Good Bye, Lenin! - Wolfgang Becker (2003)

Moderator: jogiwan

purgatorio
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Re: Good Bye, Lenin! - Wolfgang Becker

Beitrag von purgatorio »

Ich hab übrigens echt schlecht geschlafen wegen diesem Scheiß (und damit meine ich keine Ost-West-Pro-Kontra-Diskussion!) – Sorry, ich wollt’s eigentlich vermeiden aber so kann man das nicht stehen lassen – der Bux gehört verbessert :P und da spricht nun auch nicht der belesene Historiker aus mir (DDR-Geschichte ist so gar nicht mein Fachgebiet) sondern lediglich Erfahrungen, Beobachtungen und Erzählungen der Eltern- und Großelterngeneration.
buxtebrawler hat geschrieben:
purgatorio hat geschrieben:(...) die letzten - zu der Fraktion gehöre dann wohl auch ich - lehnen sie eigentlich ab, da ein menschenunwürdiges Regime wie dieses nicht so verharmlost werden sollte wie es durch plumbe und teils niveaulos-doofe (Liebes-)Komödien der Fall ist.
Bei aller angebrachten Kritik der DDR und der Verurteilung ihrer selbstverantworteten Demokratiedefizite und ihres zu zahlreichen falschen bis verwerflichen Entscheidungen geführt habenden autoritären Zentralismus, aber ein "menschenunwürdiges Regime" ist dann doch noch mal etwas anderes.
Was ist denn bitte ein „menschenunwürdiges Regime“, lieber Bux, wenn nicht auch ein diktatorisch organisierter (ein unanfechtbares Einparteiensystem entspricht dieser Kategorisierung – keine Diskussion!), nahezu totaler Überwachungsstaat, in dem alle unliebsamen Subjekte sofort beseitigt wurden? Was, wenn nicht ein Staat, der es bis zu Letzt für absolut legitim hielt auf die eigene Bevölkerung zu schießen, ein Staat der es für notwendig hielt einen Grenzwall zu errichten mit Minenfeldern (!) und ständigen Patrouillen. Und das nicht als Bollwerk gegen den kapitalistischen Feind im Westen sondern als Käfig für das eigene Volk! Ein Staat, der von diesem seinem Volk Geruchsproben nahm um die Arbeit scharfer Hunde zu erleichtern. Und weiter: Was, wenn nicht ein Staat, der es billigte, dass der Rote Schirmherr ein Feld, in dem sich Fahnenflüchtige befanden, nicht etwa mit Soldaten durchkämmt sondern mit MG-Salven mäht und anschließend in Brand steckt. Und das nicht in den 60ern sondern in den späten 80ern!
Ein Staat, in dem Menschrechte nichts wert waren, wo viele sogar komplett eingeschränkt wurden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung? Kannst du knicken. Rede- und Pressefreiheit? Wozu denn bitte? Persönlichkeitsrechte, Schutz vor Folter und Körperstrafen? Braucht kein Mensch! Für Privatsphäre gilt das natürlich auch. Religions- und Reisefreiheit sind selbstredend einschränkbar. Berufsfreiheit? Klar, wer studieren will sollte aber bitte vorher eine Offizierslaufbahn durchlaufen oder wenigstens auf „freiwilliger Basis“ einen verlängerten Wehrdienst ableisten – ganz zu schweigen davon, dass du deinen Meistertitel nur machen kannst wenn du zuvor in die Partei eintrittst. Denn schon die Kinder konnten es besingen: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!“ Na wenn das mal nicht menschenunwürdig ist, was dann?
Und vor allem auch ein System, in dem Volksverhetzer, Republik- und Demokratiefeinde vergangener Tage als Helden verehrt wurden (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, weißt’e bescheid) und verehrt werden mussten (ja, dazu gab es einen Zwang und das bereits für Kinder). Im Übrigen reden wir hier auch von einem Staat, der die Gesellschaft durch und durch militärisch organisierte oder zumindest mit äquivalenten Strukturen versah – und das bereits auf Kinder bezogen. Panzer in Großstädten haben da natürlich nur eine rein befriedende Wirkung. Bux, im Ernst, welches historische Halbwissen (Guido Knopp?) verleitete dich denn zu dieser Äußerung? Und da geht’s mir ganz und gar nicht um die vom Braumeister angesprochene typische Ost-West-Diskussion. Die ist hier gar nicht notwendig.
buxtebrawler hat geschrieben:Im Übrigen ist es ein legitimes Mittel, autoritären Strukturen etc. dadurch an den Karren zu pissen, indem man sie ins Lächerliche zieht, sich über sie lustig macht - wie es z.B. in Filmen wie diesem oder auch "Sonnenallee" praktiziert wird. Das hat mit "Verharmlosung" nichts zu tun. Wer das Thema ausschließlich in düsteren Melodramen verarbeitet sehen will, kann sich ja an irgendwelche Sat.1-TV-Produktionen oder sowas halten. ;)
Wenn das als bloße Satire durchgeht und überhaupt gar keinen verharmlosenden Charakter hat, dann können wir uns doch auch mal folgendes Vorstellen. Der Großvater meiner Ex schwärmte bis zu Letzt von den vielen tollen Sommern im Ferienlager der HJ. Na warum machen wir nicht einmal darüber eine hübsche Komödie? Die Kiddies spielen schön Cowboy und Indianer, die Jugendlichen dürfen im See schwimmen und mal mit einem Gewehr schießen. Blenden wir doch das Eklige aus und zeigen wie schön es auch war. Das ist ja dann satirisch! Kann man nicht vergleichen, sagst du? Aber gewiss doch! Gerade diese zwei politischen Extreme und die Strukturierung der Gesellschaft in ihnen sind absolut vergleichbar! Eher noch als der Blick auf das Kaiserreich!
Wie wäre es denn mit einem Äquivalent zu „NVA“? Nennen wir die romantische Liebeskomödie doch „Wehrmacht“. Da wird eingezogen, angekleidet und ein wenig exerziert. Abends stillt man sich dann aus der Kaserne und gibt sich Liebeleien mit den örtlichen Schönheiten hin. Für ein bisschen Drama bauen wir abschließend noch ein wenig Fahnenflucht mit anschließender Exekution ein. Na das wäre ein Spaß! Oder „Good Bye, Adolf!“ – großartig wäre das. Da fällt die Mama 1941 ins Koma und wacht erst in den Fünfzigern wieder auf. Und damit sie keinen Schock erleidet spielen wir ihr einfach vor, dass der Krieg gewonnen wurde und der bolschewistische Feind vernichtend geschlagen wurde. Einer parodiert noch hübsch den Goebbels per Volksempfänger und fertig ist die satirische Komödie für die ganze Familie. Und vor allem könnte man dann diesen furchtbar deprimierenden „Der Untergang“ aus dem Gedächtnis streichen!
Wäre das verharmlosend oder nur satirisch? Wäre das überhaupt in irgendeiner Form moralisch vertretbar? Gute Frage, oder etwa nicht? Natürlich fällt mir da auf Anhieb Charlies großer Diktator ein, oder die beknackte Parodie vom Helge. Kann man ja machen. Man sollte vielleicht auch über derartige Zeiten mal lachen können. Aber das der notwendige kritische Hintergrund im Bezug auf die Nazizeit vorhanden ist aber im Bezug auf die DDR-Zeit (gerade innerhalb der sogenannten Ostalgie-Welle) absolut zu wünschen übrig lässt beweist doch schon dein Kommentar. „Der große Diktator“ betrat in einer Zeit die Lichtspielhäuser als ausnahmslos jeder verstand was gemeint ist. Und Helges Interpretation der Führerfigur wurde von den Medien entsprechend aufgearbeitet. Bei DDR-Komödien passiert das nicht! Die kann man getrost für sich sprechen lassen, obwohl die negativen Seiten der Zeit ausgeblendet werden. Klar gab’s auch gute Sachen, keine Frage. Impfpflicht und medizinische Versorgung, das Schulsystem und die soziale Sicherheit sind absolut erwähnenswert. Wie hübsch die Jugend im NS-Regime zu sich selbst fand kann man dann aber auch mal zeigen.



So, sry wegen des Spams, aber ich musste mir Luft machen.

PS: bevor jemand schimpft - alles bezieht sich auf die Äußerungen vom Bux, nicht auf den hier eigentlich zu besprechenden Film im speziellen ;)
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Re: Good Bye, Lenin! - Wolfgang Becker

Beitrag von buxtebrawler »

purgatorio hat geschrieben:Was ist denn bitte ein „menschenunwürdiges Regime“, lieber Bux, wenn nicht auch ein diktatorisch organisierter (ein unanfechtbares Einparteiensystem entspricht dieser Kategorisierung – keine Diskussion!), nahezu totaler Überwachungsstaat, in dem alle unliebsamen Subjekte sofort beseitigt wurden?
Mit dem Begriff "menschenwürdig" zu hantieren, halte ich für genauso schwierig, wie mit Begriffen wie "Freiheit" oder "Gerechtigkeit", eine genaue Antwort kann ich dir darauf auch nicht geben.

Welche unliebsamen Subjekte "sofort beseitigt" wurden, weiß ich nun auch nicht. Falls du damit aber auf die wesentlich konsequentere Entnazifizierung nach Kriegsende anspielst, so begrüße ich diese ausdrücklich!

Und ich kann dir versichern, dass es etliche Menschen gab, die es nach Ende des Zweiten Weltkriegs als überaus angenehm empfanden, in einem Staat leben zu können, in dem nicht nach kürzester Zeit mitverantwortliche Nazischergen wieder in verantwortlicher Position saßen, der zumindest versucht hat, sich dem Prinzip des Kapitalismus, der letztlich im deutschen Faschismus seine ungeschönte, hässliche Fratze zeigte und seinen menschenverachtenden Höhepunkt erreicht hatte, zu entziehen und eine Gesellschaft nach sozialistischem Vorbild aufzubauen, das seiner Bevölkerung ein Leben frei von Existenzängsten ermöglicht. Das lässt sich nicht leugnen und muss akzeptiert werden.
Was, wenn nicht ein Staat, der es bis zu Letzt für absolut legitim hielt auf die eigene Bevölkerung zu schießen, ein Staat der es für notwendig hielt einen Grenzwall zu errichten mit Minenfeldern (!) und ständigen Patrouillen. Und das nicht als Bollwerk gegen den kapitalistischen Feind im Westen sondern als Käfig für das eigene Volk!
Gerade du als "Geschichtsbelesener" solltest eigentlich wissen, dass es sich um keine einfache Staatsgrenze handelte, sondern um die Grenze zwischen DEN beiden Weltmächten, zwischen zwei sich feindlich gegenüberstehenden, grundverschiedenen Systemen! Es ist naiv und falsch, anzunehmen, die DDR-Staatsmacht hätte allein über diese Grenze entscheiden können. Was meinst du wohl, welchen Einfluss der gesamte Warschauer Pakt, allen voran die Sowjetunion, auf die Gestaltung dieser Grenze hatte? Wie kannst du annehmen, die DDR hätte hier auch nur irgendetwas souverän entscheiden können?! Die Berliner Mauer und das allgemeine Dichtmachen der Grenzen hatte übrigens in der Tat auch eine Abwehrfunktion gegen den kapitalistischen Westen, ganz klar. Es ging darum, dem Abwerben von Arbeits- und Fachkräften Einhalt zu gebieten, Spione auszuschließen, den Abfluss subventionierter Waren zu verhindern etc.
Ein Staat, der von diesem seinem Volk Geruchsproben nahm um die Arbeit scharfer Hunde zu erleichtern.
Das hat nichts speziell mit der DDR zu tun, sondern wird auch heutzutage praktiziert.
Und weiter: Was, wenn nicht ein Staat, der es billigte, dass der Rote Schirmherr ein Feld, in dem sich Fahnenflüchtige befanden, nicht etwa mit Soldaten durchkämmt sondern mit MG-Salven mäht und anschließend in Brand steckt. Und das nicht in den 60ern sondern in den späten 80ern!
Davon weiß ich nichts, möchte es aber auch nicht auszuschließen. Kannst du mir eine Quelle nennen?
Wenn man aber davon ausgeht, dass die Anwendung menschenunwürdiger Methoden einen Staat zu einem menschenunwürdigen Regime machen, dann träfe diese Bezeichnung sicherlich auf so gut wie jeden Staat zu...
Ein Staat, in dem Menschrechte nichts wert waren, wo viele sogar komplett eingeschränkt wurden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung? Kannst du knicken. Rede- und Pressefreiheit? Wozu denn bitte? Persönlichkeitsrechte, Schutz vor Folter und Körperstrafen? Braucht kein Mensch! Für Privatsphäre gilt das natürlich auch. Religions- und Reisefreiheit sind selbstredend einschränkbar. Berufsfreiheit? Klar, wer studieren will sollte aber bitte vorher eine Offizierslaufbahn durchlaufen oder wenigstens auf „freiwilliger Basis“ einen verlängerten Wehrdienst ableisten – ganz zu schweigen davon, dass du deinen Meistertitel nur machen kannst wenn du zuvor in die Partei eintrittst. Denn schon die Kinder konnten es besingen: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!“ Na wenn das mal nicht menschenunwürdig ist, was dann?
Ja, das ist menschenunwürdig, aber auch nichts DDR-spezifisches. Ähnliches war und ist leider auch woanders zu beobachten, auch hierzulande. Mal ganz allgemein: Was meinst du, was vor der "68-er Generation" und dem Umschwenken auf eine liberalere, gerade auch Ost-Politik in den 1970ern in der BRD los war? Berufsverbote etc.?
Und vor allem auch ein System, in dem Volksverhetzer, Republik- und Demokratiefeinde vergangener Tage als Helden verehrt wurden (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, weißt’e bescheid) und verehrt werden mussten (ja, dazu gab es einen Zwang und das bereits für Kinder).
Ich war selbst Kind in der DDR. ;)
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren "Volksverhetzer" und "Demokratiefeinde"? Ehrlich gesagt ist dies der Punkt deiner Ausführungen, an dem ich mich ernsthaft frage, wessen Geistes Kind du bist. Keine Ahnung, welcher reaktionäre Geschichtsprofessor dir diesen Humbug eingebleut hat oder aus welcher gesellschaftlichen Schicht du stammst, dass du so einen Schwachsinn behauptest, aber eigentlich wäre bereits hier jede gemeinsame Gesprächsgrundlage zerstört.
Im Übrigen reden wir hier auch von einem Staat, der die Gesellschaft durch und durch militärisch organisierte oder zumindest mit äquivalenten Strukturen versah – und das bereits auf Kinder bezogen. Panzer in Großstädten haben da natürlich nur eine rein befriedende Wirkung.
Das stimmt, wobei sich jeder Staat während des Kalten Krieges permanent für den Ernstfall bereitgehalten hat. Das mag nervig und bescheuert sein, ein "menschenunwürdiges Regime" macht dies aber meines Erachtens noch nicht aus.
Bux, im Ernst, welches historische Halbwissen (Guido Knopp?) verleitete dich denn zu dieser Äußerung? Und da geht’s mir ganz und gar nicht um die vom Braumeister angesprochene typische Ost-West-Diskussion. Die ist hier gar nicht notwendig.
Wenn es um Geschichte geht, dürften die meisten - inkl. deiner - lediglich über Halbwissen verfügen, insofern kannst du dir deine "Ich habe Geschichte studiert, in den Staub mit euch!"-Arroganz auch gern mal sparen. ;) Dass ich mit Knopp nix am Hut habe, sollte dir bekannt sein.

Meine Informationen beziehe ich aus erster Hand, einer hobbymäßiges Beschäftigung mit dem Thema der jüngsten deutschen Geschichte und zu einem geringen Teil sogar noch aus eigener Erfahrung.
Wenn das als bloße Satire durchgeht und überhaupt gar keinen verharmlosenden Charakter hat, dann können wir uns doch auch mal folgendes Vorstellen. Der Großvater meiner Ex schwärmte bis zu Letzt von den vielen tollen Sommern im Ferienlager der HJ. Na warum machen wir nicht einmal darüber eine hübsche Komödie? Die Kiddies spielen schön Cowboy und Indianer, die Jugendlichen dürfen im See schwimmen und mal mit einem Gewehr schießen. Blenden wir doch das Eklige aus und zeigen wie schön es auch war. Das ist ja dann satirisch! Kann man nicht vergleichen, sagst du? Aber gewiss doch! Gerade diese zwei politischen Extreme und die Strukturierung der Gesellschaft in ihnen sind absolut vergleichbar! Eher noch als der Blick auf das Kaiserreich!
Wie wäre es denn mit einem Äquivalent zu „NVA“? Nennen wir die romantische Liebeskomödie doch „Wehrmacht“. Da wird eingezogen, angekleidet und ein wenig exerziert. Abends stillt man sich dann aus der Kaserne und gibt sich Liebeleien mit den örtlichen Schönheiten hin. Für ein bisschen Drama bauen wir abschließend noch ein wenig Fahnenflucht mit anschließender Exekution ein. Na das wäre ein Spaß! Oder „Good Bye, Adolf!“ – großartig wäre das. Da fällt die Mama 1941 ins Koma und wacht erst in den Fünfzigern wieder auf. Und damit sie keinen Schock erleidet spielen wir ihr einfach vor, dass der Krieg gewonnen wurde und der bolschewistische Feind vernichtend geschlagen wurde. Einer parodiert noch hübsch den Goebbels per Volksempfänger und fertig ist die satirische Komödie für die ganze Familie. Und vor allem könnte man dann diesen furchtbar deprimierenden „Der Untergang“ aus dem Gedächtnis streichen!
Wäre das verharmlosend oder nur satirisch? Wäre das überhaupt in irgendeiner Form moralisch vertretbar? Gute Frage, oder etwa nicht? Natürlich fällt mir da auf Anhieb Charlies großer Diktator ein, oder die beknackte Parodie vom Helge. Kann man ja machen. Man sollte vielleicht auch über derartige Zeiten mal lachen können. Aber das der notwendige kritische Hintergrund im Bezug auf die Nazizeit vorhanden ist aber im Bezug auf die DDR-Zeit (gerade innerhalb der sogenannten Ostalgie-Welle) absolut zu wünschen übrig lässt beweist doch schon dein Kommentar. „Der große Diktator“ betrat in einer Zeit die Lichtspielhäuser als ausnahmslos jeder verstand was gemeint ist. Und Helges Interpretation der Führerfigur wurde von den Medien entsprechend aufgearbeitet. Bei DDR-Komödien passiert das nicht! Die kann man getrost für sich sprechen lassen, obwohl die negativen Seiten der Zeit ausgeblendet werden. Klar gab’s auch gute Sachen, keine Frage. Impfpflicht und medizinische Versorgung, das Schulsystem und die soziale Sicherheit sind absolut erwähnenswert. Wie hübsch die Jugend im NS-Regime zu sich selbst fand kann man dann aber auch mal zeigen.
Lange musste ich darauf warten, doch hier ist sie endlich: Die Nazi-Keule! :mrgreen:
Erzähl mir nichts von irgendwelchen Geschichtskenntnissen, wenn du es als legitim erachtest, diesen mundtot machen sollenden Nazivergleich heranzuziehen und damit ins gleiche Horn zu stoßen wie diejenigen, die damit nicht nur jegliche positive Erinnerung an den "Realsozialismus" als unmoralisch und empörend brandmarken, sondern auch die Greuel des NS-Regimes relativieren wollen. Die Gleichsetzung eines Regimes, das Krieg und Völkermord von vornherein als Zielsetzung hatte, mit einem, das einer kommunistischen Utopie nachhing, verbietet sich außerhalb von Stammtischen von selbst.

Deine Annahme, dass die kritische Auseinandersetzung mit der DDR zu wünschen übrig lasse, ist richtig und falsch zugleich. Falsch ist, dass sie verharmlost werden würde, im Gegenteil: Sie wird verteufelt. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung wurde unter der Kohl-Regierung durch Kinkel die Doktrin ausgegeben, die DDR bzw. den "Realsozialismus" mit allen Mitteln zu delegitimieren, losgelöst von der deutschen Geschichte, die erst zu ihrer Existenz geführt hat. Das Märchen von den "zwei deutschen Diktaturen" wurde weiterhin bedient und ein Zerrbild gezeichnet, in dem sich viele Ostdeutsche, aber auch Westdeutsche nicht mehr wiedererkannt haben. Filme wie "Good Bye, Lenin!" und vor allem "Sonnenallee" propagieren in keiner Weise die Politik der SED, sondern räumen lediglich mit dem Trugschluss auf, dass man in der DDR keinen Spaß haben konnte und sich der Alltag wenn überhaupt nur marginal von dem unter der NS-Herrschaft unterschied, waren ja schließlich beides Diktaturen und "menschenunwürdige Regime"... Wenn das bereits als verharmlosend und gefährlich empfunden wird, ist das Beweis dafür, wie allgegenwärtig jene Doktrin noch immer ist.

Damit wurde eines in unseren ach so modernen Zeiten meines Erachtens schlimmsten Relikte aus unrühmlicher Vergangenheit beibehalten, das bis heute fleißig genährt wird: Der Antikommunismus, der eine sachliche Debatte schon immer zu verhindern wusste und es noch immer tut. Richtig ist nämlich, dass eine wirkliche kritische Auseinandersetung noch immer kaum stattfindet, sondern nach wie vor bestimmt ist von Ideologie - sowohl der kapitalistischen, als auch linker.

Ich bin kein Kommunist, ich würde mich auch nicht als politischen Menschen bezeichnen. Ich bemühe mich lediglich um ein politisches Bewusstsein, vor allem ist mir an einer Versachlichung der Debatte gelegen. Bei einer sachlichen Herangehensweise an die Thematik ließe sich viel Interessantes entdecken und für die Zukunft lernen, was bei einer grundsätzlichen Verteufelung natürlich nicht möglich ist. Warum z.B. wird man noch immer wie ein Verfassungsfeind behandelt, wenn man für die Vergesellschaftlichung von Schlüsselindustrien eintritt, was ich persönlich für eine unterstützenswerte politische Position halte?

Aber ich möchte hier jetzt auch gar keine politischen Diskussionen lostreten (zu spät, ich weiß...), sondern lediglich deine Hysterie in Bezug auf das Thema hinterfragen bzw. hinterfragt haben.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Good Bye, Lenin! - Wolfgang Becker (2003)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 20.01.2023 bei Filmjuwelen noch einmal auf Blu-ray und DVD:

Bild Bild

Extras:
- Making Of, Hintergrundinfos, Kurioses vom Dreh
- Gekürzte Szenen, Outtakes
- Zeittafel der Ereignisse, Biografien
- Trailer, Weitere Highlights
- O-Card-Schuber, Wendecover

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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