Seite 22 von 245

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 27. Okt 2010, 00:27
von Santini
buxtebrawler hat geschrieben:John Rambo wurde neben Boxer Rocky Balboa zu Sylvester Stallones Paraderolle und wird gemeinhin mit flachen, US-propagandistischen Actionreißern in Verbindung gebracht.
Nö. Das gilt vlt. für Leute, die First Blood nicht kennen (bzw. das gilt für die Fortsetzungen.) Weswegen ich Ihnen ja auch unbedingt eine Sichtung von First Blood nahe gelegt habe.

Sie haben den Sinn und das Anliegen des Films natürlich erkannt. :thup:

An eine Verfilmung von First Blood hat sich damals im Ami-Land niemand getraut. Ein viel zu heißes Eisen.

Für mich ist First Blood Stallone's Meisterwerk.
Die Fortsetzungen sind (auch) Kult, stehen aber natürlich auf einem ganz anderem Blatt.

Schön, dass Sie den Film gesichtet haben! ;)

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 27. Okt 2010, 09:57
von buxtebrawler
Santini hat geschrieben:Nö. Das gilt vlt. für Leute, die First Blood nicht kennen (bzw. das gilt für die Fortsetzungen.) Weswegen ich Ihnen ja auch unbedingt eine Sichtung von First Blood nahe gelegt habe.
Ist vielleicht in deiner Generation noch anders, in meiner und noch jüngeren gilt Rambo aber größtenteils als personifizierter Law-and-Order-Macho. So zumindest meine Erfahrungen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 29. Okt 2010, 13:49
von buxtebrawler
Bild
Die Schlangengrube und das Pendel
Der 1801 wegen greulicher Verbrechen gevierteilte Graf Regula (Christopher Lee) wird vierzig Jahre später von einem getreuen Diener wieder zum Leben erweckt, um sich an seinen Richtern und Henkern zu rächen. Um allerdings unsterblich zu werden, braucht er das Blut von dreizehn Jungfrauen. Zwölf hatte er bereits damals "vernascht". Um an sein letztes Opfer heranzukommen, lockt Regula die ahnungslose Lilian von Brabant in seine Gemäuer…
„Wo geht’s hier raus?“ – „Sie werden bald aus allem heraus sein.“

Während in den 1960er Jahren zahlreiche Gothic-Horrorstreifen aus Großbritannien, Italien und den USA die Zuschauer erfreuten, kam aus deutschen Landen kaum etwas Vergleichbares. Diesen Missstand zu ändern, bemühte sich Regisseur Harald Reinl, der zuvor mit seinen Edgar-Wallace- und Karl-May-Verfilmungen aufgefallen war, in diesem an Edgar Allan Poe angelehnten Grusler mit Starbesetzung: Der britische Dracula-Darsteller Christopher Lee als böser Graf Regula, Lex „Old Shatterhand“ Barker als strahlender Held und Bondgirl Karin Dor als schöner weiblicher Part. Dabei bediente sich Reinl sehr offensichtlich erfolgreicher Vorbilder, z.B. der Werke des italienischen Meisterregisseurs Mario Bava, indem der Prolog sehr von „Die Hexe des Grafen Dracula“ inspiriert scheint und er die schönen, detailverliebten, morbiden Kulissen in eine satte Farbwelt tauchte – leider ohne dabei Bavas Qualitäten zu erreichen. So ideenreich die Kulissen auch ausfielen, an den Prunk britischer „Hammer“-Produktionen oder die surreale Faszination Bavas reichen sie nicht heran. Die Farben machen aus Reinls Beitrag ein quietschbuntes Vergnügen, dem Gruselgehalt sind sie aber wenig förderlich. Mit Poes Literaturvorlage hat „Die Schlangengrube und das Pendel“ noch weniger zu tun als die US-amerikanischen Corman-Verfilmungen, wobei Corman es immerhin verstand, intelligente, spannende Geschichten zu erzählen, wovon hier nicht wirklich die Rede sein kann. Fügten sich bei Corman die Poe-Elemente stets sehr gut in die ausgeschmückten Handlungen ein, wirken sie hier erzwungen, als müsse man seinen Verpflichtungen irgendwie nachkommen und eine Schlangengrube und ein Pendel unterbringen, die ansonsten nicht viel mit der Geschichte zu tun haben. Lex Barker agiert stocksteif, als wäre ihm sein Mitwirken nicht ganz geheuer, Vladimir Medar als falscher Priester stellt mit seinem permanenten Overacting das andere Extrem dar, Christopher Lee spult solide sein Repertoire ab, ohne dass man ihn ähnlich kongenial in Szene gesetzt hätte wie Corman es mit einem Vincent Price verstand. Und Karin Dor, naja, sieht einfach gut aus. Der ganze Film wirkt überdies häufig mehr wie ein an den Gothic-Horror angelehntes Märchen, wozu auch die fast schon comicartige Inszenierung beiträgt, beispielsweise wenn es heißt „Die Zeit läuft ab“ und dabei eine überdimensionale Sanduhr in die Kamera gehalten wird. Fast so, als wolle man seine Zuschauer nicht allzu sehr erschrecken, erscheinen viele Momente ironisiert und dadurch in ihrer potentiellen Wirkung abgeschwächt. Aber „Die Schlangengrube und das Pendel“ bezieht seinen Unterhaltungswert aus heutiger Sicht ohnehin kaum aus dem nur spärlich vorhandenen Grusel, sondern aus der Niedlichkeit dieses harmlosen, aber netten Versuchs. Denn so charmant Reinls Arbeit auch ausgefallen ist, hinterher weiß der Genrefreund umso mehr, was er an Corman, Hammer und Bava hat.

„Wenn man rechtzeitig vom Galgen geschnitten wird, entwickelt der Körper Stoffe, die gegen Kugeln immun machen.“ (Bitte nicht zu Hause ausprobieren…)

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 29. Okt 2010, 22:13
von buxtebrawler
Bild
Planet der Vampire
Das irdische Raumschiff Argos ist auf einem Erkundungsflug im Weltall unterwegs, als es nahe des Planeten Aura plötzlich zu Problemen kommt und die Besatzung sich zu einer Notlandung gezwungen sieht. Auf dem Nebelplaneten finden sie die Überreste des ebenfalls irdischen Raumschiffs Galliot und dessen Besatzung. Schon bald erkennen sie, daß der Planet von unsichtbaren Außerirdischen bewohnt wird, die es auf ihre Körper abgesehen haben. Nur knapp gelingt es den Überlebenden zu entkommen, doch der Captain ist bereits von den Außerirdischen kontrolliert: Sie planen die Eroberung der Erde...
Der italienische Regisseur Mario Bava, der sein Publikum in den 1960ern mit so manchem Gothic-Grusel-Juwel verzückte, wagte mit „Planet der Vampire“ 1965 einen Ausflug in Science-Fiction-Horror-Gefilde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Geschichte um eine Raumfahrtbesatzung, die von fremden Wesen als Wirte auserkoren wird, nimmt spätere Genre-Entwicklungen einmal mehr vorweg. Wie es halt oftmals der Fall ist, wenn in älteren Filmen futuristische Ausstattung verwendet wird, wirkt sie aus heutiger Sicht etwas befremdlich und leicht komisch, so auch hier die Astronauten in ihren Lederoveralls. Doch Bavas Kameragenie holt das Maximum aus den preisgünstigen Kulissen heraus, indem er mit seiner berüchtigten Farbdramaturgie davon ablenkt. Vampire gibt es hier nur im übertragenen Sinne und ähnlich wie im Gothic-Horror-Bereich ist es in erster Linie die Atmosphäre des Films, die den Zuschauer fesselt. Diese setzte Bava konsequent finster um, garniert mit einigen simplen, aber effektiven Make-Up-Effekten. Tiefergehende Charaktersierungen der Darstellerriege um Barry Sullivan, Norma Bengell, Ángel Aranda etc. entfallen zwar, ein wenig „style over substance“ eben, dafür hat man sich aber eine nette, überraschende Schlusspointe überlegt. „Planet der Vampire“ funktioniert und ist gut gealtert. Sollte man als Sci-Fi-Horror-Fan gesehen haben.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 29. Okt 2010, 23:01
von buxtebrawler
Bild
The Frighteners
Frank Bannister (Michael J.Fox) ist Geisterjäger, doch jedermann hält ihn für einen gewieften Betrüger. Das stimmt auch, doch Frank ist tatsächlich mit Geistern im Bunde, die er seit einem Autounfall, bei dem seine Frau ums Leben kam, sehen kann. Drei davon wohnen noch bei ihm: Cyrus, Stuart und der Richter, dem allerdings schon das Ektoplasma ausgeht. Da gibt es plötzlich eine mysteriöse Sterbewelle in der Stadt, bei der den Opfern das Herz regelrecht zerquetscht wurde. Frank ist ob seiner Kräfte in der unglücklichen Lage, den geisterhaften Killer, der wie der Sensenmann persönlich aussieht, auszumachen, sieht er doch schon an den Opfern das Zeichen ihres bevorstehenden Todes. Da bittet ihn Lucy Lynskey (Trini Alvarado) um Hilfe, deren Mann zu den Opfern gehört, kurz nachdem Frank die beiden übers Ohr gehauen hatte. Tatsächlich hat Frank nun auch ihren Mann Ray als Geist an den Hacken. Allmählich jedoch kommt Frank mit seinen Ermittlungen voran: die Spur führt zu einem Serienkiller, der in der Stadt gewütet hat und dessen ehemalige Freundin in einem Psycho-ähnlichen Haus mit einer dominanten Mutter immer noch in der Stadt lebt. Als auch Lucy das Omen des Killers trägt, ist Eile geboten, doch gerade jetzt weist das FBI Special Agent Milton Dammers dem Fall zu. Dammers ist nicht nur hochgradig paranoid und voller Neurosen, er ist auch noch ein Idiot und der gefährdet Franks Plan den Killer aus dem Jenseits durch seinen eigenen kurzfristigen Tod zu schnappen erheblich. Ein unglaublicher Wettlauf beginnt...
Peter Jacksons Horrorkomödie „The Frighteners“ kann als Übergang vom Independent-Kino der Sorte „Braindead“ und „Meet The Feebles“ zum Big-Budget-Blockbuster-Bombast à la „King Kong“ und „Herr der Ringe“ betrachtet werden. Mit einem verglichen mit seinen frühen kultgewordenen Gehversuchen stattlichen Budget wurden ganz ausgezeichnete Computeranimationen realisiert und ein Michael J. Fox („Zurück in die Zukunft“) als Hauptdarsteller verpflichtet, die „The Frighteners“ zu einer rasanten Mischung aus Real- und Animationsfilm machen. Für die musikalische Untermalung sorgte Danny Elfman, ein weiteres Indiz für den veränderten Charakter dieses Jackson-Werks. Der Humor wendet sich eher an ein Massenpublikum und ist dementsprechend nicht mehr so derbe wie beispielsweise in „Braindead“, hat seine parodistischen und schwarzen Noten aber nicht bis zur Unkenntlichkeit durch den Weichspüler gedreht. Der Unterhaltungsfaktor ist hoch und Nebendarsteller wie Jeffrey Combs („Re-Animator“) tragen ihren Teil dazu bei, dass auch Genre-Freunde ihre Wiedererkennungsmomente bekommen. Was den Animationsteil betrifft, sticht die düstere, gruselige Darstellung des Sensenmanngeists besonders hervor, die manch jüngeren Zuschauer davon zu überzeugen vermag, dass dieser Film vielleicht doch nicht für die ganze Familie geeignet ist. Eine technisch einwandfreie Umsetzung, zündender Humor, trotz leichter Überlänge hohes Tempo und ein Drehbuch, das über genug spannende Momente verfügt, machen „The Frighteners“ zu einem großen Spaß. Und spätestens, wenn R. Lee Ermey als toter Friedhofswärter seine Rolle aus „Full Metal Jacket“ durch den Kakao zieht, wird auch der kritischste Cineast sich ein Schmunzeln nicht verkneifen können. Trotzdem hätte ich mir das Drehbuch noch etwas frecher gewünscht, Jacksons Zugeständnisse an das Mainstream-Publikum stimmen ein wenig wehmütig und machen „The Frighteners“ zu einem leicht konsumierbaren Produkt, dessen Langzeitwirkung ich zu bezweifeln wage. Davon sollte sich aber niemand abhalten lassen, sich gute eineinhalb Stunden animierten Gruselspaß auf hohem Niveau zu gönnen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 30. Okt 2010, 23:55
von buxtebrawler
Bild
Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger
Ein Mann wartet vor einem Haus, bis ihm eine Frau durch ein Fenster ein Zeichen gibt, herein zu kommen. Sie begrüßt ihn mit der Frage, wie er sie heute denn umbringen möchte, aber dieser Scherz stellt sich kurz danach als bitterer Ernst heraus, als er sie beim Sex mit einem Schnitt durch die Kehle tötet. Anstatt seine Spuren zu verwischen, sorgt er noch zusätzlich für Indizien, benachrichtigt selbst die Polizei und redet ungeniert mit einem im Haus wohnenden Nachbarn, als er dieses verlässt. Daraufhin fährt er direkt zum Polizeiquartier, wo er freudig erwartet wird, denn "Il Dottore" (Gian Maria Volonté), wie er genannt wird, wird an diesem Tag vom Chef der Mordkommission zu einem Bereichsleiter der Polizei befördert. Streng befiehlt er noch seinen bisherigen Untergebenen, den gerade gemeldeten Vorfall zu untersuchen, bevor er selbst zum Tatort schreitet...
„Die Revolution ist wie die Syphilis – sie haben sie im Blut!“

„Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ (endlich mal ein deutscher Titel, der der Länge italienischer Originaltitel wenigstens halbwegs gerecht wird) des italienisches Regisseurs Elio Petri aus dem Jahre 1970 ist eine hochbrisante Mischung aus Polit-, Justiz- und Psycho-Thriller, die allerlei politischen Zündstoff birgt. „Il Dottore“, der Chef der Mordkommission, wird gerade zum Leiter des politischen Büros der Polizei befördert. Warum er just seine Geliebte Augusta Terzi ermordet und zudem absichtlich Spuren am Tatort hinterlassen hat, erfährt der Zuschauer erst nach und nach: Einerseits will er die Polizei auf die Probe stellen und seine Grenzen als einflussreicher, mächtiger Beamter ausloten, andererseits war er in seinem Narzissmus und seiner Eitelkeit, aber auch seiner stets im Verborgenen gehaltenen Verletzlichkeit wenig von den jüngsten Umtrieben seiner Bettgespielin angetan. Dieser facettenreiche Charakter wird grandios von Gian Maria Volonté verkörpert, der mit seiner Mimik und Gestik so herrlich und typisch italienisch ist, dass es die reinste Freude ist. Während seiner fast schon cholerischen Dialoge oder seiner demagogischen Reden rechnet man quasi sekündlich damit, dass er sich in einen zähnefletschenden Cartoonwolf verwandelt, wenn er vor dem Hintergrund studentischer Unruhen reaktionäre, faschistoide Hasstiraden gegen den politischen Gegner schmettert. Den Umgang der Exekutive mit selbigem zeigt Petri auf, indem er zweifelhafte Verhör- und Überwachungsmethoden veranschaulicht und schonungslos die Arbeit der Polizei als verlängerten Arm der staatlichen, politischen Marschrichtung darstellt. Der Subplot ist eigentlich schon keiner mehr und mindestens gleichberechtigt zum Psychogramm „Il Dottores“, der mit der Zeit in seiner inneren Zerrissenheit fast schon verzweifelt versucht, die Ermittlungen auf sich zu lenken, um die Unantastbarkeit eines „über jeden Verdacht erhabenen Bürgers“ auszutesten. In zahlreichen Rückblenden wird zudem seine Geliebte als spontane, lebenslustige, vergnügungssüchtige junge Frau charakterisiert, die in vielerlei Hinsicht das Gegenteil „Il Dottores“, ihm in ihrem Egoismus aber fast ebenbürtig zu sein scheint. Florinda Bolkan wirkt in ihrer Rolle authentisch und ist ein echter Hingucker. Elio Petri verstand es meisterhaft, das alles ohne den geringsten Anflug bürokratischer Trockenheit spannend und rasant zu inszenieren, womit ihm ein eindrucksvoller Einblick in den mutmaßlichen Alltag des (nicht nur) italienischen Staats- und Machtapparats gelang, der in Zeiten von Berlusconi und Co. vermutlich aktueller denn je ist. Die musikalische Untermalung von Ennio Morricone unterstreicht die Vorgänge der Handlung dabei wie gewohnt großartig. Das erschreckende, aber konsequente Ende hat etwas Wahnsinniges; ein Wahn, der in der Figur „Il Dottores“ allgegenwärtig scheint und sich über die gesamte Spieldauer zieht. Es ist der Paukenschlag in Petris Komposition des politischen, polizeilichen Machtmissbrauchs und brennt sich ins Langzeitgedächtnis ein. Ein genialer Film, der neben dem Oscar für den besten ausländischen Film auch weitere Preise gewann. Es ist eine Schande, dass er hierzulande weitestgehend unbekannt blieb und bis heute keine deutschsprachige DVD-Auswertung erfahren hat - ein Missstand, der nach Abgeltung schreit.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 2. Nov 2010, 23:26
von buxtebrawler
Bild
Mercenario – Der Gefürchtete
1910: Der Minenarbeiter Paco (Tony Musante) und seine Kumpel rebellieren gegen den skrupellosen Grubenbesitzer García (Eduardo Fajardo). Ihnen schließt sich der polnische Söldner Kowalski (Franco Nero) an. Allerdings nicht aus Solidarität, sondern aus reiner Geldgier.
Mexikaner in Italo-Western sind wie das Salz in der Suppe bzw. wie die Habanero-Schote im Chili. Werden sie zudem mit der Revolutionsthematik in Verbindung gebracht, wie hier in Sergio Corbuccis „Mercenario“ aus dem Jahre 1968, darf man sich auf ein besonderes Filmvergnügen freuen. Franco Nero („Django“) als polnischer Söldner Kowalski trifft auf Tony Musante als mexikanischen Aufständischen. Kowalski ist ein intelligenter, cooler, mit Bedacht agierender Mann, der nur sich selbst verpflichtet ist. Der hitzköpfige Paco hingegen ist mehr Bandit als Revolutionär und schießt sich in Mexiko plündernd von Stadt zu Stadt. Als beide aufeinander treffen, gehen sie eine Geschäftsbeziehung ein, im Laufe derer eine eigenartige Mischung aus gegenseitigem Respekt, Misstrauen/-gunst, Männerfreundschaft und unterkühltem Pragmatismus entsteht, die ein wenig an das Verhältnis zwischen Clint Eastwood und Eli Wallach in „The Good, The Bad and The Ugly“ erinnert. Das ist nicht nur interessant zu beobachten, sondern bietet auch Raum für allerlei Gags und absurde Situationen, die dem Film eine unterhaltsame Leichtigkeit verleihen, insbesondere verglichen mit z.B. Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“. Doch auch inhaltlich wird durch den politischen Subtext einiges geboten. Revoluzzer Paco entwickelt nach und nach tatsächlich eine Art politisches Bewusstsein, wozu ihm unter anderem ausgerechnet Kowalski, der sich an Pacos Plänen bereichert, mit denkwürdigen Erklärungen verhilft. Beide müssen außerdem vor Ricciolo in Acht nehmen, der sie unerbittlich verfolgt. Dieser wird von Jack Palance mit einer unnachahmlich fiesen Ausstrahlung gespielt und braucht sich nicht hinter den Leistungen Neros und Musantes zu verstecken. Giovanna Ralli als wunderschöne Columba stellt eine starke Frau mit Köpfchen dar, bei näherer Betrachtung gar eine Symbiose aus den Charakteren Kowalskis und Pacos? Der politische bzw. gesellschaftsanalytische Aspekt des Films dient natürlich als Parabel auf seinerzeit bzw. immer noch aktuelle Ereignisse, der – sofern ich „Mercenario“ richtig verstanden habe – etwas Zynisches, Desillusioniertes anhaftet, z.B. als stehe und falle eine Revolution mit externen Unterstützern, die private Interessen verfolgen. Allzu sehr vertiefen möchte ich das aber gar nicht, da soll sich doch bitte jeder seine eigenen Gedanken zu machen. Die häufig in strahlend hellen Einstellungen gefilmten Settings und Kulissen sind von hohem Niveau, die eingefangenen Bilder wirken stimmig, die Kameraarbeit ist ohne Tadel. Zudem veredelte niemand Geringerer als Maestro Ennio Morricone das Werk mit einer grandiosen Filmmusik. Das Ende fiel nach einigen sehr actionreichen und kreativen Szenen sowie einem unvermeidlichen, aber klasse in Szene gesetzten Showdown auf eine fast schon rührende Art versöhnlich aus, was den leichtfüßigeren Unterhaltungsfaktor des Films noch einmal unterstreicht. So schwer im Magen wie ein „Leichen pflastern seinen Weg“ liegt „Mercenario“ bei weitem nicht, auch ist er nicht so dreckig und verwegen wie ein „Django“, aber immer noch ein intelligenter, ernstzunehmender Western, der noch nicht viel mit späteren Klamaukfilmen gemein hat. Dürfte in die „Top Ten“ der italienischen Western gehören und jeden Genrefreund beeindrucken.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 3. Nov 2010, 14:21
von buxtebrawler
Bild
Caligula
Rom im Jahre 37 n. Chr.: Kaiser Tiberius (Peter O'Toole), ein 77-jähriger tyrannischer Alkoholiker, der schwer von Syphilis gezeichnet ist, will seine Nachfolge regeln. Seine Wahl fällt auf Gaius (Malcolm McDowell), auch genannt Caligula. Zunächst gewinnt der neue Imperator die Gunst der öffentlichen Meinung, doch schon bald zeigt er sein wahres Gesicht. Die meiste Zeit verbringt er mit ausschweifenden Affären und grausamen Gladiatorenkämpfen. Rom verkommt zu einem gewaltigen Sündenpfuhl, in dem Perversion, Gewalt und Willkür herrschen. Als Caligula sich zum Gott proklamiert und beginnt, seine Senatoren selbst zu liquidieren, ist sein Ende besiegelt...
Meine Güte, was war ich froh, als ich es nach drei, vier Anläufen endlich geschafft hatte, dieses 1979 unter der Regie von Tinto Brass entstandene Machwerk zu Ende zu sehen. Ich gebe es zu, ich habe mir „Caligula“ aufgrund dessen Skandalumwitterung angeschaut, bin normalerweise kein großer Freund von Historienfilmen und frage mich, warum diese immer gleich episch-monumentalen Ausmaßes sein müssen? So dachte man sich im Falle des hochbudgetierten „Caligula“ vermutlich, dass es auch hier mit einem einfachen 90-Minüter nicht getan wäre und blies die Geschichte um den irren, dekadenten römischen Cäsaren auf zweieinhalb Stunden Spielzeit auf, ohne außer reichlich nackter Haut, Sex und einigen brutalen, blutigen Szenen wirklich etwas zu bieten haben. Immerhin konnte man mit Schauspielern wie Peter O’Toole und Malcolm McDowell, der hier den Caligula gibt, aufwarten, deren Mitwirken sicherlich als Kuriosum zu werten ist. Letzterer entschuldigte seine Beteiligung später mit seinem Drogen- und Alkoholproblem und auch ich hätte besser Schnaps in rauen Mengen parat gehabt, um mir die Sichtung kurzweiliger zu gestalten… Denn was Brass hier innerhalb der pompösen, römisch-dekadenten Kulissen inszenierte, spottet jeder Beschreibung: Eine stringente, fesselnde Handlung sucht man ebenso vergebens wie ausgefeilte Charakterstudien oder politische Analysen zum Thema Machtmissbrauch und Totalitarismus. Stattdessen bekommt man Titten, Ärsche und Schwänzen sowie Erniedrigungen und Exekutionen en masse in einer Aneinanderreihung selbstzweckhafter, krampfhaft Tabus brechender Szenen geboten, die zudem im Nachhinein vom Produzenten noch mit expliziten Sexszenen aufgebläht wurden. So richtig etwas mit Budget und Filmlänge anzufangen wusste man anscheinend nicht, also folgt stets strunzlangweilige bis absurde Handlung auf recht bald ziemlich ermüdende Geschmacklosigkeit. Malcolm McDowells Rolle nervt schon frühzeitig so gewaltig, dass man sein möglichst baldiges Ende herbeisehnt, um seinem Treiben und damit dem Film endlich ein Ende zu bereiten. „Stiefelchen“, wie er liebevoll von der süßen Teresa Ann-Savoy genannt wird, die bis zu ihrem Ableben wenigstens sehr schön anzuschauen ist, zieht mit seinem Handeln den Film so dermaßen ins Lächerliche, dass jeder Anflug von Ernsthaftigkeit im Keime erstickt wird. Der Höhepunkt in dieser Hinsicht ist dabei sein obertuntiger Tanz, den er gleich zweimal aufführt und mich mehr schockierte als alles Gevögele und Gemetzele zuvor. Richtig interessant wird’s eigentlich erst, als Caligula inkognito den Palast verlässt und sich unters normale Volk mischt, doch leider landet er nach Bekanntschaft mit einer Art Ausnüchterungskerker alsbald wieder daheim, wahnsinniger als je zuvor, und das bekannte Spielchen nimmt seinen Lauf – bis es ihm endlich an den Kragen geht. Skandalfilm? Big-Budget-Trash? In jedem Falle in ultradreister, schundiger Rohrkrepierer, der manch einen Zuschauer die Hände überm Kopf zusammenschlagen lassen dürfte. Mit einem interessanten Drehbuch, das sich nicht nur auf Exploitation-Zugaben verlässt und einem fähigen Cutter, der ca. 50% ersatzlos herausgeworfen hätte, wäre „Caligula“ vielleicht ein ansehnlicher Film geworden. So aber bleibt mir eigentlich nur Tinto Brass und Malcolm McDowell für die unvergesslichen Tanzszenen Caligulas zu danken, die mir beim Gedanken an sie stets ein debiles Grinsen aufs Gesicht zaubern – wie mit etwas Abstand und in Verklärung der ausgewalzten Langeweile eigentlich der ganze Film, der im Prinzip ebenso protzig-dekadent, größenwahnsinnig und fragwürdig ausfiel, wie das Römische Reich, über das (nicht nur) in Asterix-Comics heute auch gern herzhaft gelacht wird - deren Lektüre ich im Zweifelsfall aber einer erneuten Sichtung vorziehe...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 4. Nov 2010, 15:32
von buxtebrawler
Bild
The House With The Laughing Windows
In einer ländlichen italienischen Kleinstadt soll der Restaurator Stefano (Lino Capolicchio) ein Kirchengemälde freilegen und restaurieren, das den heiligen St.Sebastian zeigt. Schon als er die Arbeit antritt, ist er fasziniert von der Ausstrahlung des Wandgemäldes, das ein lokaler Künstler gemalt haben soll, denn es ist überaus realistisch in der Qual und Verzweiflung des Dargestellten. Während er es langsam freilegt, kommen jedoch auch bisher unbekannte Teile des Gemäldes ans Tageslicht, u.a. zwei mysteriöse Figuren, die den Heiligen quälen. Stefano versucht im Dorf herauszufinden, was es mit dem Bild auf sich hat, doch die Bewohner sind verschwiegen und seine beste Informationsquelle stirbt unter mysteriösen Umständen. Der Restaurator hat an einem fast verschütteten Geheimnis gerührt und die Folgen sind schrecklich...
In den 1970ern gab es sie noch, diese feinen Suspense-Grusel-Thriller, zu denen zweifelsohne auch Pupi Avatis „The House With The Laughing Windows“ aus dem Jahre 1976 gezählt werden muss. Es wird eine kreative und ideenreiche Geschichte um ein düsteres Geheimnis eines verschlafenen italienischen Inseldorfes erzählt, dessen Bewohner dem Restaurator Stefano ebenso verschroben wie verschwiegen erscheinen. Dieser wiederum scheint, je mehr er sich der hinter dem von ihm zu restaurierenden, morbiden Fresko liegenden Rätsel annimmt, immer mehr von der seltsamen Parallelwelt der Insel gefangen genommen und gerät in einen Strudel aus lebensgefährlicher Faszination und Neugierde, aus dem es bald kein Entkommen mehr gibt. Je länger und intensiver er an der Oberfläche der zerfallenden Idylle kratzt, desto mehr zerbirst diese. Mit einer Komposition aus sorgsamer Kameraführung, subtiler musikalischer Untermalung und in den richtigen Momenten gesetzten visuellen Akzenten, seien es nun sparsam, aber effektiv eingesetzte blutige Szenen, faszinierende vom Zeichner des Freskos angefertigte Gemälde des Grauens oder beunruhigende, vom Wahnsinn geprägte Rückblenden, entfaltet Avati gekonnt eine unheilsschwangere Atmosphäre. Dabei geht er dramaturgisch langsam und mit Bedacht vor, doch ohne zu langweilen. „The House…“ ist in sich stimmig von der ersten bis zur letzten Minute und belohnt mit einem furiosen Finale für die Konzentration und Geduld des Zuschauers. Suspense-Horror wie diesen muss man heutzutage mit der Lupe suchen. „The House With The Laughing Windows“ spielt in der Liga italienischer Horrorfilme um die Tabellenspitze mit. Umso mehr betrübt es mich, dass keine deutsche Synchronisation, ja nicht einmal deutsche Untertitel vorliegen. Die englischen Untertitel der italienische DVD-Fassung sind mit Schulenglischkenntnissen aber gut verständlich und sollten niemanden davon abhalten, sich diese Perle (mindestens) einmal anzusehen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 5. Nov 2010, 17:32
von buxtebrawler
Bild
Possession
Mark und Anna haben sich nichts mehr zu sagen. Nach einem Auslandsaufenthalt von Mark hat sich das junge Paar voneinander entfremdet. Während Anna die Trennung mit erstaunlicher Kühle hinnimmt kann Mark die emotionale Kälte und Ungewissheit über die Ursache von Annas Verhalten nicht ertragen und lässt seine Frau von einem Privatdetektiv beschatten. Der entdeckt ihr Geheimnis- zwei sehr unterschiedliche Liebhaber- und bezahlt dies mit dem Leben...
An intellektuellem Geschwurbele bezüglich Zulawskis Werk aus dem Jahre 1981 kann und möchte ich mich nicht beteiligen, deshalb versuche ich einfach mal, zu abstrahieren: Was Zulawski mit „Possession“ erschaffen hat, ist zunächst einmal ein intensives, emotionales, anscheinend autobiographisch geprägtes Beziehungsdrama, das die Gefühlswelt ihrer Protagonisten, Sam Neill als Mark und Isabelle Adjani als Anna, nach außen kehrt und deren Extreme auslotet. So liefern sich die schöne Adjani und der ausdrucksstarke Neill heftigste Gefühlsausbrüche und Streitereien, die in körperlicher Gewalt, Verzweiflung, Verwahrlosung und Selbstverletzung münden. Sozusagen ein Extrembeispiel für das Gefühlschaos, das eine uneinvernehmliche Trennung mit sich bringen kann. Die schauspielerischen Leistungen, insbesondere Adjanis, sind dabei im wahrsten Sinne des Wortes der reinste Wahnsinn. In erschreckendem Ausmaße und bis an ihre Grenzen gehend eruptiert und explodiert sie und setzt damit einen überdeutlichen Kontrastpunkt zu ihrem attraktiven Äußeren. Unvergesslich geriet dabei ihre Fehlgeburtsszene in einem U-Bahn-Tunnel, die ihr nun wirklich alles abverlangte. Die Kulissen des geteilten Berlins mitsamt seiner Mauer, Grenzpolizisten etc. unterstützen symbolisch die Trennungsthematik der Handlung und sorgen mit ihren menschenleeren Straßen und ganz eigenen, ungemütlichen, leblosen Ästhetik für eine unbehagliche Atmosphäre. Als gäbe es keinen Ausweg aus der Mauerstadt, ebenso wenig wie aus der eigenen Gefühlswelt. Doch dabei belässt es Zulawski nicht, sondern erweitert seinen Film um surreale und groteske Elemente, allen voran einen schleimigen Kopffüßler, den man eher in einem Horrorfilm vermutet hätte sowie eine Doppelgängerthematik, die schwer an alte Science-Fiction-Paranoia-Streifen à la „Die Dämonischen“ erinnert. So richtig verstanden habe ich das alles nicht, soll man aber vermutlich auch nicht auf Anhieb, sondern sich eher in Hinsicht auf Interpretationsmöglichkeiten das Resthirn zermatern. Inwieweit das zielführend wäre, sei einmal dahingestellt, doch soviel sei gewiss: Mit seiner mutigen, einzigartigen Mischung aus „Arthouse“-Kino und diesem Bereich eigentlich eher fremden Zutaten erschuf Zulawski mithilfe seiner großartigen Schauspieler ein zwar etwas sperriges, aber umso faszinierenderes Werk, das den offenen, interessierten Zuschauer in seinen Bann zieht und ein echter Tipp für Freunde des ungewöhnlichen Filmerlebnisses ist. Laut Zeitzeugen fiel das Bild Berlins, das „Possession“ zeigt, zudem überaus authentisch aus, weshalb es für Liebhaber von Zeit- und Lokalkolorit ebenfalls von Interesse sein dürfte.