Caligula
Rom im Jahre 37 n. Chr.: Kaiser Tiberius (Peter O'Toole), ein 77-jähriger tyrannischer Alkoholiker, der schwer von Syphilis gezeichnet ist, will seine Nachfolge regeln. Seine Wahl fällt auf Gaius (Malcolm McDowell), auch genannt Caligula. Zunächst gewinnt der neue Imperator die Gunst der öffentlichen Meinung, doch schon bald zeigt er sein wahres Gesicht. Die meiste Zeit verbringt er mit ausschweifenden Affären und grausamen Gladiatorenkämpfen. Rom verkommt zu einem gewaltigen Sündenpfuhl, in dem Perversion, Gewalt und Willkür herrschen. Als Caligula sich zum Gott proklamiert und beginnt, seine Senatoren selbst zu liquidieren, ist sein Ende besiegelt...
Meine Güte, was war ich froh, als ich es nach drei, vier Anläufen endlich geschafft hatte, dieses 1979 unter der Regie von Tinto Brass entstandene Machwerk zu Ende zu sehen. Ich gebe es zu, ich habe mir „Caligula“ aufgrund dessen Skandalumwitterung angeschaut, bin normalerweise kein großer Freund von Historienfilmen und frage mich, warum diese immer gleich episch-monumentalen Ausmaßes sein müssen? So dachte man sich im Falle des hochbudgetierten „Caligula“ vermutlich, dass es auch hier mit einem einfachen 90-Minüter nicht getan wäre und blies die Geschichte um den irren, dekadenten römischen Cäsaren auf zweieinhalb Stunden Spielzeit auf, ohne außer reichlich nackter Haut, Sex und einigen brutalen, blutigen Szenen wirklich etwas zu bieten haben. Immerhin konnte man mit Schauspielern wie Peter O’Toole und Malcolm McDowell, der hier den Caligula gibt, aufwarten, deren Mitwirken sicherlich als Kuriosum zu werten ist. Letzterer entschuldigte seine Beteiligung später mit seinem Drogen- und Alkoholproblem und auch ich hätte besser Schnaps in rauen Mengen parat gehabt, um mir die Sichtung kurzweiliger zu gestalten… Denn was Brass hier innerhalb der pompösen, römisch-dekadenten Kulissen inszenierte, spottet jeder Beschreibung: Eine stringente, fesselnde Handlung sucht man ebenso vergebens wie ausgefeilte Charakterstudien oder politische Analysen zum Thema Machtmissbrauch und Totalitarismus. Stattdessen bekommt man Titten, Ärsche und Schwänzen sowie Erniedrigungen und Exekutionen en masse in einer Aneinanderreihung selbstzweckhafter, krampfhaft Tabus brechender Szenen geboten, die zudem im Nachhinein vom Produzenten noch mit expliziten Sexszenen aufgebläht wurden. So richtig etwas mit Budget und Filmlänge anzufangen wusste man anscheinend nicht, also folgt stets strunzlangweilige bis absurde Handlung auf recht bald ziemlich ermüdende Geschmacklosigkeit. Malcolm McDowells Rolle nervt schon frühzeitig so gewaltig, dass man sein möglichst baldiges Ende herbeisehnt, um seinem Treiben und damit dem Film endlich ein Ende zu bereiten. „Stiefelchen“, wie er liebevoll von der süßen Teresa Ann-Savoy genannt wird, die bis zu ihrem Ableben wenigstens sehr schön anzuschauen ist, zieht mit seinem Handeln den Film so dermaßen ins Lächerliche, dass jeder Anflug von Ernsthaftigkeit im Keime erstickt wird. Der Höhepunkt in dieser Hinsicht ist dabei sein obertuntiger Tanz, den er gleich zweimal aufführt und mich mehr schockierte als alles Gevögele und Gemetzele zuvor. Richtig interessant wird’s eigentlich erst, als Caligula inkognito den Palast verlässt und sich unters normale Volk mischt, doch leider landet er nach Bekanntschaft mit einer Art Ausnüchterungskerker alsbald wieder daheim, wahnsinniger als je zuvor, und das bekannte Spielchen nimmt seinen Lauf – bis es ihm endlich an den Kragen geht. Skandalfilm? Big-Budget-Trash? In jedem Falle in ultradreister, schundiger Rohrkrepierer, der manch einen Zuschauer die Hände überm Kopf zusammenschlagen lassen dürfte. Mit einem interessanten Drehbuch, das sich nicht nur auf Exploitation-Zugaben verlässt und einem fähigen Cutter, der ca. 50% ersatzlos herausgeworfen hätte, wäre „Caligula“ vielleicht ein ansehnlicher Film geworden. So aber bleibt mir eigentlich nur Tinto Brass und Malcolm McDowell für die unvergesslichen Tanzszenen Caligulas zu danken, die mir beim Gedanken an sie stets ein debiles Grinsen aufs Gesicht zaubern – wie mit etwas Abstand und in Verklärung der ausgewalzten Langeweile eigentlich der ganze Film, der im Prinzip ebenso protzig-dekadent, größenwahnsinnig und fragwürdig ausfiel, wie das Römische Reich, über das (nicht nur) in Asterix-Comics heute auch gern herzhaft gelacht wird - deren Lektüre ich im Zweifelsfall aber einer erneuten Sichtung vorziehe...