01.11.2013, Libertäres Zentrum, Magdeburg:
PROJEKT PULVERTOASTMANN + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS
Als die Pulvertoasties uns anboten, mit ihnen im Magdeburger Libertären Zentrum zu spielen, klärten wir die Frage nach der Spritkohle und sagten kurzerhand zu. Keiner kannte den Laden, aber das klang alles vielversprechend nach D.I.Y. und machte einen sympathischen Eindruck. Mit Tomczek erklärte sich sogar jemand bereit, uns zu chauffieren, und das auch noch in seinem für solche Vorhaben prädestinierten Minibus, in dem neun Personen Platz finden – die allesamt belegt wurden, denn Wurzel vom Gaußplatz, Katharina und ein Punk aus den USA, der Tomczek gerade besuchen war, begleiteten uns. Während der Hinfahrt musste ich erst mal die Arbeitswoche abschütteln, was ohne Alkohol gar nicht so einfach ist, aber schon auf der nachmittäglichen Hinfahrt das Trinken anzufangen, verbietet sich mir, wenn ich später auf der Bühne meine Texte noch kennen will. Tomczek erwies sich als absolut souveräner Fahrer, der uns sicher auch durch den einen oder anderen kleineren Stau geleitete und mit Musik und Comedy bestens zu unterhalten wusste. Die richtige Abfahrt gen Libertäres Zentrum genommen, erwischten wir einen verdammt dunklen Teil Magdeburgs, der Endzeit-Atmosphäre atmete, grau und trist. Genau das Richtige, um sich an diesem kalten Herbstabend aufs Konzert einzustimmen. Das Libertäre Zentrum entpuppte sich als großer besetzter Gebäudekomplex, der sich noch im Aufbau durch seine außerparlamentarisch politisch aktiven Bewohner befindet, jedoch bereits fließend Wasser, eine Kneipe und eine Bühne samt ordentlicher P.A. bietet – und einen schönen Hinterhof samt endzeit-futuristisch anmutender Konstruktionen und der klassischen Feuertonne. Ein Graffito besagte „Action Mutante“ und „No Fotos“ – ein passenderes Ambiente ist nur schwer möglich. Die Bewohner und Organisatoren vor Ort erwiesen sich als nette, unkomplizierte Leute, die uns ein leckeres Veggie-Burger-Buffet kredenzten, mit Astra und Sternburg Export zwei geile, ehrliche Arbeiterbiere anzubieten hatten und auch über genügend Schlafmöglichkeiten für unsere Neunerbande verfügten. Eigentlich alles gute Vorzeichen, doch nun kommt das große ABER: Leider hatte man wohl quasi null Werbung vor Ort gemacht und genösse unter den Punks einen eher schlechten Ruf (allein schon aufgrund des Rauchverbots im Saal aus Rücksicht auf Asthmatiker und Schwangere) und sowieso und überhaupt, jedenfalls zögerten wir den Beginn so weit wie möglich hinaus, da schlicht niemand zu einem Konzert zweier unbekannter Bands ohne nennenswerte Veröffentlichungen aus Hamburg kam (schon gar keine Asthmatiker, Schwangeren oder schwangeren Asthmatiker). Halt, das stimmt so nicht, eine Handvoll zahlender Gäste gab es, unter anderem Freunde von mir aus Halberstadt. Dän, seines Zeichens Bierbrauer, brachte uns sogar als besonderes Geschenk eine Riesenflasche unfiltrierten Bieres frisch aus dem Kessel mit, das wir uns nach dem Auftritt genüsslich einverleibten – danke, Dän! Apropos Auftritt: Den starteten wir dann irgendwann vor der Handvoll Gäste, den Pulvertoasties und den Leuten aus dem Libertären Zentrum, so dass die Fläche vor der Bühne nicht ratzekahl leer war. Der Auftritt dürfte unspektakulär, aber ok gewesen sein. Zwischen manch Songs ließen wir uns reichlich Zeit zum Anstoßen etc. – wenn man schon mal in solch gemütlicher Runde spielt, muss man sich auch nicht hetzen, wa?
PROJEKT PULVERTOASTMANN im Anschluss ließen sich ebenfalls überhaupt nicht beirren und spielten absolut souverän ihren Stiefel herunter, wobei der Umstand, dass Bassist Holler um Punkt Mitternacht Geburtstag hatte, den Spaß noch deutlich erhöhte. Er bekam einen Meter Pfeffi, den er im Set zwischen zwei Songs komplett entleeren musste, was er mit erstaunlicher Unbeeindrucktheit erledigte und anschließend sogar noch astrein weiterspielen konnte – Prospekt, Aller! Der Abend nahm seinen Ausklang an der Bar, wobei Wurzel bereits Stunden vor dem Auftritt jenseits von Gut und Böse war und sich die Zahl der Trinkfreudigen nach und nach dezimierte. Irgendwann ging’s dann ab nach oben inne Penntüten, die die Aufgaben hatten, in den unbeheizten Räumen vor der Kälte zu schützen, die mittlerweile garstig durchs Gebäude kroch. Das war aber alles kein Problem und bereits saumäßig früh blies Tomczek schon wieder zur Rückfahrt, die diesmal superflott weil staulos vonstatten ging. Da man uns das Spritgeld, das wir zunächst nicht in kompletter Höhe annehmen wollten, förmlich aufgezwungen hatte, sind wir verlustfrei aus der Nummer rausgekommen und hatten einerseits unseren Spaß, haben andererseits ein interessantes Wohn- und Veranstaltungsprojekt kennengelernt und wurden gut umsorgt, so dass kein Grund zur Klage besteht; klassischer Fall von „das Beste draus gemacht“. Bleibt zu hoffen, dass das Libertäre Zentrum von den örtlichen Punks etc. besser angenommen wird bzw. man sich gegenseitig weiter einander annähert, damit aus der Bude über kurz oder lang ein Ort wird, an dem auch zwei unbekannte Nachwuchscombos auf Interesse stoßen. Mal ordentlich die lokale Werbetrommel zu rühren, kann generell aber auch nicht schaden.
Besonderer Dank gilt Tomczek sowie den Pulvertoasties!
20.11.2013, Hafenklang, Hamburg:
THE SLACKERS + JAMES & BLACK feat. DJ PHIL ROSS
Aus zeitgenössischem Ska mache ich mir nicht allzu viel, aber die SLACKERS aus New York haben sich über Jahre hinweg einen sehr guten Ruf erspielt und gelten nicht nur als sehr veröffentlichungsfreudige, sondern auch als gute Liveband. Manch Samplertrack der Band höre ich sehr gern und als meine Lady signalisierte, dass sie gern zum Hamburger Gastspiel im Hafenklang gehen würde, überlegte ich nicht lange und beschloss kurzerhand, mitzukommen. Die Karten bereits im Vorverkauf zu sichern, war wohlüberlegt, denn das Hafenklang war wieder einmal ausverkauft – und das an einem Mittwochabend! Das ist natürlich ein Indikator für die große Beliebtheit der Band, deren Publikum sich an diesem Abend aus allen möglichen Leuten, darunter vielen „Normalos“, zusammensetzte. Die Vorband „James & Black“ entpuppte sich als amerikanisches Soul-Duo – James an der Orgel, Black am Gesang, auch James sang, und für die Percussions etc. hatte man DJ Phil Ross dabei, der mit Plattenspieler und Notebook Beats und Samples einspielte, OHNE der Musik das Traditionelle zu nehmen. Nun kann ich mich nicht erinnern, jemals auf einem Soul-Konzert gewesen zu sein und war freudig überrascht von der Darbietung der drei Gestalten auf der Bühne. Black klang wie eine schwarze Soul-Diva und auch der hellhäutige James hatte eine Röhre, die man eher mit kaffeebraunen Gesangskünstlern in Verbindung bringen würde, würde man es nicht mit eigenen Augen sehen. Die gesamte Zeit über haute er verdammt gut in die Tasten und ergänzte sich, was die Instrumentierung betrifft, prima mit dem DJ. Das Wichtigste aber sind selbstverständlich die Songs an sich, und die waren über jeden Zweifel erhaben, gingen beim glasklaren Sound im Hafenklang unter die Haut und gefielen so sehr, dass ich nach dem Gig direkt das bisher erste (Live-)Album erstand. Eine sehr schöne Erfahrung, dieser Auftritt, und das nächste Soul-Konzert kann von mir aus kommen.
Nach kurzer Umbaupause dann die Slackers, bestehend aus stilvoll gekleideten Herren mittleren bis älteren Semesters, die den Laden ebenfalls bei Spitzensound von vornherein im Griff hatten. Die SLACKERS spielen keinesfalls Zirkusmucke, sondern mal mehr, mal weniger oldschooligen Ska- und Reggae-Sound mit immer wieder deutlichen Soul-Anleihen und hier und da diversen weiteren Einflüssen, der gut in Ohr und Bein geht und für brillante Stimmung im Publikum sorgte. Manch wirklicher Hit ist darunter und der Band zuzuschauen, wie sie absolut souverän, doch mit erkennbarer Leidenschaft und viel Spaß bei der Sache durch ihr Set führt, macht Laune, steckt an – tolle Entertainer. Sehr im Gedächtnis geblieben ist mir der schnauzbärtige ältere Bassist, der seinen E-Bass auf einem Hocker abgestützt nach Art eines Standbasses zupft – sieht man auch nicht alle Tage. Auf Dauer fehlten mir jedoch dann irgendwann doch etwas die Ecken und Kanten und der Dreck in der Musik und längst nicht jeder SLACKERS-Song verfügt über so verführerische Hooks, dass man immer weiter nach mehr lechzt. Die Band wollte jedoch gar nicht mehr aufhören und selbst nach der x-ten Zugabe spielte sie weiter und weiter, bis wir es fast schon ein wenig ermüdend fanden und ausnahmsweise noch vor Verhallen des letzten Akkords den Ort des Geschehens verließen, den Zeitdruck aufgrund der keinen ewigen Aufschub duldenden Rückreise im Nacken verspürend. Trotzdem: Schönes Konzert einer überaus spielfreudigen Band, Überraschung des Abends aber waren JAMES & BLACK für mich!
06.12.2013, Lobusch, Hamburg:
WWK + ARGH FUCK KILL + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS
Nachdem wir mit den MOTHERFUCKERS seit einigen Wochen in der Lobusch unseren Proberaum gefunden haben, sollten wir am Nikolausabend endlich auch einmal dort vor Publikum auftreten – als Vorband von ARGH FUCK KILL, die wie wir aus Hamburg kommen, und den Franken von WWK. Ein Abend im Zeichen des Hardcore-Punks also. Mike kümmerte sich nicht nur um die zweite Klampfe von uns, sondern sorgte auch für den guten Ton des Abends, womit ich den Sound meine. Für uns wurd’s Dezember-Gig-typisch mal wieder alles andere als pannenarm, was damit begann, dass das getestete Intro von CD partout nicht lief, als wir wartend auf der Bühne standen und dumm aus der Wäsche guckten. Also ohne Intro ab dafür und durchs Set geprügelt. Das Publikum war absolut fantastisch: der Laden war voll und die Leute hatten richtig Bock aufs Konzert, gingen vom ersten Ton an ab und mit – besser kann man’s sich als erste Band nicht wünschen. Leider riss Kai bei „Victim of Socialisation“ eine Saite, also den Song mit nur einer Klampfe und Hängen + Würgen zu Ende gebracht. Der kluge Motherfucker sorgt vor und so hatte Kai bereits eine Ersatzklampfe bereitstehen. Dass er auch dort in einem Anfall unterbewussten Vandalismus‘ nur kurze Zeit später die nächste Saite schredderte, war jedoch nicht geplant. Die letzten beiden Songs zogen wir improvisiert durch, doch für die geforderte Zugabe langte es nicht mehr und wir mussten abbrechen. So oder so war’s aber vom Zuspruch her wohl unser bisher bester Gig, unsere Bühnenleistung hingegen holperte hier und da und die Pannen nervten, uns jedoch weit mehr als das Publikum, insofern können wir unterm Strich zufrieden sein. ARGH FUCK KILL stehen noch ganz am Anfang und hatten bisher erst eine Handvoll Gigs, lieferten jedoch einen sehr energetischen, kaltschnäuzig-souveränen und voll und ganz überzeugenden Auftritt auf die altehrwürdigen Lobuschbretter. Geradliniger, derber Hardcore-Punk, bei dem mir besonders das punktgenaue „supertighte“ Schlagzeugspiel auffiel. Shouter Sven versah manch Refrain mittels Effektgerät mit einem Hall, was ebenfalls angenehm an alte ‘80er-Genrekost erinnerte. Geiler Gig und die Band sollte man unbedingt im Auge behalten. WWK fanden dann ein bereits sehr gut aufgepeitschtes Publikum vor und schmetterten einen Hassbatzen nach dem anderen in die Meute. Nicht allein aufgrund der Bass/Gesang-Doppelbelastung rang mir die Kondition des Frontmanns Respekt ab. Auch hier die pure Spielfreude und am Ende eine Zugabe nach der anderen, als hätte der Abend noch ewig so weitergehen können. Spitzenstimmung, kein Ärger, alles bestens. Und trotzdem war ich nach etlichen Stunden im immer verqualmter werdenden und sich immer mehr aufheizenden Laden froh, irgendwann den Heimweg antreten zu können – wofür meine Lady und ich kurzerhand aus dem Fenster sprangen, statt uns elendig lange durch die Menschenmassen zur Tür zu drängeln, und frische Luft aufsogen, die in dieser arschkalten Post-Xaver-Nacht mitverantwortlich dafür sein könnte, das ich mir ‘ne fette Schnodder- und Röchelseuche zuzog. Aber irgendwas ist ja immer. Danke an die Lobusch-Crew für diese geile Auftrittsmöglichkeit und an den bestens aufgelegten Mob!