klebt, und sie lüstern angafft, die im Haus direkt gegenüber der Salzspeicher wohnt. Heute befinden sich in den insgesamt sechs Gebäuden Geschäftsräume und Büros – und nach Einbruch der Nacht kann man eine Projektion ihres berühmtesten Bewohners bestaunen, wie er aus jenem Fenster lugt, an dem er auch in Murnaus Film vorzugsweise seine Zeit verbringt.
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Den zweiten Drehort auf Anhieb zu erkennen und zuzuordnen stellt auch für Menschen wie mich, die NOSFERATU schon an die vierzigmal gesehen haben dürften, eine kleine Herausforderung dar, schaut doch die Straße mit Namen Depenau, die unweit der Salzspeicher mit leichter Steigung von der Obetrave in die Altstadt führt, heutzutage reichlich anders aus als vor hundert Jahren. Das ist vor allem einem alliierten Luftangriff geschuldet, der 1942 vor allem die historische Bausubstanz der Südseite in Schutt und Asche legte. In Murnaus Film gibt es mindestens zwei Szenen, die hier spielen: zum einen stiefelt der Trommler die Depenau herab, der die Bevölkerung von Wisborg darüber informiert, dass die Pest in ihrem beschaulichen Städtchen ausgebrochen sei; später, nachdem die Seuche erst recht zu wüten begonnen hat, werden mehrere Särge voller Opfer derselben die Gasse hinabgetragen.
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Wie Karlabundzu richtig referierte, ist die Lübecker Ägidienkirche im fertigen Film nicht zu sehen; zwar wollte Murnau hier drehen, jedoch schien dem örtlichen Pastor ein Vampirschocker doch zu suspekt, als dass er sein Gotteshaus dafür hergegeben hätte, weswegen das Filmteam letztlich nach Wismar auswich, um bei der dortigen Marienkirche zu drehen. Nichtsdestotrotz fand immerhin der Ägidienkirchhof in NOSFERATU Verwendung, nämlich als Wohnhaus von Hutter und Ellen, das sich ja innerhalb der Diegese direkt gegenüber der Salzspeicher befinden soll, in der außerfilmischen Wirklichkeit aber freilich einen Fußweg von etwa 800 Meter entfernt liegt. Im Film ist die Außenfassade der Ägidienkirchhofhäuser mehrmals zu sehen, zum Beispiel, als Hutter von seiner Rumänienreise heimkehrt und Ellen in die Arme fällt, und später, wenn Graf Orlok mit Sarg unterm Arm und schlimmen Plänen hinter der Stirn daran vorbeischleicht.
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Beim vierten Drehort stand unser kleines Nosferatour-Grüppchen zunächst vor verschlossenen Türen. Es handelt sich um den sogenannten Füchtingshof, eine frühbarocke Wohnanlage, die auf eine selbstständige Stiftung zurückgeht, und in der Murnau filmte, wie sich zu Beginn Hutter und Van-Helsing-Verschnitt Professor Bulwer auf angeblich offener Straße über den Weg laufen, (in Wirklichkeit befindet sich dort, von wo der Professor ins Bild tritt, eine Hausmauer, und auch Hutter kann eigentlich nur aus dem Innern eines weiteren Wohnhauses in den Hof gelangt sein). Obwohl Karlabundzu an den Pforten rüttelte, wollten diese sich uns nicht öffnen – ein Umstand, der mir mittags im Hotelzimmer keine Ruhe ließ, weshalb ich im strömenden Regen noch einmal loszog: Laut Stadtplan führten mehrere Gebäude in diesen Hof, und es sollte doch mit dem Leibhaftigen zugehen, wenn man nicht doch irgendwie dort hineinkommen könne. Letztlich ist es eine betagte Anwohnerin, die mir freundlicherweise durch ihre Privatstube Zugang gewährt: Nein, davon, dass hier ein Film gedreht worden sei, habe sie noch nie gehört; Wann? Vor hundert Jahren?!; erst wirkt sie misstrauisch, lässt sich überzeugen, als ich ihr einen zuvor angefertigten Screenshot zeige: Schauen Sie doch, das ist Ihr Innenhof! Ach ja, stimmt sie nachdenklich zu - und wer weiß, vielleicht wird daraus ja in Zukunft für die gute Dame ein profitabler Nebenerwerb, mit dem man weiteren Drehorttouristen den einen oder anderen Euro aus den Taschen zupfen kann.
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