Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event
Verfasst: Mo 8. Jul 2013, 23:52
15.06.2013, Gaußplatz, Hamburg:
ZAPPACUP, Tag 3
Der alljährliche ZAPPACUP auf dem Hamburger Gaußplatz, jenes berüchtigte Gratis-Punk-Open-Air, das den Wagenplatz hinter der Fabrik in eine große subkulturelle Partymeile verwandelt, war bereits seit Donnerstag in Gange. Donnerstag hätte ich mir gern die Kollegen von PROJEKT PULVERTOASTMANN angeschaut, die zusammen mit einer Handvoll weiterer Bands, die anscheinend gar alle nicht auf dem Flyer standen, die Sause in der Platzkneipe „El Dorado“ eröffneten. Leider ließ sich das mit meinen Arbeitszeiten nicht vereinbaren. Freitag gönnte ich mir ‘ne Auszeit, denn ich wollte Samstag fit sein, schließlich sollte ich mit den DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS auf der Bühne stehen. Doch, oh Graus: Samstagmittag klingelt das Telefon, Drummer Chrischan ist dran und berichtet von einem durch einen Sturz in Glasscherben defekten Arm, der im Krankenhaus behandelt werden musste und somit außer Betrieb war. Schöne Scheiße, den Gig konnten wir also vergessen. Selbstredend ging’s bei sonnigem, aber unbeständigem Wetter (ein urplötzlich tobendes Unwetter verhinderte meine pünktliche Anreise) trotzdem gen Gaußplatz, wobei ich den Opener KACKREIZ leider verpasst habe. Doch die folgenden Bands auf der Freiluftbühne vermochten unsere Laune ein wenig zu steigern: SEASICK spielten Grindcore, der immer wieder mit unvermittelten, witzigen Falsettgesangseinlagen aufgelockert wurde. Die Band bestand nur aus drei Leuten, auf den Bass verzichtete man komplett. Klang heftig und gut, nutzte sich aber irgendwann dann doch bischn ab. Hat wohl seinen Grund, dass Platten dieser Musikrichtung oft nicht über 20 Minuten hinausgehen. INSTABIL aus der Schweiz spielten eine nicht uninteressante Mischung aus Street- und Hardcore-Punk auf deutsch mit heiserem Sänger und zwei Gitarren, deren Sound leider etwas komisch war. Kein schlechter Gig, den ich aber nicht komplett konzentriert verfolgte, da mich manch Klönschnack ablenkte. Die CITY RATS aus Israel, die quasi ihren Zweitwohnsitz auf dem Gauß haben, so oft, wie die dort spielen, waren dann von der ersten bis zur letzten Sekunde schlicht perfekt. Klasse Sound, aggressiver Hardcore-Anarcho-Chaos-Schießmichtot-Punk, der zum kollektiven Durchdrehen einlud (der Pöbel kam tatsächlich gut in Bewegung), den Altona-93-Song natürlich auch im Gepäck. Die CITY RATS arbeiten gerade an einer neuen Platte, auf die man sich ganz bestimmt freuen darf. STOOKER (nicht „Stuka“, wie ich zunächst verstand) aus Norwegen besiegelten dann den musikalischen Teil des Abends mit einem Coverset oberster Kajüte. Man begann mit einem Song der DAMNED, weiter ging’s mit den RAMONES, über Sex PISTOLS (sehr geschmackvoll gewählt: „Seventeen“), SHAM 69 (ausgelutscht: „If the Kids are United“), JOHNNY THUNDERS („Born to Lose“), THE STOOGES („Now I Wanna Be Your Dog“), DEAD BOYS („Sonic Reducer“), ANTI-NOWHERE LEAGUE („So What?!“), GG ALLIN („Bite It, You Scum“) und MOTÖRHEAD („Iron Fist“) sowie dem HC-Punk-Kracher „All Fascists Are Bastards“, den ich keiner Band zuordnen konnte. Schönes Ding, Top-Stimmung, ich bewegte mich noch bischn mehr als bei den CITY RATS, vermisste aber schmerzlich ein THE-CLASH-Cover – wat ‘ne Lücke, bitte zum nächsten Mal füllen! Das einzige, was mir unnötig erschien, war das Provozieren von „Zugabe!“-Rufen durch ständiges verfrühtes Verlassen der Bühne. So neigte sich ein Abend dem Ende, aus dem ich trotz allem das Beste gemacht hatte. Netterweise drückte uns Mitorganisator Wurzel dennoch den Freibierstempel auf. Die Atmosphäre war entspannt, die Leute gut drauf, das Angebot an Speisen und Getränken toll und zu verdammt fairen Preisen zu haben, selbst das Wetter spielte mit und es regnete erst wieder NACH STOOKER, sprich: alles spitzenmäßig. Da selbst auf der Bühne zu stehen, wär schon ‘n Traum gewesen, aber es hat nicht sollen sein...
16.06.2013, Gängeviertel, Hamburg:
BRUTAL VERSCHIMMELT + SYSTEMFEHLA
Ich rechne heutzutage ja mit vielem, aber dass die Allgäuer Punks von BRUTAL VERSCHIMMELT, die 1983 eine Platte auf Rock-O-Rama veröffentlicht hatten und danach wieder in der Versenkung verschwanden, noch mal live auftreten würden, hatte wohl nicht nur ich nicht auf dem Zettel. Höhnie aus Peine hat kürzlich das Album, das einen gewissen Kult-Status genießt, neu aufgelegt und die Jungs prompt auf sein alljährlich Open-Air-Festival eingeladen, und nur einen Tag später kamen sie dann erstmals (!) nach Hamburg, um im Gängeviertel zu spielen. Ich war sehr zeitig vor Ort und beobachtete, wie sich der sympathische Laden nach und nach ordentlich füllte. Eintritt gab’s gegen Spende, Getränke auch und irgendwann zu dann doch schon recht fortgeschrittener Stunde (etwas unglücklich auf ’nem Sonntag) eröffneten dann SYSTEMFEHLA aus Hannover den Abend. In klassischer Trio-Besetzung gab’s recht druckvollen deutschsprachigen Punkrock mit Texten, die das, ich sag mal „typische Deutschpunk-Themenspektrum“ abdeckten. Die Jungs waren verdammt fit an den Instrumenten und spielten sehr souverän ihr Set durch, allerdings fehlte es mit der Zeit dem Gesang doch etwas an Dreck und Aggressivität. Am Ende gab’s ’ne unvermeidliche Coverversion von „Für immer Punk“, und, sorry, das Original klingt da doch besser. Zu Beginn des Auftritts kam übrigens einer der BRUTAL VERSCHIMMELten kurz auf die Bühne und wies darauf hin, dass deren Konzert gefilmt werden würde – keine schlechte Idee, denn als die Truppe die Bühne betrat und sich vorstellte, ging ihr Gig unter einem Jubelschrei los – und, verdammt, das klang ja wirklich fast original wie auf der LP! Der alterglatzköpfige, etwas korpulentere Sänger hat seine Stimme in all den Jahren null verloren, sein leicht hoher, frecher Pöbel-Gesang war unverkennbar der von BRUTAL VERSCHIMMELT! Die Saitenfraktion war voll auf der Höhe, besonders derjenige, der zuvor aufs Filmen hingewiesen hatte, hat sich auch äußerlich ziemlich gut gehalten. An der Schießbude nahm der Sänger/Bassist von SYSTEMFEHLA platz, ansonsten war’s die Originalbesetzung von damals. Doppelbelastung also für den Träger roter Dreadlocks, die er ausfallfrei meisterte – Respekt! Nun wurden glaub ich alle Hits (und Semi-Hits ) des Albums abgefeuert, „Stumpfer Fischkopf“ (sehr passend in Hamburg), „Hey Man“, „Fette Kinder“, „Keine Freiheit“, „Sechs Millionen“... und natürlich „Panzer“, das der Sänger auf seinem Saxophon begleitete. Genial! Vor der Bühne tobte ein zünftiger Pogomob und feierte die Band verdientermaßen ab, dahinter standen etliche Interessierte unterschiedlichster Altersstufen, unterschiedlichsten Aussehens und unterschiedlichster Alkoholisierungsgrade... ich hielt mich zurück und beobachte das Treiben von der Seite aus und war ganz fasziniert, wie da mehrere ältere Herren spielfreudig und sich verausgabend auf der Bühne abgingen, als wären sie nie weg gewesen. Sogar ein neues Stück hatten sie dabei, das sich nahtlos einreihte. Als eigentlich alle Songs gespielt waren, wollte man die Band nicht gehen lassen und so gab’s mehrere Zugaben, Songwiederholungen, noch mal „Stumpfer Fischkopf“ und noch mal „Panzer“ und dies und das... Ich krieg’s nicht mehr ganz genau zusammen, aber die Show ging verdammt lange, man ließ sich nicht lumpen. Da kann man nun echt nur den Hut vor ziehen. BRUTAL VERSCHIMMELT ist es gelungen, ihre uralten Punk-Kamellen authentisch runterzuholzen, ohne dass es in irgendeiner Weise peinlich gewirkt hätte! Ganz im Gegenteil: Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihren Stiefel durchzogen und vollkommen darauf schissen, ob es gerade 1983 oder 30 Jahre später war, war verdammt cool! Einziges Problem war das Gesangsmikro, das einigen Lautstärkeschwankungen unterlag, evtl. wurde da mit fortschreitender Spielzeit und damit einhergehender weniger Puste für den Sänger einfach zu wenig nachjustiert. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, der Sound der Band klingt heutzutage wie ’ne Mischung aus Uralt-D-HC-Punk und Retro-Rotzepunk à la SHOCKS und Konsorten und wirkt damit schon wieder erfrischend, jedenfalls kein Stück altbacken. Gegen Ende leerte es sich nach und nach, viele mussten vermutlich am nächsten Tag arbeiten und deshalb den Heimweg antreten, aber ich blieb bis zum Schluss und bin mir sicher, ein verdammt noch mal ganz besonderes Konzert erlebt zu haben! Punk streift man eben NICHT mit dem Erwachsenwerden ab und BRUTAL VERSCHIMMELT sind einer von unzähligen Beweisen!
19.06.2013, o2-World, Hamburg:
IRON MAIDEN
Wenn die Jungs von IRON MAIDEN wieder in der Stadt sind, beginne ich zu kreischen wie die Weiber anno ’64 zur Beatlemania und muss da natürlich hin. Im Gegensatz zur Tour zum aktuellen Album „The Final Frontier“ vor zwei Jahren konnte ich diesmal auch Karten für den Innenraum ergattern - und das Schöne daran, wenn man sich für so’n Konzert so dermaßen in Unkosten stürzt, ist, dass man die Karten im Vorverkauf etliche Monate vorher erstehen muss, so dass der Ärger darüber am Tag des Konzerts längst vergessen ist, sich im Idealfall gar ein neues Budget für zwei, drei Bierchen und ‘ne Pommes gebildet hat. So war es dann auch an besagtem Mittwoch, als ich mit meiner Süßen, die die Karte von mir zum Julfest bekommen hatte, pünktlich und voller Vorfreude die Reise in jene entlegene Gegend Hamburgs antrat. Es war der wohl bis dato heißeste Tag des Jahres, trotzdem quetschten wir uns in Stellingen angekommen in den Shuttle-Bus. Schließlich wollten wir nun doch so schnell wie möglich an den Ort, der heute Abend zur Kultstätte der MAIDEN-Mania werden sollte, um dort in entspannter Atmosphäre ein paar Aufwärmbierchen zu kippen und möglicherweise das eine oder andere bekannte Gesicht zu erspähen. Wie erwartet lief vor der Halle mehr oder weniger geschmackvoll ausgewählte Musik und war der überwiegende Anteil der Besuch in MAIDEN-Shirts gehüllt, ob das junge Twen-Mädchen oder der ergraute Altrocker. Ja, noch immer ziehen Maiden mit ihrer zeitlosen Musik Fans fast jeder Altersklasse an, wachsen immer wieder neue Fangenerationen nach. Tatsächlich trafen wir auf den berüchtigten Wacken-Jimmy sowie auf SCHLOIDERGANG-Alex; andere, von deren Anwesenheit ich wusste, waren in den 12.000 geschmackssicheren Menschen allerdings nicht auszumachen. Viele waren mittlerweile auch reingegangen, um sich die Vorband VOODOO SIX anzusehen. Ich hatte vorher mal reingehört, sie in die „langweiliger Rock“-Schublade gepackt und dankend verzichtet. Pünktlich zur Umbaupause begehrten dann jedoch auch wir Einlass. Bei meinem dritten Besuch dieser Kommerzhalle also erstmals ein Stehplatz im Innenraum. Was ich vorher gar nicht wusste: Unten wird quasi für alles gesorgt, die Stehplätze haben einen großen eigenen Bereich mit Toiletten (bemerkenswert: immer sauber!) und Gastronomie, es besteht also keinerlei Veranlassung mehr, die Treppen zum Sitzplatzpöbel heraufzulatschen. Leider schafften wir es nicht mehr ganz nach vorne, der Bereich zwischen Bühne und Wellenbrecher wurde noch einmal extra bewacht und sein Kontingent war bereits erschöpft. Also kurz hinterm Wellenbrecher postiert und gespannt der Dinge geharrt, die da kommen mögen: Nämlich nichts Geringeres als die Wiederauflage der seinerzeit als „Maiden England“ auf VHS und Tonträger veröffentlichten Tour zu meinem Lieblingsalbum „Seventh Son of a Seventh Son“ aus dem Jahre 1988!
Nicht lange und das obligatorische „Doctor, Doctor“ von UFO schallte durch die Lautsprecher, um den Beginn der sich profanerweise „Konzert“ nennenden Messe zu markieren, dicht gefolgt von einem animierten Videointro auf den beiden Bildschirmen links und rechts von der Bühne und dem Akustik-Intro zu „Moonchild“, dem Opener jener in Vinyl geritzten Göttergabe, woraufhin die Band die herrlich im Eiszeit-Look des Albums gestaltete Bühne betrat und der Live-Teil begann. Sechs spielfreudige Briten sprangen auf und über die Bühne, fit und fidel und musikalisch wie stimmlich über jeden Zweifel erhaben, doch was zur Hölle war DAS für ein beschissener „KLANG“?! Meine vage Hoffnung, dass im Innenraum der Klang von vornherein besser sein würde als vor zwei Jahren auf den Sitzschalen löste sich innerhalb von Sekunden auf, als ich zwar die Bassdrum mit ordentlich Wumms hörte ,den Rest dafür jedoch breiig, über- oder untersteuert und einer Band wie IRON fuckin’ MAIDEN vollkommen unangemessen. Da ich nicht gewillt war, mir davon meine prächtige Laune verderben zu lassen, sang ich einfach noch lauter mit, ungeachtet dessen, welche ich Töne ich wirklich traf... im Laufe der nächsten paar Songs besserte sich der Gitarrensound und auch der Gesang erschien mir besser, das eigenartig abgenommene bzw. wiedergegebene Schlagzeug Nicko McBrains jedoch klang bis zum Schluss befremdlich. Egal, direkt an zweiter Stelle folgte mit „Can I Play with Madness“ einer meiner absoluten Allzeitfavoriten, bis man für „The Prisoner“ noch weiter in der Zeit zurückging und bei „2 Minutes to Midnight“ einen vorläufigen Stimmungshöhepunkt im Publikum erreichte. Spätestens der nun folgende Song zeigte, dass man die Setlist gegenüber der damaligen Tour leicht abgeändert hatte und auch „neuere“ Songs einschmuggelte, denn das von einer den Inhalt erläuternden Ansage eingeleitete „Afraid to Shoot Strangers“ stammt aus dem Jahre 1992 – was selbstverständlich nullkommanix an dessen Gänsehautwirkung ändert. Thematisch passend ging es mit „The Trooper“ weiter, wofür Bruce fahneschwenkend über die Bühne tobte – mitgesungen aus tausenden heiseren Kehlen. „The Number of the Beast“ durfte natürlich nicht fehlen und als es durch die ganze Halle „Six! Six! Six!“ schallte, frohlockte mein freizeitsatanistisches Herz. Ich hatte mir im Vorfeld keinerlei Setlisten angeschaut und mich auch nicht eingehender mit der alten „Maiden England“-Veröffentlichung beschäftigt, insofern war ich tatsächlich sehr überrascht, als nun das grandiose „Phantom of the Opera“, ursprünglich noch aus der Zeit mit Paul Di’Anno am Mikro, folgte - bzgl. der Geschwindigkeit musste ich allerdings ein Auge zudrücken, auf Platte war’s dann doch etwas flotter. Und die Di’Anno-Songs klingen mit Di’Anno von Platte halt immer noch am besten – sorry, Bruce! Trotzdem klasse, die Nummer zu bringen, und schlecht gesungen hat Dickinson sie keinesfalls! Wie unheimlich fit Brucis Stimme noch immer ist, stellte er anschließend bei „Run to the Hills“ unter Beweis, dessen Höhen ihm keine hörbaren Probleme bereiteten – müßig zu erwähnen, dass auch dieser Klassiker tausendfach mitgesungen wurde. „Wasted Years“ stand dem in nichts nach, und dann, ja, dann war es soweit: IRON MAIDEN spielten live das zehnminütige „Seventh Son of a Seventh Son”-Epos, neben „Rime of the Ancient Mariner“ mein Lieblings-Überlänge-Maiden-Song aus einer Zeit, in der die Band stets ein einzelnes solches Stück auf ihren Platten zu haben pflegte. Auf Platte schon geil, aber hier und heute live, in dieser Atmosphäre, auf dieser passend gestalteten Bühne der absolute Gänsehautkracher für mich. Am Ende knallten sogar die Pyros im Takt und mit dem letzten Akkord fühle ich mich tief befriedigt. Ja, das war ein solcher Moment, ein zehnminütiger musikalischer Orgasmus, eine Offenbarung. DAFÜR ist man MAIDEN-Fan, DAFÜR besucht man diese Konzerte, DARAUF freut man sich monatelang. Das anschließende „The Clairvoyant“ sollte leider schon das vorletzte Stück des Albums werden, „Fear of the Dark“ war dann das zweite „hereingeschmuggelte“, weil nach 1988 aufgenommene Stück und ja sowieso einer DER Live-Mitsing-Klassiker der Band überhaupt, und „Iron Maiden“ markierte den vorläufigen Schlusspunkt... bevor Churchills Rede „Aces High“ einleitete und das Adrenalin erneut in luftige Höhen trieb, man für das geniale „The Evil That Men Do“ zum letzten Mal auf das „Seventh Son...“-Album zurückgriff und das obligatorische „Running Free“ mit der gewohnt sympathischen Vorstellung der Bandmitglieder und einigen Publikums-Mitmach-Spielchen das tatsächliche Ende des Auftritts besiegelte. Wow, was für ein geiler Auftritt, den selbst die o2-World nicht zerstört bekommen hat!
Nun war allerdings auch klar: Meine heiß ersehnten „Revelations“ und „Infinite Dreams“ kamen nicht mehr, obwohl sich letzterer sogar auf dem „Seventh Son...“-Album befindet. Seufz. Aber man kann es natürlich nicht jedem recht machen. Dafür hatte man aber unter großem Aufwand eine Show aufgefahren, die nun wirklich nicht mehr viel mit den Konzerten zu tun hat, die ich sonst so besuche: Mehrmals erschien Maskottchen Eddie auf der Bühne, besonders genial während „Iron Maiden“ in Form des „Seventh Son...“-Covermotivs inklusive zappelndem (!) Embryo (oder was auch immer das sein soll), den Eddie in der Hand hält. Mehrmals hatte sich Dickinson umgezogen, ohne dass es den Ablauf verzögert hätte. Unfassbar agil rannte und sprang der Mann über die Bühne, ohne seinen Gesang großartig zu versemmeln oder außer Puste zu geraten! Zu jedem Song wechselten die Hintergrundkulissen, stets thematisch passend. Die Videomonitore waren prima auf das Geschehen auf der Bühne abgestimmt, die Pyro- und Lichteffekte ebenso. Ein perfekt ineinander greifender, mit Liebe zum Detail gestalteter Ablauf. Man kommt gar nicht dazu, seine Augen einmal von der Bühne abzuwenden. Genug geschwärmt, „Always Look on the Bright Side of Life“ kam wie immer als Rausschmeißer vom Band und nach dem Konzert wurde erst mal in Ruhe eine geraucht, anschließend sich langsam zum Shuttle-Bus begeben, wo man natürlich zunächst in einer langen Schlange stand. Die Busse fuhren zwar zügig und regelmäßig., aber der Andrang war natürlich weit weniger entzerrt als vorm Konzert. Die Stimmung war gut und die Blitze am Himmel wirkten wie eine Fortsetzung der Maiden-Lightshow. Doch dann passierte das Unvermeidliche und es begann aus Kübeln zu schütten. Unglaubliche Wassermassen brachen sich Bahn durch den Nachthimmel direkt und platschend auf die Körper von uns MAIDEN-Fans, von denen kaum jemand eine Jacke, geschweige denn einen Regenschirm dabei hatte. Nass bis auf die Knochen ging’s in den Bus und ich fürchtete schon, dass die möglicherweise nicht ganz offiziellen (*räusper*) T-Shirt-Händler unter diesen Umständen ihre Waren nicht auf der grünen Wiese feilbieten würden. Doch glücklicherweise waren diese unters Vordach der S-Bahn-Station geflohen und machten mit ihren trockenen Klamotten vermutlich ein verdammt gutes Geschäft. Mit zwei preisgünstigen Leibchen und einem letzten Bier vom Kiosk ausgestattet war ich wieder guter Dinge und trat mit meiner Iron Lady den Rückzug an, was man vom Regen nicht unbedingt behaupten konnte, wenngleich es zumindest nicht mehr eimerweise schüttete. Logisch, dass das den Abend in keiner Weise trüben konnte und man trotzdem geschafft, aber glücklich irgendwann in die Koje fiel. Iron Maiden’s gonna get you – wherever you are!
Setlist:
Moonchild
Can I Play with Madness
The Prisoner
2 Minutes to Midnight
Afraid to Shoot Strangers
The Trooper
The Number of the Beast
Phantom of the Opera
Run to the Hills
Wasted Years
Seventh Son of a Seventh Son
The Clairvoyant
Fear of the Dark
Iron Maiden
Churchill's Speech/Aces High
The Evil That Men Do
Running Free
Nach dem MAIDEN-Konzert ist vor dem MAIDEN-Konzert und ich hoffe auf noch viele weitere Touren der Briten! UP THE IRONS!
ZAPPACUP, Tag 3
Der alljährliche ZAPPACUP auf dem Hamburger Gaußplatz, jenes berüchtigte Gratis-Punk-Open-Air, das den Wagenplatz hinter der Fabrik in eine große subkulturelle Partymeile verwandelt, war bereits seit Donnerstag in Gange. Donnerstag hätte ich mir gern die Kollegen von PROJEKT PULVERTOASTMANN angeschaut, die zusammen mit einer Handvoll weiterer Bands, die anscheinend gar alle nicht auf dem Flyer standen, die Sause in der Platzkneipe „El Dorado“ eröffneten. Leider ließ sich das mit meinen Arbeitszeiten nicht vereinbaren. Freitag gönnte ich mir ‘ne Auszeit, denn ich wollte Samstag fit sein, schließlich sollte ich mit den DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS auf der Bühne stehen. Doch, oh Graus: Samstagmittag klingelt das Telefon, Drummer Chrischan ist dran und berichtet von einem durch einen Sturz in Glasscherben defekten Arm, der im Krankenhaus behandelt werden musste und somit außer Betrieb war. Schöne Scheiße, den Gig konnten wir also vergessen. Selbstredend ging’s bei sonnigem, aber unbeständigem Wetter (ein urplötzlich tobendes Unwetter verhinderte meine pünktliche Anreise) trotzdem gen Gaußplatz, wobei ich den Opener KACKREIZ leider verpasst habe. Doch die folgenden Bands auf der Freiluftbühne vermochten unsere Laune ein wenig zu steigern: SEASICK spielten Grindcore, der immer wieder mit unvermittelten, witzigen Falsettgesangseinlagen aufgelockert wurde. Die Band bestand nur aus drei Leuten, auf den Bass verzichtete man komplett. Klang heftig und gut, nutzte sich aber irgendwann dann doch bischn ab. Hat wohl seinen Grund, dass Platten dieser Musikrichtung oft nicht über 20 Minuten hinausgehen. INSTABIL aus der Schweiz spielten eine nicht uninteressante Mischung aus Street- und Hardcore-Punk auf deutsch mit heiserem Sänger und zwei Gitarren, deren Sound leider etwas komisch war. Kein schlechter Gig, den ich aber nicht komplett konzentriert verfolgte, da mich manch Klönschnack ablenkte. Die CITY RATS aus Israel, die quasi ihren Zweitwohnsitz auf dem Gauß haben, so oft, wie die dort spielen, waren dann von der ersten bis zur letzten Sekunde schlicht perfekt. Klasse Sound, aggressiver Hardcore-Anarcho-Chaos-Schießmichtot-Punk, der zum kollektiven Durchdrehen einlud (der Pöbel kam tatsächlich gut in Bewegung), den Altona-93-Song natürlich auch im Gepäck. Die CITY RATS arbeiten gerade an einer neuen Platte, auf die man sich ganz bestimmt freuen darf. STOOKER (nicht „Stuka“, wie ich zunächst verstand) aus Norwegen besiegelten dann den musikalischen Teil des Abends mit einem Coverset oberster Kajüte. Man begann mit einem Song der DAMNED, weiter ging’s mit den RAMONES, über Sex PISTOLS (sehr geschmackvoll gewählt: „Seventeen“), SHAM 69 (ausgelutscht: „If the Kids are United“), JOHNNY THUNDERS („Born to Lose“), THE STOOGES („Now I Wanna Be Your Dog“), DEAD BOYS („Sonic Reducer“), ANTI-NOWHERE LEAGUE („So What?!“), GG ALLIN („Bite It, You Scum“) und MOTÖRHEAD („Iron Fist“) sowie dem HC-Punk-Kracher „All Fascists Are Bastards“, den ich keiner Band zuordnen konnte. Schönes Ding, Top-Stimmung, ich bewegte mich noch bischn mehr als bei den CITY RATS, vermisste aber schmerzlich ein THE-CLASH-Cover – wat ‘ne Lücke, bitte zum nächsten Mal füllen! Das einzige, was mir unnötig erschien, war das Provozieren von „Zugabe!“-Rufen durch ständiges verfrühtes Verlassen der Bühne. So neigte sich ein Abend dem Ende, aus dem ich trotz allem das Beste gemacht hatte. Netterweise drückte uns Mitorganisator Wurzel dennoch den Freibierstempel auf. Die Atmosphäre war entspannt, die Leute gut drauf, das Angebot an Speisen und Getränken toll und zu verdammt fairen Preisen zu haben, selbst das Wetter spielte mit und es regnete erst wieder NACH STOOKER, sprich: alles spitzenmäßig. Da selbst auf der Bühne zu stehen, wär schon ‘n Traum gewesen, aber es hat nicht sollen sein...
16.06.2013, Gängeviertel, Hamburg:
BRUTAL VERSCHIMMELT + SYSTEMFEHLA
Ich rechne heutzutage ja mit vielem, aber dass die Allgäuer Punks von BRUTAL VERSCHIMMELT, die 1983 eine Platte auf Rock-O-Rama veröffentlicht hatten und danach wieder in der Versenkung verschwanden, noch mal live auftreten würden, hatte wohl nicht nur ich nicht auf dem Zettel. Höhnie aus Peine hat kürzlich das Album, das einen gewissen Kult-Status genießt, neu aufgelegt und die Jungs prompt auf sein alljährlich Open-Air-Festival eingeladen, und nur einen Tag später kamen sie dann erstmals (!) nach Hamburg, um im Gängeviertel zu spielen. Ich war sehr zeitig vor Ort und beobachtete, wie sich der sympathische Laden nach und nach ordentlich füllte. Eintritt gab’s gegen Spende, Getränke auch und irgendwann zu dann doch schon recht fortgeschrittener Stunde (etwas unglücklich auf ’nem Sonntag) eröffneten dann SYSTEMFEHLA aus Hannover den Abend. In klassischer Trio-Besetzung gab’s recht druckvollen deutschsprachigen Punkrock mit Texten, die das, ich sag mal „typische Deutschpunk-Themenspektrum“ abdeckten. Die Jungs waren verdammt fit an den Instrumenten und spielten sehr souverän ihr Set durch, allerdings fehlte es mit der Zeit dem Gesang doch etwas an Dreck und Aggressivität. Am Ende gab’s ’ne unvermeidliche Coverversion von „Für immer Punk“, und, sorry, das Original klingt da doch besser. Zu Beginn des Auftritts kam übrigens einer der BRUTAL VERSCHIMMELten kurz auf die Bühne und wies darauf hin, dass deren Konzert gefilmt werden würde – keine schlechte Idee, denn als die Truppe die Bühne betrat und sich vorstellte, ging ihr Gig unter einem Jubelschrei los – und, verdammt, das klang ja wirklich fast original wie auf der LP! Der alterglatzköpfige, etwas korpulentere Sänger hat seine Stimme in all den Jahren null verloren, sein leicht hoher, frecher Pöbel-Gesang war unverkennbar der von BRUTAL VERSCHIMMELT! Die Saitenfraktion war voll auf der Höhe, besonders derjenige, der zuvor aufs Filmen hingewiesen hatte, hat sich auch äußerlich ziemlich gut gehalten. An der Schießbude nahm der Sänger/Bassist von SYSTEMFEHLA platz, ansonsten war’s die Originalbesetzung von damals. Doppelbelastung also für den Träger roter Dreadlocks, die er ausfallfrei meisterte – Respekt! Nun wurden glaub ich alle Hits (und Semi-Hits ) des Albums abgefeuert, „Stumpfer Fischkopf“ (sehr passend in Hamburg), „Hey Man“, „Fette Kinder“, „Keine Freiheit“, „Sechs Millionen“... und natürlich „Panzer“, das der Sänger auf seinem Saxophon begleitete. Genial! Vor der Bühne tobte ein zünftiger Pogomob und feierte die Band verdientermaßen ab, dahinter standen etliche Interessierte unterschiedlichster Altersstufen, unterschiedlichsten Aussehens und unterschiedlichster Alkoholisierungsgrade... ich hielt mich zurück und beobachte das Treiben von der Seite aus und war ganz fasziniert, wie da mehrere ältere Herren spielfreudig und sich verausgabend auf der Bühne abgingen, als wären sie nie weg gewesen. Sogar ein neues Stück hatten sie dabei, das sich nahtlos einreihte. Als eigentlich alle Songs gespielt waren, wollte man die Band nicht gehen lassen und so gab’s mehrere Zugaben, Songwiederholungen, noch mal „Stumpfer Fischkopf“ und noch mal „Panzer“ und dies und das... Ich krieg’s nicht mehr ganz genau zusammen, aber die Show ging verdammt lange, man ließ sich nicht lumpen. Da kann man nun echt nur den Hut vor ziehen. BRUTAL VERSCHIMMELT ist es gelungen, ihre uralten Punk-Kamellen authentisch runterzuholzen, ohne dass es in irgendeiner Weise peinlich gewirkt hätte! Ganz im Gegenteil: Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihren Stiefel durchzogen und vollkommen darauf schissen, ob es gerade 1983 oder 30 Jahre später war, war verdammt cool! Einziges Problem war das Gesangsmikro, das einigen Lautstärkeschwankungen unterlag, evtl. wurde da mit fortschreitender Spielzeit und damit einhergehender weniger Puste für den Sänger einfach zu wenig nachjustiert. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, der Sound der Band klingt heutzutage wie ’ne Mischung aus Uralt-D-HC-Punk und Retro-Rotzepunk à la SHOCKS und Konsorten und wirkt damit schon wieder erfrischend, jedenfalls kein Stück altbacken. Gegen Ende leerte es sich nach und nach, viele mussten vermutlich am nächsten Tag arbeiten und deshalb den Heimweg antreten, aber ich blieb bis zum Schluss und bin mir sicher, ein verdammt noch mal ganz besonderes Konzert erlebt zu haben! Punk streift man eben NICHT mit dem Erwachsenwerden ab und BRUTAL VERSCHIMMELT sind einer von unzähligen Beweisen!
19.06.2013, o2-World, Hamburg:
IRON MAIDEN
Wenn die Jungs von IRON MAIDEN wieder in der Stadt sind, beginne ich zu kreischen wie die Weiber anno ’64 zur Beatlemania und muss da natürlich hin. Im Gegensatz zur Tour zum aktuellen Album „The Final Frontier“ vor zwei Jahren konnte ich diesmal auch Karten für den Innenraum ergattern - und das Schöne daran, wenn man sich für so’n Konzert so dermaßen in Unkosten stürzt, ist, dass man die Karten im Vorverkauf etliche Monate vorher erstehen muss, so dass der Ärger darüber am Tag des Konzerts längst vergessen ist, sich im Idealfall gar ein neues Budget für zwei, drei Bierchen und ‘ne Pommes gebildet hat. So war es dann auch an besagtem Mittwoch, als ich mit meiner Süßen, die die Karte von mir zum Julfest bekommen hatte, pünktlich und voller Vorfreude die Reise in jene entlegene Gegend Hamburgs antrat. Es war der wohl bis dato heißeste Tag des Jahres, trotzdem quetschten wir uns in Stellingen angekommen in den Shuttle-Bus. Schließlich wollten wir nun doch so schnell wie möglich an den Ort, der heute Abend zur Kultstätte der MAIDEN-Mania werden sollte, um dort in entspannter Atmosphäre ein paar Aufwärmbierchen zu kippen und möglicherweise das eine oder andere bekannte Gesicht zu erspähen. Wie erwartet lief vor der Halle mehr oder weniger geschmackvoll ausgewählte Musik und war der überwiegende Anteil der Besuch in MAIDEN-Shirts gehüllt, ob das junge Twen-Mädchen oder der ergraute Altrocker. Ja, noch immer ziehen Maiden mit ihrer zeitlosen Musik Fans fast jeder Altersklasse an, wachsen immer wieder neue Fangenerationen nach. Tatsächlich trafen wir auf den berüchtigten Wacken-Jimmy sowie auf SCHLOIDERGANG-Alex; andere, von deren Anwesenheit ich wusste, waren in den 12.000 geschmackssicheren Menschen allerdings nicht auszumachen. Viele waren mittlerweile auch reingegangen, um sich die Vorband VOODOO SIX anzusehen. Ich hatte vorher mal reingehört, sie in die „langweiliger Rock“-Schublade gepackt und dankend verzichtet. Pünktlich zur Umbaupause begehrten dann jedoch auch wir Einlass. Bei meinem dritten Besuch dieser Kommerzhalle also erstmals ein Stehplatz im Innenraum. Was ich vorher gar nicht wusste: Unten wird quasi für alles gesorgt, die Stehplätze haben einen großen eigenen Bereich mit Toiletten (bemerkenswert: immer sauber!) und Gastronomie, es besteht also keinerlei Veranlassung mehr, die Treppen zum Sitzplatzpöbel heraufzulatschen. Leider schafften wir es nicht mehr ganz nach vorne, der Bereich zwischen Bühne und Wellenbrecher wurde noch einmal extra bewacht und sein Kontingent war bereits erschöpft. Also kurz hinterm Wellenbrecher postiert und gespannt der Dinge geharrt, die da kommen mögen: Nämlich nichts Geringeres als die Wiederauflage der seinerzeit als „Maiden England“ auf VHS und Tonträger veröffentlichten Tour zu meinem Lieblingsalbum „Seventh Son of a Seventh Son“ aus dem Jahre 1988!
Nicht lange und das obligatorische „Doctor, Doctor“ von UFO schallte durch die Lautsprecher, um den Beginn der sich profanerweise „Konzert“ nennenden Messe zu markieren, dicht gefolgt von einem animierten Videointro auf den beiden Bildschirmen links und rechts von der Bühne und dem Akustik-Intro zu „Moonchild“, dem Opener jener in Vinyl geritzten Göttergabe, woraufhin die Band die herrlich im Eiszeit-Look des Albums gestaltete Bühne betrat und der Live-Teil begann. Sechs spielfreudige Briten sprangen auf und über die Bühne, fit und fidel und musikalisch wie stimmlich über jeden Zweifel erhaben, doch was zur Hölle war DAS für ein beschissener „KLANG“?! Meine vage Hoffnung, dass im Innenraum der Klang von vornherein besser sein würde als vor zwei Jahren auf den Sitzschalen löste sich innerhalb von Sekunden auf, als ich zwar die Bassdrum mit ordentlich Wumms hörte ,den Rest dafür jedoch breiig, über- oder untersteuert und einer Band wie IRON fuckin’ MAIDEN vollkommen unangemessen. Da ich nicht gewillt war, mir davon meine prächtige Laune verderben zu lassen, sang ich einfach noch lauter mit, ungeachtet dessen, welche ich Töne ich wirklich traf... im Laufe der nächsten paar Songs besserte sich der Gitarrensound und auch der Gesang erschien mir besser, das eigenartig abgenommene bzw. wiedergegebene Schlagzeug Nicko McBrains jedoch klang bis zum Schluss befremdlich. Egal, direkt an zweiter Stelle folgte mit „Can I Play with Madness“ einer meiner absoluten Allzeitfavoriten, bis man für „The Prisoner“ noch weiter in der Zeit zurückging und bei „2 Minutes to Midnight“ einen vorläufigen Stimmungshöhepunkt im Publikum erreichte. Spätestens der nun folgende Song zeigte, dass man die Setlist gegenüber der damaligen Tour leicht abgeändert hatte und auch „neuere“ Songs einschmuggelte, denn das von einer den Inhalt erläuternden Ansage eingeleitete „Afraid to Shoot Strangers“ stammt aus dem Jahre 1992 – was selbstverständlich nullkommanix an dessen Gänsehautwirkung ändert. Thematisch passend ging es mit „The Trooper“ weiter, wofür Bruce fahneschwenkend über die Bühne tobte – mitgesungen aus tausenden heiseren Kehlen. „The Number of the Beast“ durfte natürlich nicht fehlen und als es durch die ganze Halle „Six! Six! Six!“ schallte, frohlockte mein freizeitsatanistisches Herz. Ich hatte mir im Vorfeld keinerlei Setlisten angeschaut und mich auch nicht eingehender mit der alten „Maiden England“-Veröffentlichung beschäftigt, insofern war ich tatsächlich sehr überrascht, als nun das grandiose „Phantom of the Opera“, ursprünglich noch aus der Zeit mit Paul Di’Anno am Mikro, folgte - bzgl. der Geschwindigkeit musste ich allerdings ein Auge zudrücken, auf Platte war’s dann doch etwas flotter. Und die Di’Anno-Songs klingen mit Di’Anno von Platte halt immer noch am besten – sorry, Bruce! Trotzdem klasse, die Nummer zu bringen, und schlecht gesungen hat Dickinson sie keinesfalls! Wie unheimlich fit Brucis Stimme noch immer ist, stellte er anschließend bei „Run to the Hills“ unter Beweis, dessen Höhen ihm keine hörbaren Probleme bereiteten – müßig zu erwähnen, dass auch dieser Klassiker tausendfach mitgesungen wurde. „Wasted Years“ stand dem in nichts nach, und dann, ja, dann war es soweit: IRON MAIDEN spielten live das zehnminütige „Seventh Son of a Seventh Son”-Epos, neben „Rime of the Ancient Mariner“ mein Lieblings-Überlänge-Maiden-Song aus einer Zeit, in der die Band stets ein einzelnes solches Stück auf ihren Platten zu haben pflegte. Auf Platte schon geil, aber hier und heute live, in dieser Atmosphäre, auf dieser passend gestalteten Bühne der absolute Gänsehautkracher für mich. Am Ende knallten sogar die Pyros im Takt und mit dem letzten Akkord fühle ich mich tief befriedigt. Ja, das war ein solcher Moment, ein zehnminütiger musikalischer Orgasmus, eine Offenbarung. DAFÜR ist man MAIDEN-Fan, DAFÜR besucht man diese Konzerte, DARAUF freut man sich monatelang. Das anschließende „The Clairvoyant“ sollte leider schon das vorletzte Stück des Albums werden, „Fear of the Dark“ war dann das zweite „hereingeschmuggelte“, weil nach 1988 aufgenommene Stück und ja sowieso einer DER Live-Mitsing-Klassiker der Band überhaupt, und „Iron Maiden“ markierte den vorläufigen Schlusspunkt... bevor Churchills Rede „Aces High“ einleitete und das Adrenalin erneut in luftige Höhen trieb, man für das geniale „The Evil That Men Do“ zum letzten Mal auf das „Seventh Son...“-Album zurückgriff und das obligatorische „Running Free“ mit der gewohnt sympathischen Vorstellung der Bandmitglieder und einigen Publikums-Mitmach-Spielchen das tatsächliche Ende des Auftritts besiegelte. Wow, was für ein geiler Auftritt, den selbst die o2-World nicht zerstört bekommen hat!
Nun war allerdings auch klar: Meine heiß ersehnten „Revelations“ und „Infinite Dreams“ kamen nicht mehr, obwohl sich letzterer sogar auf dem „Seventh Son...“-Album befindet. Seufz. Aber man kann es natürlich nicht jedem recht machen. Dafür hatte man aber unter großem Aufwand eine Show aufgefahren, die nun wirklich nicht mehr viel mit den Konzerten zu tun hat, die ich sonst so besuche: Mehrmals erschien Maskottchen Eddie auf der Bühne, besonders genial während „Iron Maiden“ in Form des „Seventh Son...“-Covermotivs inklusive zappelndem (!) Embryo (oder was auch immer das sein soll), den Eddie in der Hand hält. Mehrmals hatte sich Dickinson umgezogen, ohne dass es den Ablauf verzögert hätte. Unfassbar agil rannte und sprang der Mann über die Bühne, ohne seinen Gesang großartig zu versemmeln oder außer Puste zu geraten! Zu jedem Song wechselten die Hintergrundkulissen, stets thematisch passend. Die Videomonitore waren prima auf das Geschehen auf der Bühne abgestimmt, die Pyro- und Lichteffekte ebenso. Ein perfekt ineinander greifender, mit Liebe zum Detail gestalteter Ablauf. Man kommt gar nicht dazu, seine Augen einmal von der Bühne abzuwenden. Genug geschwärmt, „Always Look on the Bright Side of Life“ kam wie immer als Rausschmeißer vom Band und nach dem Konzert wurde erst mal in Ruhe eine geraucht, anschließend sich langsam zum Shuttle-Bus begeben, wo man natürlich zunächst in einer langen Schlange stand. Die Busse fuhren zwar zügig und regelmäßig., aber der Andrang war natürlich weit weniger entzerrt als vorm Konzert. Die Stimmung war gut und die Blitze am Himmel wirkten wie eine Fortsetzung der Maiden-Lightshow. Doch dann passierte das Unvermeidliche und es begann aus Kübeln zu schütten. Unglaubliche Wassermassen brachen sich Bahn durch den Nachthimmel direkt und platschend auf die Körper von uns MAIDEN-Fans, von denen kaum jemand eine Jacke, geschweige denn einen Regenschirm dabei hatte. Nass bis auf die Knochen ging’s in den Bus und ich fürchtete schon, dass die möglicherweise nicht ganz offiziellen (*räusper*) T-Shirt-Händler unter diesen Umständen ihre Waren nicht auf der grünen Wiese feilbieten würden. Doch glücklicherweise waren diese unters Vordach der S-Bahn-Station geflohen und machten mit ihren trockenen Klamotten vermutlich ein verdammt gutes Geschäft. Mit zwei preisgünstigen Leibchen und einem letzten Bier vom Kiosk ausgestattet war ich wieder guter Dinge und trat mit meiner Iron Lady den Rückzug an, was man vom Regen nicht unbedingt behaupten konnte, wenngleich es zumindest nicht mehr eimerweise schüttete. Logisch, dass das den Abend in keiner Weise trüben konnte und man trotzdem geschafft, aber glücklich irgendwann in die Koje fiel. Iron Maiden’s gonna get you – wherever you are!
Setlist:
Moonchild
Can I Play with Madness
The Prisoner
2 Minutes to Midnight
Afraid to Shoot Strangers
The Trooper
The Number of the Beast
Phantom of the Opera
Run to the Hills
Wasted Years
Seventh Son of a Seventh Son
The Clairvoyant
Fear of the Dark
Iron Maiden
Churchill's Speech/Aces High
The Evil That Men Do
Running Free
Nach dem MAIDEN-Konzert ist vor dem MAIDEN-Konzert und ich hoffe auf noch viele weitere Touren der Briten! UP THE IRONS!