Handlung:
Die kleine Roberta (Nicoletta Elmi) reist nach Venedig um ihren Vater
James Bond Franco (George Lazenby) zu besuchen. Dort wird sie Opfer eines mysteriösen Kindermörders, als Franco gerade die Octopussy einer Dame erkundet. Obwohl er keine Lizenz zum Töten hat, sucht er den Killer um ihn für das Leben seiner Tochter sterben zu lassen. Dabei hilft ihm seine Frau Elizabeth (Anita Strindberg), denn zu so einer traurigen Pflicht sagt man niemals nie
…(Es ist wirklich traurig, dass ich es bei all diesen dummen und unsinnigen James-Bond-Anspielungen nicht einmal geschafft habe den Filmtitel, in dem Lazenby tatsächlich mitspielt einzubringen.
)
Kritik:
„The Child – Eine Stadt wird zum Alptraum“ gehört sicherlich zu den deprimierenderen Filmen des Giallo-Genres. Dies liegt einerseits an der traurigen Handlung an sich, die sich mit Kindermord beschäftigt, als auch an der Art wie diese Handlung von Aldo Lado umgesetzt wurde. Die eigentliche Handlung, das Aufklären des Mordes, setzt zirka erst nach einer halben Stunde ein. Das erste Drittel verbringen wir mit Franco und Roberta, die Vater-Tochter-Zeugs machen, während sie von einer unbekannten Gestalt beobachtet werden.
In dieser Zeit lernen wir die beiden sympathischen Menschen ein wenig näher kennen: Franco liebt seine Tochter und das ist nachvollziehbar, denn Roberta ist ein intelligentes freundliches verspieltes Mädchen und eine der wenigen Kinderrollen, die mich in letzter Zeit nicht genervt haben. Dies ist sicherlich der grandiosen Nicoletta Elmi zu verdanken, die in diesem Film beweist, dass sie normale Kinder genauso gut verkörpern kann wie obskure Satansbraten.
Die Tragik besteht nun darin, dass wir ganz genau wissen, was geschehen wird.
Hätten es Trailer, Covertexte, ich, Originaltitel, usw. nicht schon längst gespoilert, arbeitet Lado gezielt darauf hin, dass er das Kind sterben lassen wird, und das weis das Publikum. Wir werden also gezwungen uns eine halbe Stunde anzusehen, wie sich Elmi und Lazenby immer mehr in unser Herz einschmeicheln, obwohl wir genau wissen, dass beide ein furchtbares Schicksal ereilen wird.
Der Mord selbst stellt dann den grausamen Höhepunkt da. In einer erschreckenden Schnittfolge wird Roberta vom Killer gefangen, während sich ihr Vater bei einer Frau befindet (Lars Van Trier machte Notizen). Aber Lado hört hier noch nicht auf uns zu quälen, als es schon wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher, ist, dass Roberta tot ist, lässt er ihren verzweifelten Vater noch zehn Minuten nach dem Kind suchen, bis er sofort auf die Begräbnisszene schneidet. Hier liegt übrigens ein kleines Problem, dass ich mit diesem Film habe: Der Schnitt ist ein wenig verwirrend: Beispielsweise arbeiten wir eine halbe Stunde auf den Tod Robertas hin, nur um dann all die Szenen des Vaters, der davon erfährt wegzulassen und gleich auf einen Sarg zu cutten, von dem ich ziemlich lange nicht wusste, wer denn da jetzt drin liegt. Dies kann allerdings von zwei Seiten gesehen werden: Entweder ist es ungeschickt und verwirrend oder es ist brillant und hält den Zuseher gezielt hin. Ich habe es wie ersteres aufgefasst, aber auf einige wird es wahrscheinlich eindrucksvoll wirken.
Um die große Depression noch ein wenig düsterer zu gestalten, bekommen wir als Schauplatz ein vernebeltes Venedig, in dem keinen einzigen Tag die Sonne zu scheinen scheint
und einen Soundtrack bestehend aus einem unheimlichen Kinderchor.
Jetzt könnte man sagen: Aber hey, die Italiener machen doch oft Filme mit deprimierenden Storys, jedoch sind diese Filme dann durch spaßige Charaktere, ulkige Situationen, Übertreibungen, sinnlose Sex-Szenen und ansehnliche Effekte doch eher witzig anzusehen. Dieser aber nicht! Jede Figur, allerhöchstens den einen Reporter ausgenommen, ist todernst. Ein abgemagerte Lazenby und eine verzweifelte Strindberg spielen ihre Hauptrollen seriös und mitreißend, die Nebenrollen derweil sind ernst zu nehmen und düster. Der Film ist wahnsinnig deprimierend, übertreibt aber nicht wie beispielsweise der „New York Ripper“ (Letzte Einstellung: Kleines weinendes Mädchen, welches Krebs hat und gerade Vollwaise geworden ist.
), was ihn nur noch ernst zu nehmender macht. Die Effekte sind gut, aber nicht wirklich erinnerungswürdig (das Ende des Killer vielleicht ausgenommen); Sexszenen gibt es, diese werden aber entweder mit Bildern Robertas in Gefahr untermalt oder durch eine weinende Strindberg unangenehm gemacht.
Da ich gerade über die Hauptcharaktere sprach: Noch eine Tatsache, die den Film viel bedrückender als die meisten anderen Gialli macht: In der Regel haben wir in diesen Filmen einen Helden, der den Killer entweder suchen muss, da beispielsweise er verdächtigt wird („Das Geheimnis des gelben Grabes“); oder einen Helden, der den Killer aus Neugier („Profondo Rosso“) oder beruflichen Interesse („Time to kill, Darling“) sucht. Egal was seine Motivationen sind, der Held kann immer entweder gewinnen oder verlieren: Gewinnen indem er seine Unschuld beweist oder seine Neugierde befriedigt, verlieren indem er seine Unschuld nicht beweist oder vom Killer getötet wird. Hier liegt die Sache anders: Der Held kann nichts mehr verlieren, weil das Kostbarste ihm schon genommen wurde und zu gewinnen hat er aber auch nichts. Egal was er anstellt, ob er den Mörder am Ende schnappt oder nicht, die traurige Ausgangssituation des toten Kindes bleibt so oder so. Und wenn dies dem Zuseher bewusst ist, ist „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ recht schwer durchzustehen.
Fazit: Aldo Lado will mit diesem Film offenbar bedrücken und nicht unterhalten. Obwohl der Film hier und da ein wenig verwirrend ist, erreicht Lado sein Ziel 100%. Durch seine intelligente Regie und einige gute Darsteller wurde der Streifen zu einer düsteren Tragödie, die keinen Silberstreifen entdecken lässt. 8/10
(So traurig, dass ich mich mit dummen James-Bond-Referenzen bei Laune halten muss, während ich darüber nachdenke wie Lazenby den
geheimnisvollen Killer im
Dienst seiner toten Tochter, mit dem Ziel
ihren Mö
rder zu schnappen, sucht und dabei anders vorgeht als
manch
jemand e
s täte – yippie!!!
)