Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE
Verfasst: Sa 21. Mär 2015, 16:15
Frank Schäfer - Heavy Metal
Nachdem ich Frank Schäfer durch seine Anekdotensammlung "Metal Störies", die mich prächtig unterhalten konnte, kennengelernt hatte, habe ich mal recherchiert, was der Braunschweiger "Rolling Stone"- und "taz"-Journalist darüber hinaus an Büchern zum Thema Musik veröffentlicht hat. Zu seinen diesbezüglichen Frühwerken ist "Heavy Metal - Geschichten, Bands und Platten" aus dem Jahr 2001 zu zählen, das sich grob in vier Abschnitte unterteilen lässt: Eine allgemeine, immer noch etwas oberflächliche und in Detailfragen sicherlich streitbare, ansonsten aber gelungene und informative Abhandlung zur Entwicklung und Geschichte des Musik-Genres, eine ausführliche, kritische Vorstellung der nach Schäfers Meinung sieben wichtigsten Bands, einige Plattenkritiken (exemplarische Klassiker als Streifzug durch seine Plattensammlung sowie zum Veröffentlichungszeitpunkt aktuelle Scheiben) und ein paar Konzertberichte. Leider bedient sich Schäfer unverständlicherweise eines angeberischen, vollkommen übertriebenen Geschwurbels, das möglichst viele weitestgehend unbekannte Vokabeln unterzubringen versucht. Wie überflüssig das tatsächlich ist, wird dadurch deutlich, dass seine Texte auch weitestgehend problemlos zu verstehen sind, ohne die Bedeutung seiner Spracheskapaden zu kennen. Das wiederum ist natürlich ein Pluspunkt, denn dadurch lassen sich seine durchaus unterhaltsamen und humorvollen, mit einer gewissen, aber nie abwertenden Ironie für sich selbst und das Genre versehenen Kapitel zügig konsumieren und dank Schäfers Meinungsfreudigkeit aus Fan-Sicht nickend bestätigen oder auch kopfschüttelnd ablehnen. Ein paar offensichtliche Fehler ("Grunge" entstammt nicht der Mittelschicht, wurde dieser mittels MTV & Co. aber massiv dargereicht, so dass zumindest die Speerspitze der "Bewegung" Gefahr lief, von weißen Mittelklasse-Trendkonsum-Kids überlaufen zu werden; nicht "Strange World", sondern "Invasion" der Iron-Maiden-"Soundhouse Tapes" wurde erst viel später noch einmal veröffentlicht) gehen natürlich mit den üblichen Geschmacksfragen einher. So musste ich gerade bei der ungewohnt kritischen Auseinandersetzung mit der "Black Sabbath"-Diskografie ziemlich schmunzeln und konnte vieles nachvollziehen, wenngleich ich "War Pigs" für einen geilen Song halte. Von schwerer Geschmacksverirrung muss jedoch ausgegangen werden, wenn Schäfer dem Album "Dehumanizer" jegliche Qualitäten abspricht. Auch irritiert doch stark, wenn er ausgerechnet "Seventh Star" als einziges durchweg gelungenes "Black Sabbath"-Album bezeichnet; natürlich hat er ein Recht auf sein Lieblingsalbum, jedoch impliziert dies, ein "Headless Cross" beispielsweise würde Füllsongs enthalten, was natürlich jeder Grundlage entbehrt - wie auch jegliche über den Sound hinausgehende Kritik am Iron-Maiden-Götterwerk "Seventh Son of a Seventh Son", womit sich Schäfer jedoch in unrühmlicher Gesellschaft so vieler Musikkritiker befindet, die seinerzeit möglicherweise bereits zu alt waren, um für die besondere Magie dieses Albums empfänglich zu sein und der simplen Versuchung erlagen, es mit normalen Maßstäben messen zu wollen, dadurch keinen Zugang fanden. Wenn man dann andererseits lesen muss, wie Schäfer viel zu viel Southern Rock abfeiert, weiß man spätestens, dass da eben manchmal allzu sehr der kleine Redneck in ihm mit ihm durchgeht, der sonst erfrischend ehrlich verkopftes Prog-Gefrickel und verkifften Hippie-Blues kritisiert. Wenn er Kiss' "Space Ace" mit "All-Atze" übersetzt, muss ich lachen, wenn ich erfahre, dass er zum "Monsters of Rock"-Festival 1988 pilgerte, ohne sich Headliner Iron Maiden anzusehen, bleibt mir jedoch nur noch, die Hände überm Kopf zusammenzuschlagen (ich hätte mir damals ein Bein ausgerissen, um dabeisein zu dürfen). Seine eigene, höchst obskure Metal-Band "Salem's Law", mit der er in den späten '80ern unterwegs war, erwähnt er hier übrigens noch mit keiner Silbe, aber gerade in den anekdotenreichen Konzertberichten ist bereits sein schöner Stil erkennbar, den ich bei "Metal Störies" zu schätzen gelernt habe. Ein insgesamt durchschnittliches, dabei trotz allem sympathisches Buch für Genre-Affine, das jedoch in seinen Bewertungen nicht ernstgenommen werden und niemanden davon abhalten sollte, sich die erwähnten Alben selbst anzuhören. Drei weitere Frank-Schäfer-Schmöker sind bereits geordert.