Originaltitel: Manhattan Baby
Regisseur: Lucio Fulci
Kamera: Guglielmo Mancori
Musik: Fabio Frizzi
Drehbuch: Elisa Briganti, Dardano Sacchetti
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Der Archäologe, George Hacker, entdeckt während seiner Forschungen in Ägypten das Grab des Pharaos Habnubenor. Entgegen der eindringlichen Warnung seitens der einheimischen Hilfskräfte betreten Hacker und sein Gehilfe Hassan die verfluchte Grabkammer, wo sie postwendend von fiesen Fallen überrascht werden, sodass Hassan sein Leben und Hacker sein Augenlicht verliert. Nahezu zeitgleich erhält Hackers kleine Tochter, die gemeinsam mit ihrer Mutter die Sehenswürdigkeiten im Land der Pharaonen bestaunt, von einer blinden Frau ein Amulett , welches sie bereitwillig im Empfang nimmt, was wiederum dem bösen Zauber vom Nil ermöglicht, die Hackers in ihre New Yorker Heimat zu begleiten…
Der Stoff aus dem „Amulett des Bösen“ geschneidert ist, findet sein Schnittmuster in Friedkins „Der Exorzist“, dessen Sequel „Der Ketzer“ sowie Hoopers „Poltergeist“. Dieses (auch als „Manhattan Baby“ firmierende) Fulci-Werk wurde im selben Jahr wie „Der New York Ripper“ fertig gestellt und erblickte somit im Anschluss an Fulcis Seil-Insel-Stadt-Mauer-Quartett die Welt der italienischen Lichtspiele. Jene Popularität und Beliebtheit mit der sich die fünf genannten Titel rühmen, kann „Amulett des Bösen“ freilich nicht verbuchen, allerdings steht dieses interessante Werk immerzu bereit, um neu entdeckt und gegebenenfalls nachträglich geadelt zu werden.
Von ansprechenden Bildkompositionen begleitet schwingt der Zuschauer gemeinsam mit den Protagonisten zwischen zwei Welten. Dieses mehrfache Überschreiten der imaginären Grenze lässt ihn (den Zuschauer) relativ schnell registrieren, dass Fulcis Film Türen (in ihrer Eigenschaft als Barriere zwischen einem Dies- und Jenseits) sowie das Auge respektive den Blick zu einer (seinen Film) regierenden Einheit formt. Inmitten dieser mächtigen Regentschaft zentralisiert der Regisseur ein Amulett, welches das dritte Auge Habnubenors, dem grausamen Pharao, auf dessen Grab ein Fluch lastet, symbolisiert. Dieses Amulett besitzt die Kraft seine Betrachter in Trance zu versetzen und sie zum Eintritt in die Todeswelt des Pharaos zu verführen. Diese Verführungskraft erinnert an das chinesische Märchen von dem Maler, der von seinem Gemälde derart beeindruckt war, dass er den (von ihm gemalten) im Tal wurzelnden, zwischen Wäldern gelegenen und in die Bergwelt führenden Weg unbedingt beschreiten wollte. Also ging er in das Bild hinein, wanderte ins Unendliche und ward nie wieder gesehen. Diese aufgehobene Distanz zwischen Mensch und Kunstwerk lässt sich sehr wohl mit der Schwellenüberschreitung, welche innert Fulcis´ Film fortwährend praktiziert wird, vergleichen. Das Betreten einer fremden, durchweg abjekten Welt, deren Zugang eigentlich nur über die Phantasie möglich ist, da sie (die andere Welt) doch nur in den Märchen und Schauergeschichten beheimatet ist, geht demzufolge mit dem Aushebeln der alltäglichen Logik einher. Das Amulett kann somit als ein Zugangscode betrachtet werden, der durch die Grabentweihung aktiviert wurde, und (ähnlich dem von Charon geforderten Obolus) die fixierte Person zum Einritt in die andere Welt berechtigt beziehungsweise beordert. Dieses fremde Reich unterliegt dem Pharao, Habnubenor, dessen Auge einen Teil des umrissenen Amuletts darstellt. Der Blick des Pharaos fixiert somit fortwährend die Person, deren Augen das Amulett inspizieren. Die daraus resultierende Kollision bewirkt, dass das Auge des Habnubenor seinem „Gegenüber“ jeglicher Willenskraft beraubt und einhergehend in seinen Bann zieht. Schaut man sich die frühe Szene, in der George Hacker mit einer (kurzzeitigen) Erblindung gestraft wird, etwas genauer an, so lässt die Ursache der Erblindung (der Blick ins Auge des Habnubenor) gar Parallelen zum Haupt der Medusa, deren Anblick derart grauenvoll war, dass es jedes sein Antlitz erblickende Lebewesen zu Stein erstarren ließ, ausmachen. Die Geschichte der Medusa ist zugleich die Geschichte des Perseus, der dem König von Seriphs, Polydektes, versprach, ihm das Haupt der Medusa zu bringen, sodass dieser (Polydektes) es im angeblichen Werben um eine Prinzessin als Geschenk überreichen könne. Hinter dem Wunsch verbarg sich jedoch die List, denn Polydektes war in Perseus Mutter, Danae, verliebt, die ihn jedoch verachtete, sodass Perseus seine Mutter vor dem Stalker beschützen musste. Demnach hoffte Polydektes, dass Persues dem versteinernden Blick der Medusa zum Opfer fallen würde. Doch der gerissene König hatte Athene, die Todfeindin der Medusa, nicht auf der Rechnung, welche Perseus mit einem Bronzeschild ausstattete, in dem er (quasi als Spiegelbild) die Gorgone betrachten konnte und so vor dem versteinernden Blick geschützt war. Mithilfe des Schildes, Flügelsandalen und einer Tarnkappe gelang es Perseus die Schreckgestalt zu enthaupten, aber ohne die Macht der Fratze zu entkräften, sodass das er beispielsweise das Medusenhaupt nutze, um den Riesen Atlas zu bekämpfen und ihn in ein Gebirge zu verwandeln. Später übergab er das Haupt Athene, die es an ihre Aegis, das Ziegenfell, welches ihr als Schild und Schutz gegen ihre Feinde diente, heftete. Und wer jetzt verstanden hat, warum manchmal die Rede von einer Schirmherrschaft respektive von einer Ägide die Rede ist, der/die kann bestimmt auch nachvollziehen, warum ich in der griechischen Mythologie wildere und das Schild der Athene mit dem Amulett des Habnubenor assoziiere.
In Anbetracht der Inspiration, welche „Amulett des Bösen“ aus erwähntem „Der Exorzist“ und meinetwegen auch „Das Omen“ zieht, ist es auffällig, dass in Fulcis Film keine religiösen Symbole genutzt werden, um erfolgreich gegen das Böse anzutreten. Weder geweihtes Wasser noch das christliche Kreuz, die religiösen Utensilien, die den cineastischen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen über die Jahrzehnte und bis in die Gegenwart dominier(t)en, erhalten ihre heilenden wie den Dämon vernichtenden Einsätze und werden von Fulci fortwährend ignoriert. Es wäre interessant zu wissen, wie dieses Verfahren, die Nichtbeachtung kirchlicher Ingredienzien, von den religiösen Filmdienstschergen rezipiert wurde. Ob sie die fehlende, in ihren Augen eigentlich blasphemische Nutzung geheiligter Utensilien, diesmal gar als ein, ich sage mal, divergierendes Ablassventil nutzten? Schließlich entlässt uns der Film mit der Gewissheit, dass das Böse auch über das Filmende hinaus walten wird, sodass in naher Zukunft beide Welten miteinander verschmelzen und zu einem einzigen Hort des Abjekten transformieren werden. Die prophezeite Schlacht von Armageddon, die Schlacht zwischen „Gut“ und „Böse“, würde demnach nicht stattfinden, da das „Gute“ nicht einmal den Versuch startete, das „Böse“ am Endsieg zu hindern.
Fazit: Trotz fehlender Identifikationsangebote seitens der Hauptcharaktere sollte es den rezeptionsfähigen Zuschauern sehr wohl gelingen erfolgreich in die Bildkader einzutreten, sodass diese (die Zuschauer) als aufmerksame Beobachter zwischen die Geschehnisse rücken, um erfolgreich zu einem Film verführt zu werden, der - jetzt kommt die Standardfloskel, aber sie spiegelt nun mal meine Meinung wieder - schwer unterschätzt wird.