Meine Sichtungseindrücke:
1) DAS GEHEIMNIS DES GELBEN GRABES (L'ETRUSCO UCCIDE ANCORA, 1972)
Nicht einmal, dass ich Armando Crispinos Grusel-Giallo bereits einmal in der italienischen Originalfassung gesehen habe, hatte mich darauf vorbereiten können, was für konfuse Feldhasenhaken der Plot dieses eigenartigen, jedweder äußeren und internen Logik trotzenden Films zu schlagen beliebt. Seine Inkohärenz verdankt L’ETRUSCO UCCIDE ANCORA sicher nicht allein der Tatsache, dass Produzent Artur Brauner für die BRD-Fassung, (vermarktet als Bryan-Edgar-Wallace-Abenteuer), fünf Minuten Handlung dem Schneidetisch zum Opfer fallen ließ, (darunter eine wundervolle Großaufnahme einer J&B-Flasche), denn selbst mit diesen ergibt die Räuberpistole um Morde in einer archäologischen Ausgrabungsstätte, die irgendwie mit einem Karajan-Abziehbildchen, einem alkoholkranken Archäologen sowie einer grausamen Etrusker-Gottheit in Verbindung stehen sollen, kaum einmal Sinn genug, dass es mir trotz Zweit-Sichtung möglich wäre, überhaupt zu sagen, worin nun genau die Motivation des Killers gelegen haben soll: Weil man als Kind zusehen muss, wie die eigene Mutter vom jähzornigen Vater den Kopf an der Heizung verbrüht bekommt, entwickelt man einen Fetisch für rote Schuhe, und metzelt sich durch die Damen einer experimentellen Tanzgruppe, um die Morde sodann dem Ex-Mann der neuen Stiefmama in die Schuhe zu schieben, eh? Großartig immerhin: Horst Frank als schwuchtelnder Choreograph, Riz Ortolanis Score, der teilweise klingt, als würde dort schon für CANNIBAL HOLOCAUST geübt werden, sowie einige stimmungsvolle Momente, wenn Alex Cord durch das mitternächtliche Spoleto strolcht. Da ich L’ETRUSCO UCCIDE ANCORA allerdings sowieso als vehementes Plädoyer gegen exzessiven Alkoholkonsum interpretiere, kann man den Pfeil der Kritik auf einer Meta-Ebene vielleicht aber auch gegen die verantwortlichen Drehbuchautoren wenden: Dass diese nämlich den inflationär aufploppenden Pullen mit dem gelben Etikett nicht zugesprochen haben sollen, kann ich mir kaum vorstellen. Dankenswerterweise saß übrigens Hobby-Archäologe Reini neben mir, der nicht nur während des gesamten Films immer wieder seine Ungläubigkeit ob der Vorgänge auf der Leinwand hinausseufzte, sondern mich auch darüber aufklärte, dass die Ausgrabungssequenzen durchaus der Realität archäologischen Treibens entsprechen.
2) DER NEW YORK RIPPER (LO SQUATATORE DI NEW YORK, 1982)
Auch Fulcis Abgesang auf ein New York voller zerschlitzter Schambereiche, U-Bahn-Lüstlinge und Porno-Kinos hatte ich anders in Erinnerung als er sich mir letztlich auf der Leinwand präsentiert hat, nämlich als durchaus routiniert inszenierten, teilweise arg teuflischen Giallo-/Slasher-Mixtur, die eine sehr, sehr bittere Weltsicht vermittelt, und einen Kuriositäten-Bonus dadurch erhält, dass der Killer tatsächlich mit Donald-Duck-Stimme mordet. Bekommen habe ich auf 35mm nun aber eine reichlich misogyne, relativ episodische, letztlich dramaturgisch wenig ausgefeilte Ansammlung von Fragezeichen, die sich wie beim Vorgängerfilm Crispinos schlussendlich für mich nicht zu einem stimmungsvollen Gesamtbild zusammenaddierten: Weil ich ein an Knochenkrebs erkranktes Töchterchen habe, das seinem baldigen Tod entgegensieht, mutiere ich zum wütenden Enterich, der wahllos Frauen auf bestialische Weise ums Leben bringt, Gefallen daran findet, den ermittelnden Kommissar mit Telefonanrufen zu terrorisieren, und die eigene Freundin, obwohl man unter einem Dach wohnt, nur dann attackiert, wenn die sich gerade allein in der U-Bahn befindet, eh? Sicherlich wird New York schön bzw. hässlich eingefangenen als Vorhof zur Hölle, in dessen dekadentem Pfuhl man keinen Fuß setzen möchte, demgegenüber steht jedoch die absolute Konstruiertheit des Plots – (es gibt quasi fünf bis sechs Hauptfiguren, die allesamt irgendwie miteinander in Beziehungen zueinander stehen, für die die suspension of disbelief heftigst strapaziert wird) –, eine Zeigefreudigkeit von Gewalt gegenüber Frauen, die man nun wirklich nicht anders als selbstzweckhaft bezeichnen kann, und Sleaze- und Schmuddel-Szenen im Sekundentakt, aus denen vor allem diejenige heraussticht, in der Alexandra Delli Collis Vagina mit einem schmierigen Männerzeh Freundschaft schließt – (eine Szene, die Reini erneut völlig aus der Fassung brachte.) Nein, dieser Film wird wohl niemals in meinen persönlichen Olymp des Fulci-Kanons hinaufklettern…
3) NACHTSCHWESTER MÜSSTE MAN SEIN (L'INFERMIERA DI NOTTE, 1979)
Es gibt Geräusche, auf die reagiere ich regelrecht allergisch. Dazu gehört: Das schrille Schreien eines Schweins, das weiß, dass es gleich geschlachtet werden wird, und: Viel zu lautes Staubsaugerschnauben, und: Das Kratzen von Kreide auf einer Schultafel, und: Wenn in italienischen Sexkomödien alle Knallchargen wie wild durcheinanderschreien, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. So geschehen in vorliegendem Gag-Feuerwerk um eine Nachtschwester, die einen vermeintlich todkranken und schwerreichen Onkel aus Übersee (inklusive falschem Bart) pflegen soll, auf dass die Verwandten das Erbe einstreichen, während besagter Onkel aber in Wirklichkeit ein Gauner ist, der es auf einen angeblich mit Brillanten gespickten Kronleuchter abgesehen hat. Die Erotik ist kaum der Rede wert, sprich, die Momenten, in denen Gloria Guidas Busen blitzt, kann man an einer Hand mit drei Fingern abzählen, von dem Plot ganz zu schweigen, der in einem debilen Humorverständnis vor sich hin mäandert, dass es beinahe schon wieder eine Lust ist – wobei ich das beinahe besonders betonen möchte: Wirklich großartig wird es eigentlich nur in der völlig plotfernen Disco-Szene, wo Guida nebst Partner erst an einem Tanzwettbewerb teilnehmen, und unsere Aphrodite sodann aufgrund ihres engelsgleichen Stimmchens einen Plattenvertrag einheimst, der gehörig mit einer (ungekürzten!) Darbietung ihres Smash-Hits „La Musica È“ gefeiert werden muss. Es gibt Dinge, die kann man sich echt nicht ausmalen, und wie das Kino während dieser drei, vier Minuten brütete, das muss man gefühlt haben, um es zu glauben...
4) EIN ACHTBARER MANN (UN UOMO DA RISPETTA, 1972)
Heist Movies sind nun ebenfalls, wie comediae sexy all’italia, nicht mein bevorzugtes Genre, und mit den Namen von Stars kann man mich auch selten ködern, doch erweist sich der Spannungsfilm Michele Lupos, (von Lars liebevoll der „Wolfsmichel“ getauft), als grundsolide Unterhaltung mit hübschem Hamburger Lokalkolorit, einem launig aufspielenden Cast um Kirk Douglas, Florinda Bolkan und Giuliano Gemma, und einer minimalistischen Handlungsführung, die sich nicht mit zeitraubenden Nebenschauplätzen oder allzu psychologisierender Charakterzeichnung abgibt. Etwas befremdlich fand ich zwar eine gefühlt fünfminütige Verfolgungsjagd quer durch die Hansemetropole, deren Sinnhaftigkeit für die eigentliche Handlung sich mir immer noch nicht erschließt, (und bei der, wenn ich das richtig erkannt habe, auch schon mal das Modell der einander hetzenden Fahrzeuge munter wechselt), und weshalb man unbedingt mit einem aufbrausenden Jungspund einen Bruch begehen will, der a) ein Auge auf die eigene Freundin geworfen hat, und b) von einem Killer, der der Einfachheit halber „Killer“ heißt, verfolgt wird, das müsste mir Kirk Douglas Figur einmal in einer ruhigen Minute erklären. Allerdings kann man mit Szenen, in denen Männer in Banken und Pfandleihhäuser einsteigen, um Schmuckstücke und Millionen zu entwenden, sowieso nicht viel falsch machen, da pocht der Puls von ganz alleine, und obwohl ich weit davon entfernt bin, UN UOMO DA RISPETTA zum Meisterwerk zu küren, ein würdiger Abschluss für ein Festival des italienischen Genrekinos ist der in vorliegender vollständiger Fassung zudem scheinbar recht rare Film allemal.
Nächstes Jahr dann bitte: 1) SUSPIRIA (1977), 2) ZOMBI HOLOCAUST (1980), 3) Endlich mal irgendeinen weirden Peplum, z.B. URSUS UND DIE SKLAVIN DES TEUFELS (1964) von Deodato/Margheriti, der ist tatsächlich werwölfisch wonnig, und 4) Endlich einmal einen Film aus der Mondo-Sparte, von mir aus gerne gleich MONDO CANE oder etwas Abseitiges aus dem Reini'schen Fundus...