Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Fr 22. Mär 2024, 14:43
Eis am Stiel, 3. Teil – Liebeleien
„Was wir hier machen, wird jeden Tag tausendmal gemacht!“
Nach zwei überwiegend gelungenen – und kassenträchtigen – Teilen der israelischen Teenie-/Erotik-/Liebes-/Coming-of-Age-Reihe fand für den dritten Teil aus dem Jahre 1981 erstmals eine Koproduktion mit Deutschen statt. Obwohl Boaz Davidson weiterhin als Regisseur fungierte und das Hauptdarstellertrio aus Jesse (alias Yftach) Katzur, Zachi Noy und Jonathan Segal weiterhin erhalten blieb, tat dieser Schritt den „Eis am Stiel“-Filmen nicht gut. Und das nicht nur, weil in der deutschen Fassung ein schlimmes Namenswirrwarr angerichtet wurde: Der von Segal verkörperte Momo heißt hier plötzlich Bobby, während Zachi Noys Rolle nicht mehr Johnny, sondern nunmehr Momo heißt…
„...wie dieser Elvis Pressler!“
Die drei Freunde Benny (Jesse Katzur), Bobby und Momo hängen gern gemeinsam am Strand ab und schauen den Mädels hinterher. Die Idylle wird für Benny jedoch dadurch getrübt, dass ihn seine Freundin Sally (Ariella Rabinovich, „Moments“) einfach nicht ranlassen will. Als er eine alte Bekannte, die wesentlich ungezwungenere Nikki (Orna Dagan), wiedertrifft, lässt er sich auf eine Affäre mit ihr ein. Doch hat Nikki kein tiefergehendes Interesse am sensiblen Benny – eine für ihn schmerzlich Erkenntnis. Und dann bekommen seine Eltern auch noch Besuch von seiner Cousine Trixie (Sibylle Rauch, „Drei Lederhosen in St. Tropez“), einer wahren Sexbombe, die sofort das Interesse nicht nur der jungen Männer auf sich lenkt.
„Die Bräute drehen ja durch!“
Das Positive vorab: Die Musik der ausgehenden 1950er-Dekade spielt auch hier eine große Rolle, zu Beginn ertönt direkt Ritchie Valens‘ „La Bamba“ und im weiteren Verlauf reiht sich neben weiteren Valens-Songs Hit an Hit. Die Eröffnungssequenz definiert aber auch bereits den plumpen Humor, der einen den Film über begleiten wird: Unser Trio bespannt Oben-ohne-Frauen in der Umkleide. Momo (also Zachi Noy, „der lustige Dicke“) bricht dabei durchs Dach. Dann wird er im Sand eingebuddelt und von einem kleinen Jungen angepinkelt. In einer anderen Szene guckt man jungen Frauen mit Spiegeln unter die Röcke. Auch pubertäre Streiche wie dieser zählen also weiterhin zum Charakter der Reihe; von Weiterentwicklung der drei Freunde keine Spur, stattdessen weiterhin Schema F, bei dem der Dicke immer der Leidtragende ist. In der Hackordnung unter sich hat er nur noch einen Brillenträger, dem er ständig eine knallt. Schön hingegen: Ein ikonischer Moment, in dem alle drei am Strand liegen und Eis am Stiel lutschen (und der es auch aufs Filmplakat schaffte).
Aus den üblichen Nackt- und Fummelszenen kristallisiert sich die eigentliche Coming-of-Age-Liebesdrama-Handlung um Benny, Sally und Nikki heraus. Tammy, seine herzergreifende Romanze aus dem zweiten Teil, spielt überhaupt keine Rolle mehr, ohne dass man erklärt bekäme, weshalb. Ein ärgerlicher Kontinuitätsbruch. Die Geschichte um Bennys unüberlegtes Vorgehen in Liebesfragen, das ihn an eine Art ein seltsames Spiel spielende Femme fatale geraten lässt, wodurch er die Quittung für seine Treulosigkeit bekommt, ist gleichwohl nicht uninteressant. Zudem sorgt Bennys Mutter (Dvora Halter Kedar) für viel schönen Humor. Doch ab dem Moment, in dem offenbar die deutschen Beteiligten die spätere Porno-Darstellerin Sibylle Rauch als Cousine Trixie im Film platzieren, wird’s so richtig doof, abstrus und billig. Dass bei diesen Familienzusammenführungen oft wild durcheinandergeschnattert wird, ist ja noch ganz charmant. Wie Bobby jedoch an Trixie gerät, wird gar nicht erst durch die Handlung nachvollziehbar, man sieht ihn direkt in einer Softsex-Szene mit ihr. Im selben Abwasch darf Momo ran, der in einer peinlichen Szene in ihr steckenbleibt. Trixie ist hier ein reines Sexualobjekt, es wird nicht einmal der Versuch einer Charakterisierung unternommen. Obwohl sich parallel dazu das Drama um Benny und Nikki weiterentwickelt – sie hat keinen Bock auf „Liebesgequatsche“ und ist bald genervt von ihm, während Benny sich Sally weiter warmzuhalten versucht –, spielt dieses von nun eine viel zu untergeordnete Rolle. Stattdessen wird mit Klavierlehrerin Fritzi (Christiane Schmidtmer, „Angriff der Riesenspinne“) eine weitere nymphomane Deutsche präsentiert, die Bobby während seiner ersten Unterrichtsstunde in einer grauenhaften Szene befingert – was ihr natürlich gefällt und woraufhin sie ihm an die Wäsche geht. Momo landet im Anschluss bei der falschen Lehrerin, was zumindest ein bisschen lustig ist.
Nikkis Verhalten versteht derweil kein Mensch: Sie geht mit einem anderen ins Kino, setzt sich neben Benny, der mit Sally da ist, und befummelt ihn – woraufhin die Situation erwartungsgemäß aus den Fugen gerät. Letztlich wird sich Nikki als promiskuitive und gefühlskalte Schlampe erweisen, die Freude daran hat, mehrere Affären laufen zu haben und denjenigen, die auf sie hereinfallen, das Herz zu brechen. Eine Art weibliches Pendant zu Bobby, der in den vergangenen Filmen ein ähnliches Verhalten an Tag legte, gewissermaßen. Dankenswerterweise ist dieser Handlungsstrang im letzten Drittel wieder dominanter, wenngleich Orna Dagan ihre Rolle mit dem immer gleichen gelangweilten Gesichtsausdruck spielt. Ariella Rabinovich verleiht ihrer Rolle als Sally wesentlich mehr Ausdruck, zumal ihre Figur die einzige ist, die so etwas wie echte Menschlichkeit in den Film einbringt. Dies bedeutet zugleich eine zuschauerseitige Entfremdung vom Hauptrollen-Trio, erstmals über weite Strecken auch von Benny.
Zumindest so lange, bis klar wird, dass es anhand seiner Rolle um die Vermittlung wichtiger Erfahrungen und Lehren geht. Und schlussendlich (Achtung, Spoiler!) fällt Benny sanft: Als er endlich kapiert, was er an Sally hatte, kommt er wieder mit ihr zusammen. Dieses Happy End halte ich indes für unangebracht – fair wäre gewesen, dass Sally einen Neuen hat, der sie mehr zu schätzen weiß, und Benny mal so richtig leiden muss. Letzteres allerdings hatten wir ja bereits am traurigen Ende des ersten Teils. Aber wie auch immer man diese eigentliche Handlung des Films und ihren Ausgang beurteilt: Sibylle Rauch und die Klavierlehrerin waren dafür völlig überflüssig, ihre Szenen wirken wie Fremdkörper, die den Film zerreißen, und sind derart primitiver Natur, dass sie der „Eis am Stiel“-Reihe eigentlich unwürdig sind. Kein Wunder also, dass fortan der zweifelhafte Ruf von Softporno-Filmen an ihr haftete.