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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 18. Okt 2024, 17:28
von buxtebrawler
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Tilt ...ich kann's am besten

„Nur Schwächlinge spielen!“

Die einzige Regiearbeit des US-Amerikaners Rudy Durand ist die Jugend-Dramödie „Tilt“ aus dem Jahre 1979, die in der Halbwelt der Flipperspielerinnen und -spieler, äh, spielt – und von der man zuvor und danach kaum je etwas gehört haben dürfte: Sie scheint ein reines Fantasieprodukt der Autoren Durand und Donald Cammell zu sein. Meine Rezension bezieht sich auf die gekürzte deutsche VHS-Fassung.

„Es gibt nichts Leichteres, als mit Spielen anzufangen – und nichts Schwierigeres, als wieder damit aufzuhören!“

Die 14-jährige Brenda Louise Davenport (Brooke Shields, „Pretty Baby“) wird aufgrund ihrer Leidenschaft fürs Flipper-Spiel von allen nur „Tilt“ genannt. An den Flipper-Automaten gilt sie als unbesiegt, um Familie und Schule kümmert sie sich dafür weniger. Von Zuhause nimmt sie Reißaus und zieht zusammen mit dem Musiker Neil Gallagher (Ken Marshall, „Krull“) von Spielhalle zu Spielhalle, wo sie gemeinsam durch abgekartete Flipper-Wetten zu Geld kommen. Dieses will Neil unter anderem nutzen, um ein Demo aufzunehmen und seine Gesangskarriere voranzubringen. Doch im übergewichtigen Ekelpaket Harold Remmens (Charles Durning, „Das Grauen kommt um 10“), „der Wal“ genannt, droht Tilt, ihren Meister gefunden zu haben – kaum jemand beherrscht das Flippern so wie er. Und er ist es auch, mit dem Neil noch eine Rechnung offen hat…

„Analysieren ist Paralysieren, Mister!“

Der Vorspann wird hübsch in Bilder klassischer Flipper integriert, bevor Neil im Prolog bei einer Spielmanipulation gegen den „Wal“ erwischt und verknackt wird – womit auch geklärt ist, was es mit besagter offener Rechnung auf sich hat. Brooke Shields spielt eine 14-Jährige, die von den Herren der Schöpfung bereits sexualisiert wahrgenommen wird, ohne dass dieser Film dies ausschlachten würde (dessen kann man sich bei frühen Filmen aus ihrer Karriere ja nie ganz sicher sein). Süß und auf zack ist sie dennoch. Ken Marshall als Neil hat hier viel von Patrick Swayze, was als Kompliment zu verstehen, aber auch seiner Rolle geschuldet ist, und Charles Durning mimt mit einiger Hingabe den herrlich ekligen und unfreundlichen Fettsack.

„Weißt du, wann ich einen Fisch fange? Wenn er sein Maul aufmacht!“

Die dünne, unglaubwürdige Handlung lebt von ihrer Hauptdarstellerin, die möglicherweise so etwas wie eine reichlich fragwürdige Identifikationsfigur für Jugendliche abgeben sollte. Sie lässt nicht ganz fair Wetten auf ihr Flippertalent insbesondere von denjenigen, denen dieses noch gar nicht bewusst ist, abschließen, und macht damit erkleckliche Sümmchen Mammon. Kesse Sprüche treffen auf die damals verbreitete Faszination fürs Flippern, außerdem geht’s viel ums Kiffen – nein, sonderlich pädagogisch wertvoll ist dieser Jugendfilm nicht. Dafür aber hübsch bunt, womit er ein gutes Stück weit die ‘80er vorwegnimmt (als Arcade-Spielautomaten die Flipper ablösten) und damit unterm Strich ein interessanter, sehenswerter kleiner End-‘70er-Film, der, wäre er etwas populärer und wäre die Flipper-Szene entsprechend gepolt, sicherlich ein wenig Kultstatus besäße. Ich persönlich habe ein Herz für diese Art Filme und lande bei vergnüglichen 6,5 von 10 Flipperkugeln.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 22. Okt 2024, 16:32
von buxtebrawler
Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich

„Nazi und dann auch noch geizig…“

In seinem dreizehnten „Tatort“ ermittelt der Wiesbadener LKA-Kriminalhauptkommissar Felix Murot (Ulrich Tukur) nicht selbst, denn der von Matthias X. Oberg, der zusammen mit Michael Proehl und Dirk Morgenstern auch das Drehbuch verfasste, inszenierte Fall spielt überwiegend in der dunkeldeutschen Vergangenheit des Jahres 1944. Nach dem „Tatort: Murot und das Gesetz des Karma“ handelt es sich um Obergs zweite Arbeit für die öffentlich-rechtliche Reihe. Der Geschichtskrimi wurde am 20. Oktober 2024 erstausgestrahlt.

„Hitler has only got one ball…”

Felix Murot und Magda Wächter (Barbara Philipp) erwarten am Frankfurter Flughafen die Ankunft eines Fliegers aus Argentinien, mit dem ein alter Kriegsverbrecher aus der Nazizeit endlich nach Deutschland ausgeliefert wird, damit ihm noch vor seinem Ableben der Prozess gemacht werden kann. Es handelt sich um Hagen von Strelow (Ludwig Simon, „Die Eifelpraxis“), der im Frühjahr 1944 zusammen mit dem Sonderermittler Oberst Rother (Ulrich Tukur) mit einem Motorschaden im Hessendorf liegenblieb und Zeuge wurde, wie ein britischer Pilot mit seinem Kampfflugzeug abstürzte. Während Rother bereits ein kriegsmüder älterer Mann war, war von Strelow als dessen junger Adjutant ein 120%iger Nazi, der ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen ging. Man quartierte sich im dörflichen Gasthaus ein, wo die untergetauchte jüdische Ärztin Else Weiß (Barbara Philipp) als Bedienung arbeitete und Philosophieprofessor Bernhard Tabler (Cornelius Obonya, „Die Rache der Wanderhure“) sich die Zeit mit Schachspielen vertrieb. Während Rother und von Strelow auf die Reparatur ihres Autos warteten, bekamen sie es mit einem neuen Fall zu tun: Vier tote deutsche Soldaten in einem nahegelegenen Waldstück, ein angeketteter und verletzter Häftling, den die vier transportierten, und schließlich der britische Soldat, der sich als Spion für die Deutschen entpuppte und bald tot in der Dorfkapelle aufgefunden wurde – ermordet. Er soll höchst brisante strategische Dokumente dabeigehabt haben, doch wo sind sie hin? Und wer hat warum den Briten erschossen? Und wie genau sind die vier Soldaten ums Leben gekommen? Rother versuchte, sich einen Reim auf die Ereignisse zu machen, während von Strelow ihm im Nacken saß und seine Vorgehensweise immer weniger gutheißen konnte…

„Wenn man dem Reich dienen will, dann gibt es immer eine Möglichkeit!“

Die 1944 spielende Handlung ist der eigentliche Fall, eingebettet in eine marginale Rahmenhandlung, an die der Schnitt immer mal wieder kurz erinnert. Dass Rother ebenfalls von Tukur und Weiß ebenfalls von Philipp gespielt werden, verleiht dem Ganzen eine leicht surreale Note, die am Ende in der Gegenwart noch einmal kurz aufgegriffen wird. Dennoch ist „Murot und das 1000-jährige Reich“ – insbesondere verglichen mit manch anderem Wiesbadener „Tatort“ – kein wirklich surrealistischer oder sonderlich experimenteller Fall, sondern narrativ bodenständig und stets nachvollziehbar, tendiert dabei aber ein wenig in Richtung Alternate History. Er ist durchaus spannend erzählt, vor allem, wenn nach gut 20 Minuten die ersten Leichen gefunden werden. Der eigentliche Fokus jedoch liegt auf der Dynamik zwischen den einzelnen Figuren, was umso interessanter wird, je mehr man sie kennenlernt und zusammen mit Rother rätselt, wer so ist, wie er oder sie sich gibt, und wer nur so tut als ob – während man als Zuschauerin oder Zuschauer nicht zuletzt auch über Rother rätseln darf, dessen Vergangenheit einem verborgen bleibt; dafür lernt man gefühlt das ganze Dorf kennen: Neben den bereits genannten den Schmied Lobus (André Meyer, „Der Wixxer“) und dessen Frau (Melanie Straub, „Systemsprenger“) sowie die gemeinsame kleine Tochter Waltraud (Viola Hinz, „Sexuell verfügbar“), Gastwirtin Clara Breuninger (Imogen Kogge, „Phoenix“), den Postbeamten Karl (Gerd Lohmeyer, „Der Schuh des Manitu“), den Dorfdeppen sowie die Männer, die Rother und von Strelow begleiten, und den gefangengenommenen Soldaten.

Am unangenehmsten ist von Strelow, Typen wie ihm möchte man am liebsten 24/7 in die Fresse schlagen. Aber auch andere Figuren bekleckern sich nicht gerade mit Ruhm, zeigen verschiedene Facetten menschlicher Schwächen und Fehler, die nur allzu gut mit Faschismus korrelieren. So hübsch das frühlingshafte Hessendorf auch anzusehen ist, es herrscht eine unbehagliche Atmosphäre gegenseitiger Verdächtigungen und damit verbundenen Machtmissbrauchs und Ängsten. Und die Zahl der Leichen steigt, u.a. verursacht durch einen für 20:15 Uhr sehr explizit dargestellten Kopfschuss. Das Dorf bildet zwar keinen vollumfänglichen Mikrokosmos Deutschlands zu NS-Zeiten, deckt aber doch einiges ab. In Form verschiedener Visualisierungen unterschiedlicher Versionen der Geschichte um die vier erschossenen Soldaten spielt man genüsslich mit dem Stilmittel des unzuverlässigen Erzählers. Humorig geht es während einer Gesangseinlage Rothers zu, der im Gasthaus „Hitler has only got one ball“ schmettert.

Kritisieren kann man, dass sich „Murot und das 1000-jährige Reich“ auf die gefährliche „Guter Nazi, schlechter Nazi“-Gratwanderung einlässt. Das surrealistisch aufgeladene Ende lässt dann aber keinen Zweifel daran, dass dieser „Tatort“ ein Plädoyer für die Strafverfolgung auch greiser und gebrechlicher Nazis und Kriegsverbrecher ist – und zwar ein ebenso unterhaltsames wie beeindruckendes.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 23. Okt 2024, 18:27
von buxtebrawler
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Joker: Folie à Deux

„Ich will dein wahres Ich sehen!“

Regisseur Todd Phillips‘ „Joker“ aus dem Jahre 2019 war vor allem ein persönliches Drama, das eigentlich außerhalb jeglicher DC-Universen und Reboots für sich stand, den komödienerprobten Phillips nachdrücklich fürs ernste Fach empfahl und keiner Fortsetzung bedurft hätte. Diese war ursprünglich auch nicht geplant, doch die Rekordeinnahmen an den Kinokassen, der Überraschungserfolg, der „Joker“ war, und der Oscar für Hauptdarsteller Joaquin Phoenix („Walk The Line“) schrien förmlich danach. Nun ist sie da: Eine komplett gegen die Erwartungshaltungen des Publikums gebürstete Mischung aus Psychodrama, Knast-/Gerichtposse und Musical.

„Jetzt gibt es nur noch uns!“

Nachdem er mehrere Menschen getötet hat – einen davon höchst publikumswirksam vor laufenden TV-Kameras –, sitzt Arthur Fleck alias „Joker“ (Joaquin Phoenix) im Arkham Asylum Gotham Citys ein, wo er, mittels Medikamenten sediert, auf seinen Prozess wartet. Seine Anwältin Maryanne Stewart (Catherine Keener, „Being John Malkovich“) fährt die Strategie, den Geschworenen zu verdeutlichen, dass Arthur aufgrund der Missbrauchserfahrungen während seiner Kindheit unter einer gespaltenen Persönlichkeit leidet und demnach nicht er, sondern der Joker die Taten verübt hat – Arthur also schuldunfähig ist. In Arkham jedoch lernt er im Rahmen eines therapeutischen Gesangskurses die eigensinnige, anarchische Harley Quinzel (Lady Gaga, „A Star is Born“) kennen, die vom Joker und dessen Taten fasziniert ist. Arthur und Harley verlieben sich ineinander – und sie motiviert ihn, sich nicht als bemitleidenswertes Opfer seiner Kindheit und der gesellschaftlichen Umstände zu inszenieren, sondern den Joker wieder aufleben zu lassen…

„…dann bauen wir einen Berg – aus einem kleinen Hügel.“

Wie „Joker“ wurde auch „Joker: Folie à Deux“ tief in den Neo-Noir-Stiltopf getaucht: urbanes Anfang-‘80er-Ambiente, viel Dampf und Qualm – allein schon, weil ständig und überall geraucht wird. Die Gefängnisbilder sind dreckig und unwirtlich, Arthur ist erschreckend abgemagert – im Gegensatz zu den fettleibigen sadistischen Wärtern (u.a. Brendan Gleeson, „Brügge sehen… und sterben?“), die wahllos Insassen misshandeln. Zeitlupen betonen die Relevanz mancher Szene. Die Kamera fängt ihre Figuren bevorzugt in Großaufnahmen ein und filmt viele Bildschirme ab, bevorzugt TV-Geräte, was den Stellenwert dieses Mediums für die Geschichte unterstreicht. Entweder wird Arthur selbst gefilmt oder er sieht TV-Nachrichten und -Berichte über sich, an denen er sich erfreut. Sogar ein Film sei über ihn gedreht worden; gut sei er geworden, er habe ihn leider noch nicht sehen können. Einmal sitzt er auch im Knastkino und schaut sich zusammen mit Harley den Musicalfilm „Vorhang auf!“ an. Das Kennenlernen der beiden wird ziemlich schnell abgefrühstückt, sorgt aber auch rasch für wundervolle düsterromantische Bilder einer Außenseiterromanze – die sich indes bald als Illusion, weil auf Lügen Harleys fußend, entpuppt. Dass es sich bei Harley gar lediglich um ein Hirngespinst Arthurs, um eine weitere Facette einer multiplen Persönlichkeit handeln könnte, scheint anfänglich möglich (und wäre dem Film zuzutrauen gewesen), bewahrheitet sich aber nicht.

„ich will nicht mehr singen, bitte…“

„Joker“ hatte eine sozialkritische, empathische Origin-Story des in den Comics Origin-Story-losen psychopathischen Schwerverbrechers angeboten. Anstatt ihn in dieser Fortsetzung nun zum Chefzyniker unter den DC-Schurken hochzustilisieren, inszeniert ihn Phillips entgegen etwaigen Erwartungen seitens der Fans weiterhin über weite Strecken als bemitleidenswertes Opfer, das unter dem Gefängnis leidet, durch die zarten, anscheinend erwiderten Gefühle zu Harley neue Hoffnung und Lebenslust schöpft und sich in bunte Musicalszenen mit ihr hineinfantasiert, die mit verstörenden Gewaltausbrüchen gespickt sind, dadurch kontrastiert werden und ebenfalls einfach großartig sind.

Als es vor Gericht geht, wo er sich letztlich dafür entscheidet, als Joker eine Schmierenkomödie abzuziehen, scheint sich jedoch schlicht seine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu bewahrheiten. Als Zuschauer(in) empfindet man nun verstärkt Empathie für, nein, nicht den aalglatten Staatsanwalt Harvey Dent (Harry Lawtey, „Industry“) zu Prä-Twoface-Zeiten, sondern für die aussagenden Zeuginnen und Zeugen (u.a. Zazie Beetz, „Deadpool 2“). Besonders stark ist in dieser Hinsicht der Auftritt des kleinwüchsigen Gary Puddles (Leigh Gill, „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“), einem ehemaligen Arbeitskollegen Arthurs, der eindringlich seine Verstörung und Angst transportiert und von Arthur respektive Joker verhöhnt wird. Was man zuvor eventuell an Sympathie für Arthur empfand, beginnt hier mehr als nur zu bröckeln. Seine Totschläge und Morde haben auch etwas mit den Lebenden gemacht. Und wer indirekt betroffen ist, zählt ganz bestimmt nicht zu seinem Fanclub, der sich in Clownsmaskerade in Solidaritätsbekundungen und Randale ergeht.

Seine zufällige Befreiung aus dem Gerichtssaal und somit auch der Haft durch die Explosion einer Autobombe lässt vermuten, dass nun doch noch eine Joker-und-Harley-Quinn-Show beginnen könnte, doch Pustekuchen: Offenbar verweigert Phillips eine solche Entwicklung seinem Publikum ganz bewusst. Stattdessen spring Phillips mit Anlauf und Gebrüll Gesang in die „Rob Zombie’s Halloween“-Falle und entmystifiziert eine Figur komplett, die nicht entmystifiziert werden darf, damit sie funktioniert. Dabei geht er sogar einen entscheidenden Schritt weiter als der seinerzeit mutmaßlich aus Unverständnis handelnde Rob Zombie und verwehrt diesem Joker sogar komplett die Möglichkeit, auch nur ansatzweise zu jenem Oberschurken zu werden, wie man ihn kennt – vermutlich, um die von Arthurs Fans, allen voran Harley, zelebrierte Faszination für das Böse nachhaltig zu ersticken und, mit dem Zaunpfahl gen aktuelle Realität winkend, davor zu warnen, sich mit Vorliebe öffentlich profilierenden Schizos zu verfallen. Da passt es ins Bild, dass Harley bald das Interesse an Arthur verliert und bis auf ein wenig Maskerade nicht viel von der geläufige Harley-Quinn-Figur erkennen lässt.

So nachvollziehbar dieser Ansatz grundsätzlich sein mag, erscheint mir die Figur des Jokers eher ungeeignet, um diese Aussage nicht nur zu transportieren, sondern sie (die Figur) hierfür auch noch zu bestrafen. Zu den DC-Comics passt das spätestens ab diesem Punkt nicht mehr. Ach ja, der Gesang: Der passt, wie auch von mir im Vorfeld vermutet, wiederum sehr gut in diese Adaption, denn gerade die DC-Welt bot schon immer viel Raum für Varianten- und Facettenreichtum sowie Ent- und Verrücktheiten. Lady Gaga ist ohnehin in erster Linie für ihr Gesangstalent bekannt und Phoenix stellte seines bereits damals als Johnny Cash in „Walk The Line“ eindrucksvoll unter Beweis. Egal, ob als Duett oder solo und ganz gleich, ob innerhalb Arthurs bunter Fantasie oder im kargen, grauen Knast: Die Interpretationen alter Klassiker, die hier zumindest zum Teil rekontextualisiert werden, können sich hören lassen und leben oft von der Zerbrechlichkeit, die Phoenix als Arthur in seine Stimme legt. Inhaltlich erzählen sie häufig die Handlung weiter bzw. drücken Gefühlswelten aus und wurden sie entsprechend gut eingeflochten, und ästhetisch schien man einen besonderen Gefallen daran zu finden, sie rein intradiegetisch beginnen zu lassen und mittels extradiegetischer Filmmusik nach und nach aufzumotzen.

Der Gesang ist also nicht das Problem dieses über so weite Strecken trotz Überlänge fesselnden und interessanten, toll aussehenden und ebenso geschauspielerten Films. Es sind vielmehr die Abbiegungen, die er nimmt, um eine Fan-Enttäuschung auf die andere zu stapeln und mit einem derart üblen Tabula-rasa-Ende zu besiegeln, dass eine weitere Fortsetzung mit Phoenix als Joker unmöglich scheint. An dieser habe Phillips aber ohnehin kein Interesse, heißt es. Ein möglicher Ansatz wäre eine neue Origin-Story eines neuen (des eigentlichen?) Jokers, einem ehemaligen Fan Arthurs – den der Schluss auch andeutet. Vielleicht kommt man bei Netflix und Konsorten ja irgendwann auf die Idee und gießt dies in Serienform.

Positiv hervorheben möchte ich den generellen Trend zurück zu deutschen Inserts, dem auch „Joker: Folie à Deux“ folgt. Negativ hervorheben muss ich die Enttäuschung, die ich – obwohl stets aufgeschlossen gegenüber von der Norm abweichenden Comicverfilmungen – mit Einsetzen des Abspanns empfand.