Was vom Tage übrigblieb ...

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

The New Godfathers (Alfonso Brescia, 1979) 5/10

Don Vizzini will eine große Lieferung Heroin von der Türkei über Neapel nach Amerika befördern, wo ihm der Dank der amerikanischen Paten gewiss sein wird. Den türkischen Mittelsmann schaltet er nach der Übergabe des Stoffs mehr oder weniger elegant aus, und in Neapel reißt er sich das Zeug ebenfalls gewaltsam unter den Nagel. Konkurrenz ist einfach nicht seines, und sein Kollege Don Francesco, der eines Tages mit einem Schnüffler vom Zoll bei ihm auftaucht, schon gleich gar nicht. Dieser Schnüffler, Capitano Radovich, macht nämlich einen auf Verbrüderung mit Don Francesco und sichert diesem zu, seinen florierenden Zigarettenschmuggel eine Zeitlang unbeachtet zu lassen, wenn dieser ihm dabei hilft, an die Hintermänner des Heroinschmuggels zu kommen. Was, und da schließt sich der Kreis, Don Vizzini ganz ernsthaft nervt. Und was macht ein Don, der zum einen die Karriereleiter hinauffallen will, und zum anderen dabei genervt wird? Richtig, Feuerzauber …

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Ein schöner Herbsttag 1979 in Scampia, einem Vorort von Neapel. Dino und Matteo gehen ins Kino. Terza Visione, es wird I CONTRABBANDIERI DI SANTA LUCIA gezeigt. Dino und Matteo sehen Leute die sie selbst sein könnten. Die kleinen Arbeitslosen, die ihr Geld mühsam mit dem Verkauf geschmuggelter Zigaretten verdienen. Die jeden Tag auf der Straße sitzen und die Stangen anbieten, während die Mamma ein paar Ecken weiter oben sitzt, und die kleinen Geschwister am Ende der Gasse ebenfalls. Sie hören die Neapolitaner in ihrem gewohnten Dialekt reden (was bedeutet, dass die letzten Silben immer verschluckt werden), sie sehen die Gassen in denen sie sich selber tagein tagaus herumtreiben, und sie sehen die Männer von Santa Lucia. Wie sie in ihren Motorbooten übers Meer brausen, die Gischt im Gesicht, lachend, Kisten auf dem Meer entgegennehmend, dem Zoll Schnippchen schlagend. Sie hören, wie Mario Merola, einer aus ihrer Stadt, ihr Tagesgeschäft verteidigt und aller Welt von der Leinwand herab erklärt, dass sie halt auch irgendwie überleben müssen, aber deswegen noch lange nicht kriminell sind, sondern einfach nur hungrig. Und sie sehen den Reichtum von Don Vizzini, der mit nackten Frauen und feinen Cocktails in einem grünen Garten sitzt und es sich mit schmutzigen Geschäften gut gehen lässt. Das wäre ein Leben …

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Man merkt schon, CONTRABBANDIERI ist kein gängiger Poliziotto, in dem ein beschnäuzerter Cop mit dem Großstadtgesindel aufräumt. Stattdessen wird hier das Alltagsleben in den schmutzigen Gassen Neapels gezeigt. Wie man sich zurechtfindet, wie man überlebt, und wie man sich dafür rechtfertigt, dass eben nicht immer alles so ist wie es hätte sein können. CONTRABBANDIERI ist dreckiges und banales Alltagsgroßstadtkino unter dem Vesuv, und Dino und Matteo können sich hier problemlos wiederfinden. Was wahrscheinlich auch den Erfolg des Films ausgemacht hat, spielte er doch im Jahr 1979 über 342 Millionen Lire ein. Hey, die Schmuggler von Santa Lucia – Jedes Kind in Italien weiß, dass Santa Lucia der Hafen von Neapel ist, und dass dies damals DER Schmugglerhafen schlechthin war. Also quasi ein Heimatfilm …

2021, wenn dieser Text entsteht, schaut die Welt ein wenig anders aus. Mit den Bildern von CAMORRA – EIN BULLE RÄUMT AUF und DIE VIPER im Kopf als Erwartungshaltung, mit Antonio Sabato und Gianni Garko auf der Besetzungsliste, da erwartet man ein großes Fest, bestehend aus jeder Menge Schießereien, Prügeleien und nackten Frauen. Die Enttäuschung ist also quasi vorprogrammiert, wenn man stattdessen den etwas hölzern wirkenden Mario Merola und den blass erscheinenden Gianni Garko dabei beobachtet, wie sie durch Neapel fahren, und der Don dem Schnüffler erklärt, was hier gerade abläuft. Dazu immer wieder Bilder neapolitanischen Familienlebens, knuffig-nervige Kinder, und viel Geschrei. Alltag eben, aber sowohl Action wie eine vernünftige Geschichte fallen dabei leider vom Tisch. Nein, nicht ganz – Action hat es durchaus, auch wenn manche der Bilder aus dem 1972er THE OPIUM CONNECTION stammen, und andere sogar aus einem Werbespot für den Fiat 127. Die Musik stammt unter anderem aus MILANO ROVENTE, die Oliver Onions-Brüder werden an einer völlig unpassenden Stelle ebenfalls gerippt, und man möchte dem Regisseur beim Zusehen einfach ständig zurufen, doch nicht so einen Unfug zu machen und das hübsche Drehbuch nicht so dermaßen zu verschandeln. Gianni Garko, ich erwähnte es, wirkt recht blass und kann kaum Akzente setzen (weswegen er möglicherweise für die zweite Filmhälfte auch weitgehend verschwindet, und irgendwann wie ein Teufelchen aus der Kiste *plopp* plötzlich wieder auftaucht), Jeff Blynn kann als vieles durchgehen, gerne auch als eieressender Commissario, aber niemals niemals niemals als ärmlich lebender Neapolitaner, und Lorraine De Selle hat sowieso viel zu wenig Screentime. Über den nervigen Lucio Montanaro möchte ich dann lieber gleich den Mantel des Schweigens decken, ein Blödelkomiker in einem ernstgemeinten Poliziotto? Nein, das geht nicht gut, und die deutsche Fassung, in der alle seine Szenen herausgeschnitten wurden, funktioniert, vermute ich jedenfalls, etwas besser. Aber mei, der Film zielte damals beim Dreh auch sicher nicht auf deutsche Filmnerds ab…

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Das Mischungsverhältnis ist einfach ungünstig, und wie bei jedem Motor passiert dann halt eines: Es zündet nicht. Oder erst sehr spät, wenn nämlich die Handlung am Ende mehr oder weniger unvermittelt nach New York springt (hier kommt dann THE OPIUM CONNECTION ins Spiel – Ciro Ippolito wurde gebeten, Szenen aus diesem Film in das Drehbuch zu schreiben), und Don Francesco Rache nehmen will. Und was passiert, wenn ein Don unter den anderen Dons aufräumen will? Falsch gedacht – Es passiert sehr wenig. Wir wohnen lange Zeit einer italienischen Hochzeit bei, die von einer einzigen zu Tode genudelten Musik begleitet wird, und bei der außer jeder Menge Lachen und Tanzen nicht viel geboten wird. Es schließt sich eine Verfolgungsjagd an, welche die Topographie New Yorks schlichtweg ignoriert und auch sonst eher unaufregend in Szene gesetzt wurde, und plötzlich stottert das Motörchen wieder und die Spannungskurve ist vorbei. Kein Fiat 127 in voller Kurvenfahrt – Eher ein Fiat 500 am Ende seines Lebens …

Nein, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Dino und Matteo hatten sicher ihren Spaß, aber der Maulwurf ist 40 Jahre später ein wenig enttäuscht ob der Unaufgeregtheit dieses Films. Der ein Jahr später entstandene DAS SYNDIKAT DES GRAUENS, der macht sehr viel mehr richtig und befriedigt den (modernen!) Genrefan in erheblich höherem Maße. Von daher sollte man mit Vorsicht an die Sache rangehen, und sich vielleicht eher auf eine nostalgische Reise in unterprivilegierte Stadtviertel vorbereiten als auf die Bleiorgie, die man von Filmplakat und Entstehungsjahr her erwarten könnte.

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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Die Bourne Identität (Doug Liman, 2002) 8/10

Es müsste so gegen Ende der 80er gewesen sein, als ich Der Borowski Betrug von Robert Ludlum das erste Mal las. Ich kannte schon einige seiner Bücher, aber sowas wie dieser Roman war noch nicht dabei gewesen. Ein Überhammer von einem Agentenroman, der eine unsagbar spannende Grundkonstellation in düsteren Farben genüsslich vor dem Hintergrund europäischer Städte entspinnt. Großartige Charaktere, spannende Action, ein grandioser Schreibstil – Ludlum war damals für mich der Größte, und konnte das dann mit Romanen wie Der Matarese Bund noch vertiefen, bis heute mein Lieblingsroman von Ludlum.

Vor kurzem habe ich Der Borowski Betrug mal wieder gelesen, mehr als 30 Jahre nach dem ersten Mal. 30 Jahre, in denen ich Ludlum auf eine Stufe gestellt habe mit moderneren Autoren wie Arne Dahl oder Jussi Adler-Olsen. Bei dieser Zweitlesung war ich nun nicht unbedingt enttäuscht, aber ich habe mich ein paar Mal doch einigermaßen durch die Seiten quälen müssen. Schier endlose Dialoge über ein offensichtliches Trauma, viel Selbstmitleid beim Helden, und vor allem die unaufhörliche Schleife von Codewörtern, die dem Helden immer und immer wieder im Kopf herumgeistern, drücken nach und nach das Interesse am Schicksal des Helden ein wenig nach unten. Dazu ein paar offensichtliche Logiklöcher, und irgendwann während des Lesens passierte es, dass ein Held entzaubert wurde. Spannend war vor allem, dass ich den Roman überhaupt nicht in Übereinstimmung bringen konnte mit dem großartigen Film, den ich nun schon einige Male gesehen habe, und der mich jedes Mal aufs Neue begeistert. Ein Vergleich musste her …!

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Der Roman handelt im Wesentlichen davon, dass der Agent Bourne (in der deutschen Übersetzung Borowski) als Gegenstück zum Terroristen Carlos aufgebaut werden soll, der vor allem in den 70er-Jahren, aber auch noch im folgenden Jahrzehnt, der meistgesuchteste Terrorist der Welt war. Bourne soll unter dem Namen Caine Morde, die Carlos begangen hat, für sich beanspruchen, und Carlos somit herausfordern. Nach einem Attentat in Marseille wird Bourne mit einer Kugel im Kopf in das Mittelmeer geworfen, dort aber von Fischern entdeckt. Er hat eine Amnesie, und versucht nun, seine wahre Identität zu finden, sich seine eigene Vergangenheit wieder bewusst zu machen, und gleichzeitig auch Carlos zu stellen, der nach wie vor Jagd auf ihn macht. Dabei wird ihm von der Wirtschaftswissenschaftlerin Marie geholfen, einer Kanadierin, die er in Zürich als Geisel nimmt um einer Falle zu entgehen, und mit der er in ein Verhältnis taumelt.

Der Film unterschlägt nun den gesamten Erzählstrang um Carlos, und zaubert stattdessen einen unausstehlichen afrikanischen Diktator aus dem Hut, den Bourne töten sollte, und anstatt von Terroristen wird Bourne von den Sicherheitsleuten dieses Diktators angeschossen und fällt ins Meer. Wiederum wird er von Fischern gefunden, hat eine Amnesie, und versucht nun herauszufinden wer er eigentlich ist. Gejagt wird er von seinem eigentlichen Auftraggeber, der CIA, die nicht gewillt ist einen unkontrollierten Killer in Europa frei herumlaufen zu lassen, und Bourne einen Haufen Auftragsmörder auf den Hals hetzt. Hilfe bekommt er von der deutschen Herumtreiberin Marie, die er mit 20.000 Dollar ködert, damit sie ihn von Zürich nach Paris fährt, was allmählich zu einer ganz zarten Romanze führt.

Robert Ludlum war als Executive Producer bei der Verfilmung seines eigenen Romans dabei, hat also die Änderungen folgerichtig alle abgesegnet. Änderungen, die dem Film sehr gut getan haben! Denn es ist klar, dass im Jahre 2002 ein einstiger Topterrorist keinen mehr hinter dem Ofen hervorholen kann. Der 11. September 2001 hat in Bezug auf grausame Ermordungen Unschuldiger ganz andere Maßstäbe gesetzt, und Al-Qaida war zum Veröffentlichungszeitpunkt des Films in aller Munde. Ein kleiner dicker Venezolaner, der vor mehr als 30 Jahren mal eine große Nummer war, das interessierte 2002 doch überhaupt keinen mehr. Zudem hätte dieser Plot eine sehr hohe Komplexität ins Spiel gebracht. Eine Komplexität, die in einem Roman erheblich besser verarbeitet werden kann als in einem Film, auch wenn er knapp zwei Stunden dauert.
Ein Film funktioniert halt einfach anders als ein Buch, und weil Ludlum dies erkannt hat, ist DIE BOURNE IDENTITÄT weder ein unrealistischer James Bond-Verschnitt geworden, noch ein rückwärtsgewandter Schnarchnasenagentenfilm. Stattdessen hat BOURNE dazu beigetragen, den modernen Actionfilm mit aus der Taufe zu heben. Neben realistischen Figuren sind es vor allem die Action mit Zeitraffer und die hektischen Schnitte, die zwar erst mit dem zweiten Teil DIE BOURNE VERSCHWÖRUNG als durchgehendes (und oftmals nerviges) Stilmittel eingesetzt wurden, die aber auch hier bereits zur Genüge vorhanden sind. Doch im Gegensatz zum zweiten Teil findet IDENTITÄT eine perfekte Balance zwischen altmodischer Over-theTop-Action und modernem Schnittgewitter. Was ich mit altmodischer Action meine? Damit meine ich zum Beispiel eine Autoverfolgungsjagd durch Paris, die gleichermaßen CHARLIE STAUBT MILLIONEN AB und LEBEN UND STERBEN IN L.A. zitiert: Mit einem alten und heruntergekommenen Mini quer durch Paris. Keine CGIs, keine fliegenden Autos, einfach nur eine gute und altmodische Verfolgungsjagd durch die Gassen und über die Boulevards einer Großstadt, das meine ich. Keine Spielereien mit Handys und Kommunikationstechnologien, sondern Männer mit Fäusten und Schusswaffen im Kampf einer gegen den anderen. Und einen Helden, der seelenruhig eine Hausfassade herunterklettert, nachdem er im gleichen Gebäude ein ziemliches Chaos angerichtet hat. Keine übermenschlichen Stunts, und vor allem keine (oder zumindest keine erkennbaren) Computer-Effekte, sondern gute alte handgemachte Action- und Stuntarbeit. Bei den Aufnahmen war Alain Figlarz für die Stunts zuständig, und dass der weiß wie so etwas funktioniert kann jeder bestätigen, der schon mal einen französischen Actionfilm der letzten 30 Jahre gesehen hat.

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Von den gesehenen Bourne-Filmen halte ich IDENTITÄT aus den genannten Gründen für den stärksten. Bourne (die Person) ist zwar unbesiegbar, weiß alles und kann alles, aber durch seine Amnesie wirkt er schwach und verletzlich, was ihn sympathisch macht. Ein Faktor, der in den Nachfolgern ein wenig untergeht. Zudem hat er in diesem Film eine Menge Mörder am Hacken die ihn jagen, ohne dass er eigentlich weiß warum. Ein Umstand, der ihm wiederum unsere Sympathien einbringt, während er in den nächsten Filmen eher im Angriffsmodus agiert. Aber dieser freundliche Assassine, in Verbindung mit der erwähnten erstklassigen Action und den überhaupt nicht ultramodernen Schauplätzen, das ist einfach starkes Actionkino, das den Spagat zwischen einer anständig erzählten Story und herausragend inszenierter Ballerei ziemlich perfekt hinbekommt. Im Gegensatz zum nicht so dolle gealterten Roman und mit einem Wort: Zeitlos!

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Wonder Woman 1984 (Patty Jenkins, 2020) 2/10

Aufgeblasener und idiotischer Popanz, der seine narrative Nichtigkeit mit schnellem Schnitt, einer pompösen und generischen Dauerbeschallung und computergenerierten Bildern zu vertuschen sucht. Zwar ist die Botschaft des Filmes gut und richtig, aber mit so viel Schmalz und Gesülze dargeboten, dass das bisschen Wahrheit dieses Filmes hoffnungslos verloren ist. So viel Vergeudung von Ressourcen, von Zeit, von Geld … Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann dass Zack Synder, der diesen Blödsinn produziert hat, bitte schön niemals wieder in die Nähe einer Filmproduktion gelassen wird!
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Beitrag von Maulwurf »

Emanuelle und Lolita (Henri Sala, 1976) 4/10

Willkommen an Bord von Sleaze-Airlines. Heute fliegt unser Bums-Bomber nach Sri Lanka. An Bord die schöne Geschäftsfrau Emanuelle, die kein Problem damit hat, mit vollem Körpereinsatz einen für sie günstigen Vertragsabschluss zu erreichen. Flugzeug verpasst? Egal, der nächstliegende Hubschrauberpilot wird vereinnahmt. Konkurrenten beim Rennen um einen erfolgreichen Abschluss? Gibt es nicht - Charme, gutes Aussehen und ein hinreißender Körper erzeugen schnell die gewünschten Ergebnisse. Nur die kleine Thiwa funkt da ein bisschen quer. Thiwa möchte so sein wie Emanuelle, und mit ihrem Kleinmädchenaussehen und dem Körper einer erwachsenen Frau hätte sie auch alle Chancen dies zu erreichen. Allerdings hat Thiwa, die von Emanuelle wegen ihrer Kindlichkeit nur Lolita genannt wird, auch das Gemüt einer Sechsjährigen. Der Liebhaber von Emanuelle? Meiner! Die schicken Klamotten? Haben will! Emanuelle geht fort? Ich will nicht dass Du gehst *quengel zeter mecker*. Die Nervensäge entpuppt sich sowohl geschäftlich wie auch filmisch als rechtes Problem …

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Sind wir mal ehrlich: Rein inhaltlich ist EMANUELLE UND LOLITA ziemlicher Quatsch. Die erfolgreiche Geschäftsfrau, die ihre Verträge mit ihren Körpersäften unterzeichnet, und dies bevorzugt in exotischer Umgebung macht, das war 1976 vielleicht noch trendig, heute ist es eher kalter Kaffee. Nervzwerg Lolita tut dem Film noch viel schlechter und reizt zu einem ernsthaften Flirt mit der Vorspultaste. Da haben Filme wie BLACK EMANUELLE 2. TEIL oder LAURA erheblich mehr Niveau und auch die schöneren Bilder. Gerade an diese beiden musste ich nämlich öfters denken – Wie durchdacht doch in diesen beiden Filmen die Charaktere scheinen, wie außerordentlich die Kamera dahingleitet, und wie ansprechend die Erotikszenen gefilmt sind.

Bei EMANUELLE UND LOLITA hingegen sind die Charaktere Pappnasen ohne tieferen Sinn, die Kamera ist unauffällig und wirkt manchmal sogar leicht daneben (wobei ich nicht weiß, ob das nicht auch am Bildausschnitt der deutschen DVD liegen kann), und die Erotik ist nur in den seltensten Fällen wirklich prickelnd. Thiwa Yuporn, die an den Fingern von Richard Darbois leckt, Nieves Navarro und Philippe Gasté in einem Pool im Keller einer Bar, das ist aufregend und sinnlich gemacht. Überhaupt veredelt Nieves Navarro wie meistens ihre Filme allein durch ihre Anwesenheit und ihren Charme, von ihrer natürlichen Ausstrahlung und Erotik ganz zu schweigen. Da wirkt die Liebesszene mit Richard Darbois hinter einem Moskitonetz stärker als alles andere Rumgezappel zusammengenommen. Peinlicher Höhepunkt ist dann die Schlussszene mit Nieves Navarro und Thiwa Yuporn, die an Hektik und Nervosität kaum noch zu überbieten ist. Erotik? Sinnlichkeit? Fehlanzeige …

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Dass der Film trotzdem halbwegs bei der Stange hält verdankt er eigentlich nur den Darstellern. Thiwa Yuporn erweist sich als echtes schauspielerisches Naturtalent, und ihre kindlich-aufdringliche Art reizt mehr als einmal zum Fremdschämen. Eine Lolita, die ihre kindlichen Reize bewusst einsetzt um ältere Männer zu betören? Nein, eher ein kleines Kind im Körper einer Frau, welches unbedingt so sein möchte wie das große Vorbild. Aber so natürlich und überzeugend dargebracht, dass Rolle und Darsteller schnell verwechselt einmal werden können. Hoffen wir mal das Beste, dass die echte Thiwa nicht so eine Nervensäge war wie ihr Filmcharakter.

Auch die Herren machen ihre Sache gut. Richard Darbois als Pilot Bob, der sich, typisch männlich, einbildet mehr als für nur eine Nacht gut gewesen zu sein, und Philippe Gasté als Frank, der bei Emanuelle so gerne zum Schuss kommen möchte, und niemals erfahren wird, wie sehr er über den Tisch gezogen wurde; beide sind sympathisch und überzeugend. Aber in der Gesamtsicht langt das halt nicht für mehr als ein Na ja. Zu sehr nervt Thiwa mit ihrer Impertinenz, und zu langweilig ist die Fotografie. Nicht einmal an den Schönheiten Sri Lankas kann sich der Zuschauer ergötzen, und wenn weder der softe Sex noch die Atmosphäre passen wollen, dann hat es fürwahr wenig Gründe sich einen Softsexer anzuschauen …

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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Der letzte Wagen (Delmer Daves, 1956) 8/10

DER LETZTE WAGEN beginnt mit einer Totalen auf eine überwältigende Fluss- und Gebirgslandschaft. Ein Mann steht im Vordergrund und erschießt einen anderen, der durch die Szenerie reitet. Und er geht auf Nummer Sicher, es wird ein zweites Mal geschossen, und sogar kontrolliert ob der andere tot ist. Wir sehen Richard Widmark als Schützen und ahnen bereits das große seelische Leid hinter dem Knautschgesicht. Andere Männer kommen und jagen Widmark, der aber erschießt einen von denen und schaut mitleidlos zu, wie der Tote von einer hohen Klippe herunterstürzt. Leider geht bei dem Aufprall das Gewehr des Toten kaputt, und Widmark hat keine Munition mehr, also ist Flucht angesagt. Flucht, bis sich eine bessere Gelegenheit ergibt. Einen der Verfolger wird Widmark noch töten, im Zweikampf Mann gegen Mann, mit dem Messer immer wieder rein in den Körper, und noch mal, und noch mal, bis sicher ist, dass da kein Quäntchen Leben mehr vorhanden ist. Der letzte Verfolger kann Widmark dann gefangen nehmen. Er bindet ihn an ein Lasso und schleift ihn durch die Gegend bis er einen Siedlertreck in der Ferne sieht. Widmark wird an einen Baum gebunden, wir wissen mittlerweile, dass Widmark seit drei Tagen nichts mehr gegessen und getrunken hat, und der Mann, wäscht sich vor Widmarks vertrockneter Zunge die Haare mit seiner Wasserreserve.

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Was mir an DER LETZTE WAGEN so gefällt ist die Wucht, mit der er auf den Zuschauer einprügelt. Hier wird nicht vorsichtig erkundet oder zart angedeutet, Worte und Aktionen sind wie Hiebe. Männer werden zu Killern, selbst harmloseste Dinge werden unbarmherzig mit Faustschlägen geahndet, ja sogar Kinder und Frauen werden geschlagen. Das Gesetz des Stärkeren bricht sich Bahn und wird rücksichtlos und hemmungslos ausgelebt und durchgesetzt. Der Mann, der Widmark gefangen hat, Sheriff Bull Harper, behandelt diesen mit ausgesuchter Brutalität, weswegen die Siedler gegenüber Bull Harper ebenfalls keine Rücksicht kennen, denn der arme Mann, den Harper an ein Wagenrad gefesselt hat, dauert sie. Als nach einem Stelldichein im Mondenschein ein paar Männer und Frauen zurückkommen zum Treck stehen sie vor einem Massaker. Indianer waren da und haben jeden Lebenden getötet und alles zerstört. Comanchen-Todd, Widmarks Charakter, lebt noch, und wird nun befreit. Aber er ist doch ein dreckiger Indianer? Tötet ihn! Nein, er ist ein Mensch, er bleibt am Leben. Ich will ihn aber töten - Das hier haben uns die verdammten Rothäute angetan, und Todd muss dafür sterben! Das Gesetz der Rache als Triebfeder der amerikanischen Besiedlung …
Todd will raus aus dem Apachengebiet, und er ist bereit, jeden dort zurückzulassen der nicht auf seiner Seite ist. Er hat das Wissen und die Fähigkeiten aus der Sache rauszukommen, und wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn - Bis heute ein Leitsatz US-amerikanischer Politik. Denn nur darum geht es in diesem Film: Comanchen-Todd, der als einziger die Erfahrung und die Härte besitzt um lebend aus dem Indianergebiet herauszukommen, muss ein paar Siedler auf diesem steinigen Weg mitnehmen, die ihm größtenteils nicht wohlgesonnen sind. Ist er doch ein Weißer der die Seinen verraten hat, so heißt es. Ein halber oder vielleicht sogar ganzer Indianer. Ein Roter. Ein Wilder. Und die sind tot immer noch am ehesten zu ertragen. Um seine selbstgewählte Aufgabe zu erfüllen opfert Widmark sich sogar selber und liefert sich der US-Kavallerie aus, die zwar sehr wohl als Retter in der Not auftritt, aber gleichzeitig eben auch als Henker agiert, und den Kampf mit den Indianern aus guten Gründen sogar scheut. Keine Demonstration der Stärke im Sinne von John Ford, sondern ein Verstecken und Überleben im Sinne des gesunden Menschenverstandes. Und auch hier ist der Rote, der Wilde, wieder der rettende Anker in der Situation, und er lebt seine Stärke bedingungslos aus. Ein wildes Land, das nur mit Gewalt gezähmt werden kann.

Die Charaktere sind kompromisslos bis zur Selbstopferung, und bereits in harmlosen Dialogen werden Wahrheiten erklärt, die anderswo lieber unter dem Tischtuch bleiben. „Er hat mehr Menschen umgebracht als Du Sommersprossen hast“ heißt es über Widmarks Charakter, und die Antwort folgt auf den Fuß: „Ich habe keine Sommersprossen.“ Hier ahnen wir bereits, dass die Wahrheit hinter den Faustschlägen eine andere ist als die, die uns in den ersten Minuten in voller Breitseite entgegengebrüllt wird. Und „Es hat schon immer zwei Apachen gebraucht, um einen Komantschen zu töten“ leitet einen Kampf zwischen Widmark und zwei Apachen ein, der in Brutalität und Gnadenlosigkeit einem sehr späten Italo-Western in Nichts nachsteht. Die wenigen Momente, in denen Gefühle zugelassen werden, werden sofort bestraft: Der kleine Billy, der bei der Kaninchenjagd nicht aufpasst, landet fast unter dem Messer eines Apachen, und das zumindest als Romanze geplante Baden im Mondschein endet in einem entsetzlichen Blutbad. Ganz zum Ende erst, in den letzten Minuten des Films, erzählt Comanchen-Todd was ihm von den Männern, die ihn zu Beginn gejagt haben, angetan wurde Er schildert es in drastischen und realistischen Worten, und dem Zuschauer könnte bei der Schilderung schlecht werden, wenn Widmark erzählt, wie die Köpfe seiner Söhne unter den Absätzen der Männer zerstört wurden. Brutalität als Lebenszweck, Grausamkeit als vorherrschendes Momentum eines ganzen Films, ja einer ganzen sogenannten „Zivilisation“.

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Dazu die Cinemascope-Landschaft des Oak Creek Canyon in Arizona, welche die Unbarmherzigkeit der Umgebung in fast jeder Sekunde in lodernden Flammen vor die Augen des Zuschauers hält: Wenn Du in dieser Landschaft verweilst wirst Du sterben. Dies ist der Garten des Todes, und seine Schönheit ist die Schönheit des Untergangs. Die Musik bläst diesen Untergang in schmetternden Blechtönen, die immer nur voran voran voran schreien. Greif an, gib nicht auf, töte, sagen die Bläser, und die Figuren werden von der kriegslüsternen Musik unerbittlich vorangetrieben.

DER LETZTE WAGEN ist ein-druck-svoll und beein-druck-end. Die durchschnittliche Länge einer Einstellung beträgt 6,7 Sekunden, und mit diesem Tempo prügelt er seine zutiefst menschliche Botschaft auch dem letzten Rassisten um die Ohren, auf dass es alle begreifen: Es gibt keine unterschiedliche Rassen, nur gute und böse Menschen. Und die bösen Menschen, die können lernen und begreifen. Sie können zu guten Menschen werden, wenn sie nicht vorher sterben. Die oft flachen und stereotypen Charaktere sind Staffage für einen Richard Widmark, der zwischen Gut und Böse, zwischen Yin und Yang, zwischen Rot und Weiß pendelt wie ein Gummiball, und der den Film fast im Alleingang stemmt. DER LETZTE WAGEN ist ein B-Movie aus der silbernen Zeit der Hollywood-Western, und er bläst einem das Gehirn weg als ob Sergio Leone persönlich produziert hätte. Großes (B-) Kino mit Botschaft. Ein Film wie ein Faustschlag ins Gesicht, der die Sicht öffnet für Neues.

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Der Text ist einem früheren Forenkollegen aus dem Raum Frankfurt gewidmet, der mir mühsam und über einen längeren Zeitraum hinweg beigebracht hat, dass der US-amerikanische Western mitnichten immer nur sauber und harmlos war, sondern dass Grausamkeit und Hinterlist auch hier bereits ausgiebig dargestellt wurden. Und dass der von mir so geliebte Italo-Western weder den Schmutz noch die Brutalität erfunden hat. Lange hat es gedauert, aber mittlerweile habe ich es begriffen. Danke!
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Der Mann, den keiner kannte (John Gilling, 1957) 7/10

Der Mann, den keiner kennt, hat ein Drogenimperium aufgebaut, welches die USA und Europa umfasst, enorme Gewinne abwirft, und vor allem erstklassig funktioniert. Wie ein Uhrwerk, sagt der Barkeeper in dem New Yorker Nachtclub, und selbst der Boss staunt darüber, wie die Abläufe nahtlos ineinander greifen. Und das Beste ist: Niemand weiß, wie der Boss aussieht oder wie er heißt. Der Drogenfahnder Charles Sturgis ist schon seit Jahren hinter dem Mann den keiner kennt her, hat dieser doch Sturgis‘ Schwester auf dem Gewissen, und jetzt ergibt sich endlich eine erste Spur. Der Mann heißt McNally, und offensichtlich hat er in London einen Partner namens Salko. Doch als Sturgis an der Themse eintrifft ist es zu spät: Außer einem Blutfleck ist nichts zu finden, offensichtlich hat jemand Salko niedergeschossen. Vielleicht die schöne Gina Broger, die in McNallys Auftrag als Kurier unterwegs ist? Sturgis reist weiter nach Neapel, nach Rom, nach Athen … Und er kommt McNally immer näher. Zu nahe …

Eigentlich würde ich sagen, dass INTERPOL ein früher Vertreter des Euro-Spy-Genres ist. Bemerkenswerterweise ja sogar noch vor James Bond, der immerhin den Euro-Spy begründete. Sturgis ist ein gewiefter Ermittler, er hat umfassende Vollmachten, ein unendliches Spesenkonto und harte Fäuste. Dergestalt gut ausstaffiert reist er also quer durch die Welt um einen einzigen Mann zu fangen, im Gepäck die wunderschöne und leider viel zu kühle Anita Ekberg als Ursula Andress-Vorgängerin. Es gibt wilde Verfolgungsjagden per Auto quer durch die Städte und zu Fuß über die Dächer von Athen, es wird geprügelt, schöne Frauen tanzen wild zu heißem Jazz, und alle Polizisten sind gute Menschen, untereinander befreundet und selbstverständlich jederzeit bereit, dem mürrischen Mann aus New York zu helfen. Überhaupt ist Interpol ein einziges großes soziales Netz, in dem sich alle gegenseitig helfen und lieb haben. Und wenn der Polizist in Rom nicht mehr weiter weiß, dann kommt pünktlich zur Sorgenfalte ein Telex aus Paris, das auf den neuen Aufenthaltsort von McNally hinweist Nebenbei gibt es auch noch hübsche Ausblicke auf den Vesuv, eine Führung durch die Katakomben von Rom, eine ganz winzig kleine Stadtrundfahrt durch London, und einen ach so komischen Sidekick in Gestalt von Bonar Colleano als römischen Hansdampf in allen Gassen, der mit seiner aufdringlichen Art und den losen Sprüchen das macht, was Eddie Arent in den Edgar Wallace-Filmen so gerne tat: Rumnerven. Euro-Spy eben …

Das Schöne an all diesen Dingen ist, dass INTERPOL dabei erstklassig funktioniert! Der Film rockt die Hütte ungemein, es gibt keine Sekunde Langeweile, ständig wird verfolgt oder geprügelt oder geschossen, und im Zweifelsfall hilft ein Blick auf Anita Ekberg. Victor Mature mag vielleicht ein wenig zauselig wirken, aber für die Spannung hat es schließlich Trevor Howard als McNally, der eiskalt, seelenruhig und voller abgrundtiefer Bosheit seine Drogengeschäfte abwickelt und dabei genau weiß, dass ihm keiner was kann. Der unzuverlässige Partner wird im Zweifelsfall entsorgt, und McNallys einzige schwache Seite heißt Gina Broger. Wobei, sein Gesichtsausdruck, als er Gina eine runterhaut, so gemein und voller Hass … Mit leiser, gefährlicher Stimme und schmutzigen Gedanken voller Mordlust ist Trevor Howard hier derjenige, der dem Film das Fleisch auf den Rippen ist. Mature ist wie gesagt eher ein wenig zurückhaltend, wie es sowieso seine Art ist, aber mit seiner männlichen Figur und dem schlappen Hut macht er durchaus was her, vor allem wenn er in einer dunklen Gasse in Rom, der Pickup Alley des amerikanischen Titels, sechs Leute auf einmal verprügelt.

Nein, ernst nehmen sollte man INTERPOL nicht. Auf gar keinen Fall! Vielmehr sollte man den Film mit der gleichen Hingabe anschauen wie beispielsweise die Jack Clifton-Filme oder die Abenteuer von OSS 117. Und dann wird man bei dem Affenzahn der Geschichte, den schön gefilmten Bildern und der vorwärtstreibenden Musik ganz schnell den Bezug zur Realität verlieren und ungeheuren Spaß haben. Versprochen. Große Empfehlung für altmodische Krimi-Liebhaber!
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

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Only God Forgives (Nicolas Winding Refn, 2012) 3/10
Maulwurf hat geschrieben: Ein Mann (Tom Burke) vergewaltigt und schlachtet eine 16-jährige. Ein Polizist (Vithaya Pansringarm) schlachtet daraufhin den Mann. Die Mutter des Mannes (Kristin Scott Thomas) will, dass der Bruder (Ryan Gosling) den Mann rächt und den Polizisten tötet, doch der Bruder mag die Spirale der Gewalt nicht weiterdrehen. Daraufhin versucht die Mutter den Polizisten töten zu lassen, was den wiederum auf die Spur des Bruders führt.
Tja, der ist noch reichlich frisch, und deswegen ist die Bewertung unter Vorbehalt. Unter dreimal anschauen wird der wahrscheinlich ein Rätsel bleiben. Aber er hat was, er hat was …
Soweit die Überlegungen nach der Erstsichtung. Nun sind seit damals acht Jahre und Sichtungen von vielen hundert Filmen vergangen. Ich habe Dario Argento gesehen und Sion Sono, genauso wie Johnny To und Stanley Kubrick. Ich habe Unmassen von Genrefilmen gesehen und viele wahre, vermeintliche oder tatsächlich versteckte Juwelen der Filmgeschichte, und meine Rezeption hat sich doch erheblich gewandelt. Wie mag diese Verwandlung ONLY GOD FORGIVES bekommen sein?

Es sind die Bilder. Diese oft symmetrisch genau ausgezirkelten Bilder, die einem ihren Symbolgehalt und ihre Message um die Ohren hauen bis auch die Letzten begreifen, dass hier etwas von Bedeutung gezeigt wird. In diesem Bild befinden wir uns in der Hölle, in jenem ist Julian ein Engel, und dort ist die Mutter ein unnachgiebiger Führer. Doch keine fein ausstaffierten Tableaus sind zu bewundern wie bei Lucio Fulci, keine verspielt-verschnörkelten Fährten zum Zuschauer-auf-den-Leim führen wie bei Dario Argento, sondern nüchterne und kühle Kulissen, in denen sich nüchterne und kühle Charaktere nüchtern und kühl anschweigen. Oder, noch besser, gegenseitig merkwürdige Dialoge um die Ohren hauen. Wenn es bei den Dialogen bleibt, denn an sich ist Gewalt das Mittel der Wahl. Nicht die Worte, die oft genug hohl und überflüssig sind, kennzeichnen die Welt in ONLY GOD FORGIVES, sondern die Intensität des zugefügten Schmerzes ist das was maßgeblich ist. Auch wenn die Gewalt oft genug im Off stattfindet, und somit der Fantasie des Zuschauers überlassen bleibt, so ist das Resultat der exzessiven Gewalt in Ton und Bild das beherrschende Stilmittel.

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Eine durchkalkulierte Bilderwelt also, die sich in hemmungslosen Gewaltfantasien aalt, und mittendrin Schauspieler, die wenig Dialog haben. Über langgezogene Blicke kommunizieren. Und dabei gleichzeitig keine Miene verziehen. Der Bruder ist tot? Julian schaut. Die Mutter erniedrigt seine Freundin? Julian schaut. Er fordert den Polizisten zum Kampf? Julian schaut. Ryan Gosling als Julian lässt keinerlei Gefühle zu, so wie keiner der Charaktere Gefühle zulässt. Die Szene nach dem Abendessen mit Julians Mutter, wenn die Gefühle von Mai eigentlich Achterbahn fahren müssten, und Julian sogar beim Spazierengehen nochmal einen drauf legt, diese Szene ist symptomatisch für die Stimmung des gesamten Films: Julian bietet Mai an, das Kleid, das er ihr geschenkt hat, zu behalten. Mai reagiert aber ablehnend, woraufhin er sie an die Wand drückt, ihr in geharnischten Worten erklärt, dass sie, wenn sie das Kleid nicht behalten will, es doch sofort auszuziehen hat. Mai zieht sich also nach einigem Geschaue das Kleid aus – und die Szene ist vorbei. Schöne Bilder, viele ätherische Nahaufnahmen, unsinnige Dialoge, und ein Symbolismus, der sich zumindest meinem Verständnis entzieht.

Vielleicht sollte ich den Film mit einem Audiokommentar des Regisseurs anschauen, um herauszufinden, was die Absicht der jeweiligen Szenen war. Warum zum Beispiel bei der Verstümmelung des Attentäters im Nachtclub die Damen alle fein mit geschlossenen Augen dasitzen, obwohl der Gemarterte sich wahrlich die Seele aus dem Leib schreit und jammert. Aber da zuckt keines der Mädchen, wie Statuen sitzen sie mit ihren Puppengesichtern da und lauschen der Zerstörung eines menschlichen Lebens. Eine zutiefst artifizielle Szene, die nur durch ihren Symbolgehalt oder durch Intuition zu erfassen ist. Oder eben durch die Bilder, denn narrativ hat der Moment keinerlei Nährwert.
Oder Julian – Der stellt mich nämlich in seiner Gesamtheit vor ein Rätsel. Seine Mutter gibt ihn irgendwann einmal als Rauschgifthändler aus, aber Julian ist soviel Rauschgifthändler wie ich es bin. Seine Augen sind zu weich, sein Habitus zu verständnisvoll, seine Seele zu empfindsam. Der Mann soll mit seinen eigenen Händen den Vater umgebracht haben? Diese Geschichte der Mutter ist zum Zeitpunkt der Erzählung bereits als mutmaßliche Lüge zu entlarven, vermutlich hat Julian seinen Papa totgeguckt. Bloß: Was ist Julian eigentlich? Wenn er und seine Helfershelfer den Vater der toten Hure in seiner Hütte besuchen ist deutlich zu spüren, dass Julian nicht in diese Szenerie passt, und die Aktion nur durchführt, weil hinter ihm die Wachhunde der Mutter stehen. Was aber bei der Frage nach Julian trotzdem nicht weiterhilft …

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ONLY GOD FORGIVES bietet geübten Filmeschauern eine gute Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten zur Rezeption und der Abstraktion zu schärfen und ausgiebig zu testen. Fast jede Szene wird symbolisch aufgeladen und brachial beendet, wobei ich der Fairness halber zugeben muss, dass vor allem rund um den Attentatsversuch auf den Polizisten einige wirklich starke und spannende Momente entstehen.
Aber da habe ich endlich das Zauberwort genannt: Spannend. Etwas, was ich bei einem Film gerne genieße, und was auch zu meinen persönlichen filmischen Präferenzen gehört: Wenn es spannend ist, wenn ich mitfiebern kann, wenn die Geschichte nicht vor sich hin plätschert, sondern einen Spannungsbogen erzeugt der mich mitreißt. Und ONLY GOD FORGIVES bietet mir keinen Spannungsbogen und keine mitreißende Handlung. Stattdessen werden mir statische Szenen dargereicht, die sich in künstlicher Sinnlosigkeit wälzen und so tun als ob sie böse Menschen zeigen, die böse Dinge tun. Was aber an der (filmischen) Realität vorbeigeht, denn die Charaktere sind hohl, und die Dinge die sie tun sind leer. Aber, und das ist ganz wichtig, das ist eine persönliche Sicht! Nach vielen Jahren mit vielen Filmen stelle ich fest, dass ich mit dem Terminus Style over Substance zunehmend Probleme habe, und mir jede noch so billige Gangsterpistole im Normalfall lieber ist als ein bedeutungsschwangerer Bilderrausch. ONLY GOD FORGIVES ist so ein Bilderrausch, und das gebe ich auch gerne zu: Die Bilder sind betörend und beeindruckend. Sie ziehen den Zuschauer in ihr Innenleben, nur um ihn dann mit einem Wechsel der Perspektive vor völlig neue Aufgaben zu stellen. Internetkommentare wie
Kamera, Schnitt, Farbe, Licht, Schatten und Musik verschmelzen hier zu einer surreal anmutenden Ästhetik, welche man in dieser Form selten zuvor gesehen hat“, „ein visueller Rausch der Langsamkeit“ oder „Infernalischer Bilderrausch, der alle Sinne betört“ treffen die grafische Seite des Films perfekt. Alle diese Komponenten sind eine Ode an ein zärtliches Gedicht, sind technische Cinematografie in absoluter Reinheit. Das Problem, mein Problem, ist eben, dass danach nicht mehr viel kommt. Aber das ist eben genau der Punkt, an dem jeder einen Film nach anderen Maßstäben betrachtet. Die Tage habe ich in einer Kritik zu Zack Snyders ARMY OF THE DEAD gelesen, dass das Medium Film [..] in allererster Linie ein visuelles ist. Unter diesem Gesichtspunkt bekommt ONLY GOD FORGIVES 10 von 10 abgehackten Händen, zweifellos. Aber sobald auch noch Dinge wie eine Narration und glaubhafte Charaktere erwartet werden, sackt die individuelle Bewertung ins Bodenlose. Zwischen dem Vorgänger DRIVE, der noch mit einer starken und gut erzählten Geschichte aufwarten konnte, und dem Nachfolger THE NEON DEMON, der das Artifizielle ins Maßlose übertrieb und mehr Ähnlichkeit mit einem Hochglanzvideoclip hatte als mit einem Film, ist ONLY GOD FORGIVES interessant als Mittelstück einer Entwicklung des Regisseurs. Aufregend als bilderstürmerisches Experiment. Spannend als Gegensatz aus überbordender Gewalt und absoluter Gefühlsnegation. Aber Tarsem Singhs THE FALL hatte ebenfalls gigantisch schöne Bilder, und hat mir narrativ und emotional mehr gegeben als Refn dies in seinen letzten Arbeiten geschafft hat. Ich spreche es keinem Künstler ab, sich weiterzuentwickeln, und dass Refn sich von PUSHER oder BRONSON künstlerisch entfernt hat ist eine großartige und spannende Leistung. Aber als Konsument nehme ich mir das Recht heraus, dieser Entwicklung nicht auf Teufel komm raus folgen zu müssen. ONLY GOD FORGIVES hat mein Interesse am Künstler Refn erlahmen lassen, THE NEON DEMON hat es eliminiert. Und Sion Sono macht in den letzten 20 Jahren sowieso die abwechslungsreicheren Filme, sowohl grafisch wie auch narrativ …

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Beitrag von Maulwurf »

Im Netz der goldenen Spinne (Alberto De Martino, 1966) 7/10

16 Raketen mit Atomsprengköpfen sind verschwunden, und nur einer kann sie wiederbeschaffen: Dick Malloy von der CIA. Ein ganzer Eisenbahnwaggon Propelan ist verschwunden, und nur einer kann das Zeugs wiederbeschaffen: Dick Malloy von der CIA. Die Fäden beider Fälle laufen in Paris zusammen, im Modesalon von Lady Chaplin. Dort geben sich die elegantesten und schönsten Frauen die Klinke in die Hand, und Dick Malloy ist hier natürlich genau am richtigen Ort. Auch Zoltan ist vor Ort, der Besitzer einer Firma die sich auf Bergungen von untergegangen Schiffen spezialisiert hat. Und die Atomraketen waren ursprünglich mal auf einem U-Boot …

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Was für ein herrlich schwachsinninger Unfug! Der Film macht fast von Beginn an keine Gefangenen, gibt ein ordentliches Tempo vor, und lockt alle paar Minuten mit mal mehr und mal weniger gut choreografierten Actionszenen und Zweikämpfen. OK, das große Vorbild James Bond macht bei den Damen eindeutig mehr Eindruck als Kleiderschrank Ken Clark, was sehr schade und auch verwunderlich ist, laufen doch mit Daniela Bianchi, Helga Liné und Ida Galli drei der schönsten Schauspielerinnen der 60er-Jahre durchs Bild. Und wie sie laufen – Nicht einfach nur schlendern oder gehen. Nein, angetan mit der befremdlichsten Haute Couture derer man habhaft werden konnte, zelebriert vor allem Daniela Bianchi das moderne Weiblichsein in allen Extremen. Ein geblümter Ganzkörperstrampler, dazu passende Stiefeletten und eine Maschinenpistole in den sorgfältig manikürten Händen – So sieht die Dame von heute aus. 16 Uhr, Angriff der gegnerischen Killer – Die Frisur hält …

Die Story ist dabei naturgemäß zu vernachlässigen, bietet sie doch nur den austauschbaren Hintergrund für schöne Frauen, aufregende Kämpfe, einen smarten Finstermann als Schurken, und eine hinreißende Filmmusik von Bruno Nicolai
► Text zeigen
vor den Kulissen von Madrid, London und Paris. Vor allem das letzte Drittel bietet dann ausgiebig Gelegenheit zum Ablachen und Staunen, und wenn sich die beiden Gegenspieler inmitten von 12 Atomraketen erst prügeln, und dann auch noch Feuer legen und aufeinander schießen, spätestens dann ist definitiv Vor-Lachen-vom-Sofa-fallen angesagt. Großes Unfug-Kino für genauso große Jungens die gerne Schmunzeln und Sinn haben für enorme Abstrusitäten …

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Beitrag von Maulwurf »

Made in Britain (Alan Clarke, 1982) 7/10

Skinhead Trevor ist auf dem Weg nach unten. Nach ganz unten. Und er ist so voller Hass auf das System, auf die Welt, auf andere Menschen und auf sich selbst, dass es ihm egal ist wo er landet. Hauptsache keine Regeln befolgen und sich nicht anpassen müssen. Wir folgen Trevor einen Tag und eine Nacht durch eine Jobvermittlung, wir sehen zu wie er Steine wirft auf Wohnungen von Einwanderern, wie er im Jugendwohnheim rebelliert, und wie er letzten Endes auf einer Polizeiwache landet und damit die Richtung für sein gesamtes kommendes Leben stellt.

Sagt sein Blick im letzten Standbild, dass er begriffen hat, dass er für diesen Rest seines Lebens Regeln befolgen und sich anpassen muss? Wenn dem so ist, dann sagt sein Blick auch, dass er plötzlich begriffen hat, dass es jetzt zu spät ist etwas zu ändern. Der Rest seines Lebens, und Trevor ist erst 15, wird aus Zucht und Ordnung bestehen, aus Härte, aus Schlägen und aus eiskalter und unbedingter Zurückweisung. Und ob er daran zerbrechen wird, das weiß niemand. Er am allerwenigsten.

Der Titel MADE IN BRITAIN deutet aber noch auf etwas anderes hin, nämlich auf die Ursachen von Trevor. Die 70er-Jahre waren in Großbritannien eine Zeit, bestehend aus extrem hoher Arbeitslosigkeit, Gewalt in den Straßen, und dem alltäglichen Kampf um das Überleben. In einer Dokumentation über Manchester wurde mal der Terminus verwendet, dass es Mitte der 70er aussah wie nach einem Krieg. Die Häuser waren Ruinen, das beherrschende Element der Städte waren Straßen, und auf allem lag eine dicke Schicht Dreck. Wer in so einer Umgebung aufwächst, die dann meist auch von Kriminalität und Gewalt geprägt wird, der hat schlussendlich gute Chancen so zu werden wie Trevor - Voller Verachtung für sich, für alle, für das System, für die gesamte Welt. Aggression und Hass als die einzigen wesentlichen Merkmale eines Menschen, geformt durch eine Umwelt, die einzig diese Eigenschaften hervorbringen kann. Made in Britain bedeutet in diesem Kontext also letzten Endes nichts anders als Born to loose – Wer von hier kommt hat keine Chance.

MADE IN BRITAIN ist ernüchterndes Cinema Verité über eine Gesellschaft, die aus Wut und Hass besteht, und die denjenigen, die dem Zwang zur Anpassung ablehnend gegenüberstehen, ein unüberwindbares und ausgeklügeltes System der Ausgrenzung entgegensetzen. Stark und brutal in seiner nüchternen Darstellung ist der Film ein erschreckender und intensiver Blick auf eine Welt, die aus purer Verneinung besteht. Auf beiden Seiten!
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Beitrag von Maulwurf »

Die Nacht vor der Hochzeit (George Cukor, 1940) 7/10

Tracy Lord, vornehme Tochter aus einer der besten Familien Philadelphias, gibt sich die Ehre, ein zweites Mal zu heiraten. Der Erwählte heißt George Kittredge, hat als Kohlentrimmer begonnen, besitzt heute ein mittleres Geschäftsimperium sowie extrem hohe moralische Ansprüche, und will mit dieser Hochzeit seinen gesellschaftlichen Status zementieren. Aber Kittredge ist und bleibt ein Emporkömmling: Sein Reitanzug ist nigelnagelneu und wenn er auf ein Pferd steigt blamiert er sich vor dem Reitknecht.
C.K. Dexter Haven würde diese Ehe gerne verhindern. Tracy war seine erste Frau, und eigentlich hat er sie immer noch gerne. Jeder in der Familie Lord ist von C.K. Dexter Haven begeistert – Außer Tracy. C.K. Dexter Haven kreuzt also am Tag vor der Hochzeit auf, mit zwei angeblichen Freunden im Schlepptau, die aber in Wirklichkeit Reporter eines Klatschmagazins sind. Macaulay Conor, einer der Reporter, würde eigentlich viel lieber Kurzgeschichten schreiben, und Tracy, die Gefallen findet an dem schlaksigen Kerl, stellt fest, dass er ein sehr sensibler und liebenswerter Mensch ist. Ganz zum Leidwesen von Ruth, seiner Kollegin, die eigentlich in Macaulay ziemlich verliebt ist. Und C.K. Dexter Haven in Tracy. Und Macaulay in Tracy. Und George in Tracy. Und Tracy in …?

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Bei der Erstsichtung vor vielen Jahren habe ich nach 20 Minuten entnervt aufgegeben – Dialoglastige Liebesprobleme der Upper Class Philadelphias waren damals einfach nicht das was ich sehen wollte. Dieses Mal wollte ich, und es hat sich gelohnt. Die Dialoge sind wirklich erstklassig, die Schauspieler grandios, und wie sich die Geschichte wendet und dreht ist ein wahres Vergnügen. Zu Recht hat Katharine Hepburn mit DIE NACHT VOR DER HOCHZEIT ihren Ruf gerettet und für alle Zeiten zementiert, und auch für Jimmy Stewart und Cary Grant, die Wunschbesetzung Katharine Hepburns, dürfte der Film ein rechter Karrierebooster gewesen sein. Andeutungen, Blicke, Wortspiele, halbe Sätze … Nichts in dieser klassischen Screwball-Comedy ist von dieser Welt, und alles ist perfektes und umwerfendes Schauspiel mit hoher Gefühlsgarantie und diesem gewissen Etwas der großen Hollywood-Zeit.

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