Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Mo 6. Nov 2023, 12:35
World War Z
„Wir machen nur einen Ausflug...“
Einen Ausflug in den Mainstream-Blockbuster-Bereich machte der Zombiefilm im Jahre 2013 mit dem in US-amerikanisch-maltesischer Koproduktion entstandenen und vom deutschen Regisseur Marc Forster („Ein Quantum Trost“) inszenierten „World War Z“, der lose auf Max Brooks‘ Buch „Operation Zombie: Wer länger lebt, ist später tot“ aus dem Jahre 2006 basiert. In kommerzieller Hinsicht wurde der für die Kinos ins 3D-Format konvertierte Film ein Erfolg, obwohl er zuvor mit mindestens einem Bein in der Produktionshölle stand: Die ursprüngliche Schnittfassung war auf keine Gegenliebe bei Paramount gestoßen. Ein neu engagierter Drehbuchautor schrieb die letzten 40 Minuten des Films um; zudem wurde penibel darauf geachtet, ein PG-13- und somit jugendfreies Rating zu erreichen. Ein Zombie-Massaker als Familienfilm also? Nicht ganz; viel mehr der Versuch, anstelle eines morbiden Untoten-Spektakels voller Splatter und Gore eine Mischung aus rasantem Katastrophen-Actionfilm und Pandemie-Thriller mit Science-Fiction-Anleihen und lediglich Einsprengseln klassischen Zombie-Horrors zu erschaffen.
„Der Präsident ist tot.“
Ein neues Virus verwandelt Menschen innerhalb kürzester Zeit in hyperaggressive und durch ihre Bisse ansteckende zombieähnliche Wesen und breitet sich in rasender Geschwindigkeit pandemisch aus. Gerry Lane (Brad Pitt, „Fight Club“), ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit der UNO, erhält den Auftrag, zusammen mit dem Virologen Andrew Fassbach (Elyes Gabel, „Game of Thrones“) den Ursprung der Seuche ausfindig zu machen, damit auf Basis dieser Erkenntnisse möglicherweise ein Impfstoff entwickelt werden kann. Für Gerry, der zusammen mit seiner Frau Karen (Mireille Enos, „The Killing“) und seinen Töchtern in Philadelphia nur knapp den Attacken der Infizierten entkommen konnte, bedeutet dies eine Reise um die Welt nach Südkorea, Jerusalem und andere Orte, stets den Tod im Nacken…
„Ich stoße dabei immer wieder auf Analogien zur spanischen Grippe!“
Zu Beginn konterkariert die Lane’sche Familienidylle das den Film eröffnende Nachrichtenpanorama, in dem von einer diffusen Bedrohung die Rede ist – womit Regisseur Forster die Familie als gesellschaftliche Institution in den Mittelpunkt der Bedrohung rückt. Kurz darauf folgt der eigentliche Auftakt, die unheimlich stark inszenierte Entstehung einer Massenpanik im Straßenverkehr. Es geht gleich in die Vollen. Durch eine atemberaubende Rettungsaktion per Helikopter überleben Gerry und seine Familie den ersten Zombieangriff. Früh wird deutlich: Forster und sein Team beherrschen das Action-Handwerk. Die Handlung fokussiert sich unterdessen immer stärker auf eine Einzelperson, noch konsequenter gar als in handelsüblichen älteren Katastrophenfilmen. Das geht hier sogar so weit, dass sich Virologe Fassbach, den Gerry zur ersten Station nach Südkorea begleitet, dort direkt erschießt.
„Das klingt für mich so gar nicht nach Virus, Sportsfreunde!“
Zombies, die keine aus den Gräbern steigenden Untoten, sondern mit einem Erreger Infizierte sind, waren bereits vor „World War Z“, auch vor „28 Days Later“ bekannt. Hier treten sie nun in der bis dahin wahrscheinlich modernsten Form auf, als rasend schnell und der Schwarmintelligenz mächtig. Statt sich röchelnd heranzuschlurfen, treten sie hier als die Erde überflutende Naturkatastrophe in Erscheinung. Das passt zum hohen Tempo des Films, der sich unter weitestgehender Reduktion auf einen Einzelkämpfer wenig um Charakterisierungen, dafür umso mehr um die Vermittlung des globalen Ausmaßes schert – was ihm als einem von nur wenigen Zombiefilmen gelingt. Seine Massenpanikszenen sind grandios und die Bedeutung des Individuums innerhalb von Pandemien wird negiert, wobei insbesondere der Verlust der Familie als verheerend herausgestellt wird.
Dies geht jedoch einher mit Actionfilm-typischer Emotions- und Empathiearmut bzw. Heuchelei und macht auch vor Action-Genreklischees nicht Halt. Eines davon ist die weitestgehende Unverwundbarkeit des Protagonisten, der sogar einen Flugzeugabsturz überlebt, was den arg unglaubwürdigen Schlusspunkt hinter eine ansonsten im positiven Sinne deftige Sequenz setzt, in der Gerry alle Passagiere opfert (was zu moralischen Überlegungen führen kann). Doch auch wie die Handlung vorangetrieben wird, erscheint mitunter fragwürdig. So fliegt man prompt von Korea nach Israel, nur weil ein geisteskranker und krimineller CIA-Mann, den vorher niemand ernstgenommen hat, Gerry einen entsprechenden Hinweis gibt…? Immerhin spielt sich dort eine originelle und beeindruckende Szene ab: Die Zombies bilden eine Art Leiter, um eine Mauer zu Jerusalem zu überwinden. Aber ausgerechnet in jenem Moment, in dem Gerry dort eintrifft? Generell leidet die mit ein paar Rückblenden angereicherte Handlung unter ein bisschen arg vielen Zufällen.
Der gebissenen, nur „Segen“ genannten israelischen Soldatin hackt Segen die Hand ab, was jedoch ebenso so blutarm gerät wie der gesamte Film (in seiner Kino-Schnittfassung). Wenn man schon mit derartigen Gewaltspitzen arbeitet, wäre man gut beraten gewesen, sie auch entsprechend drastisch zu inszenieren (was aber das eingangs angesprochene Rating verhindert hätte). Dafür vermittelt die Machart des Films einen ungefähren Eindruck von Abläufen in Kriegsgebieten, auch ohne Blutfontänen. Dem hiesigen Schauspieler Moritz Bleibtreu („München“) begegnet man in einer Nebenrolle bei der WHO, bevor das Ende überraschend ruhig und reduziert ausfällt und der Epilog mit einem Nachrichtenpanorama stilistisch an den Prolog anknüpft. Gerrys Stimme aus dem Off verdeutlicht, dass dieses Ende ein offenes ist. Die angekündigte Fortsetzung wurde jedoch im Jahre 2019 endgültig begraben.
„World War Z“ ist weder ein sozialkritischer Film, in dem die Zombies als Allegorie auf gesellschaftliche oder systemische Missstände fungieren, noch eine grafische Spezialeffektorgie für Splatter-Fans und auch keine Computerspielverfilmung, wenngleich vieles hier aus dem PC kommt. Von seinen genannten Schwächen abgesehen, unterhält er aber nicht nur mit einigen echten Spannungsszenen doch ziemlich gut – und weiß man vorher, welcher Film einen in etwa erwartet, erlaubt er vermutlich eine vorbehaltlosere Rezeption als in Erwartung eines an Romero oder Fulci anknüpfenden Films. Die (mir unbekannte) Buchvorlage indes hätte sich anscheinend eher für eine reportagehafte Verfilmung angeboten, eine Mockumentary o.ä.; dass dieses Potenzial verschenkt wurde, ist ein bisschen schade. Aber auch Brad Pitt als nicht mehr nur staats- sondern die ganze Welt tragende und erhaltende Instanz, als zu einer Einzelperson komprimierten Form einer das Überleben sichernden Exekutive, entfaltet als den Regeln des Action-Genres in ungewohntem Sujet gehorchende Figur ihren Reiz gegenüber einem Publikum, das beim Mainstream-Blockbuster auch mal Fünfe gerade sein lassen kann. Dafür sind die Macher hinter dem Film letztlich abgewichste Profis genug.