Jess Franco Gold Collection aus dem Hause Galileo Medien AG, Frontansicht des Schubers
Jack the Ripper (Deutschland, Schweiz 1976, Originaltitel: Jack the Ripper)
Klaus schlitzt Lina auf (ich prangere das an)
Dr. Dennis Orloff (Klaus Kinski) geht am Tage einer ehrenwerten Tätigkeit nach. Der Arzt behandelt in seiner Praxis die armen Leute Londons, seine Patienten sind ihm dankbar und ergeben. In den finsteren Nächten fällt die Maske des Wohltäters, er fällt Prostituierte an und ermordet die Frauen auf bestialische Weise, von der Presse bekam er den Namen Jack the Ripper verpasst. Inspektor Selby (Andreas Mannkopff) kommt mit seinen Ermittlungen nicht voran, ausgerechnet ein blinder alter Mann (Hans Gaugler) ist momentan der zuverlässigste Zeuge. Tatsächlich kann der Blinde erstaunlich gute Angaben bezüglich des Täters machen, im Gegensatz zu den ansonsten meist widersprüchlichen Aussagen anderer Beobachter. Eines Tages fischt der Tagedieb Charlie (Herbert Fux) fischt eine abgetrennte Hand aus dem Wasser, kommt dadurch dem Ripper auf die Spur. Auch die Inspektor Selby nahestehende Cynthia (Josephine Chaplin) mischt sich in den Fall ein, sie verkleidet sich als Freudenmädchen um den Schlächter anzulocken. Mit ihrer waghalsigen Aktion will sie dem Kriminalisten unter die Arme greifen, ein fataler Fehler...???
Filme zum Thema
"Jack the Ripper" gibt es alle Jahre wieder, auch der von mir sehr geschätzte Spanier Jess Franco nahm sich des Stoffes an. Der Film entstand im Rahmen der sehr fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Schweizer Produzenten Erwin C. Dietrich, für dessen Unternehmen Franco in der Zeit von 1975 bis 1977 tätig war. Für die Titelrolle konnte man Klaus Kinski gewinnen, der seinen Part mühelos aus dem Ärmel schüttelt, herrlich. Obwohl aus Kostengründen in der Schweiz gedreht wurde, kommt die
"neblige Londonatmosphäre" sehr schön rüber, bleiche Schwaden ziehen wie seidige Leichentücher durch die engen Gassen
(oh weh, die Medikation des Verfassers muss erneut angepasst werden). Das Drehbuch baut nicht auf eine spannende Enttarnung des Killers, die Maske fällt bereits in der Anfangsphase des Streifens. Problematisch ist diese Ausrichtungs keinesfalls, denn im Mittelpunkt steht die kernige Leistung Kinskis, sowie die nicht minder überzeugende Truppe der Nebendarsteller, die teils
knuffig-groteske Auswüchse vom Stapel lassen.
Klaus Kinski bleibt unvergessen, sicher für manche Menschen noch immer ein Reizthema, ohne Zweifel ein kantiges und kauziges Denkmal der Filmgeschichte. Egal ob seine oft skurrilen Auftritte nur der Imagepflege dienten oder echt waren, langweilig war Klaus Kinski nie. Als Ripper glotzt er mit beängstigend stechenden Blicken auf seine Opfer herab, verliert abseits seiner Untaten
(zunächst) nur erstaunlich selten die Contenance. Eine meiner liebsten Szenen ist die Zurechtweisung der aufdringlichen Vermieterin, die den Arzt offensichtlich enger an sich binden möchte, ihm nicht nur die Tür ihres Hauses zu öffnen gedenkt. Keine Chance, Doc O. pöbelt sie im Schnellverfahren nieder, armes MILF-Tantchen. Die Seelenqualen des Rippers werden thematisiert, die Erklärungsansätze bieten jedoch keine Überraschungen. Andreas Mannkopff bleibt als Inspektor Selby recht blass, nicht nur Kinski lässt ihn in den Hintergrund rücken. Passt schon, denn das übrige Ensemble sorgt für etliche Glanzpunkte, darunter auch des Chefermittlers Helferlein Sergeant Ruppert (Peter Nüsch). Josephine Chaplin hat weitaus mehr Feuer unterm Hinters als ihr dröger Bullenfreund Selby, Ursula von Wiese nagt als besserwisserische Alte an den Nerven der Beamten, sie mahnt Moral und Züchtigkeit an, ihr Gezeter zauberte mir mehrfach ein feistes Grinsen aufs Gesicht. Hans Gaugler spielt den klugen, feinfühligen Blinden großartig, nebenbei sehr sympathisch und warmherzig. Gesichtsruine Herbert Fux sehen wir passenderweise als verschlagenen Erpresser und Taugenichts, seine abstossende Fratze muss man einfach lieben. Für die nötige Erotik sorgt Francos Gattin Lina Romay, die als Bartänzerin einen unfassbar scharfen Auftritt hinlegt. Wie so oft hing mir bei ihrem Anblick die Zunge vor Gier aus dem Hals, bei Lina kommt sogar ein scheintoter Knacker auf Touren. Leider fällt Lina dem böööösen Herrn Kinski zum Opfer, Franco nutzt diese Tat zum einzigen wirklich ruppigen Gewaltausbruch dieses Films. Vor dem Mord jagt der Ripper sein Opfer durchs Gebüsch, nimmt sie dann aufgeschlitzt ran, versucht sich wenig später als Metzger.
"Irgendwie" passt diese plötzliche Exzessflut nicht zum Rest, allerdings wird sie nur sehr empfindlichen Zuschauern an die Nieren gehen
(uuaaahhh...). War Jess sauer auf seine Lina, man(
n) zerhackt diesen feuchten Traum doch nicht einfach so
(grins)?
"Jack the Ripper" punktet mit seiner bemerkenswerten Mannschaft vor der Kamera, bietet eine überwiegend sehr schöne und gruselige Atmosphäre, hat Humor und eine Prise Erotik im Gepäck. Auch
"Franco-Skeptiker" dürfen einen Blick riskieren, der Film gehört zu den bodenständigeren Werken des Regisseurs. IMHO bietet sich ein unterhaltsames Double Feature mit
"Im Schatten des Mörders an" (La noche de los asesinos), ebenso ein für
"normale" Menschen zugänglicheres Kind des Spaniers. Für mich zählt
"Jack the Ripper" nicht zu den Höhepunkten Francos, gute und kurzweilige Unterhaltung werden aber zu jeder Sekunde geboten
(daran ändert auch Linas unangemessenes Ende nichts). Der Flick liegt mir als Beitrag zur
"Jess Franco Gold Collection" vor, das Set enthält weiterhin die folgenden Sausen:
• Greta - Haus ohne Männer
• Blue Rita
• Love Letters of a portugese Nun
• Women in Cellblock 9
• Voodoo Passion
• Barbed Wire Dolls
• Wicked Women
Die DVD bietet den Film ungekürzt und in solider Qualität an. Das Set kommt als schickes Digi mit Schuber, für Franco-Fans
(eventuell auch für mutige Neulinge) ein klarer Pflichtkauf! Alternativ kann man den Film auch einzeln erwerben, ergo sind Ausreden ungültig!
7/10 (gut + diverse Wohlfühlpunkte)
Lieblingszitate:
"Zum Teufel! Sie verdammte Kröte!"
&
"Sie hatte ihre letzte Periode zu Methusalems Zeiten."