Was ist denn bitte ein „menschenunwürdiges Regime“, lieber Bux, wenn nicht auch ein diktatorisch organisierter (ein unanfechtbares Einparteiensystem entspricht dieser Kategorisierung – keine Diskussion!), nahezu totaler Überwachungsstaat, in dem alle unliebsamen Subjekte sofort beseitigt wurden? Was, wenn nicht ein Staat, der es bis zu Letzt für absolut legitim hielt auf die eigene Bevölkerung zu schießen, ein Staat der es für notwendig hielt einen Grenzwall zu errichten mit Minenfeldern (!) und ständigen Patrouillen. Und das nicht als Bollwerk gegen den kapitalistischen Feind im Westen sondern als Käfig für das eigene Volk! Ein Staat, der von diesem seinem Volk Geruchsproben nahm um die Arbeit scharfer Hunde zu erleichtern. Und weiter: Was, wenn nicht ein Staat, der es billigte, dass der Rote Schirmherr ein Feld, in dem sich Fahnenflüchtige befanden, nicht etwa mit Soldaten durchkämmt sondern mit MG-Salven mäht und anschließend in Brand steckt. Und das nicht in den 60ern sondern in den späten 80ern!buxtebrawler hat geschrieben:Bei aller angebrachten Kritik der DDR und der Verurteilung ihrer selbstverantworteten Demokratiedefizite und ihres zu zahlreichen falschen bis verwerflichen Entscheidungen geführt habenden autoritären Zentralismus, aber ein "menschenunwürdiges Regime" ist dann doch noch mal etwas anderes.purgatorio hat geschrieben:(...) die letzten - zu der Fraktion gehöre dann wohl auch ich - lehnen sie eigentlich ab, da ein menschenunwürdiges Regime wie dieses nicht so verharmlost werden sollte wie es durch plumbe und teils niveaulos-doofe (Liebes-)Komödien der Fall ist.
Ein Staat, in dem Menschrechte nichts wert waren, wo viele sogar komplett eingeschränkt wurden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung? Kannst du knicken. Rede- und Pressefreiheit? Wozu denn bitte? Persönlichkeitsrechte, Schutz vor Folter und Körperstrafen? Braucht kein Mensch! Für Privatsphäre gilt das natürlich auch. Religions- und Reisefreiheit sind selbstredend einschränkbar. Berufsfreiheit? Klar, wer studieren will sollte aber bitte vorher eine Offizierslaufbahn durchlaufen oder wenigstens auf „freiwilliger Basis“ einen verlängerten Wehrdienst ableisten – ganz zu schweigen davon, dass du deinen Meistertitel nur machen kannst wenn du zuvor in die Partei eintrittst. Denn schon die Kinder konnten es besingen: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!“ Na wenn das mal nicht menschenunwürdig ist, was dann?
Und vor allem auch ein System, in dem Volksverhetzer, Republik- und Demokratiefeinde vergangener Tage als Helden verehrt wurden (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, weißt’e bescheid) und verehrt werden mussten (ja, dazu gab es einen Zwang und das bereits für Kinder). Im Übrigen reden wir hier auch von einem Staat, der die Gesellschaft durch und durch militärisch organisierte oder zumindest mit äquivalenten Strukturen versah – und das bereits auf Kinder bezogen. Panzer in Großstädten haben da natürlich nur eine rein befriedende Wirkung. Bux, im Ernst, welches historische Halbwissen (Guido Knopp?) verleitete dich denn zu dieser Äußerung? Und da geht’s mir ganz und gar nicht um die vom Braumeister angesprochene typische Ost-West-Diskussion. Die ist hier gar nicht notwendig.
Wenn das als bloße Satire durchgeht und überhaupt gar keinen verharmlosenden Charakter hat, dann können wir uns doch auch mal folgendes Vorstellen. Der Großvater meiner Ex schwärmte bis zu Letzt von den vielen tollen Sommern im Ferienlager der HJ. Na warum machen wir nicht einmal darüber eine hübsche Komödie? Die Kiddies spielen schön Cowboy und Indianer, die Jugendlichen dürfen im See schwimmen und mal mit einem Gewehr schießen. Blenden wir doch das Eklige aus und zeigen wie schön es auch war. Das ist ja dann satirisch! Kann man nicht vergleichen, sagst du? Aber gewiss doch! Gerade diese zwei politischen Extreme und die Strukturierung der Gesellschaft in ihnen sind absolut vergleichbar! Eher noch als der Blick auf das Kaiserreich!buxtebrawler hat geschrieben:Im Übrigen ist es ein legitimes Mittel, autoritären Strukturen etc. dadurch an den Karren zu pissen, indem man sie ins Lächerliche zieht, sich über sie lustig macht - wie es z.B. in Filmen wie diesem oder auch "Sonnenallee" praktiziert wird. Das hat mit "Verharmlosung" nichts zu tun. Wer das Thema ausschließlich in düsteren Melodramen verarbeitet sehen will, kann sich ja an irgendwelche Sat.1-TV-Produktionen oder sowas halten.
Wie wäre es denn mit einem Äquivalent zu „NVA“? Nennen wir die romantische Liebeskomödie doch „Wehrmacht“. Da wird eingezogen, angekleidet und ein wenig exerziert. Abends stillt man sich dann aus der Kaserne und gibt sich Liebeleien mit den örtlichen Schönheiten hin. Für ein bisschen Drama bauen wir abschließend noch ein wenig Fahnenflucht mit anschließender Exekution ein. Na das wäre ein Spaß! Oder „Good Bye, Adolf!“ – großartig wäre das. Da fällt die Mama 1941 ins Koma und wacht erst in den Fünfzigern wieder auf. Und damit sie keinen Schock erleidet spielen wir ihr einfach vor, dass der Krieg gewonnen wurde und der bolschewistische Feind vernichtend geschlagen wurde. Einer parodiert noch hübsch den Goebbels per Volksempfänger und fertig ist die satirische Komödie für die ganze Familie. Und vor allem könnte man dann diesen furchtbar deprimierenden „Der Untergang“ aus dem Gedächtnis streichen!
Wäre das verharmlosend oder nur satirisch? Wäre das überhaupt in irgendeiner Form moralisch vertretbar? Gute Frage, oder etwa nicht? Natürlich fällt mir da auf Anhieb Charlies großer Diktator ein, oder die beknackte Parodie vom Helge. Kann man ja machen. Man sollte vielleicht auch über derartige Zeiten mal lachen können. Aber das der notwendige kritische Hintergrund im Bezug auf die Nazizeit vorhanden ist aber im Bezug auf die DDR-Zeit (gerade innerhalb der sogenannten Ostalgie-Welle) absolut zu wünschen übrig lässt beweist doch schon dein Kommentar. „Der große Diktator“ betrat in einer Zeit die Lichtspielhäuser als ausnahmslos jeder verstand was gemeint ist. Und Helges Interpretation der Führerfigur wurde von den Medien entsprechend aufgearbeitet. Bei DDR-Komödien passiert das nicht! Die kann man getrost für sich sprechen lassen, obwohl die negativen Seiten der Zeit ausgeblendet werden. Klar gab’s auch gute Sachen, keine Frage. Impfpflicht und medizinische Versorgung, das Schulsystem und die soziale Sicherheit sind absolut erwähnenswert. Wie hübsch die Jugend im NS-Regime zu sich selbst fand kann man dann aber auch mal zeigen.
So, sry wegen des Spams, aber ich musste mir Luft machen.
PS: bevor jemand schimpft - alles bezieht sich auf die Äußerungen vom Bux, nicht auf den hier eigentlich zu besprechenden Film im speziellen