08.03.2014, Villa, Wedel:
DOGS ON SAIL + FIRM HAND + BOLANOW BRAWL
Dass schon wieder ein Jahr rum ist, merkt man i.d.R. daran, dass die Wedeler Namensvettern Lars und Lars das Frühjahr mit ihrer Geburtstagsparty einläuten, einer festen Institution im Wedeler Veranstaltungskalender. Wie üblich findet die Sause in Form eines Punk/HC-Konzerts in der für solche Unterfangen prädestinierten Villa statt, die u.a. durch unmittelbare Bahnhofsnähe glänzt und dadurch auch zum attraktiven Ausflugsziel vieler Hamburger wird, denen man ja sonst gern eine gewisse Reisefaulheit selbst nur über Stadtteilgrenzen hinweg nachsagt. Zu meiner besonderen Freude durfte ich erneut nicht nur als Gast, sondern als Akteur mit von der Partie sein, diesmal in meiner Funktion als Sänger von BOLANOW BRAWL. Nach den ersten Freigetränken und der Verköstigung deliziösen Chili con Veggie-Carnes begannen wir ich glaube gegen 21:30 Uhr und, ja, in den vergangenen Jahren dürfte die Villa etwas voller gewesen sein. Doch auch so konnten wir uns über mangelnde Resonanz nicht beklagen. Die vielleicht 50, 60 Männ- und Weiblein sahen unseren ersten Wiedergutmach-Gig nach der alkoholbedingten Vollkatastrophe im Skorbut und damit eine Band, die sich nach eben jenen Erfahrungen ein klein wenig, naja, „seriöser“ darstellte und konzentrierter als zuletzt. Das resultierte in einem weitestgehend fehlerfreien Gig, der auf der Bühne genauso viel Spaß machte wie hoffentlich davor, wo manch einer Tanzbeine schwang, skandierte oder wenigstens grobmotorisch zuckte. Die Setlist wurde umgekrempelt, ganz bescheiden begannen wir mit Oxymorons „We Rule Ok“, das sich nun seinen festen Platz im Set gesichert hat, und präsentierten mit „Man on the Run“ ein brandneues Stück. Als eigentlich nicht geplante Zugabe gab’s noch einmal „Total Escalation“ und dann war der Drops gelutscht. Der fähige und sehr entgegenkommende Mischer dürfte uns einen guten Sound zurechtgefriemelt haben, denn der Soundcheck lief gut und auch die folgenden beiden Bands klangen klasse. Nun konnten auch wir also so richtig zu feiern beginnen und zogen uns FIRM HAND rein, eine Hamburger Nachwuchs-Hardcore-Combo mit sehr fitten Musikern, zwei zünftigen Gitarren und einem engagierten, aggressiven Shouter. Einer der Höhepunkte des Sets war die THIS-BELIEF-Coverversion „Justice“, dargeboten zusammen mit Ex-THIS-BELIEF-Frontmann Valentin. Ein absolut überzeugender Gig, wenn auch in manche Ohren so’n knochentrockener, schnörkelloser Hardcore-Sound nicht ganz so glatt reingeht wie melodischeres Zeug und das Publikum sich vermutlich deshalb in erster Linie in rhythmischem Kopfnicken und interessiertem Anschauen/Zuhören übte. Die famosen DOGS ON SAIL waren im Vorfeld eine meiner Wunschbands für das Konzert und ich hab mich sehr darauf gefreut, einmal mit ihnen zusammenspielen zu können. Die sympathischen Hamburger Streuner haben mittlerweile 2,5 geile Platten draußen und den Sängerwechsel unbeschadet überstanden. George ist ein charismatischer und sicherer Frontmann, der mit die Band mit Street-Credibility versieht und sich voll reinhängt, den hymnischen Punkrock-Songs seinen eigenen Stempel aufdrückt. Insofern ist es mir absolut unverständlich, weshalb offenbar ein Teil des Publikums nach FIRM HAND bereits gegangen war und die Verbliebenen überwiegend die von uns propagierte totale Eskalation verweigerten!? Mir jedenfalls war nach Party zumute und so feierte ich jeden Song gebührend ab, inkl. des KIM-WILDE-Covers „Kids in America“, das nun nicht mehr Drummer Flo, sondern ebenfalls George ins Mikro schmettert. Klasse Songs und klasse Gig einer Band, der ich etwas mehr Publikumsresonanz gewünscht hätte. Aber auch so war’s mal wieder ein überaus gelungener Abend, der wie üblich in einer feuchtfröhlichen Rückfahrt per S-Bahn mündete, während der der HVV-Knigge in mancherlei Hinsicht ignoriert wurde. Danke an Lars, Claudia, Lars und die Villa – bis nächstes Jahr!
14.03.2014, Holstenkamp, Hamburg:
INBREEDING CLAN + KACKREIZ + DISILLUSIONED MOTHERFUCKERS
Theo feierte ihren Geburtstag und organisierte aus diesem Anlass ein Konzert auf dem Holstenkamp, wo sie zusammen mit x anderen Punks die ehemaligen Räumlichkeiten eines Pflegeheims bewohnt, die zu einer Art riesigen Punk-WG umfunktioniert wurden. Dafür liegt die ganze Chose aber auch ein bisschen dezentral, grob orientieren kann man sich am Rondenbarg, also Ecke Diebsteich da irgendwo. Pünktlich traf ich mich mit den anderen MOTHERFUCKERS am Proberaum, wo einer der Holstenkamper so nett war, unser Equipment mit einem alten Caddy abzuholen. Aufgrund der nur rudimentären Ausstattung vor Ort nahmen wir neben dem üblichen Kram Teile unserer Proberaum-P.A. mit. Bis dahin ließ sich alles ganz gut an. Einer fuhr beim Fahrer mit, wir anderen vier reisten in punk-typischer Dekadenz mit dem Taxi an. Keiner von uns Taxifahrern war schon einmal vor Ort und auch der Taxifahrer wusste nicht so ganz genau Bescheid, aber nach kurzem Fußmarsch war die „Hütte“ gefunden. Das Garagentor stand offen, das dort stehende sparsame Equipment und das vom Rondenbarg geliehene Schlagzeug zeigten an, dass hier der Gig stattfinden solle. Allerdings waren wir zunächst allein da unten und niemand gab sich uns als Ansprechpartner oder gar als Verantwortlich für das Technik-Gedöns zu erkennen. So kam es, dass den Aufbau kurzerhand wir übernahmen (dabei federführend: der sich damit glücklicherweise bestens auskennende Mike). Das hatte zur Folge, dass irgendjemand von uns immer wieder in den Wohnkomplex lief, um Kabel, wat zu trinken etc. ranzuschaffen. Dort stellte sich heraus, dass die Party bereits seit Tagen in Gang war und sich eine gewisse Katerstimmung breitgemacht hatte, die das Ganze nicht unbedingt vereinfachte. Irgendwie bekamen wir jedoch tatsächlich einen amtlichen Aufbau inkl. P.A. zusammenimprovisiert, hatten letztlich aber nur ein einziges – mein – Gesangsmikro für drei Bands. ZWECKENTFREMDUNG hatten im Vorfeld abgesagt, übrig blieben wir drei anderen, die auch allesamt vor Ort waren. An einen Beginn um 20:00 oder gar 19:00 Uhr war jedenfalls keinesfalls zu denken und bis alles stand, verstrich die eine oder andere Stunde. Langsam aber sich kamen einige Gäste zusammen, womit wir gar nicht unbedingt gerechnet hatten, da diverse Konkurrenzveranstaltungen um die Gunst des Publikums buhlten. Der Pöbel verteilte sich aber im Gebäude und lief wild durcheinander, bis wir irgendwann kurzerhand beschlossen, dass 21:30 Uhr eine gute Zeit zum Beginnen wäre und zehn Minuten vorher marktschreierisch diese Kunde durch die diversen Räumlichkeiten kolportierten. Glücklicherweise war’s auch möglich, die grelle Leuchtstoffröhre über der Bühne auszuschalten und so legten wir mit „Aktion Mutante“ los. Und siehe da, die Garage war amtlich gefüllt und der Mob sprang jauchzend und vergnügt über den Beton, hatte Bock und Spaß. Da es irgendwie außer Bier nichts zu trinken und zu essen schon gar nichts gab, hatte ich mittlerweile auch einen nicht von der Hand zu weisenden Pegel, der in Kombination mit dem Adrenalinausstoß zu einer von jeglicher Nervosität keinerlei Spur mehr aufweisenden Performance von mir führte, aber auch die Konzentration erschwerte und mich ein, zwei Mal die Texte versemmeln ließ. Vom zu großen Teilen noch volleren Publikum merkte das niemand und der Party tat’s keinen Abbruch. Seine Live-Premiere hatte unser jüngster Song „Nie der Plan“, der sich als echter Stimmbandzerfetzer herauskristallisiert, aber da muss ich ebenso durch wie das Publikum... Der geile Gig hatte für den ganzen Aufwand im Vorfeld entschädigt und nun gab ich mir richtig die Kante zu KACKREIZ, die sich als Kölner natürlich als waschechte Karnevalisten entpuppten und in abgefahrenen Kostümen schmutzige Lieder sangen, wobei es die Background-Sängerin nicht ganz leicht hatte, so ganz ohne Mikrofon. Beim geschmackvoll ausgewählten NORMAHL-Cover „Exhibitionist“ zog der Sänger/Gitarrist blank und es mich nach vorne zum Mitgrölen. Zumindest obenrum nackig machte ich mich nach diesem kurzweiligen und amüsanten Gig mit viel Asi-Charme aber erst bei INBREEDING CLAN, die ich für eine der interessantesten aktuellen Hamburger Bands halte. Wann immer die Band um Sänger Floh auftritt, kann ich nicht an mich halten, muss ich mich zwanghaft betrinken und durchdrehen. Norddeutscher Scum-Punk vom Feinsten, die beste „Ghostriders in the Sky“-Coverversion wo gibt und die Ausstrahlung atomar verstrahlter Höhlenbewohner machen die Band, die in ihrer Authentizität gar nicht auf irgendeine Theatralik setzen muss, zu etwas ganz Eigenem und Besonderem. Flohs kaputter Kloaken-Gesang, der treibende Bass und die Uffta-Drums gehen ohne Umwege direkt ins Bein und provozieren grobmotorische Eruptionen. Aus dem Konzept hab ich mich auch nicht bringen lassen, als, wie man mir erzählte, irgendeine volltrunkene Spaßbremse anscheinend der Meinung war, ich hätte ihn beim Pogo zu doll angerempelt, woraufhin er in meinem Rücken stets versuchte, mich umzustoßen – was ihm beim x-ten Anlauf schließlich gelang. Dafür hat er sich einen trotz meines Zustands gezielten Faustschlag eingefangen, woraufhin er sich nicht entblödete, mit einer Flasche auf mich losgehen zu wollen. Das unterbanden jedoch meine aufmerksamen Bandkollegen, woraufhin ich in Ruhe weiterfeiern konnte. Der Depp gab trotzdem keine Ruhe und versuchte, seinerseits Schläge zu platzieren, was ich allerdings nicht einmal wahrnahm und nach einem weiteren Einschreiten meiner Kollegen war dann auch Sense. Ab dem grandiosen INBREEDING-CLAN-Auftritt (wie schafft es Floh eigentlich, volltrunken noch so einen Auftritt abzuliefern?!) verschwimmt meine Erinnerung doch arg. Ich weiß noch, dass Leute der drei Bands miteinander jamten und damit auch zu mittlerweile weit fortgeschrittener Stunde die eigentlich so ruhige Gegend zwischen Pflegeheim und Friedhof beschallten (das Garagentor stand die gesamte Zeit weit offen – mich wundert, dass keine Bullen antrabten), ich anschließend noch den CLAN mit dummen Sprüchen nervte und irgendwann auf einem Bett sitzend einfach nach hinten umkippte und einschlief. Auch andere haben beim Gerangel bei INBREEDING CLAN leichte Blessuren davongetragen und bereits bei KACKREIZ gab es Ärger mit irgendeinem Typen, der ohne ersichtlichen Grund auf Kai losging. Überblick über irgendetwas hatte am Schluss auch niemand mehr, richtig ansprechbar war kaum noch jemand. Solche vermutlich schnapsbedingten Begleiterscheinungen werfen dann natürlich doch ihre Schatten auf einen Abend im tiefsten Untergrund, aus dem ansonsten das Beste gemacht und das Maximum herausgeholt wurde und der noch rustikaler eigentlich gar nicht hätte sein können. Dass mein altes Mikro am Ende auch noch seinen Geist aufgab, verbuche ich aber unter normalem Materialverschleiß – ebenso meine gefürchtete Kombination aus Alkohol- und Muskelkater am nächsten Tag. Das Geburtstagskind erwies sich im Nachhinein übrigens als sehr dankbar und weiß das Engagement aller Bands zu schätzen. Und gestorben ist meines Wissens auch niemand.
28.03.2014, Rock’n’Roll Warehouse, Hamburg:
LOST BOYZ ARMY + COTZRAIZ + VERBAL INCONTINENT + VIOLENT INSTINCT + THE HEADÄCHE
Die echten COTZRAIZ nach 13 Jahren endlich einmal wieder in Hamburg – ach du Scheiße, so lange ist das schon her? Selbstredend war ich seinerzeit im alten Knust dabei, COTZRAIZ waren noch ‘ne unbekannte Nummer und spielten als Vorband von PÖBEL & GESOCKS. Bogo verteilte Dosenbier zu unserer Freude und der Sound war so gut, dass man sogar die Texte gut verstehen konnte. War ‘ne schöne Nummer damals und die Debüt-LP „Heil Cotzraiz“ schlug kurz darauf in der Szene ein wie eine Bombe. Egal, Schnee von gestern, nun kamen sie mit der fantastischen LOST BOYZ ARMY im Gepäck und bekommen gleich dreifachen Hamburger Support von THE HEADÄCHE, VIOLENT INSTINCT und VERBAL INCONTINENT. Zum Rock’n’Roll Warehouse in HH-Bahrenfeld begab ich mich zusammen mit Ex-COTZRAIZer und Jetzt-DISILLUSIONED-MOTHERFUCKER Kai, dessen Gattin und Rudi aus’m Pott mit gemischten Gefühlen. Ich war dort noch nie, aber irgendwann spielten wohl GROBER KNÜPPEL dort und als Kai deshalb den Laden aufsuchte, wurde er an der Tür abgewiesen: Punks hätten dort nichts zu suchen!? Unfassbar! Das Rock’n’Roll Warehouse befindet sich anscheinend auf einem Industriegelände und noch weit vorm Eingang, nämlich an den Toren zum Parkplatz, wurde man aufgehalten und darum gebeten, seine Getränke zu leeren. „Das fängt ja gut an“, dachte ich mir, doch schnell stellte sich diese Maßnahme nicht als Schikane heraus, sondern als gute Möglichkeit, um zu verhindern, dass auf dem stärker frequentierten Gelände Flaschen, Dosen etc. herumfliegen. Gefilzt wurde hingegen überhaupt nicht und die Getränkepreise bewegten sich absolut im Rahmen, insofern alles kein Problem – ganz im Gegenteil: Die Menschen hinter Kasse, Geraderobe und Tresen erwiesen sich als vollkommen entspannte, nette Klientel; anscheinend keine Warehouse-Angestellten, sondern Mitorganisatoren und ebenso wird es bei GROBER KNÜPPEL gewesen sein, wozu ich mir meinen Teil einfach mal denke. Das Ladeninnere hat ein bisschen was von einem nostalgischen kleinen Tanzschuppen und strahlt mit seinen gepolsterten Sitzmöglichkeiten links und rechts der Tanzfläche und der Sofaecke hinten im Saal direkt Gemütlichkeit aus – von Lagerhallen“charme“ keine Spur. Das Publikum war bunt gemischt: Norddeutsche, Ruhrpöttler, Berliner etc. gaben sich die Klinke in die Hand und füllten trotz zahlreicher Konkurrenzveranstaltungen – u.a. BISHOPS GREEN im Indra – die Hütte ansehnlich. Zudem machte das Publikum einen überwiegend sympathischen Eindruck, von Stumpf-Oi!-Prolls oder durch unsägliche „Grauzonen“-Diskussionen angelockten Asis keine Spur. Den Anfang machten pünktlich THE HEADÄCHE – mit ihrem allerersten Gig! Rockabilly mit Kontrabass, vorgetragen von vier zum Teil sichtlich noch etwas nervösen Herren, und wer ist das da an den Drums? Das Trommeltier von VIOLENT INSTINCT? Der wird doch nicht…? Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Wahnsinnige hat tatsächlich drei Auftritte hintereinander durchgekesselt! Was THE HEADÄCHE da gespielt haben, konnte sich hören lassen, ich hätte mir nur die Gitarre etwas weniger verzerrt, dafür oldschoolig-cleaner gewünscht. Das interessierte Publikum spendete Applaus und bekam auch noch eine Zugabe, bevor VIOLENT INSTINCT die Bühne betraten (der Drummer konnte gleich sitzenbleiben). Frontfrau Aga ist von ihrer mehrmonatigen Abwesenheit zurück und schmettert zusammen mit ihren Kollegen wieder deutschsprachige Punkrock-Weisen mit intelligenten, durchaus persönlichen, kämpferischen Texten, die wieder entsprechend positiv aufgenommen wurden. Nun wird’s aber wirklich langsam mal Zeit für ‘ne Platte, gelle? Das ANGELIC-UPSTARTS-Cover „Solidarity“ fehlte ebensowenig wie die verlangte Zugabe, bevor Aga die Bühne verließ, ihre Bandkollegen aber auf selbiger verweilten. Der Grund dafür war der Kontrast zur THE-HEADÄCHE-Premiere, nämlich der LETZTE Gig des Projekt VERBAL INCONTINENT, einer Coverband, kurzweilig ins Leben gerufen während Agas Abwesenheit, damit den Bandkollegen nicht langweilig wird. So coverte man sich schön durch englische Oi!- und deutschsprachige Hardcore-Punk-Klassiker und ab hier konnte ich dann auch inbrünstig mitsingen und skandieren. Arschgeile Sache, insbesondere, wenn Briten-Oi! auf SLIME trifft. Gitarrero Dennis sang das meiste Zug und hat da ‘ne echt prädestinierte Stimme für. Nach drei Gigs wurde das Trommeltier nun auch endlich in den verdienten Feierabend entlassen, der Zeitschuh drückte auch, denn zwei weitere Bands standen auf dem Zettel. Endlich wieder Original-Cotzrock in Hamburg! Seit 2001 hat sich das Besetzungskarussell ein paar Mal gedreht, mittlerweile spielt Ätzer die Klampfe und macht damit den Inzest-Reigen der vertretenen Bands perfekt, schließlich bedient er auch den Viersaiter bei LOST BOYZ ARMY. Los ging’s mit „Stolz & stark“ über „Stadtverbot“, „Süße Träume“ und manch anderem Gassenhauer auch der anderen beiden Platten, „Was Punk ist, bestimmen wir“, „Atomkrieg jetzt“ und wie sie alle heißen. Teile des textlichen Konzepts, nämlich das provokante Verarbeiten nach vielerlei Meinung punk-untypischer Begriffe und ihre positive Besetzung und Konnotation, um Klischees infrage zu stellen, hatten sich meines Erachtens irgendwann dann doch ein bisschen abgenutzt und drohten, selbst zum Klischee zu werden. Jedoch haben COTZRAIZ auch mehr zu bieten und vermitteln live den Eindruck des absoluten Szene-Supports insofern, als man sich und die Szene, den eigenen Lebensstil etc. in kernig-frechen Hymnen reichlich selbst feiert, dabei weniger prollig als vielmehr locker-beschwingt und augenzwinkernd. Das muss auch mal sein, kann Balsam für die Seele sein und macht natürlich tierisch Laune, besonders mit ein paar Bierchen im Kopf, lädt ein zum Pogo und zum Fäusterecken, zum Mitsingen und Bierspritzen. Andere klettern schwankend auf die Bühne, annektieren das Mikro des Bassisten, während die Band sich über das Chaos freut und weiterspielt. Das Publikum geht voll mit und macht den Gig zu ‘ner großen Party. Da fällt auch schon mal ‘ne Monitorbox herunter oder ein Mikroständer um, aber im Handumdrehen wird alles wieder aufgebaut, Unterbrechungen gibt es keine. Zwei Paletten Dosenbier landen im Publikum und heizen die Stimmung weiter an. Der Bassist tauscht den Tieftöner irgendwann gegen ein Schifferklavier und nach ich weiß nicht wie vielen Hits im ‘80er-Punkrock-Stil, der sich so puristisch gibt, als wäre Heavy Metal nie erfunden worden, war dann irgendwann Sense und COTZRAIZ hinterließen der LOST BOYZ ARMY ein gut angeheitertes Publikum in Partystimmung. Die ARMY lieferte ihren Rekruten dann mit voller Kraft ein unvergleichliches, nicht nur manchmal, sondern durchgehend geiles Beispiel für Proletenpoesie, und es war so schön wie Fliegen, wieder einmal bewiesen zu bekommen, dass es auch mittlerweile lange nach Peters Trennung von den VERLORENEN JUNGS noch lange nicht vorbei ist. Nun habe ich in diesem einen Satz spaßeshalber einige Songtitel der Ruhrpott-Streetpunk-Band untergebracht, die nicht nur Songs der ersten beiden Alben, sondern auch ganz neues Material zum Besten gab und mit „Gekreuzte Hämmer“ einen DER Gänsehautsong s aus VERLORENE-JUNGS-Zeiten ins Set integrierte. Während des Gigs wurde etwas weniger gepogt, dafür die Hymnen lauthals mitgesungen, was neben den wohldosierten fröhlichen Spaß- und Trinksongs vor allem zu den persönlicheren, nachdenklicheren Texten aus Peters Feder, die viel vom alltäglichen Kampf, von auf Hochgefühle folgenden Niederlagen und Verlusten und das Immer-wieder-Aufstehen handeln und damit für ein hohes Identifikationspotential sorgen – von dem auch ich mich weder freisprechen kann noch möchte. Ein weiterer VJ-Hit, der bis zu diesem Konzert überlebt hatte, war „Stammtischstratege“, über den ich mich sehr gefreut habe. Andere Songs betonen den Wert von Freundschaften, von Individualität etc. und Peters emotionaler Interpretation seiner wohlformulierten Lyrik zuzusehen, ist ein audiovisueller Genuss, der sich nicht zuletzt aus der Authentizität der Band nährt, die keinerlei Brimborium nötig hat. Ab und zu dreht sich aber eben auch bei der Armee das Personalkarussell und so wurde es der letzte Auftritt von Gitarrist David. Diesem kann man zum gelungenen Abgang mit diesem großartigen Konzert nur gratulieren. Wenn ich mich recht entsinne, kam am Ende auch dessen Nachfolger Marius für einen Song auf die Bühne. Vielen Dank auch an Peter, der ganz überrascht war, dass ich ihm mal wieder über den Weg laufe und mir spontan einen Song gewidmet hat!?
Nach fünf Bands und ein paar Bierchen mehr kann ich mich nicht mehr an jedes Detail erinnern, aber an sowat dann doch!
Fazit: Ein grandioser Konzertabend, für Hamburger Verhältnisse einfach mal wieder bischn was anderes und ein wunderbares Exempel der noch viel weiter ausbaufähigen Hamburg-Ruhrpott-Konnäktschn. Auf ein baldiges Wiedersehen!