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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 28. Mai 2025, 16:37
von buxtebrawler
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Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen

„Liebling, du bist ja nackt!“

Diese deutsche Sexploitation-Adaption der uralten Nibelungensage inszenierte der schauspielende Regisseur Adrian Hoven („Hexen bis aufs Blut gequält“) zusammen mit seinem darüber hinaus auch produzierenden US-amerikanischen Kollegen David F. Friedman als komödiantischen Rödelfilm mit durchaus aufmerken lassenden Production Values, u.a. das Ensemble betreffend: Kriemhild wird von Sybil Danning („Hausfrauen-Report 1: Unglaublich, aber wahr“) gespielt, ihr Siegfried von Raimund Harmstorf („Der Seewolf“). Im Jahre 1971 gelangte der Film in die Kinos.

„Ein schöner Mann kommt da geritten – das muss Siegfried sein!“

Irgendwann in grauer Vorzeit, ungefähr kurz nach den Neandertalern: Der kräftige und potente Siegfried von Xanten will die hübsche Burgunderin Kriemhild zum Weib, doch da ihr Bruder, König Gunther (Carlheinz Heitmann, „Auch schon im alten Rom“) ebenfalls noch ungebunden ist, soll zunächst er unter die Haube. Ausgerechnet dieser Schlappschwanz hat es auf die isländische Adlige Brunhild (Heidy Bohlen, „Fluchtweg St. Pauli – Großalarm für die Davidswache“) abgesehen, die vor die Ehe einen drei Nächte umfassenden Probesex gesetzt hat. Natürlich versagt Gunther, doch dank seiner ihn unsichtbar machenden Tarnkappe springt Siegfried kurzerhand und unerkannt für ihn ein, sodass den fröhlichen Eheschließungen nichts mehr im Wege steht…

„Noch bin ich ein Falke mit gestutzten Flügeln!“

Harmstorf begegnet uns bereits im Vorspann, diese schlüpfrige Adaption beginnt wie ein Märchenfilm. Eine nackte Lautenspielerin führt als Erzählerin in die Handlung ein, verstummt dann aber. Kriemhild wird gebadet, die Mädels um sie herum sind ebenfalls leicht- oder unbekleidet. Siegfried befindet sich auf dem Weg zum Hof der Burgunden, Gunther will ihn feierlich empfangen. Seine Männer stehen Siegfried und dessen Absichten jedoch misstrauisch gegenüber. Gunther beschließt, ihm Kriemhild vorzustellen, um den Heißsporn zu befrieden. Diese macht mit einer Gespielin rum, inszeniert als gleichgeschlechtliche Softsexszene. Siegfried bumst derweil eine dunkelhaarige Dirne im Stroh, was eher nach albernem Gehopse aussieht, aber er walkt ihr zumindest kräftig die Quarktaschen durch. Ritter erscheinen auf der Bildfläche und es wird gekämpft. Siegfried geht siegreich hervor und schreitet an den Hof, bei dem es sich offenbar um eine FKK-Enklave voller Nudistinnen handelt, die er sogleich vögeln geht und alle ganz verrückt macht. So schlawinert er sich durch den ganzen Hof, findet sich gar in einer Orgie mit drei Mädels auf einmal wieder. Diese Sequenz ist recht interessant umgesetzt, mit entfesselter Kamera und psychedelischer Rockmusik auf der Tonspur.

„Der Mann ist nicht geboren, der mich befriedigt...“

Bald darauf bewerfen sich Leute draußen mit Eiern, dann wird getrunken und gefeiert – inklusive Nackedeis und Oben-ohne-Szenen. Jetzt erst kommen sich Siegfried und Kriemhild näher und die eingangs erwähnten Bedingungen werden ausgehandelt. Dennoch versucht Siggi schon mal, Kriemhild zu verführen, der alte Schwerenöter. Nach dem Essen wird eine Orgie gefeiert und werden Blowjobs unterm Tisch erteilt, wobei die Männer dumme Gesichter machen. In Island tragen die Ritterinnen Kettenhemden, aus denen jeweils eine Brust hervorlugt. Eine Sexszene zwischen Gunther und Brunhild lässt diese unbefriedigt zurück, woraufhin sie ihn kurzerhand an die Wand hängt – so werkgetreu ist man hier dann doch. Als Siggi getarnkappt übernimmt, ist’s bemerkenswert gefilmt, wie Brunhild faktisch allein auf dem Bett zappelt. Es folgen die Vermählungen, Kriemhilds Entjungferung und Brunhilde, wie sie Gunther blutig schlägt, weil er im Bett versagt, sowie ein Turnier – alles der Literaturvorlage entnommen.

„Ein teuflischen Weib!“ – „Ein königliches Weib!“ – „Aber eben doch nur ein Weib...“

Auch der Königinnenstreit bleibt einem nicht vorenthalten, Brunhilde foltert eine Gefolgsfrau Kriemhilds. Hagen (Fred Coplan, „Die Weibchen“), der immer eine Locke im rechten Auge hängen hat, schmiedet den Komplott gegen Siegfried. Doch, oh Wunder: Im Gegensatz zur Sage rettet Kriemhild ihren Siggi hier vor Hagens Mordanschlag, woraufhin die Erzählerin den Film beendet. Happy End also, und das Gesplatter der zweiten Hälfte der Literaturvorlage bleibt einem erspart. Make love, not war!

„Ein wundervoller Mann!“

Natürlich ist „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ kein ernstzunehmender Film, sondern ein softpornöser, sexploitativer Unterhaltungsfilm, der Wünsche nach leichter, männliche Allmachts- und Omnipotenzfantasien bedienender Muse und möglichst vielen attraktiven nackten weiblichen Tatsachen bedient. Dies macht der Film gar nicht schlecht; mitunter ist er sogar tatsächlich überaus erotisch, wofür u.a. Sybil Danning und Heidy Bohlen Sorge tragen. Damit einher geht – bei aller durchschimmernden Werktreue – indes die Vernachlässigung der eigentlich der Geschichte zugrundeliegenden Handlung, wodurch dieses Erotikvehikel wie so viele andere auch dramaturgisch arg holprig geraten ist. Der Humor ist bei Weitem nicht so mies wie in diversen Lederhosenfilmen und ähnlichem Unfug, noch weiter aber von gehaltvoller Komik mit Niveau und Hintersinn entfernt. Alles in allem ist diese Nibelungen-Versexung aber kein Billigmist, sondern Kino mit echten Schauspielerinnen und Schauspielern, relativ aufwändigen Kulissen und Menschen hinter den Kameras, die etwas davon verstanden, was sie da taten.

Nicht zuletzt handelt es sich bei diesem Film retrospektiv betrachtet zweifelsohne um ein spaßiges Kuriosum.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 3. Jun 2025, 15:15
von buxtebrawler
Tatort: Tod im Jaguar

„Der Mörder sitzt auf der Leiche!“

Im Jahre 1996 trat der SFB mit einem neuen „Tatort“-Ermittlerduo auf den Plan: den von Winfried Glatzeder („Die Legende von Paul und Paula“) und Robinson Reichel („Der Räuber mit der sanften Hand“) gespielten Ernst Roiter (Hauptkommissar) und Michail „Zorro“ Zorowski (Kommissar). Bis 1998 wurden zwölf Episoden gedreht. Das Debüt „Tod im Jaguar“ wurde von Raimund Kusserow und Peter Sandmeyer geschrieben sowie von Jens Becker („Schattenboxer“) inszeniert, dessen einziger Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe diese Arbeit bleiben sollte. Die bisher einzige Ausstrahlung erfolgte am 9. Juni 1996.

„Herr Roiter, ich fühle mich bedroht!“

Der jüdische Geschäftsmann David Prestin (Ivan Desny, „Berlin Alexanderplatz“) feierte eben noch seinen 70. Geburtstag, da wird er auch schon mittels einer Autobombe ins Jenseits befördert. Die ermittelnden Kommissare Roiter und Zorowski stoßen bei ihren Ermittlungen im Umfeld des Opfers auf viel Verschwiegenheit, bald aber auch verdächtige Seilschaften und Bankkontobewegungen, die die Ermittler selbst in Gefahr bringen. Offenbar spielten mehrere Geheimdienste in Prestins Aktivitäten eine Rolle. Ein Motiv könnten aber auch Neonazis gehabt haben, denn gegen diese engagierte Prestin sich, weshalb ihn aus diesen Kreisen Drohungen erreichten. Oder handelt es sich schlicht um einen Racheakt seiner Tochter Judith (Deborah Kaufmann, „Der Trinker“) respektive ihres Lebensgefährten Ralph Bernbeck (Götz Schulte, „König Phantasios“), den Prestin nicht leiden konnten, weshalb er Judith enterbt hatte…?

„Ich wusste gar nicht, dass ich einen Klugscheißer als Partner habe.“

Im Prolog muss Roiter von seinen Kollegen aus Seenot gerettet werden, nach dem Vorspann wird er mehr oder weniger als trinkender Hallodri eingeführt. Er ist gerade von Frankfurt am Main nach Berlin gewechselt und hält nicht viel von seinem russischen Kollegen mit dem Spitznamen Zorro, was Kompetenzgerangel und eine vergiftete Arbeitsatmosphäre zur Folge hat. Ein gegensätzliches Problemteam also.

„Sieht dir deine Tochter ähnlich oder ist sie hübsch?“

Die Tat ist gekonnt inszeniert, denn die heftige Explosion zerstört die feine V.I.P.-Feier. Offenbar war man seitens des Berliner „Tatort“-Teams auch etwas Action und Kawumm nicht abgeneigt. Zorro ermittelt (deutsch untertitelt) während eines Besuchs in einer Russensauna unter ehemaligen „Kalten Kriegern“ von der Ostseite, woraufhin er nur knapp einem weiteren Bombenanschlag entkommt und Feuer fängt – ein durchaus bemerkenswerter Stunt. Zu allem Überfluss wird er in eine Kneipenschlägerei mit Neonazis verwickelt. Bei alldem ist er allein, denn Roiter und Zorro ermitteln hier meist getrennt.

„Wenn einer jedermanns Freund sein will, wird er irgendwann jedermanns Feind.“

Auf der horizontalen Erzähleben kommt Roiters Tochter Caroline (Stefanie Stappenbeck, „Die Mauerbrockenbande“) zu Besuch, für die er nur selten Zeit hatte, so auch diesmal nicht, und die es mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt. Die private und berufliche Ebene vermengen sich miteinander, als Roiter sich mit Katharina Lefevre (Brigitte Karner, „Laurin“) trifft, die Mitglied des sich aus hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft zusammensetzenden „Savigny-Kreises“ ist, sie vernimmt, schließlich mit ihr im Bett landet und sich auch in den nächsten Tagen wieder mit ihr trifft. Die Bettszene fällt ziemlich freizügig aus, was für einen kleinen Sleaze-Faktor sorgt. Und dann ist da noch Rolf Zacher („Der Formel Eins Film“) als Puffbetreiber, der von Zorro befragt wird.

„Mein Gott, sieht das hier schrecklich aus!“

Dieser Whodunit?-Fall, der zudem die Frage nach dem Motiv aufwirft, scheint mal Bernbeck als Hauptverdächtigen zu führen, um im nächsten Moment wieder knietief in undurchsichtige Geschäfte aus der Zeit des Kalten Kriegs einzutauchen. Das macht die Angelegenheit etwas arg kompliziert, sodass einige Konzentration vonnöten ist, um am Ball zu bleiben. Neben den erwähnten nackten Tatsachen sorgt ein wenig Humor für Auflockerung (für die bei Zorro ein Oldschool-Ego-Shooter zuständig ist, den er am PC zockt). Abstrus wird’s indes, wenn „Tod im Jaguar“ in Richtung DDRploitation tendiert und sich dabei zwar einerseits von realen Vorkommnissen wie den geheimen Waffenlieferungen der DDR sowohl an den Irak als auch den Iran während des Kriegs zwischen jenen beiden Staaten inspiriert zeigt, einem andererseits aber auch Unfug à la „Stirb langsam“ von im Untergrund paramilitärisch auf einem Haufen Waffen sitzender ehemaliger Stasi-Mitarbeiter auftischt.

Nicht nur damit einher gehen einige Bezugnahmen auf DDR-Zeiten in Dialogen, und auch Zeitkolorit findet sich in sicherlich etwas höherer Dosis als in anderen Mittneunziger-„Tatorten“. Ein Zeichen der Zeit war leider auch die Entscheidung, aus Kostengründen von der 16-mm-Technik abzurücken und stattdessen auf Betacam und mit Handkamera zu drehen. So konsequent, den Bildern einen guerillaartigen rauen Look angedeihen zu lassen, war man in diesem Zuge dann nämlich doch nicht, weshalb es den Bildern an Tiefe und Schärfe mangelt. Dies hätte aber weitaus schlimmer kommen können (wer weiß, vielleicht wurde es das in den weiteren Episoden), für sich betrachtet empfinde ich „Tod im Jaguar“ als einen überaus interessanten und doch ziemlich unterhaltsamen, wenn auch mitunter (nicht nur aufgrund der finalen Wendung) kruden „Tatort“.

Nach seiner Ausstrahlung wurde er nämlich in den Giftschrank verfrachtet, weil es offenbar nachvollziehbare Kritik daran gab, mit der Figur Prestin das antisemitisch aufgeladene Klischee des in allerlei geheime Finanzierungen und Machenschaften verwickelten und damit unerkannt die Weltpolitik beeinflussenden reichen Juden zu bedienen. Da ich zunächst einmal niemandem etwas Böses unterstellen will und dieser Fall nie den Eindruck erweckte, Prestin exemplarisch für andere Juden betrachtet wissen zu wollen, konnte ich mich zwingen, dies auszublenden. Reichlich ungeschickt war diese Figurenzeichnung aber zweifelsohne.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 4. Jun 2025, 17:46
von buxtebrawler
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Der große Arztreport, 1. Teil: Infrasexum, das Geheimnis der Potenz

„Und nun wollen Sie eine Gewaltkur machen und sich von einem Abenteuer ins andere stürzen?“ – „Was bleibt mir denn sonst übrig, Herr Doktor?“

Aus „Infrasexum“, dem noch in Softsex-Gefilden weilenden Debüt aus dem Jahre 1969 des späteren US-Pornofilmers Carlos Tobalina („Undulations“), strickte der deutsche Verleih, auf der Welle der Reportfilme kurz nach der sexuellen Revolution mitreitend, den Pseudoreportfilm „Der große Arztreport, 1. Teil: Infrasexum, das Geheimnis der Potenz“: Er drehte eine eigene Rahmenhandlung, die den Streifen mehr schlecht als recht aufblähte.

„Enten und Tauben beim Gruppensex!“

Und so beginnt der Film hierzulande in Schwarzweiß, als ein reißerischer Sprecher die Hauptperson vorstellt. Dessen Frau glaubt, er habe eine Affäre, und haut ihm ab. Dabei ist er „lediglich“ impotent, weshalb er sich Hormone von seinem Arzt verschreiben lassen will. Parallel kotzt sich seine Frau bei ihrer Schwester aus. Dieser deutsche Prolog ist mit wenig passenden jazzigen Klängen unterlegt. In Farbe werden daraufhin US-amerikanische Forschungsergebnisse präsentiert, woraufhin der Film zunächst eine typische, aus Reportfilmen bekannte episodenhafte Struktur vermuten lässt. Dies erweist sich jedoch als Trugschluss, vielmehr wird eine zusammenhängende Geschichte erzählt, die mehrmals von der deutschen Rahmenhandlung unterbrochen wird.

„Lesen Sie immer laut?“

Der US-Protagonist Peter Allison (Eroff Lynn, „Double Initiation“) tritt als intradiegetischer Voice-over-Erzähler auf und hat – welch Überraschung – die gleichen Probleme wie sein deutscher Leidensgenosse. Er fährt nach Las Vegas, verspielt dort knapp 6.000 Dollar, seine Frau (Marsha Jordan, „Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill“) heult sich bei ihrer Mutter aus, er fährt weiter nach Los Angeles und sucht einen Nachtclub auf. Dessen Tanzszenen gibt der Film beschleunigt wieder. Sein Fremdenführer Carlos (gespielt vom Regisseur persönlich) vermittelt ihm eine Wohnung und (zwischen L&M-Zigaretten-Schleichwerbung) zwei Mädels. Erstmals bekommen wir nun nackte Tatsachen zu sehen, denn vor Peters Augen findet eine Lesbennummer statt.

Diese wird von der deutschen Rahmhandlung unterbrochen: Der Impotente beim Arzt, seine Frau mit ihrer Schwester labernd, dann ein Scrolltext, der erklärt, dass es zwei verschiedene Arten von Impotenz gebe. Der Betroffene liest weiter und in den USA vergnügen sich die beiden Damen weiter miteinander. Doch als sie versuchen, Peter ins Liebesspiel einzubeziehen, versagt er wieder. Nun sucht er einen Park auf und beobachtet junge Leute und Hippies beim ausgelassenen Feiern. Anschließend wartet er im Vogelpark auf Carlos und beobachtet Vögel, zum Beispiel kopulierende Enten. Am nächsten Tag führt Carlos ihn zu mexikanischen Artisten. Beim Malen lernt er Kunststudentin Peggy kennen und zieht bei ihr Zuhause einen Joint durch. Sie zieht sich aus und will von ihm gemalt werden. Man kommt sich näher und knutscht miteinander. Im Schlafzimmer versucht sie ihn zu verführen, doch wäre außer Spesen nichts gewesen, würde er sie nicht wenigstens lecken.

Zurück in Deutschland: Der Arzt will, dass sein Patient seine Frau zu einem gemeinsamen Termin mitbringt. Ein Scrolltext gibt den Inhalt des Schreibens wieder, das er aufgesetzt hat. Zurück in den USA kommt Carlos mit einem Polizeiwagen vorgefahren und stellt Peggy zur Rede, die nun Sex mit Carlos will. Als sie es vor Peters Augen miteinander treiben, zeigt dieser keine Reaktion. Nächster Versuch: eine Sexmesse. Doch die Mafia will Peter erpressen und stellt ihm eine Falle. Sie ermorden eine Frau und fesseln ihn, doch er kann entkommen. Dieser völlig unpassende Krimieinschub wird in hektischen Schnitten unverhältnismäßig rasch abgehandelt und wirkt beinahe wie ein Zusammen- oder Umschnitt eines ganz anderen Films. Aber Tobalina hat eine weitere Überraschung in petto: Er lässt Carlos sogar austesten, ob sein Klient schwul sein könnte! Dieser Akt wird indes lediglich als Schattenspiel gezeigt.

Letztlich gibt Peter aber auf und fährt davon – jedoch mit zahlreichen Zwischenstationen, um sich als Landschaftsmaler zu verdingen. In Deutschland ist der Impotente derweil zurück bei seiner Frau und liest ihr das restliche Arztschreiben vor. Schalten wir also zurück in die USA: Peter wird von Bildern Peggys beim Sex mit Carlos verfolgt. Er verkauft eines seiner Bilder und will nun noch einen Akt malen. Hierfür bekommt er Lori (Sharon Matt, „Ein Körper voller Lust…“) von der Kunsthochschule zur Verfügung gestellt und verliebt sich in sie, sie sich auch in ihn – na klar... Nach drei Wochen mit Lori kehrt er zu seiner Frau zurück. Die Diagnose lautet: Peter war aufgrund eines mangelnden Selbstbewusstseins impotent. Doch die deutsche Rahmhandlung hat das letzte Wort: Der Impotente begibt sich in eine Psychotherapie seiner Angststörungen. Ein letzter Scrolltext rezitiert seinen Antwortbrief auf das Arztschreiben.

„Infrasexum“ (was auch immer das sein soll) ist speziell in der deutschen Fassung ein nur schwer erträgliches No-Budget-Flickwerk mit zwar viel nackter Haut, aber nur wenigen Softsexszenen und generell nur wenigen schönen Bildern, die das Anschauen rechtfertigen würden. Um die holprige, dialogarme (weil zumeist per Voice-over erzählte) Story um einen Mann, der eine Weile seiner bürgerlichen Existenz entfliehen muss, um zu seinen eigentlichen Interessen zu finden, daraus neues Selbstbewusstsein zu schöpfen und darüber seine Potenz wiederzuerlangen, sollte es einem jedenfalls besser nicht gehen, denn diese wirkt wie gewollt, aber kaum gekonnt, manchmal gar wie nicht einmal wirklich gewollt.

Auch wenn der deutsche Titel etwas anderes suggeriert, blieb uns ein zweiter Teil zum Glück erspart.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 5. Jun 2025, 16:44
von buxtebrawler
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Twisted Sisters

„Muschis mögen nun mal Schwänze!“

Filmemacher Wolfgang Bülds („Und tschüß!“) dritter und letzter Teil seiner Direct-to-DVD-Sexploitation-Trilogie um die Britin Fiona Horsey nennt sich „Twisted Sisters“, wurde im Jahre 2006 veröffentlicht und begibt sich einerseits so eindeutig wie nie zuvor in trashige Gefilde, indem er ein null lokalisiertes Hamburg als Londoner Handlungsort verstanden wissen will, ist andererseits kurioserweise dennoch der stärkste Teil der Reihe.

Eine attraktive junge Frau reißt sich nachts in Spelunken Männer auf, um Sex mit ihnen zu haben und sie anschließend mit einer Geflügelschere zu entmannen und zu ermorden. Schnell fällt der Verdacht der ermittelnden Polizei auf die Werbekauffrau Jennifer (Fiona Horsey), die jedoch unschuldig ist. Als Jennifers Eltern sie darüber in Kenntnis setzen, adoptiert zu sein und eine Zwillingsschwester zu haben, beginnt die Suche nach dieser. Doch Nora (ebf. Fiona Horsey) versteht es, sich dem Zugriff der Exekutive zu entziehen…

Einmal mehr frönt Büld der klassischen Mischung aus Sex und Gewalt, diesmal unschwer zu erkennen besonders vom Œuvre Brian de Palmas inspiriert. Er steigt direkt mit der ersten Untat ein, beginnend ab dem Moment, in dem Nora eine Bar betritt und einen Gast aufgeilt. Die Sexszene in dessen Wohnung findet seltsamerweise in voller Montur statt. Erst nachdem Nora sich anschließend frischgemacht hat, lässt sie die Hüllen fallen, gibt sich dem Fellatio hin und waltet ihres blutigen, tödliches Amtes – das recht explizit dargestellt wird: Blut, Splatter, abgetrennter Pimmel. Die Putzfrau des Toten findet schließlich dessen übel zugerichtete Leiche. Weitaus harmonischer geht es derweil bei Jennifer und ihrem Freund zu, man hegt Heiratspläne. Beruflich arbeitet sie in ihrer Werbeagentur gerade an einer Kampagne für Greenpeace. Es handelt sich also wahrlich um ein ungleiches Geschwisterpaar. Ein Schwangerschaftstest verrät zudem, dass Jennifer ein Kind erwartet.

Die Kripobullen werden von einem Typen mit angeklebtem Schnäuzer und einem langhaarigen Metaller im Grave-Shirt wenig glaubwürdig gemimt. Sie verhören Jennifer, die anschließend von Nora heimlich verfolgt und beobachtet wird. Der eigentlich interessante Aspekt der Handlung ist nicht, dass gar nicht Jennifer für die Morde verantwortlich ist – dies wird nicht etwa für eine überraschende Wendung gegen Ende zurückgehalten, sondern recht bald aufgeklärt –, sondern was Nora von ihrer Schwester will. Diese fummelt aber zunächst einmal mit einem Punk im Hamburger Hauptbahnhof, der sich laut Film in England befindet… Der Punk bumst Nora, danach sie ihn (!), kurz darauf schiebt sie ihm Silvesterraketen in den Allerwertesten und zündet sie an. Die Konsequenzen daraus bekommt man in Form schlechter Spezialeffekte zu sehen.

Nora hat sich mittlerweile unbemerkt in Jennifers Wohnung geschlichen, und nun wird’s interessant: Ein Büromitarbeiter hat eine Auge auf Jennifer geworden, gerät jedoch unwissentlich an Nora. Gemeinsam fahren sie in einem Hamburger, ‘tschuldigung, Londoner Taxi in Jennifers Wohnung, wo Nora den Lüstling umbringt – diesmal offscreen. Fortan nimmt Nora konsequent Jennifers Rolle und Platz im Leben ein; eine bitterböse Entwicklung, die den eigentlichen Reiz dieser Geschichte ausmacht und auch dann halbwegs funktioniert, wenn man, wie der Verfasser dieser Zeilen, nicht zum Fiona-Horsey-Fanclub zählt. Besonders perfide ist es, dass Jennifer dies hilflos mitansehen muss. Das Finale hält eine böse Wendung mit einem weiteren Mord und einem Suizid als Boni parat.

„Twisted Sisters“ wirkt tatsächlich wie die Discount-Variante eines De-Palma-Films oder auch italienischer Gialli, der sich seine Wirkmacht durch seinen oben beschriebenen Trash-Gehalt ebenso beschneidet wie durch die billigen computergenerierten Spezialeffekte. Zumindest letzteres sei anders geplant gewesen, laut einem der Darsteller seien diese – im Gegensatz zum Rest des Films – in London handgemacht erzeugt und nach Hamburg verschifft worden, jedoch nie angekommen, weshalb man improvisieren habe müssen. Ein weiteres Manko ist die Dramaturgie, mit der sich Büld (bzw. die Postproduktion) auch bei diesem abendfüllenden Film schwertut. Kurzum: Er zieht sich ganz schön in die Länge. Neben den miesen Spezialeffekten gibt es den einen oder anderen weiteren Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem diese Produktion entstanden ist. Beispielsweise frage ich mich, ob Jennifers Freund in einer bestimmten Szene wirklich derart gebeugt und verkrampft beim Wassertrinken hat aussehen sollen. So wirkt eben alles etwas unrund. Wer sich dennoch für Billig-Sexploitation des digitalen Zeitalters interessiert, liegt mit „Twisted Sisters“ sicherlich nicht verkehrt.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 6. Jun 2025, 14:33
von buxtebrawler
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Shirins Hochzeit

Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ aus dem Jahre 1974 war der erste bundesdeutsche Spielfilm über Migration, Helma Sanders-Brahms‘ („Unter dem Pflaster ist der Strand“) TV-Produktion „Shirins Hochzeit“ folgte 1976 als erster deutscher Spielfilm, der sich speziell der türkischen Migration widmete – womit dieser heute fast vergessene Film ein Meilenstein in der Entwicklung des migrantischen Spielfilms war. Sanders-Brahms, die auch das Drehbuch verfasste, war Teil der Frauenbewegung und setzte sich in ihren Filmen kritisch mit der Rolle der Frau in der westdeutschen Gesellschaft auseinander, worüber sie schließlich auch bei der Personengruppe der Migrantinnen landete.

Shirin (Ayten Erten) ist eine junge Türkin, die bereits als Kind Mahmud (Aras Ören) als Ehefrau versprochen wurde. Als ihr Vater Ärger während seiner Knochenarbeit auf einem Feld Ärger mit einem Vorgesetzten bekommt und verhaftet wird, hält ausgerechnet derjenige Verwalter, nach dem er einen Stein geworfen hatte, bei Shirins Onkel um ihre Hand an, der seine Nichte de facto nach Zahlung eines Geldbetrags an diesen Mann verkauft. Shirin jedoch hat kein Interesse an ihm, hängt an Mahmud, der mittlerweile als Gastarbeiter in Köln arbeitet, und flieht vor der Zwangsehe nach Deutschland auf der Suche nach Mahmud. Sie verdingt sich als Arbeiterin in einer Fabrik, lebt in bescheidensten Umständen und findet in der Griechin Maria (Aliki Georgouli, „Die Wanderschauspieler“) eine Freundin. Nach ihrer Entlassung hält sie sich zunächst als Putzfrau über Wasser, wird jedoch vergewaltigt und steht wieder ohne Arbeit und Einkommen, von dem sie regelmäßig einen Teil an ihre Familie in der Türkei schickte, da. Als sie nach Verlust ihrer Aufenthaltserlaubnis einen Zuhälter (Jürgen Prochnow, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“) kennenlernt, erzwingt dieser, dass sie für ihn als Prostituierte in Gastarbeiterwohnheimen arbeitet. In diesem Zuge trifft sie endlich Mahmud wieder, aber als Freier, der sie nicht erkennt. Bald darauf wird ihr Zuhälter erstochen. Shirin sehnt sich nach ihrer Heimat zurück und beschließt, in die Türkei zurückzukehren, doch dazu kommt es nicht mehr: Sie wird noch in Deutschland erschossen.

Man merkt dem Film an, dass Sanders-Brahms nicht vom Unterhaltungsfilm kommt: Ihr mit 120 Minuten überlanger Film tritt als Sozialmelodram in dokumentarischem Stil mit Erzählstimmen aus dem Off in Erscheinung. Teile des Films lassen sich theoretisch vorspulen, ohne dass man etwas Signifikantes verpassen würde. Er vermittelt zunächst Eindrücke eines primitiven türkischen Lebens ohne Elektrizität oder fließend Wasser. Die Regisseurin erzählt, als Dialog angelegt, den Film zusammen mit Shirin, was aber sehr von oben herab wirkt – als wisse die emanzipierte deutsche Sanders-Brahms alles besser und sage Shirin, was sie denkt und wie sie sich fühlt oder zu fühlen habe. Dies mag exemplarisch für Teile der damaligen Frauenbewegung oder generell progressiver politischer Bemühungen sein, wurde seinerzeit aber positiv als sehr emanzipatorisch aufgefasst. Zum Gefälle zwischen ihr und Shirin trägt auch die defizitäre Sprache der Migrantin bei, die sich in einfachem gebrochenen Deutsch verständigt.

„Shirins Hochzeit“, zeigt die Prozedur, die Gastarbeiter(innen) über sich ergehen lassen mussten, als sie nach Deutschland kamen, dokumentiert den Migrationsprozess und vermittelt, dass Frauen nach der ersten Gastarbeiterwelle ebenso benötigt wurden wie anfänglich Männer. Teil der Melodramatik ist, dass Shirin von einer patriarchalen Abhängigkeit in die nächste gerät. Es heißt, dass dieser Film das Narrativ von Sozialdramen um das Jahr 1900 herum aufgreife, was ich jedoch nicht beurteilen kann, da ich diese nicht kenne. In jedem Falle aber ist die Handlung reichlich dick aufgetragen, ohne zu erläutern, ob und wenn ja, inwieweit Shirins geschilderter Werdegang exemplarisch und mit all seinen bitteren Konsequenzen in der Realität verankert ist (womit ich in erster Linie Shirins alleinige Flucht und ihr Abrutschen in die Prostitution meine). Für wahrscheinlich halte ich, dass hier mehrere reale Missstände auf eine Person projiziert wurden.

So oder so war es für eine Türkin enorm mutig, damals in eine solche Rolle (in der sie sich sogar einmal kurz oben ohne zeigt) zu schlüpfen, die provokant in mehrere Richtungen – Türken, Deutsche, gesellschaftliche Rollenbilder etc. – austeilt. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Hauptdarstellerin Ayten Erten wurde von türkischen Faschisten massiv bedroht und bekam Probleme, weitere Filmangebote zu erhalten, auch Deutsche hätten gegen den Film und die an ihm Beteiligten gehetzt; Erten und auch Sanders-Brahms mussten unter Polizeischutz gestellt werden.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 13. Jun 2025, 14:01
von buxtebrawler
Tatort: Krokodilwächter

„Herr Kommissar, Sie verlottern so langsam da draußen!“

Der vierte Fall des Berliner „Tatort“-Duos Ernst Roiter (Winfried Glatzeder) und Michail „Zorro“ Zorowski (Robinson Reichel) wurde, wie alle drei vorausgegangenen Fälle, im Jahre 1996 ausgestrahlt. Um genau zu sein, datiert dieser von Andreas Pflüger geschriebene und von Berno Kürten („Fassadenschwindel“) inszenierte auf den 10. November 1996. Kürten drehte damit seinen ersten von bis dato drei Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe und hatte dabei nicht so recht Glück: Wie bereits der erste Fall dieses Duos landete auch dieser nach seiner bisher einzigen Ausstrahlung im Giftschrank, diesmal wegen „brutaler, sexistischer und menschenverachtender Darstellungen“.

„Sie ist doch nur ‘ne Nutte, wen kümmert das?“

Ein Postangestellter wird in seinem Auto von einer Briefbombe getötet – ein versehentliches Zufallsopfer. Hauptkommissar Roiter und Kommissar „Zorro“ Zorowski stehen vor einem Rätsel. Bald darauf wird die junge, attraktive Russin Irina Alexandrowna (Nadeshda Brennicke, „Manta – Der Film“) ermordet aufgefunden. Die Spur führt die Kripo zur Russenmafia, und siehe da: Beide Fällen hängen miteinander zusammen. Es geht um Menschenhandel: Junge Russinnen werden nach Berlin geschleust und Bordellen überlassen, an den Einnahmen aus der Prostitution kassiert die Mafia kräftig mit. Nun schwebt die Zeugin des Mords in Lebensgefahr: Nadja (Theresa Hübchen, „Einsteins Baby“), die Schwester der Toten. Werden Roiter und Zorowski Nadjas Leben retten, die Täter verhaften und den Mafiaring zerschlagen können?

„Wenn man den Feind verstehen will, muss man wissen, was er raucht.“

Dieser „Tatort“ beginnt direkt mit dem bedauernswerten Postfahrer, dessen Auto plötzlich explodiert – und damit nach der Frage nach dem Warum. Im Anschluss bekommen wir eine Stripshow mit, klar, nackter Haut zu sehen. In jenem Club ist der Gast Wittkowski (Karl Kranzkowski, „Nikolaikirche“) an der Wirtin Irina interessiert, die jedoch liiert ist und ihn abblitzen lässt. Gegen Geld hat sie trotzdem Sex mit ihm, woraufhin ihre Zuhälter Dima Kaschpirowskij (Dirk Martens, „Die Versuchung – Der Priester und das Mädchen“) und Viktor (Stefan Jürgens, „Nacht der Frauen“) ihn rausschmeißen und sie brutal misshandeln. Damit ist das Milieu, in dem diese Episode operiert, abgesteckt. Szenenwechsel: Eine Hochzeitsfeier. Erneuter Szenenwechsel: Irinas Schwester Nadja trifft aus Russland in Berlin ein und eröffnet Irina, dass ihr Vater in Russland erschossen wurde.

„Das Krokodil sitzt in Moskau.“

So vermengen sich mehrere Handlungsstränge etwas herausfordernd erzählt miteinander, an deren vorläufigem Ende die Ermordung Irinas steht. Der unorthodoxe Hauptkommissar Roiter lebt mittlerweile in einem Zelt, was für einen netten optischen Effekt genutzt wird: Das Zelt, in dem sich beide Kommissare befinden, wird von außen gefilmt, wodurch diese als Schatten zu sehen sind. Der weitere Handlungsverlauf lebt von interessanten Wendungen und einem weiteren, besonders grausamen Mord, und mündet in eine wilde Schießerei im Finale.

Der viel mit östlich-folkloristischen Klängen unterlegte Fall arbeitet auch nach dem Kalten Krieg mit Russen als Feindbild (in Person „Zorros“ aber auch als Gesetzeshüter), hier in Form einer im Rotlichtmilieu aktiven Mafia-Organisation. Dabei wird kaum ein Mafia-Klischee ausgelassen und nicht mit Brutalität gegeizt, sodass dieser „Tatort“ mitnichten sozialrealistisch anmutet, sondern verstärkt mit Versatzstücken des Genrefilms arbeitet. In seinen Übertreibungen ist er dabei gewiss nicht immer ernstzunehmen; zum Aufstellen eines neuen Giftschrank-Rekords (gleich zwei Fälle dieses Duos landeten dort) reichte es aber. Mit entsprechend angepasster Erwartungshaltung unterhält „Krokodilwächter“ recht gut, zumal er nicht den Fehler begeht, ein vollumfängliches Happy End mit den (hier gut zusammenarbeitenden) Kripo-Kommissaren als Helden anzusteuern. Und „RTL Samstag Nacht“-Humorist Stefan Jürgens als Mafioso bekommt man auch nicht alle Tage zu sehen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 17:28
von buxtebrawler
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Die Simpsons [Staffel 3]

„Friss meine Shorts!“

Nachdem die zweite Staffel dieser überaus populären US-amerikanischen Zeichentrickserie Matt Groenings 22 Episoden umfasste, sind es in Staffel 3 bereits 24 an der Zahl. Diese wurden von September 1991 bis August 1992 im US-Original ausgestrahlt, während hierzulande erneut das ZDF übernahm: Vom 5. Januar bis zum 07. April 1993 konnte man sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen an ihr erfreuen.

„Ich bin Michael Jackson von den Jacksons.“ – „Und ich bin Homer Simpson von den Simpsons.“

In der ersten Episode steht Lisa kurz vor ihrem achten Geburtstag. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände landet ihr Vater Homer in der Klapse, wo er jemanden kennenlernt, der sich als Michael „King of Pop“ Jackson ausgibt und nach Homers Entlassung ein paar Tage bei den Simpsons lebt. Jacko in „zivil“ entspricht nicht den Erwartungen der Menschen, wobei diese Episode letztlich keinen Hehl daraus macht, dass er es auch gar nicht wirklich ist. Homers Klinikaufenthalt geht mit einer Hommage an „Einer flogs übers Kuckucksnest“ einher. Was für ein Staffelauftakt: Eine Satire auf unternehmerische und staatliche Repression, die Hand in Hand gegen (hier nur vermeintlichen) Individualismus vorgeht, aber auch eine Erzählung darüber, wie schön es sein kann, anderen eine Freude zu machen – und beinahe jede einzelne Dialogzeile enthält einen Gag!

„Was für ein geiziges Land!“

Die nächste Episode mutet zunächst einmal wie Werbung für Reader’s Digest an: Homer erhält eine Gratisausgabe und ist ganz hin und weg. Das dort enthaltene Preisausschreiben gewinnt Lisa und so darf sie mit ihrer Familie nach Washington reisen. Dort erhalten sie u.a. eine Führung durchs Weiße Haus. Lisa beobachtet Korruption und verliert den Glauben an die Demokratie. Pathetischer und übertriebener Patriotismus werden hier persifliert, Politik und Korruption ebenso, was in einem durch Übertreibung die Idiotie veranschaulichenden Loblied auf die USA mündet.

In Episode 3 eröffnet Nachbar Flanders einen Laden für Linkshänder, dem Homer alles Schlechte wünscht und der zunächst tatsächlich nicht läuft. Bart besucht eine Karateschule, schleicht sich aber schon nach der ersten Stunde immer raus. Homers Schadenfreude ist grenzenlos und Flanders kann einem hier wirklich leidtun. Das Ende wurde bewusst karikierend kitschig gestaltet.

„Bohr dir 'n Loch ins Knie!“

Die vierte Episode enthält ungewöhnlich viele Gags in den Details und Hintergründen. Bart freut sich über Gebühr auf den Schulausflug in die Schokoladenfabrik, doch wirklich alles geht schief – bis er die örtliche Mafia kennenlernt und für sie zu arbeiten beginnt, mit bösen Folgen zunächst für Rektor Skinner und schließlich auch für Bart, der mit schweren Vorwürfen vor Gericht landet. Diese legendäre Episode persifliert Mafia und Polizei gleichermaßen und damit auch die mit diesem Konflikt verbundenen Klischees, sensibilisiert aber auch für die Verführungsmethoden der Mafia. Skinner tritt in einem Alptraum Barts als Zombie in Erscheinung und im Knast sitzt Bart mit Tingeltangel-Bob in der Zelle, was aber nur eines der Details ist und nicht thematisiert wird.

„Er verdankt seine Einstellung der Quotenregelung für Sonderschüler!“

In Episode 5 hatte Milhouse seinen Geburtstag gefeiert, ohne Bart einzuladen, was fast genauso schlimm ist wie der Störfall, den Homer in Reaktorsektor 7G zu verantworten hat und der eine Kernschmelze einleitet. Dies ist eine herrliche Persiflage auf den Umgang mit der Hochrisikotechnologie, während auf der anderen Erzählebene Milhouse' Mutter ihm die Freundschaft zu Bart verboten hat. Homer beweist ein letztes Fünkchen moralisches Empfinden, als er ein schlechtes Gewissen bekommt, weil er für seine zufällige Rettung umjubelter Mitarbeiter des Monats wird. Grandios.

„Ich kann Ihnen immer noch Blech für Gold anbieten!“

Krusty der Clown kommt in der sechsten Episode zu besonderen Ehren: Abermals sagt er sein Treffen mit Bart ab – zu dessen tiefer Enttäuschung. Bart schreibt ihm, dass er aus dem Fanclub austreten werde und den Glauben an ihn verloren habe. Krustys Managerin liest das und zwingt ihn, Bart zu besuchen. Die Handlung gerät zur Origin-Story Krustys. Diese reitet zunächst das Klischee des traurigen Clowns, avanciert aber zur klugen Geschichte eines Vater-Sohn-Konflikts und über die Widersprüchlichkeit von Religionen.

„Wo ist mein Nikotinkaugummi?!“

Episode 7 ist das zweite Halloween-Special der Serie, eine Variation des Dschinn-Themas mit Bart als egozentrischem Monster, vor dem alle Angst haben und fürchten, ihn zu verärgern, sowie mit Mr. Burns als Mad Scientist. Visualisierungen der Familienmitglieder verleihen diesem wunderbar absurden Special Episodenhaftigkeit.

„Hören Sie doch endlich auf zu jammern!“

Die achte Episode eröffnet mit einer Persiflage auf Kubricks „2001“-Intro und geht über zu einer köstlichen Verballhornung von Kinderschulaufführungen und -Talent-Shows. Homer ist hier bereits in den alten Familienvideos, die gezeigt werden, der totale Rabenvater. Mit einem Pony für Lisa ist er um Wiedergutmachung bemüht. Hier überwiegt nun der übertriebene, satirische Humor, der zudem Pferdemädchen- und -szene-Klischees aufs Korn nimmt. Und da Homer einen Zusatzjob im Kwik-E-Markt annehmen muss, um das Pony zu finanzieren, bekommt auch der Einzelhandel sein Fett weg.

„Hätt' ich doch bloß meine sensitive Klappe gehalten!“

Ein Ausschnitt aus einem Actionfilm in der Videothek führt mit einer urkomischen Persiflage auf Genre-Brutalität und -Klischees in Episode 9 ein, in der Homer einmal mehr zum Ultrarabenvater erklärt wird, indem er lange ignoriert, dass Bart in der Garage eine Seifenkiste zusammenbaut. Doch er lässt sich gegen das Rabenvatertum behandeln und baut schließlich zusammen mit seinem Filius am Gefährt. Das Rennen fällt dann so kurz wie heftig und urkomisch aus, stellt aber noch gar nicht die Pointe dieser Episode mit verdammt hoher Gagdichte dar, in der es in gewohnt überzeichneter Weise um Vater-Sohn-Beziehungen geht.

„Hey Bart, ich glaube, jetzt haben sie deinen Vater endgültig abgeholt!“ – „Ist vielleicht für alle das Beste.“

Als Parodie auf „Eye on…“-Städteshows beginnt die zehnte Episode – und anhand Lisas Pyjama-Party auf ebensolche Mädchenpartys. Homer erfindet den Drink „Flaming Homer“, der zum gehypten In-Getränk aufsteigt, aber von Kneipier Moe geklaut wird. Homer hadert damit, dass Moe ihm den ganzen Fame abgreift. Der „Reinsch“-Telefonstreich ist großartig, die Rückblende zu Homers Erfindung während eines Dia-Abends mit Marges Schwestern ebenfalls, Aerosmith haben einen Gastauftritt, der Vorspann der SitCom „Cheers“ wird genauso parodiert wie „Das Phantom der Oper“ und die Visualisierung einer Moe-Paranoia Homers kann sich auch sehen lassen. Am Schluss dieser enorm satirischen Folge gehen zwar eine Million Dollar verloren, wird aber eine Freundschaft wiederhergestellt – famos!

„Der Drink schmeckt wie eine Party im Mund, und alle wären eingeladen!“

Die Aktien des Atomkraftwerks gehen in Episode 11 durch die Decke, doch Homer verkauft seine für nur 25 Piepen. Vertreter eines deutschen Konsortiums kaufen gleich das Kraftwerk; einer von ihnen spricht mit bayrischem, einer mit Berliner Akzent. Homer wird entlassen – als einziger. Welch Versager Homer als Sicherheitsbeauftragter ist, wird auf typisch übertriebene, aber irrsinnig komische Weise illustriert und das Deutsche immer mal wieder persifliert. Mr. Burns versucht, den Ruhezustand zu genießen, wird aber in Moes Kneipe verspottet und geschnitten. Um wieder als mächtiger Boss gefürchtet zu werden, kauft er sein Kraftwerk zurück. Damit bietet diese Folge erhellende Einblicke in die Psyche eines Kapitalisten.

„Ist das Leben nicht eine Wucht...?“

In der zwölften Episode hat Marge den Verdacht, wieder schwanger zu sein. Homer erzählt seinen Kindern aus der Vergangenheit, was in Form von Rückblenden in die Kennenlernphase, Marges erste Schwangerschaft, Heirat und Jobsuche Homers wunderbar vergnüglich karikierend überzeichnet visualisiert wird. Letztlich wird aber Homers damalige dann doch charakterliche Integrität unter Beweis gestellt. Interessantes Detail: Er hatte einen coolen „Disco sucks“-Aufkleber am Auto. Letztlich landet Homer nach einem urkomischen Einstellungsgespräch doch noch im AKW – und Bart wird geboren. Vieles, was man schon immer über Familie Simpson wissen wollte, wird hier auf unterhaltsamste Weise beantwortet.

„Was für'n beschissener Geburtstag...“

In Episode 13 feiert Bart seinen Geburtstag, was die Serie zum Anlass für eine furiose Persiflage auf die Kindergeburtstagserlebnisgastronomie nimmt. Nach anfänglicher Enttäuschung freut Bart sich über sein neues Funkmikro und spielt damit immer derbere Streiche. Einer dieser üblen Scherze versetzt die ganze Stadt in Aufruhr – bis Bart selbst in den Brunnen fällt, in dem angeblich ein kleiner Waisenjunge gefangen ist. Der Musiker Sting hat einen Gastauftritt in dieser einen recht moralischen Verlauf nehmende Folge, die in ihrer Aussage irgendwo zwischen „Wer anderen eine Grube gräbt…“ und „Wer einmal lügt…“ anzusiedeln ist.

„Um wie viel geht's denn bei Ihnen?“ – „Um meine Tochter!“

Bart geht mit seiner Mutter in Episode 14 Klamotten kaufen, sehr zu seinem Leidwesen. Dafür nähern sich Lisa und Homer einander an, seit sie sich Mühe gibt, sich für Football-Übertragungen zu interessieren. Homer freut sich besonders über ihre korrekten Tipps, die er in Sportwetten ummünzt. Nach Saisonende ist aber Schluss mit dem Daddy-Tochter-Tag und Lisa frustriert, fürs Endspiel nennt sie ihm daher keinen Tipp mehr. Dieser recht empathischen, weniger krawalligen Geschichte über schwierige Vater-Tochter-Beziehungen wurde ein schönes, versöhnliches Happy End spendiert, womit sie auch gut in eine der ersten beiden Staffeln gepasst hätte.

Die fünfzehnte Episode sensibilisiert für den Stress, den Hausfrauen und Mütter oft haben. Hier führt er dazu, dass Marge in den Streik tritt – mitten auf der Fahrbahn einer Brücke. Als sie festgenommen wird, wird’s politsatirisch: Bürgermeister Quimby begnadigt sie, weil er die weibliche Wählerschaft im Blick hat, ruft sogar einen Marge-Simpson-Tag aus. Marge macht daraufhin allein Urlaub auf einer Wellness-Ranch. Lisa und Bart werden kurzerhand zu Marges Schwestern gegeben und Homer passt auf Maggie auf, mit allen damit verbundenen hochamüsanten Konsequenzen – z.B. dass Maggie auf der Suche nach ihrer Mutter ausbüchst. Zudem verfügt diese Folge über großartige Barney-Szenen. Ungewöhnlich ist’s, dass dänische Erotikfilme noch Erwähnung finden – diese spielten Anfang der 1990er doch längst keine Rolle mehr.

Einen Schwarzweiß-Propagandafilm für Zink bekommt man in Episode 16 zunächst einmal zu sehen, bevor man zur Kenntnis nimmt, dass der Jo-Jo-Hype an der Schule ausgebrochen ist. Die eigentlich erzählte Geschichte aber dreht sich um Barts Lehrerin Ms. Krabappel, die eine Kontaktanzeige aufgegeben hat. Bart entdeckt diese und spielt anschließend ein falsches Spiel mit ihr. Dass solche Anzeigen Segen und Fluch zugleich sein können, wird ebenso aufgegriffen wie der Umstand, dass Dumme-Jungen-Streiche unheimlich verletzend sein können. Trotz der sensiblen Thematik verfügt auch diese Folge über eine unheimlich hohe Gagdichte, fast jede Szene enthält eine Pointe.

„Wer's nicht kann, soll's lassen!“

In der siebzehnten Episode findet ein Softball-Turnier statt, in einem Match tritt die Polizei gegen das Kernkraftwerk an. Homer hat einen selbstgebastelten „Zauberschläger“ und rockt das Turnier. Mr. Burns lässt sich auf eine Wette mit Fat Tony ein und Smithers zahlreiche Profis fürs Team rekrutieren, die die eigentlichen Teammitglieder verdrängen. Jedoch fallen alle aus, aus verschiedensten Gründen – bis auf einen, weshalb ausgerechnet Homer nicht mitspielen kann. Doch dann wird er doch noch eingewechselt… Das ist alles sehr absurd, aber unheimlich witzig, weil zahlreiche Klischees und nicht zuletzt die Macht des Gelds aufs Korn genommen werden. Eine der unverblümt antikapitalistischen Folgen der Serie.

„Das war doch die reinste Zeitverschwendung!“

Ein Berufseignungstest an der Schule führt in Episode 18 zum überraschenden Ergebnis, dass Bart Polizist und Lisa Hausfrau werden sollte. Als der Verkäufer im Musikladen auch noch anzweifelt, dass Lisa Blues-Musikerin werden könnte, schiebt sie Frust und beginnt zu rebellieren, während Bart eine Nachtschicht bei der Polizei mitfahren darf und zur faschistoiden Schulaufsicht avanciert. Herrlich, wie sowohl Bart als auch Lisa hier aus der Art schlagen. Zudem handelt es sich um feministisches Statement, das durch die weitere Entwicklung aber auch familiären Zusammenhalt herausstellt.

„Sie können unsere Angst riechen!“

Ein exorbitanter Jackpot lässt in der neunzehnten Episode das Lottofieber in Springfield grassieren. Gewinner ist der der TV-Nachrichtensprecher Kent Brockman. Den Gewinn besser gebrauchen könnten die Simpsons, denn Familienhund Knecht Ruprecht ist sehr krank und die OP zu teuer, weshalb Homer und Marge sich zunächst dafür entscheiden, ihn sterben zu lassen. Dies bringen sie dann doch nicht übers Herz, zumal Bart entsetzt reagiert. Doch die Sparmaßnahmen haben jedoch negative Folgen für die ganze Familie, weshalb alle sauer den Hund werden, der daraufhin wegläuft, diverse Abenteuer durchlebt, im Tierheim landet und von Mr. Burns als neuer Wachhund geholt und à la „Clockwork Orange“ umerzogen wird… Diese eine visualisierte Nahtoderfahrung Knecht Ruprechts enthaltene Folge persifliert Mensch-Tier-Beziehungen, schafft aber auch ein Bewusstsein für die Konflikte, sobald diese teuer werden oder anderweitig zur Last fallen.

„Country-Musik ist öde!“

Nach einem verkorksten Kinobesuch (köstlich!) braucht Homer in Episode 20 erst einmal Abstand und kehrt in einer etliche Meilen entfernten Country-&-Western-Bar ein, wo er eine singende Kellnerin kennenlernt und ihr Manager wird – und Marge zurecht eifersüchtig… Diese Folge enthält sowohl mehrere hörenswerte Songs als auch herrliche Hinterwäldler-Persiflagen. Da Homer integer und treu bleibt, ist’s zudem eine letztlich schön romantisch Episode, die Homer einmal in einem anderen Licht zeigt und seinen Charakter aufwertet.

Marges Schwester Thelma hat einen Ex-Häftling zum neuen Freund: Ausgerechnet Tingeltangel-Bob (der in der deutschen Synchronisation noch immer Sideshow Bob genannt wird). Nach humorigen Rückblenden in dessen Knastzeiten verloben sich die beiden vor Barts Augen, der ihm als einziger misstraut. Bob arbeitet sogar wieder mit Krusty zusammen, heiratet Thelma, hegt jedoch tatsächlich nach wie vor mörderische Pläne… Diese spannende Folge hat viel von einem Krimi, enthält aber divergierende Meinungen zu MacGyver sowie Anspielungen auf die US-Politik.

Bart trägt ein Spinal-Tap-Shirt, weil er sich zusammen mit Milhouse von Homer zu deren Konzert fahren lässt. Homer wartet im Auto und das Konzert endet in Randale. Im ersten Teil zieht diese zweiundzwanzigste Episode ein paar Rock’n’Roll-Klischees anhand der Metal-Parodisten Spinal Tap durch den Kakao, anschließend gehört diese Folge aber Schulbusfahrer Otto. Dieser legt irre Stunts mit dem Schulbus hin, woraufhin Rektor Skinner als Fahrer einspringen muss. Als sich herausstellt, dass Otto gar keinen Führerschein hat, ist er ganz unten angelangt und zieht in die Garage der Simpsons ein. Nun gilt es für ihn, endlich eine Fahrerlizenz zu erwerben. Einiger absurder, krawalliger Humor findet sich in dieser nichtsdestotrotz verdammt witzigen Folge, sowie eine charmante Eindeutschung: Otto fragt nach Lurchi-Büchern.

Die dreiundzwanzigste Episode beginnt wie eine Abenteur-Action-Sequenz, zu der passenderweise Indiana-Jones-Musik ertönt. Die eigentliche Handlung dreht sich um die neue Mitschülerin Samantha, die zwischen Barts und Milhouse‘ Freundschaft gerät: Samantha und Milhouse verlieben sich ineinander und knutschen, Milhouse verliert zudem das Interesse an Jungskram. Parallel zu diesen Ereignissen fordert Lisa von ihrem Vater, dass er an Gewicht verliert, weil sie sich Sorgen um seine Gesundheit macht. Diese Folge thematisiert das Reinkicken der Pubertät und die damit verbundenen Änderungen, scheint sich aber daran zu erinnern, so weit dann doch nicht auf der horizontalen Erzählebene gehen zu wollen: Bart und Milhouse sollen freche kleine Jungs bleiben, sodass man die Erzählung eigentlich traurig enden lässt, ohne aber diese Traurigkeit zu vermitteln. Das wirkt unromantisch und unrund, weshalb es sich um eine der schwächeren Episoden handelt.

„Ich bin wieder reich! USA! USA!“

Im Staffelfinale wird im Zuge einer Gesundheitsuntersuchung im Atomkraftwerk festgestellt, dass Homer zeugungsunfähig geworden ist. Daher erhält er eine Abfindung von 2.000 Dollar. Apropos horizontale Erzählebene: Nach Tingeltangel-Bob taucht Homers Halbbruder Herb wieder auf, obdachlos und händeringend nach einer neuen Geschäftsidee suchend. Vornehmlich handelt diese Episode von der Wiederannäherung zweier Geschwister aneinander, vom Verzeihenkönnen, aber auch der Kraft der Kreativität und Innovation. Ach was, eigentlich geht’s darum, wie toll ein Massagesessel ist, der Homer – nachdem seine geliebte Couch zu Bruch gegangen ist – eine Art LSD-Trip beschert. Ich bin gespannt, ob dieser Sessel in Staffel 4 noch vorhanden ist.

Nicht in allen, aber in mehreren Folgen der dritten Spiel muss Homer viel einstecken. Eine zunehmende Verdummung dieser Figur hat eingesetzt, mit einem Ausreißer in Folge 20. Diese Entwicklung geht einher mit dem in der vorausgegangenen Staffel eingesetzten Trend zur bissiger werdenden Satire. Die Pointendichte wurde zumindest partiell noch einmal erhöht, Schwächen sind nur noch wenige auszumachen. Popkulturelle Referenzen gehen Hand in Hand mit karikierendem, parodierendem und persiflierendem Humor, empathische Geschichten wechseln sich mit krawalligeren ab. Die Simpsons waren in den 1990ern angekommen – und das scheinbar sehr leichtfüßig.