bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Eis am Stiel, 3. Teil – Liebeleien

„Was wir hier machen, wird jeden Tag tausendmal gemacht!“

Nach zwei überwiegend gelungenen – und kassenträchtigen – Teilen der israelischen Teenie-/Erotik-/Liebes-/Coming-of-Age-Reihe fand für den dritten Teil aus dem Jahre 1981 erstmals eine Koproduktion mit Deutschen statt. Obwohl Boaz Davidson weiterhin als Regisseur fungierte und das Hauptdarstellertrio aus Jesse (alias Yftach) Katzur, Zachi Noy und Jonathan Segal weiterhin erhalten blieb, tat dieser Schritt den „Eis am Stiel“-Filmen nicht gut. Und das nicht nur, weil in der deutschen Fassung ein schlimmes Namenswirrwarr angerichtet wurde: Der von Segal verkörperte Momo heißt hier plötzlich Bobby, während Zachi Noys Rolle nicht mehr Johnny, sondern nunmehr Momo heißt…

„...wie dieser Elvis Pressler!“

Die drei Freunde Benny (Jesse Katzur), Bobby und Momo hängen gern gemeinsam am Strand ab und schauen den Mädels hinterher. Die Idylle wird für Benny jedoch dadurch getrübt, dass ihn seine Freundin Sally (Ariella Rabinovich, „Moments“) einfach nicht ranlassen will. Als er eine alte Bekannte, die wesentlich ungezwungenere Nikki (Orna Dagan), wiedertrifft, lässt er sich auf eine Affäre mit ihr ein. Doch hat Nikki kein tiefergehendes Interesse am sensiblen Benny – eine für ihn schmerzlich Erkenntnis. Und dann bekommen seine Eltern auch noch Besuch von seiner Cousine Trixie (Sibylle Rauch, „Drei Lederhosen in St. Tropez“), einer wahren Sexbombe, die sofort das Interesse nicht nur der jungen Männer auf sich lenkt.

„Die Bräute drehen ja durch!“

Das Positive vorab: Die Musik der ausgehenden 1950er-Dekade spielt auch hier eine große Rolle, zu Beginn ertönt direkt Ritchie Valens‘ „La Bamba“ und im weiteren Verlauf reiht sich neben weiteren Valens-Songs Hit an Hit. Die Eröffnungssequenz definiert aber auch bereits den plumpen Humor, der einen den Film über begleiten wird: Unser Trio bespannt Oben-ohne-Frauen in der Umkleide. Momo (also Zachi Noy, „der lustige Dicke“) bricht dabei durchs Dach. Dann wird er im Sand eingebuddelt und von einem kleinen Jungen angepinkelt. In einer anderen Szene guckt man jungen Frauen mit Spiegeln unter die Röcke. Auch pubertäre Streiche wie dieser zählen also weiterhin zum Charakter der Reihe; von Weiterentwicklung der drei Freunde keine Spur, stattdessen weiterhin Schema F, bei dem der Dicke immer der Leidtragende ist. In der Hackordnung unter sich hat er nur noch einen Brillenträger, dem er ständig eine knallt. Schön hingegen: Ein ikonischer Moment, in dem alle drei am Strand liegen und Eis am Stiel lutschen (und der es auch aufs Filmplakat schaffte).

Aus den üblichen Nackt- und Fummelszenen kristallisiert sich die eigentliche Coming-of-Age-Liebesdrama-Handlung um Benny, Sally und Nikki heraus. Tammy, seine herzergreifende Romanze aus dem zweiten Teil, spielt überhaupt keine Rolle mehr, ohne dass man erklärt bekäme, weshalb. Ein ärgerlicher Kontinuitätsbruch. Die Geschichte um Bennys unüberlegtes Vorgehen in Liebesfragen, das ihn an eine Art ein seltsames Spiel spielende Femme fatale geraten lässt, wodurch er die Quittung für seine Treulosigkeit bekommt, ist gleichwohl nicht uninteressant. Zudem sorgt Bennys Mutter (Dvora Halter Kedar) für viel schönen Humor. Doch ab dem Moment, in dem offenbar die deutschen Beteiligten die spätere Porno-Darstellerin Sibylle Rauch als Cousine Trixie im Film platzieren, wird’s so richtig doof, abstrus und billig. Dass bei diesen Familienzusammenführungen oft wild durcheinandergeschnattert wird, ist ja noch ganz charmant. Wie Bobby jedoch an Trixie gerät, wird gar nicht erst durch die Handlung nachvollziehbar, man sieht ihn direkt in einer Softsex-Szene mit ihr. Im selben Abwasch darf Momo ran, der in einer peinlichen Szene in ihr steckenbleibt. Trixie ist hier ein reines Sexualobjekt, es wird nicht einmal der Versuch einer Charakterisierung unternommen. Obwohl sich parallel dazu das Drama um Benny und Nikki weiterentwickelt – sie hat keinen Bock auf „Liebesgequatsche“ und ist bald genervt von ihm, während Benny sich Sally weiter warmzuhalten versucht –, spielt dieses von nun eine viel zu untergeordnete Rolle. Stattdessen wird mit Klavierlehrerin Fritzi (Christiane Schmidtmer, „Angriff der Riesenspinne“) eine weitere nymphomane Deutsche präsentiert, die Bobby während seiner ersten Unterrichtsstunde in einer grauenhaften Szene befingert – was ihr natürlich gefällt und woraufhin sie ihm an die Wäsche geht. Momo landet im Anschluss bei der falschen Lehrerin, was zumindest ein bisschen lustig ist.

Nikkis Verhalten versteht derweil kein Mensch: Sie geht mit einem anderen ins Kino, setzt sich neben Benny, der mit Sally da ist, und befummelt ihn – woraufhin die Situation erwartungsgemäß aus den Fugen gerät. Letztlich wird sich Nikki als promiskuitive und gefühlskalte Schlampe erweisen, die Freude daran hat, mehrere Affären laufen zu haben und denjenigen, die auf sie hereinfallen, das Herz zu brechen. Eine Art weibliches Pendant zu Bobby, der in den vergangenen Filmen ein ähnliches Verhalten an Tag legte, gewissermaßen. Dankenswerterweise ist dieser Handlungsstrang im letzten Drittel wieder dominanter, wenngleich Orna Dagan ihre Rolle mit dem immer gleichen gelangweilten Gesichtsausdruck spielt. Ariella Rabinovich verleiht ihrer Rolle als Sally wesentlich mehr Ausdruck, zumal ihre Figur die einzige ist, die so etwas wie echte Menschlichkeit in den Film einbringt. Dies bedeutet zugleich eine zuschauerseitige Entfremdung vom Hauptrollen-Trio, erstmals über weite Strecken auch von Benny.

Zumindest so lange, bis klar wird, dass es anhand seiner Rolle um die Vermittlung wichtiger Erfahrungen und Lehren geht. Und schlussendlich (Achtung, Spoiler!) fällt Benny sanft: Als er endlich kapiert, was er an Sally hatte, kommt er wieder mit ihr zusammen. Dieses Happy End halte ich indes für unangebracht – fair wäre gewesen, dass Sally einen Neuen hat, der sie mehr zu schätzen weiß, und Benny mal so richtig leiden muss. Letzteres allerdings hatten wir ja bereits am traurigen Ende des ersten Teils. Aber wie auch immer man diese eigentliche Handlung des Films und ihren Ausgang beurteilt: Sibylle Rauch und die Klavierlehrerin waren dafür völlig überflüssig, ihre Szenen wirken wie Fremdkörper, die den Film zerreißen, und sind derart primitiver Natur, dass sie der „Eis am Stiel“-Reihe eigentlich unwürdig sind. Kein Wunder also, dass fortan der zweifelhafte Ruf von Softporno-Filmen an ihr haftete.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

„Ich bin ja nicht von gestern!“

Der schwarzhumorige Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ aus der Feder des schwedischen Schriftstellers Jonas Jonasson ist ein in zahlreiche Sprachen übersetzter Bestseller, den der schwedische Filmemacher Felix Herngren („Solsidan“) für seine erst dritte Spielfilm-Inszenierung verfilmte. Die schwedisch-französisch-britisch-russisch-spanisch (uff…) koproduzierte alternativgeschichtliche Road-Movie-Komödie kam im Jahre 2013 in die Kinos.

„Tot zu sein kann manchmal auch Vorteile haben.“

Allan Karlsson (Robert Gustafsson, „Verschwörung im Berlin-Express“) könnte seinen 100. Geburtstag entspannt im Altersheim feiern, verspürt darauf aber so gar keine Lust, klettert aus dem Fenster und kauft vom letzten Geld eine Busfahrkarte ins nächstbeste Kaff: Byringe. Durch Zufall gelangt er dabei an einen Koffer, prall gefüllt mit 50 Millionen Kronen Gangsterbeute. Hinter diesem sind Gangsterboss Pims (Alan Ford, „Snatch – Schweine und Diamanten“) Männer fortan her, doch zusammen mit dem berenteten Bahnwärter Julius (Iwar Wiklander, „Simon“) erwehrt sich Allan des glatzköpfigen Schlägers Bulten (Simon Säppenen) und sperrt ihn in Julius‘ Gefrierkammer, wodurch er versehentlich stirbt. Auf ihrer Flucht tun sie sich mit Langzeitstudent Benny (David Wiberg, „Grotesco“) zusammen, der sie chauffiert und dem Zugriff Pims zu entziehen versucht. Im Zuge dieser aufregenden Reise erinnert sich Allan an die zahlreichen Stationen seines Lebens, in denen er auf einige zeitgeschichtliche Prominenz traf…

Der Film eröffnet damit, dass ein Fuchs Allans Katze reißt, den der Senior-Sprengstoffexperte daraufhin kurzerhand in die Luft jagt. Nachdem sich die Ereignisse in der Gegenwart seit Allans Flucht aus dem Seniorenstift überschlagen haben, stimmt eine irre Collage aus Erinnerungen, in denen er angeschrien wurde, auf die zahlreichen Rückblenden ein, die fortan den Film mehr als die Gegenwartshandlung bestimmen und in denen Allan – zuvor bereits auch als Off-Stimme in Erscheinung getreten – als Voice-over-Erzählinstanz fungiert. Diese beginnen mit seiner Kindheit und führen über seine Jugend ins Erwachsenenalter bis hin zur Öffnung der Berliner Mauer im Jahre 1989. Das Konzept ist grob „Forrest Gump“ entlehnt: Ein unbedarfter Typ mit kindlichem Gemüt und ohne größere Ambitionen tappt von einer zeitgeschichtlichen Situation in die nächste und nimmt die Dinge, wie sie kommen – auch die größten Katastrophen. So trifft er auf den faschistischen spanischen Diktator Franco (Koldo Losado, „Mystikal – Eldyn, der Zauberlehrling“), mit dem er feiert, auf Atombomben-Erfinder Robert Oppenheimer (Philip Rosch, „Misfits“), mit dem er nur kurz plauscht, auf US-Präsident Harry S. Truman (Kerry Shale, „Die Fürchterliche Furcht vor dem Fürchterlichen“), mit dem er sich einen hinter die Binde kippt, auf Albert Einsteins (fiktionalen) zurückgebliebenen Bruder Herbert (David Shackleton, „Another Night“), auf den sowjetischen Schlächter Josef Stalin (Algirdas Paulavicius, „Ekskursante“), mit dem er tanzt, und spielt am Ende auch noch eine entscheidende Rolle im Kalten Krieg zwischen Ronald Reagan (Keith Chanter, „Phantastische Tierwesen – Grindelwalds Verbrechen“) und Michail Gorbatschow (Sigitas Rackys, „Unbeugsam“).

„Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ bekommt dadurch Episodenfilmcharakter, immer wieder unterbrochen von der Road-Movie-Rahmenhandlung, in der neben Gangster Pim nun auch ein tumber Inspektor (Ralph Carlsson, „Der Schlafwandler“) hinter Allan her ist, sich aber auch immer mehr Menschen der skurrilen Reisegruppe anschließen. Die Rückblenden betreiben offensichtliche, zuweilen aber auch etwas subtilere Geschichtsfälschung. Zu letzterem zählt sicherlich, dass Gorbatschow beschlossen hätte, die innerdeutsche Grenze zu öffnen, denn ob nun mit oder ohne Allans unbewusstes Zutun war dies schon noch Egon Krenz‘ Entscheidung. Die hingegen offensichtlich rein für diesen Film erdachten Ereignisse, in denen Allan etwa General Franco das Leben rettet oder Oppenheimer den entscheidenden Hinweis für die Entwicklung der Atombombe gibt, versehen den Film mit einem speziellen, unterschwellig fiesen schwarzen Humor, der Allan weniger sympathisch erscheinen lässt. Im Kontrast dazu stehen seine Flucht aus dem Gulag, seine indirekte Verantwortung für Stalins Tod und seine ein wenig Eurospy karikierende Tätigkeit als Doppelagent im Kalten Krieg. Makaber geht es zu, wenn er versehentlich einen Menschen in die Luft sprengt und dessen Kopf krachend auf der Motorhaube landet. Aber irgendetwas sprengt Allan ständig in die Luft, dies gehört zu seinem Charakter.

Häufig ist der Humor leider schlicht derart übertrieben und albern, dass das Lachen aus eben diesen Gründen schwerfällt. Das Konzept, zwischen einer Gegenwartshandlung und ganz anders gelagerten Rückblenden stetig zu changieren, geht dramaturgisch nicht so ganz auf und irgendwie wirkt „Der Hundertjährige…“, trotz aller technischen und schauspielerischen Finessen, unterm Strich wie eine weit weniger herzliche und etwas bemüht auf schwarzen Humor getrimmte, letztlich schwächere „Forrest Gump“-Variante auf mich, die mit einer dieser eher überflüssigen neuzeitlichen skandinavischen Krimikomödien vermengt wurde. Ich gehöre aber auch zu den anscheinend Wenigen, die das Buch nicht gelesen haben…
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Get Out

„Schwarz ist das neue Weiß!“

Der US-Amerikaner Jordan Peele, eigentlich im komischen Fach zu Hause, schrieb und inszenierte mit dem im Jahre 2017 erschienenen Kinofilm „Get Out“ einen Mystery-Horror-Thriller mit bitterbösen satirischen Elementen, die nur selten zum Lachen animieren.

„Wie wär's mit Wunderkerzen – und Bingo?“

Der junge Schwarze Chris Washington (Daniel Kaluuya, „Cass – Legend of a Hooligan“) ist mir der weißen Rose Armitage (Allison Williams, „Girls“) liiert, die ihn nun ihren Eltern, dem Neurochirurgen Dean (Bradley Whitford, „The Cabin in the Woods“) und dessen Frau, der Psychotherapeutin Missy (Catherine Keener, „An American Crime“), vorstellen will. Er soll mit ihr ein Wochenende bei ihrer Familie in der von gutbetuchten Weißen dominierten Vorstadtgegend verbringen. Chris ist zunächst skeptisch, doch Rose kann ihn davon überzeugen, dass ihre Eltern liberale, moderne, aufgeschlossene Menschen seien, die mit Rassismus nichts am Hut hätten. Tatsächlich nimmt man Chris überaus herzlich auf, sodass er sich auch angesichts schwarzer Hausangestellter der Armitages zunächst nicht allzu viel denkt. Jedoch scheint man ihn derart ins Herz geschlossen zu haben, dass man ihn gar nicht mehr gehen lassen will…

In „Get Out“ geht es um eine wesentlich subtilere Erscheinungsform des Rassismus, der sich hier nicht in typischem Rechtsextremismus oder Neonazismus äußert und auch nicht in einem solchen Umfeld angesiedelt wird. Aufhänger des Films ist der sog. „positive Rassismus“, der Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Abstammung oder schlicht Hautfarbe positive Eigenschaften zuschreibt. Dieses (nicht nur) in sich weltoffen und liberal gebenden Milieus verbreitete Phänomen treibt Peele hier auf die Spitze. Und da „Get Out“ der erste mir bekannte Horror-, wenn nicht gar Genrefilm generell ist, der dieses Motiv in den Mittelpunkt rückt, hat er den Originalitätspunkt schon einmal für sich gewonnen.

Aber auch inszenatorisch erscheint „Get Out“ für ein Debüt überraschend souverän. Gruselige Momente werden genüsslich ausgekostet, die Besetzung ist handverlesen und die schauspielerischen Leistungen sind exzellent – insbesondere der männliche Armitage-Spross Jeremy wird von Caleb Landry Jones („Der letzte Exorzismus“) verkörpert zu ‘ner richtig ekligen, miesen kleinen Type. Als Mystery-Element muss eine besondere (und besonders wirksame) Form der Hypnose herhalten, die man gegen den Willen des bzw. der zu Hypnotisierenden in der Realität sicherlich nicht anwenden könnte. Deren Momente werden hübsch visualisiert, vornehmlich aber wird das Publikum immer stärker in Chris‘ Perspektive gedrängt und damit gezwungen, dessen Verwirrung und Unwohlsein nachzuempfinden und den immer stärker hervortretenden Horror mit seinen Augen zu sehen. Gegen Ende tendiert „Get Out“ gen Mad-Scientist-Science-Fiction, wie sie einem in anderem, aber nicht ganz unähnlichem Zusammenhang bekannt vorkommen könnte, und tischt nach einem ohnehin schon alles andere als überraschungsarmen Handlungsverlauf einen genialen Plot Twist auf.

Eine von mir vermutete Logiklücke entpuppt sich als keine (Stichwort Schädeldecke), sodass alles in sich schlüssig bleibt – und neben dem eingangs genannten (vermeintlich) positiven Rassismus und dessen Klientel auch gleich noch den seit geraumer Zeit grassierenden Selbstoptimierungswahn kräftig aufs Korn nimmt. „Get Out“ hallt nach, reiht sich in die Riege moderner, frisch wirkender Genreklassiker wie z.B. „It Follows“ ein und hat zurecht einigen Staub aufgewirbelt – bis hin zu Oscar-Nominierungen und -Gewinn (bestes Drehbuch) gar. Stark!
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Nur 48 Stunden

„Er ist groß, ungefähr 1,93!“

Zwischen „Die letzten Amerikaner“ und „Straßen in Flammen“ schuf US-Regisseur Walter Hill mit dem im Jahre 1982 veröffentlichten Kinofilm „Nur 48 Stunden“ die Blaupause für alle zukünftigen US-Buddy-Cop/Action-Filme. Mutmaßlich von berühmten ungleichen Filmduos von Laurel & Hardy über Jack Lemmon und Walter Matthau bis hin zu Bud Spencer und Terence Hill inspiriert, zwang er zwei konträre Charaktere zur Zusammenarbeit, um fiese Gangster zu schnappen. Eddie Murphy („Die Glücksritter“) als Reggie Hammond und Nick Nolte („Dreckige Hunde“) als Jack Cates standen dabei unter besonderem Zeitdruck: ihnen blieben nur 48 Stunden.

„Was für‘n Morgen – 'n Tag zum Halbgötterzeugen!“

Nachdem Kapitalverbrecher Albert Ganz (James Remar, „Die Warriors“) von seinem Kumpel Billy Bear (Sonny Landham, „Leslie Abigail – Ich will immer“) brutal aus dem Gefängnis befreit wurde und zwei Wärter dabei ihr Leben ließen, im Anschluss gar noch ein ehemaliger Mitstreiter und zwei Polizisten erschossen wurden, greift der zynische Bulle Jack Cates zu einem ungewöhnlichen Mittel: Er holt Ganz‘ ehemaligen Komplizen Reggie Hammond für 48 Stunden aus dem Knast, damit er ihm hilft, Ganz und Bear zu fassen. Erwartungsgemäß kann Hammond Cates nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruht. Welch nervtötende Quasselstrippe sich Cates da ans Bein gebunden hat, war ihm im Vorfeld jedoch nicht klar…

„Der kälteste Winter, den ich je erlebt habe, war der Sommer, den ich in San Francisco verbracht habe.“

Hill eröffnet seinen Film mit Aufnahmen aus dem Arbeitslager, in dem Albert Ganz schuften muss, die in eine spektakuläre Befreiungsaktion übergehen. Von vornherein macht man einem klar, dass diese Gangster absolut skrupellos sind. Ganz‘ Freundin zeigt sich nackt und er sieht sich die Zeichentrickserie „Space Kid“ an, was jedoch kaum davon ablenken kann, wie grimmig dieser Auftakt mit seinen wilden Schießereien und mehreren Toten ausgefallen ist. Cates wird zunächst als notorischer Stinkstiefel charakterisiert und erweist sich im weiteren Verlauf darüber hinaus als Prügelbulle, Möchtegernrambo und Rassist. Der Schwarze Hammond hingegen singt in seiner ersten Szene „Roxanne“ von The Police und ist ein lebenslustiger Tunichtgut mit viel Humor – und damit dafür verantwortlich, dass „Nur 48 Stunden“ auch als Komödie bezeichnet wird. Ein klassischer Sympathieträger ist keiner von beiden, am ehesten noch Hammond. Cates hingegen stellt einen von vielen Film-noir-Einflüssen dar, indem er durch und durch Antiheld ist.

„Es gibt wirklich böse Menschen auf dieser Welt!“

Die Dialoge zwischen beiden sind eine mit männlichem Machismo aufgeladene, dreckige und verkommene Screwball-Variante, bei der einem nicht selten die Ohren klingeln. Man prügelt sich gern und auch schon mal miteinander, bis die Polizei (!) kommt. In einer besonders gelungenen Sequenz beleidigt Hammond die Gäste eines Country-Clubs bis aufs Blut und kompensiert damit persönlichen rassistischen Erfahrungen. Als Kontrast steht ein Besuch in einer vornehmlich von Schwarzen frequentierten Disco an. Beide Läden übrigens mit Livemucke! Und „Nur 48 Stunden“ ist auch ein Stylo-Film: Zu cooler Musik gesellen sich schicke Amischlitten und tolle, wenn auch offenbar die Realität wenig beschönigende Bilder der Straßen San Franciscos. Bis wirklich ein Buddy-Film daraus wird, dauert es übrigens recht lang; die meiste Zeit über sind sich die beiden spinnefeind. Für Action sorgt unter anderem eine Verfolgungsjagd Cadillac versus Omnibus; bis auf einigen Schusswaffengebrauch setzt Hill verglichen mit anderen Genrefilmen nicht übermäßig auf Schauwerte wie Crashs, Explosionen oder kriegsähnliche Zustände. Das hat er auch nicht nötig, denn dramaturgisch ist hier alles stets im grünen Bereich

„Ich bin dein schlimmster Alptraum: Ein Nigger mit Polizeiausweis!“

Reggie Hammond, der bauernschlaue Gangster mit dem Herzen am rechten Fleck, der für sein loses Mundwerk einen Waffenschein braucht, war Eddie Murphys erste Spielfilmrolle, die ihm sogleich zum Durchbruch verhalf und den Grundstein legte für „Beverly Hills Cop“ und Konsorten. Aber auch Nolte sowie Remar als Antagonist liefern einwandfreie Schauspielkost mit Mut zur Hässlichkeit ab. „Nur 48 Stunden“ ist dabei nur leicht komödiantisch, im Prinzip ein reinrassiger Neo-noir. Er avancierte nicht zuletzt aufgrund seines hohen Unterhaltungsfaktors zu einem Kultfilm der 1980er-Dekade, einige seiner Ideen und Versatzstücke gerieten im Laufe der Subgenre-Evolution zum Klischee. Letzteres sollte Hill als Kompliment auffassen.
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Tatort: Angst im Dunkeln

Ich glaub‘ ich steh' im Wald

„Scheiß Wald!“

Bei diesem fünften „Tatort“ des noch jungen Bremer Ermittlerinnen-Duos aus Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) führte die Regisseurin mit dem coolen Namen Leah Striker nach dem Fernsehkinderfilm „Weckschreck“ erst zum zweiten Mal Regie. Ihre Verfilmung eines Drehbuchs Kirsten Peters‘ wurde am 1. April 2024 erstausgestrahlt – und erwies sich glücklicherweise nicht als schlechter Scherz.

„Flache Wunde ohne Impressionsbruch.“

„Dropping“ ist der neue heiße und pseudopädagogische Scheiß: Eltern setzen ihre heranwachsenden Kinder ohne Smartphones oder sonstige technische Hilfsmittel im Wald aus, aus dem sie selbständig wieder herausfinden müssen. Die drei Mütter und Freundinnen Ayla Ömer (Pegah Ferydoni, „Türkisch für Anfänger“), Viola Klemm (Sophie Lutz, „Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strande“) und Marlene Seifert (Inez Bjørg David, „Ich bin dann mal weg“) aus dem noblen Stadtteil Schwachhausen am östlichen Bremer Stadtrand lassen sich jedoch zunächst von ihren Kindern in einem Waldstück an der Grenze zu Niedersachsen aussetzen, um zu testen, ob diese Aufgabe überhaupt sicher genug und lösbar für ihre Kinder ist. Am Ende dieses Selbstversuchs ist Marlene tot. Die drei Frauen waren nicht allein im Wald. Handelt es sich um einen tragischen Unglücksfall – oder um Mord? Die Mordkommission um Liv Moormann und Linda Selb ermittelt in alle Richtungen und befragt die Ehemänner Klaus Seifert (Henning Baum, „Mädchen Mädchen!“), Emre Ömer (Özgür Karadeniz, „Nur eine Frau“) sowie Mirko Klemm (Matthias Lier, „Frieden“), begibt sich aber auch auf die Spur Werner Behrens‘ (Alexander Wüst, „Die verlorene Tochter“), einem Eigenbrötler, der in Verdacht steht, der berüchtigte „Handymann“ zu sein, der vor einigen Jahren Frauen im Wald auflauerte, Fotos von ihnen schoss und möglicherweise bereits den Tod mindestens einer Frau auf dem Gewissen hat…

„Die hatte so’ne Energie, die war irgendwie ansteckend. Kennen Sie das?“ – „Nein.“

Ein Zelt im Wald, zwei Frauen, ein Leichenbild auf dem Smartphone – so eröffnet Striker diesen Fall, der umgehend die mürrische, ständig auf den Wald schimpfende Moormann und die nerdige Selb auf den Plan ruft. Gruselige Details weisen Parallelen zu einem Fall von vor acht Jahren auf, für den man den „Handymann“ verantwortlich machte, ihm aber nie nachweisen konnte. Auf die Fundortbegehung, bei der Selb derart auf Tuchfühlung mit dem Leichnam geht, dass man glauben könnte, sie wolle ihn küssen, folgt eine kurze Einführung ins Thema „Dropping“. Und dann wird’s so richtig interessant, denn die nun einsetzende Rückblende zu den Ereignissen 36 Stunden früher, als die Schwachhauser Kids ihre Mütter im Wald aussetzten, ist nur die erste von vielen. Fortan changiert „Angst im Dunkeln“ zwischen Gegenwart und immer kürzer zurückliegender Rückblende, ohne dass die Narration dadurch unnötig verkompliziert oder unübersichtlich würde.

„Sodom und Gomorrha, oder?“

In den Rückblenden versucht man, an Urängste vorm Ausgeliefertsein in einem dunkeln Wald zu appellieren, was leidlich funktioniert, da zum einen die Prämisse mit der komplett bescheuerten „Dropping“-Idee, zudem in einem anscheinend eigentlich eher übersichtlichen Bremer Waldstück, reichlich an den Haaren herbeigezogen wirkt. Zunächst heißt es, dass keine der Frauen ein Mobiltelefon dabeihätte, doch letztlich wird sich herausstellen, dass sich keine von ihnen an diese Vorgabe gehalten hat. Während man zu dritt trotzdem orientierungslos herumirrt, tauchen nachts sowohl deren Kinder als auch Marlenes Ehemann Klaus, der pikanterweise ein Verhältnis mit Ayla (und damit ein Motiv) hat, mir nichts, dir nichts in deren unmittelbarer Nähe auf. Über derartige Drehbuchkapriolen denkt man besser nicht allzu sehr nach. Interessanter ist, dass die Waldszenen ein überaus brüchiges soziales Gefüge offenbaren, das von Moormanns und Selbs Ermittlungen und Befragungen in Schwachhausen bestätigt wird: Das Opfer war enorm unbeliebt. Was initial wie ein Abenteuertrip dreier Freundinnen wirkt, gerät zum Alptraum; die kleinbürgerliche Fassade des Wohlstandsmilieus bröckelt nicht nur, sie fällt in sich zusammen.

„Die Leute hier sind selbst zum Morden zu spießig!“

Selbs Tante, gespielt von Luise Wolframs echter Tante Claudia Geisler-Bading („Tschick“), ist selbst Schwachhauserin und ein übles Klatschmaul, bestätigt aber ebenfalls die Eindrücke, die man nach und nach von Marlene bekommt. Deren Unbeliebtheit sorgt für einen ganzen Pool potenzieller Verdächtiger mit Mordmotiv, woraus sich ein spannendes Whodunit? entwickelt. Die Tochter der Toten (Lucy Gartner, „Die Toten vom Bodensee: Die Meerjungfrau“) rennt derweil traumatisiert mit einer geladenen Knarre durch die Gegend. In einer herausragenden Szene besucht Selb den mutmaßlichen „Handymann“, einen verhaltensauffälligen Waldfreak, und behauptet sich in einer 1:1-Situation in der Höhle des Löwen verbal wie psychologisch. Auf diese Weise wird die Figur Selb positiv weiterentwickelt. Mit dem „Handymann“ bewältigt man zudem das eingangs beschriebene Problem, die Gefahr des Bremer Wäldchens glaubhaft zu vermitteln. Zudem trifft die Archaik des Walds hier auf moderne Technik: Smartphones, Videokameras, Tracker.

So avanciert „Angst im Dunkeln“ zu einem seiner unglaubwürdigen Prämisse zum Trotz doch ziemlich unterhaltsamen Kriminaldrama, das zugleich – nicht neu, aber immer wieder schön – ein Abgesang auf eine vermeintlich heile Vorstadtwelt ist, in der anscheinend alle ein Klavier haben und die Kinder Anselm und Imogen heißen. In der aber auch eine Familie Ömer lebt, offenbar Nachkommen türkischer Einwanderer, die es bis nach Schwachhausen geschafft haben, was in diesem „Tatort“ ganz selbstverständlich ist und angenehmerweise zu keinerlei Anlass für etwaige Klischees wird. Tatsächlich hätte man über beinahe alle Figuren dieses Falls gern mehr erfahren, wofür es für knapp 90 Minuten jedoch schlicht zu viele sind. Dass sich diese Neugier überhaupt entwickelt, spricht indes für Strikers und Peters‘ Kollaboration.
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Blade Runner 2049

Verlinkt und zugenäht

„Die Welt ist gebaut auf einer Mauer, die die Arten trennt!“

Sehr, sehr lange hatte man auf eine Fortsetzung Ridley Scotts kongenialer Future-noir-Verfilmung des Philip-K.-Dick-Romans „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, „Blade Runner“ aus dem Jahre 1982, warten müssen. Es dauerte bis ins Jahr 2017, bis, begleitet von ein paar Kurzfilmen, Denis Villeneuves („Sicario“) in britisch-US-amerikanisch-kanadisch-ungarischer Koproduktion entstandener „Blade Runner 2049“ erschien. Diese erfordert mit gut 160 Minuten Laufzeit ein gutes Sitzfleisch.

„Ich habe noch nie etwas in den Ruhestand versetzt, das geboren wurde...“

30 Jahre, nachdem sich Replikantenjäger Deckard (Harrison Ford) mit Replikantin Rachael (Sean Young) abgesetzt hatte, spürt der Replikant einer neueren Generation, L.A.P.D. Officer „K“ (Ryan Gosling, „The Big Short“), den älteren Modellen nach, um diese „in den Ruhestand zu versetzen“. Dabei erfährt er eines Tages, dass irgendwo ein Kind einer Replikantin existieren soll – das gemeinsame Kind Deckards und Rachaels. Wer ist dieses Kind?

„Noch nie gesehen, einen Baum!“

Texttafeln zu Beginn erläutern knapp, was bisher geschah. Die Welt ist noch mehr am Arsch als zuvor, doch die alten Leuchtreklamen von Coca-Cola und Atari strahlen ihren Neonglanz noch immer in den Nachthimmel (Respekt, Atari!). Hampton Fanchers und Michael Greens Drehbuch führt neue Figuren ein, die Villeneuve mit Leben füllt – von Blade Runner K über die Erinnerungsprogrammiererin Dr. Ana Stelline (Carla Juri, „Feuchtgebiete“) bis zum Hologramm Joi (Ana de Armas, „Exposed – Blutige Offenbarung“), die zum feuchten Traum vieler Sci-Fi-Nerds geworden sein dürfte (und sich in einer vermutlich ein wenig von „Her“ inspirierten bizarren Dreier-Präsexszene verlustieren darf). Sie stammt von der Wallace Corporation und hat ein Datenschutzproblem – welch schöne Parallele zu massenhaft verbreiteten Konzernwanzen à la „Alexa“ und Konsorten.

„Manchmal muss man, um jemanden zu lieben, ein Fremder sein!“

Leider befindet sich zumindest in der von mir gesehenen deutschen Synchronfassung ziemlich lange dermaßen viel Hall auf den Stimmen, dass die Dialoge schwer verständlich sind – und da „Blade Runner 2049“ stärker auf Dialoge denn auf Action setzt, zerrt das schon sehr an den Nerven. Zudem ist der Film vor dem Hintergrund Komponist Hans Zimmers kreativer Geräuschkulisse im Zeitlupentempo erzählt und auf Hyperlänge aufgeblasen, kurz: herausforderndes, etwas anstrengendes Opulenzkino. Das Schöne dabei: Er sieht wirklich klasse aus. Das muss er auch, denn die Dystopie des Vorgängers war gerade auch eine visuelle. Mit seinen Fragen danach, was das Menschsein ausmacht, wie menschlich künstliche Intelligenz sein kann und ob diese nicht evtl. gar humaner und/oder besser als der Mensch sein kann, trifft „Blade Runner 2049“ dann auch den Ton des Vorgängers, wobei er die Aspekte persönlicher Identität und möglicherweise trügerischer Erinnerungen ihm gegenüber sogar vertieft. Mit einer sich immer interessanter zuspitzenden Handlung nimmt er nach und nach gefangen, um mit einer deftigen Wendung gegen Ende zu überraschen. Vorher gab sich noch Harrison Ford in seiner Rolle als Deckard ein Stelldichein.

Ich kann „Blade Runner 2049“ als Erweiterung des „Blade Runner“-Universums akzeptieren, wenn es auch schade ist, dass er quasi die Frage beantwortet, ob Deckard ein Replikant ist oder nicht. Es handelt sich zweifelsohne um einen überaus gelungenen Science-Fiction-Film, auf dessen Manierismen und Erzähltempo man sich aber einlassen können muss – und der an die Magie des Originals nicht heranreicht.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Laura Hasn’t Slept

„Laura Hasn’t Slept“ ist der zweite Kurzfilm des US-Regisseurs Parker Finn. Der rund zehnminütige Horrorfilm heimste ein paar Auszeichnungen ein und kann sich in der Tat sehen lassen.

Laura (Caitlin Stasey, „All Cheerleaders Die“) hat mehrere Nächte nicht geschlafen, als sie den Therapeuten Dr. Parsons (Lew Temple, „Once Upon a Time In... Hollywood“) aufsucht, um ihm von ihren fürchterlichen Alpträumen zu berichten: Sie werde von einem Mann verfolgt, der jedes Mal anders aussehe, den sie aber unter anderem an seinem unheimlichen Lächeln erkenne. Sie glaube sogar, dass sie im realen Leben sterben werde, wenn der Mann ihr im Traum sein wahres Gesicht offenbare. Parsons rät seiner Patientin, unbedingt wieder zu schlafen – und fragt sie schließlich, ob sie sich nicht eventuell bereits in einem ihrer Träume befinde…

Finns Arbeit ist eine dieser Kurzfilmperlen, die das Talent des jeweiligen Nachwuchsregisseurs mehr als deutlich erkennen lassen: Vom grandiosen Schauspiel Staseys, der man ihre Panik zu jeder Sekunde abnimmt, über das reduzierte Setting, das sich in eine Alptraumwelt verwandelt, und die pointierte, gekonnt auf Suspense setzende Erzählweise, bis hin zur düsteren Stimmung, Atmosphäre und nicht zuletzt die Masken- und Make-up-Arbeit – hier stimmt alles. Da stört es dann auch nicht weiter, dass „Laura Hasn’t Slept“ als eine Art „Nightmare on Elm Street“-Variante relativ vorhersehbar ist. Dass Finn sich damit für seine erste abendfüllende Spielfilminszenierung „Smile – Siehst du es auch?“ qualifizierte, verwundert da wenig.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Beverly Hills Cop II

„Sind Sie gefärbt oder ist das Natur?“

Drei Jahre nach der auf Hauptdarsteller Eddie Murphy zugeschnittenen erfolgreichen Action-/Cop-Komödie „Bevery Hills Cop“ spendierten die Produzenten ein höheres Budget und engagierten den nach dem homophilen US-Militär-Werbeclip „Top Gun“ gefragten Regisseur Tony Scott für die Inszenierung. Auch diese Fortsetzung wurde ein voller Erfolg an den Kinokassen sowie später auf dem Heimvideomarkt.

„Die kann aus der Dachrinne saufen!“

Eine Gangsterbande macht Beverly Hills mit ihren „Alphabetverbrechen“, für die sie ihre Ziele in alphabetischer Reihenfolge abklappern, unsicher. Als sie ein Attentat auf den mit Axel Foley (Eddie Murphy) befreundeten Polizisten Captain Andrew Bogomil (Ronny Cox, „RoboCop“) verüben und ihn dabei schwer verletzen, kehrt Foley nach Beverly Hills zurück, um dabei zu helfen, die Attentäter dingfest zu machen. Er tut sich mit seinen ehemaligen Kollegen John Taggart (John Ashton, „Ist sie nicht wunderbar?)“ und Billy Rosewood (Judge Reinhold, „Ich glaub' mich knutscht ein Elch!“) zusammen und kommt dabei den Hintergründen der Überfälle auf die Spur: Es geht um großangelegte Waffengeschäfte…

„1,8 Meter große Blondinen wachsen in Kalifornien auf den Bäumen!“

Der Prolog zeigt einen Überfall der ebenso hochgeschossenen wie schießwütigen Karla Fry (Brigitte Nielsen, „Red Sonja“) auf einen Juwelier, das anschließend erklingende Titellied erinnert stilistisch an manchen „Top Gun“-Song… Der Vorspann inszeniert Axel Foley nicht mehr als Underdog, sondern als Sportwagen-Yuppie. Schnellsprechrekorde stellt er jedoch weiterhin auf. Fry ist es dann auch, die mit schwarzer Perücke und komplett überstylt das Attentat auf Bogomil verübt. Der Zigarettenschmuggler-Gag aus Teil 1 erfährt eine Fortsetzung und Foleys Methoden sind weiterhin mit unorthodox gut umschrieben. Neu ist hingegen, dass Foley niemanden mehr von seinen Qualitäten als Ermittler überzeugen muss und dass Rassismus kein Thema mehr ist. Der Score wird inflationär eingesetzt und um einen ‘80er-Pop-Soundtrack ergänzt. Überhaupt ist alles 80s as fuck.

„Was für 'ne Scheiße ist hier am Kochen?!“

Foley agiert vornehmlich, indem er sich ständig als jemand anderer ausgibt – und erreicht so seine Ziele. Seine Kollegen Rosewood und Taggart bekommen mehr zu tun als im ersten Teil, manche Ermittlungen scheinen aber etwas sehr trivial und führen entsprechend schnell zum Erfolg. Um diese geht es aber auch gar nicht vorrangig; vielmehr ist Action angesagt, beispielsweise in einer blechschadenreichen Verfolgungsjagd Betonmischer versus Truck, und natürlich im Finale mit seiner ausufernden Schießerei, den Explosionen und zahlreichen Filmtoten. Zuvor wurde als Running Gag etabliert, dass Rosewood immer größere Waffen auffährt. Bei diesem zu Hause finden sich – neben einem Dschungel aus Zimmerpflanzen – übrigens ein „Rambo II“- und ein „City Cobra“-Plakat. In einem Stripclub sorgt ein Oben-ohne-Girl für etwas Sex-Appeal, anschließend geht’s auf eine Party des „Playboy Magazine“, inkl. echtem Hugh Heffner. Nicht nur in Momenten wie diesen wirkt „Beverly Hills Cop II“ der Verbrechensrate zum Trotz wie ein Werbefilm für die Region.

„Scheiß auf Rambo!“

Und natürlich geht es um Humor. Und da muss diese Fortsetzung leider Abstriche machen, denn der ist nicht mehr so frisch und spritzig wie noch im Vorgänger, bisweilen gar aufdringlich gefällig – als sei man mit dem Bewusstsein an ihn herangegangen, dass der Film aufgrund seines Budgets ein Erfolg werden muss und habe deshalb auf ein breiteres Publikum geschielt, das man nicht mit Frechheiten vergrätzten wollte. Auch der Schnitt ist manchmal seltsam holprig, was bei einer derart professionellen Produktion verwundert. Positiv hingegen ist, dass es hier letztlich gegen mächtige Unternehmer geht, also nicht nach unten getreten wird. Und Nielsen Auftritte als eiskalte Killerin sind schon cool, Jürgen Prochnow („Das Boot“) kann sich als Schurke ebenso sehen lassen. Alles in allem sind 6,5 von 10 Actiongülle-Filmplakaten schon noch drin – und warten darauf, in deiner Man Cave an die Wand geklatscht zu werden, während du diesen Film in deinen Videorekorder schiebst.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Lost in Translation

„Lupfe mein' Schlumpf!“

Mit ihrem zweiten Spielfilm schuf Sofia Coppola, Tochter des großen Francis Ford, einen modernen Klassiker: Der mit verhältnismäßig geringem Budget US-amerikanisch und japanisch koproduzierte sowie von ihr inszenierte „Lost in Translation“ aus dem Jahre 2003, zu dem sie auch das Drehbuch verfasste, heimste einen Oscar für eben jenes ein und versetzte der Sparte des tragikomischen Liebesfilms neue Impulse.

„Wird das Leben einfacher?“

Die jungvermählte US-Amerikanerin Charlotte (Scarlett Johansson, „Arac Attack – Angriff der achtbeinigen Monster“) begleitet ihren Mann, den Fotografen John (Giovanni Ribisi, „The Gift – Die dunkle Gabe“), auf dessen Geschäftsreise in die japanische Metropole Tokio, wo er sich kaum um sie kümmern kann und sie mit ihren Schwierigkeiten, sich an die dortige Kultur zu gewöhnen, und ihrem Gefühl der Verlorenheit und Einsamkeit allein lässt. In der Bar des Nobelhotels lernt sie den alternden US-amerikanischen Schauspieler Bob Harris (Bill Murray, „Die Geister, die ich rief…“) kennen, der für den Dreh eines Werbespots für einen japanischen Whiskey allein nach Tokio gereist ist. Er ist bereits seit 25 Jahren verheiratet, hadert aber mit seiner Ehe. Ihre Schlaflosigkeit und das Gefühl der Einsamkeit vor dem Hintergrund einer ihnen fremden Kultur eint sie und führt sie zueinander. Gemeinsam erkunden sie Tokio und geben sich gegenseitig Halt und Kraft – und Zuneigung…

„'ne harte Nacht gehabt?“

Coppola verarbeitete in ihrem Drehbuch ihre eigenen Erfahrungen, die sie in den 1990er-Jahren gemacht hatte, als Japan aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten im Modebereich zu ihrer zweiten Heimat geworden war. Zunächst zeigt „Lost in Translation“ parallel die Erlebnisse Charlottes und Bobs in Tokio und kostet dabei den Culture-Clash-Aspekt inklusive dessen komischen Potenzials umfangreich aus. Murray spielt Bob als müden, in die Jahre gekommenen Filmstar mit Leichenbittermiene und Sarkasmus und bekommt die Gelegenheit zu einigen herrlichen Slapstick-Einlagen. Die blutjunge Johansson ist sehr süß und strahlt als Charlotte eine gewisse Schutzbedürftigkeit aus, vor allem aber das Verlangen nach Beachtung, Zweisamkeit und Orientierung. Für das Abenteuer Tokio ohne zuverlässigen Begleiter an ihrer Seite wirkt sie zu jung. Als sie sich zusammentun, scheinen sie erstmals Spaß an der Stadt zu entwickeln – unter anderem beim Karaoke, bei dem man sogar „God Save The Queen“ der Sex Pistols anstimmt. Eine lange gemeinsame Partynacht wird ausführlich illustriert und im Stripclub gibt’s freizügige Schauwerte.

Neben dem Schauspielensemble finden sich die eigentlichen Schauwerte des Films aber in seiner wundervollen visuellen Gestaltung, die entscheidend dazu beiträgt, die Atmosphäre des paradoxen Einsamkeitsgefühls inmitten einer Millionenmetropole zu vermitteln. In einer besonders gelungenen Sequenz durchstreift Charlotte Kyoto, diese Bilder kommen ohne jeden Dialog aus. Inhaltlich bewegt sich „Lost in Translation“ dann zunehmend weg vom Culture Clash, hin zur persönlichen Beziehung Charlottes und Bobs zueinander. Dass dort offenbar etwas über eine lose Bekanntschaft Hinausgehendes entstanden ist, beweist Charlottes eifersüchtige Reaktion, nachdem Bob eine Nacht mit einer Rothaarigen verbracht hat. Doch wer nun glaubt, dass daraus eine klassische Romanze zwischen Charlotte und Bob entstünde, liegt falsch: Fernab jeglicher Hollywood-Klischees und völlig unkitschig bleibt die Beziehung platonisch. So geht es denn auch vielmehr um Melancholie, leise infrage gestellte Lebensentwürfe und unklare Verhältnisse zwischen Zweckgemeinschaft, Freundschaft und Liebe – und nicht etwa darum, dass ein wesentlich älterer Mann eine junge Frau ins Bett bekommt.

Coppolas Film wurde mit viel Raum für Improvisationen gedreht und kann sich nicht nur in dieser Hinsicht auf Johansson und Murray verlassen. Die einfühlsame, entschleunigte Handlung wird von einem beeindruckenden Gespür für Bilder und guter Musik veredelt, das Ende ist offen und ein bisschen geheimnisvoll – und durch den konsequenten Verzicht auf Untertitelungen fühlt man sich mitunter genauso verloren wie die Protagonisten. Toller Film und vielleicht bis heute Sofia Coppolas bester!
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OSS 117 – Er selbst ist sich genug

„Nicht jeder Humor ist zwangsläufig lustig!“

Drei Jahre nach Michel Hazanavicius‘ französischer Eurospy-Persiflage „OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“, im Jahre 2009 also, erschien deren erste Fortsetzung „OSS 117 – Er selbst ist sich genug“, die sich beim originalen OSS 117 sowie Bond & Co., aber auch der Komödie „Abenteuer in Rio“ aus dem Jahre 1964 bedient.

„Sie können mir helfen, einen Teil davon zu erforschen – und sei er auch noch so intim.“

Im Jahre 1967 kriselt es beim französischen Geheimdienst. Altnazi Professor von Zimmel (Rüdiger Vogler, „Anatomie“), der sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach Brasilien abgesetzt hat, möchte dem französischen Staat einen Mikrofilm mit einer Liste französischer NS-Kollaborateure gegen ein hübsches Sümmchen Geld übereignen. Geheimagent Bonisseur de La Bath alias OSS 117 (Jean Dujardin) soll nach Rio reisen, ihm das Geld aushändigen und das pikante Dokument an sich nehmen. Doch nachdem er zuvor in Gstaad ein Blutbad unter chinesischen Gangstern angerichtet hat, steht er auf der Abschlussliste fernöstlicher Mafiosi. Zudem missglückt der erste Versuch der Geldübergabe, OSS 117 muss vom Mossad gerettet werden. Dabei lernt er die Israelin Dolorès Koulechov (Louise Monot, „MR 73“) kennen, die von Zimmer in ihre Heimat bringen soll, um ihn dort vor ein Kriegsgericht zu stellen. Gemeinsam macht man von Zimmels Sohn Heinrich (Alex Lutz, „Female Agents – Geheimkommando Phoenix“) ausfindig, der in einer Hippie-Kommune lebt und seinen Vater verachtet. Heinrich führt die Agenten nur zu gern zu ihm, doch es stellt sich heraus, dass von Zimmel ganz andere Pläne verfolgt und nie wirklich ein Interesse daran hatte, besagten Mikrofilm auszuhändigen…

„What a jerk!“

Schon der Auftakt in Gstaad produziert zahlreiche Filmtote; im weiteren Verlauf schießt man aber mehr noch gegen die politische Korrektheit, indem sämtliche im Film auftretenden Ethnien und Nationalitäten – inklusive der französischen – beleidigt werden und außerdem nicht mit Frauen-, Juden-, Nazi- und Hippieklischees gegeizt wird. Der Humor entsteht dabei aus dem Umstand, dass der Film sich nicht in erster Linie über diese Menschen lustig macht, sondern über die alten Eurospy-Heuler, die er persifliert, denn in mal mehr, mal weniger subtiler Form zählten derartige Inhalte zum damals von ihnen vermittelten Weltbild. OSS 117 ist auch diesmal kein Held, sondern ein ungebildeter, chauvinistischer, antisemitischer, dafür umso mehr von sich eingenommener Klotzkopf, der seine Unwissenheit und seine Vorurteile in den Gesprächen mit dem Mossad offenbart.

„Wir Franzosen haben eben gute Gene!“

Ebenso viel Wert legen Hazanavicius und sein Team aber auf Ausstattung und Ästhetik, womit sie die Illusion erzeugen, sich in einem ‘60er-Jahre-Streifen zu befinden, und sich zugleich vor dem Genre und dessen Ästhetik verbeugen. Das ist dann häufig weniger Persiflage denn Hommage und reicht von Splitscreen-Montagen (die indes auch herrlich parodiert werden) über Rückprojektionen bis zu Mode, Interieur und Musik. Ein Augenschmaus für Freunde jener Kinodekade! Seinen Humor bezieht die Fortsetzung ferner wie gewohnt aus Slapstick-Einlagen, Running Gags, etwas Sprachwitz und (Culture-Clash-)Situationskomik, letztere beispielsweise als de La Baths Lebenseinstellung und der Hippie-Lifestyle aufeinandertreffen – welche sich unter Drogeneinfluss doch stark angleichen…

„Deutschland besteht nicht nur aus Nazis, mein Herr!“ – „Ich kenne diese Theorie...“

Unser vermeintlicher Top-Agent wird auch im größten Kugelhagel nicht getroffen, wie hier demonstrativ veranschaulicht wird und was er mit seinen Vorbildern aus dem Action-Bereich gemein hat. Zu schaffen macht ihm aber seine Höhenangst, deren Ursprung in gleich drei Rückblenden aufgedröselt wird. Auf dem Weg zum Finale darf man einer „wilden“ Verfolgungsjagd im Krankenhaus am Tropf hängend beiwohnen, bis der Showdown schließlich spektakulär auf der Jesus-Statue in Rio de Janeiro stattfindet.

„Die CIA ist nicht Amerika!“

Die Gag-Dichte ist höher als im Vorgänger, womit „OSS 117 – Er selbst ist sich genug“ tatsächlich noch mehr Spaß macht. Wir bekommen ferner eine krude Definition von Diktaturen vermittelt, können uns an einigen Oben-ohne-Szenen sowie an einer Wrestling-Einlage erfreuen und darüber staunen, dass der französische Umgang mit den eigenen Nazi-Kollaborateuren einer der durchaus hintersinnigen Aufhänger dieser Komödie ist, die sich gut als Mischung aus „Die nackte Kanone“ und „Austin Powers“ beschreiben lässt und sich lediglich nach wie vor etwas schwer damit tut, bei allem bunten Treiben und haarsträubendem Unfug seine nicht uninteressante Geschichte auf fesselnde Weise zu erzählen. Möglicherweise lässt man sich als Zuschauerin oder Zuschauer bei der Erstsichtung aber auch nur allzu leicht abzulenken. Meine 7,5 von 10 mordlüsternen Chinesen sind daher für diese gar nicht so doofe, liebevoll ausgestattete und insbesondere von Dujardin göttlich gespielte Parodie vielleicht sogar etwas knapp bemessen.

Nachgetragen sei noch, dass Oliver Kalkofe bei der Erstellung des Synchronbuchs und der Synchronisation Dujardins offenbar wieder sehr gute Arbeit leistete.
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