Re: 7 Tote in den Augen der Katze - Antonio Margheriti (1973)
Verfasst: So 18. Sep 2016, 00:40
von CamperVan.Helsing
Auf die erste Szene könnte der Zuschauer etwas angefressen reagieren, dann braucht der Film etwas Zeit, um in die Gänge zu kommen. Er erweist sich dann aber als gelungene Mischung aus gothischem Grusler, gialloesken Rasierklingen und Gattoparden, bei dem man gerne miträtselt, wer und warum denn nun der Mörder ist. Etwas überraschend ist ja, Konrad Georg mal nicht als Ermittler zu sehen. Gut, Affen mag ich in Filmen auch nicht haben, aber sei's drum.
Leider wartet man letztlich vergeblich auf die erhoffte Lesbelei zwischen Jane Birkin und Doris Kunstmann, aber das sei Frau Kunstmann verziehen.
Auch auf Serges und Janes "Je t' aime" wartet man vergebens (wenn der Inspektor der Mörder wäre, der alle aus dem Weg geräumt hätte, um dann Corringa seine Liebe zu gestehen, würde das Sinn machen...
)
Re: 7 Tote in den Augen der Katze - Antonio Margheriti (1973)
Verfasst: Mo 25. Mai 2020, 17:24
von buxtebrawler
„Du lebst hier wie im Mittelalter in einer Burg mit Ratten und Ungeziefer!“
Der italienische Genre-Regisseur Antonio Margheriti („Dracula im Schloß des Schreckens“) schuf mit dem in italienisch-französisch-deutscher Koproduktion entstandenen und 1973 veröffentlichten „7 Tote in den Augen der Katze“ einen Hybrid aus einem Gothic-Grusler der Edgar-Wallace-Schule und dem italienischen Giallo, den er zudem mit Poe’schen Motiven anreicherte.
„Ist es möglich, dass Sie ein bisschen... verrückt sind?“
Internatsschülerin Corringa (Jane Birkin, „Das Grab der lebenden Puppen“) wurde aus ihrer Bildungseinrichtung geworfen und sucht das Familienschloss „Dragonstone“ auf, wo sie behauptet, Sommerferien zu haben. Schlossherrin Lady Mary MacGrieff (Françoise Christophe, „Fantomas bedroht die Welt“) bittet ihre Schwester Lady Alicia (Dana Ghia, „My Dear Killer“), die zugleich Corringas Mutter ist, um Geld zum Erhalt des Schlosses. Doch diese winkt ab und rät vielmehr zur Veräußerung des alten Gemäuers. Beim gemeinsamen Abendessen mit allen auf dem Schloss lebenden Personen – Marys verrückter Sohn Lord James (Hiram Keller, „Smile Before Death“), Arzt und Marys Liebhaber Dr. Franz (Anton Diffring, „Der rote Schatten“) und die bisexuelle Französischlehrerin Suzanne (Doris Kunstmann, „Trotta“) – sowie Pater Robertson (Venantino Venantini, „Black Emanuelle“) kocht die Stimmung hoch, Familienkonflikte liegen in der Luft. In der Nacht wird schließlich Alicia ermordet. Und dies ist erst der Beginn einer unheimlichen Mordserie, die ein Mitglied des aristokratischen Zirkels nach dem anderen dahinrafft. Einzige Augenzeugin: die Siamkatze des Schlosses. Wer ist der/die Mörder(in) und was ist das Motiv? Geht es um das Familienerbe? Oder hängen die grausamen Geschehnisse mit einem Vampirfluch zusammen, der angeblich auf der Familie lastet?
„Oh nein, meine Bibel!“
Margheriti lässt im Prolog Ratten an einer halbverwesten Leiche nagen, geriert sich im weiteren Verlauf grafisch jedoch weit weniger explizit. Die auf dem Schloss versammelte Gesellschaft ist mit dubios wohl am besten umschrieben, ein reizvolles Figurenensemble sowohl fürs Whodunit? als auch als Opferschar für den oder die Täter(in). Einzig der Affe – ein Typ in einem Gorillakostüm, der als Orang-Utan bezeichnet wird!? – ist albern und eigentlich überflüssig, erinnert jedoch ebenso wie die Katze an Gruselliteratur-Altmeister Edgar Allan Poe, dessen Tiermotive mit einem Vampirmythos und der Frage, ob dieser hier greift oder doch alles weltlichen Ursprungs ist, vermengt werden. Bei der Katze handelt es sich witzigerweise um einen herrlich dicken roten Kater, einen richtigen Garfield.
„Wir sind eine Familie von Mördern!“
Die Vielzahl menschlicher Figuren bildet eine dysfunktionale, intrigante aristokratische Familie samt „Belegschaft“ ab, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint, was dem Film einen merkwürdigen, aber durchaus auch reizvollen anachronistischen Touch innerhalb seines Narrativs verleiht. In Person des ermittelnden Inspektors kam sogar Jane Birkins Lebensgefährte und „Je t’aime“-Duettpartner Serge Gainsbourg in der Darstellerriege unter, kann jedoch keine schauspielerischen Akzente setzen. Das hat man nun aber auch nicht unbedingt erwartet, im Gegensatz zu etwas Sex, den die verruchte „Französischlehrerin“ Suzanne einbringt: Sie soll James verführen, was misslingt, hat aber ohnehin viel mehr Interesse an Corringa. Da auch diese Suzannes Avancen standhält, kommt es jedoch zu keinen solchen Erotikszenen. Dafür regiert bisweilen der Grusel, z.B. innerhalb eines visualisierten Alptraums, etwas Blut gibt es auch zu sehen.
„Oh mein Gott! Eine Bibel zu verbrennen! Es bringt Unglück! Es ist ein Sakrileg!“
„7 Tote in den Augen der Katze“ ist durchaus anspruchsvoll fotografiert und macht mit seinen Kulissen, Kostümen, Farben und Beleuchtungen einiges her. Margheriti und sein Team integrierten einige suggestive Kameraeinstellungen, Point-of-View-Fahrten und schräge Perspektiven. Die bunten Lampen am Schluss hingegen passen eigentlich gar nicht, schlagen aber durchaus hübsch aus der Art. Und zu alldem passt natürlich Riz Ortolanis gewohnt dissonante orchestrale musikalische Untermalung wieder einmal wie der Komparse ins Affenkostüm. Das Whodunit? wird bis zum Ende aufrechterhalten, der Weg dorthin stolpert sich jedoch durch dramaturgisch kontraproduktive Timing-Schwankungen. Ausstattung und Ensemble des Films sowie manch herrlich bekloppter Dialog können auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine im Prinzip altbekannte Geschichte aufgewärmt wird – diese jedoch schmackhaft italienisch variiert, wenngleich Margheriti sich sichtlich um eine nordeuropäischere Ausrichtung bemühte. Nicht der große Wurf, aber sehenswert und unterhaltsam.