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Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 22. Dez 2010, 20:28
von Salvatore Baccaro
@ santini:

Na ja, vielleicht war die Klassifzierung als "Trash" etwas zu tief gegriffen. Nichtsdesotrotz divergieren unsere Meinung bei LO SQUARTATORE DI NEW YORK offenbar beträchtlich. Ich gebe zu, dass Fulci sich scheinbar bemühte, einen schmutzigen, harten Film zu schaffen, der in seiner Spätphase tatsächlich heraussticht. Anders als bspw. QUELLA VILLA ACCANTO AL CIMITERO oder L'ALDILÁ möchte Fulci hier eine Geschichte erzählen, zudem eine, die fest in der Realität verankert ist, und ohne irgendwelche übersinnlichen Mätzchen auskommen soll. Was das betrifft: ich würde in einem Film wie L'ALDILÁ niemals so etwas wie Logik suchen. Die Filme, die Fulci in den 80ern drehte, sind zum größten Teil fernab aller innerer oder äußerer Logik angesiedelt, und entziehen sich dadurch allen eindeutigen Erklärungsversuchen: traumhaft-nebulöse Szenen mit teilweise superben Bildkompositionen und Splatterszenen mit oftmals eher billigen Effekten geben sich da die Klinke in die Hand, und ergeben ein homogenes Ganzes, das als reine Bilderflut wirkt, die dadurch, dass Fulci alibihaft das Übernatürliche einführt, überhaupt keinen Sinn ergeben muss: alles ist möglich, alles ist erlaubt. Bei LO SQUARTATORE DI NEW YORK sehe ich das Problem für mich, dass der Film in gewisser Weise zwischen den Stühlen steht. Einerseits zeigt er deutlich das Potential, einen vielleicht nicht seriösen, aber ernsten, spannenden Thriller zu ergeben, andererseits fällt Fulci auch hier ständig in seine alten "Verhaltensmuster" zurück und tischt Szenen auf, die auf mich weder erotisch noch schockierend, sondern schlichtweg schmuddelig wirken, und auch mit der eigentlichen Handlung kaum etwas zu tun haben (bspw. die Bekanntschaft von Alexandra Delli Collis Unterleib mit dem Fuß eines eher zwielichtigen Zeitgenossen: eine Szene, die ich nun wirklich nicht anders als trashig nennen kann).

Interessant finde ich, dass die beiden Lesarten, die der Film einem anbietet (na gut, die eine biete vor allem ich mir selbst an ;-) ), darüber entscheiden, wo genau man den RIPPER nun einordnen möchte:
Nehme ich hin, was die Protagonisten am Ende des Films als Aufklärung bezeichnen, dann erhält das Werk noch einen zusätzlichen Stoß die Trash-Kellertreppe hinunter. Schaut man sich ihn ein zweites Mal an, im Hinterkopf die Auflösung, dass Peter Besitzer der Schnatterstimme sein soll, kommt man gar nicht umhin, sich die meiste Zeit an den Kopf zu fassen, da das Verhalten, das der Killer die meiste Zeit an den Tag legt, nun überhaupt nicht zu einem Täter passen will, der angeblich spontan und intuitiv zu seinen Morden getrieben wird. Falls Fulci allerdings das Ende tatsächlich bewusst so gestaltete, dass der Zuschauer sich unweigerlich fragt, ob denn nicht Prof. Davis ebenso in Frage käme, oder vielleicht sogar noch verdächtiger erscheint als Peter es jemals war, würde das den Film einen in sich geschlosseneren, plausibleren und "seriöseren" Eindruck verleihen. Natürlich kann man auch ein Werk wie LO SQUARTATORE DI NEW YORK als reines Kommerzprodukt abtun, dessen Regisseur sich keine weiterführenden Gedanken über den Plot machte, was ich, wie gesagt, bei dem Großteil der Spät-Fulcis unterschreiben würde, nur: hier passt meine Theorie, meiner Meinung nach, doch allzu gut auf einen Film, der ohne sie mit unzähligen Logiklöchern ausgestattet wäre, mit ihr indes alle tieferen Löcher gestopft hätte.

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 22. Dez 2010, 21:28
von dr. freudstein
Nicht, daß da ein falscher Eindruck ersteht, ich finde die Gedankengänge ebenso klasse und mir sind ja viele dieser Fragen ebenso aufgekommen, aber was ich meinte, man darf bei vielen Filmen nicht detailliert drüber nachdenken, inwieweit diese dann auch 100% stimmig sind. Obwohl bei solchen Filmen (nenn es Giallo, Krimi oder sonstwas) man natürlich eine gewisse Art von Logik, Zusammenhängigkeit verlangt werden sollte. Schließlich geht es dort ja darum, wer ist der Mörder, warum ist er es, wie geht er vor und warum gerade so, wie gezeigt.
Dieser Film wirft einfach wirklich zu viele dergleichen Fragen auf.

Nun, auf Lucio Fulci bezogen, sicher, er hat sehr viele Filme innerhalb kurzer Zeit gedreht, die allesamt dennoch in dieser Phase einer nach dem anderen ewige Klassiker geworden sind, ungeachtet dessen, daß diese natürlich auch nicht in allen Punkten stimmig waren. Mehr Zeit für den einzelnen Film hätte umhin vieles an Einbußen hinnehmen müssen, welche wiederrum von einem Fulci-Fan nicht hinnehmbar gewesen wären. Der Fulci-Fan der Mittel/Spätphase hatte ja eben nicht nach 100% stimmigen und logischen Filmen verlangt, sondern vielmehr um atmosphärische, blutige und nach tabufreien(-arme) Schmuddelfilmen verlangt.
Aber ein Film sollte in erster Linie dazu da sein, den Zuschauer zu fesseln, zu beeindrucken und das hat der Fulci imho immer geschafft. Kurzweiliges, aber nachhaltiges Vergnügen, da war er ein Meister drinne, so MEINE Worte. Zerlegt diese ins Unermeßliche, okay, aber ich habe gesprochen.

NEW YORK RIPPER ist nicht das Mega-Meisterwerk eines Fulcis, aber dicht dran (meinem Geschmack zufolge), weil es eben ein Fulci ist.Seine Frühwerke, soweit hierzulande beschaffbar interessieren mich genauso, keine Frage. Eine Reduzierung auf seine splatterigen Spätwerke wird es von mir nicht geben.
Aber wie eben dieser Film bietet er deutliche Wiedererkennungsmerkmale wie z. B. das Donald Duck Gequacke, die anhaltend bedrohliche Atmosphäre und, erst zum Schluß erkennend die Auflösung, die anzweifelbar ist, aber dennoch einigermaßen begreifbar und halbwegs nachvollziehbar.
Salvatore hat hier eine Diskussion entfacht, die nicht unsinnig erscheint, aber ich denke, dieser Film sollte in erster Linie geschaut werden, genossen und nicht zerpflückt werden.
So war das von meiner Seite gemeint.
Unschlüssiges wird daher umgangen, im Hinterkopf behaltend aber eben nicht lange hinterfragt (wegen der Zermürbung, die bei diesem Film umgänglich sein sollte/muß)

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Fr 24. Dez 2010, 01:58
von buxtebrawler
Salvatore Baccaro hat geschrieben:Vielleicht über-interpretiere ich ein Werk, das in einer Schaffensphase entstand, in der Fulci sich - vorsichtig ausgedrückt - nicht als Meister der Subtilität und der Logik hervortat, allerdings sind mir bei Genuss des Streifens einige Merkwürdigkeiten aufgefallen, die in mir die Überlegung weckten, dass am Ende gar Dr. Davis der Verursacher sämtlicher Mörder sein könnte. Fast schon penetrant zeigt Fulci ihn ständig beim Schachspiel, lässt ihn beim zweiten Gespräch mit Lt. Williams gar solche Dinge sagen wie: unser Killer ist ein wohlüberlegter Geist, der seine Morde wie ein Schachspiel plant und ausführt, bringt später eine Szene unter, in der Davis Fay, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, noch einmal zu Hause aufsucht, um sich zu versichern, dass sie wirklich der Meinung sei, der dreifingrige Lüstling, dessen Namen ich vergaß, stecke hinter all den Untaten, und - was ich am seltsamsten fand - lässt den Film damit enden, dass Davis einen ominösen Blick Richtung Kamera wirft und dann als Standbild einfriert. Sicherlich könnten das alles rote Heringe sein, die Fulci wahllos ausstreut, allerdings würde das ja dann keinen Sinn am Ende des Films machen, wenn sämtliche Fäden angeblich entwirrt wurden und feststeht, dass Fays Freund der Inhaber Donald-Duck-Stimme sei. Falls man indes annimmt, dass Peter der New York Ripper ist, stellt sich mir die Frage, inwieweit der denn nun in das Täterprofil passen soll, das Davis zu Beginn erstellte. Offenbar scheint er seine Taten ja eher impulsiv begangen zu haben, nämlich dann, wenn er ein Telefonat mit seiner schwerkranken Tochter führte: von einem kühlen Schachspielerkopf keine Spur (mal ganz abgesehen davon, dass ich diese Lösung zu den haarsträubendsten zählen muss, die mir jemals unterkamen... wieso sollte Peter einen generellen Hass auf "gesunde" Frauen empfinden, wenn seine Tochter krebskrank im Krankenhaus liegt, und diesem Hass mit einer Donald-Duck-Stimme und einem Messer verbalisieren?!). Falls Peter tatsächlich all die Morde aus Affekt begangen haben soll, bleibt es zudem fraglich, weshalb er Williams ständig mit Anrufen belästigte, um dem seine Überlegenheit zu beweisen usw. Besser gefällt mir da die Theorie, dass Davis sozusagen über sämtlichen Figuren steht, und diese, wie auch immer, lenkt und für seine Zwecke einspannt. Aber womöglich zerbreche ich mir meinen Kopf auch viel zu sehr über einen Film, der natürlich an sich unmöglich ist: eine Aneinanderreihung von Schmuddel- und Gewaltszenen, die Fulci schon knietief im Trash watend zeigen.
Meine letzte Sichtung des Rippers liegt bereits längere Zeit zurück, daher hab ich ihn nicht mehr allzu genau vor Augen... aber ich erinnere mich noch gut daran, dass ich ihn gar nicht als so frauenfeindlich wie offensichtlich viele andere empfunden habe, vielmehr als New-Yorker-feindlich oder generell wenig menschenfreundlich. Denn irgendwie wirken doch fast alle in dem Film, als hätten sie Dreck am Stecken und vielleicht rührt daher auch die Darstellung Davis': Ein Ermittler, der sich über den DIngen stehend wähnt, eigentlich aber gar keine Ahnung hat und seinen eigentlichen Job deshalb nur unzureichend zu erfüllen vermag. Evtl. liegt bei Peter eine Art Persönlichkeitsspaltung vor, die ihn eben nicht im Affekt, sondern wohldurchdacht handeln lässt; ein eigentlich guter Mensch, der sich wegen der emotionalen Extremsituation, in der er sich befindet, seinem Umfeld anpasst bzw. es überspitzt wiederspiegelt. Möglicherweise daher auch der Zoom auf Davis am Schluss, der zeigen soll, dass im Prinzip auch jeder andere in Frage gekommen wäre, selbst jemand vermeintlich "seriöses", weil sie alle ähnliche Verhaltensmuster aufweisen. Nichtsdestotrotz finde ich deine Überlegungen sehr interessant. So richtig schlau bin ich natürlich auch nicht aus dem Film geworden. ;)

Auch die Fußszene emfpand ich nicht wirklich als trashig. Zwar ultra-sleazig etc., aber trashig ist für mich dann doch noch mal etwas anderes.

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Fr 24. Dez 2010, 14:21
von Salvatore Baccaro
Ha! Dieser Ansatz gefällt mir überaus!

Tatsächlich zeichnet Fulci in LO SQUARTATORE DI NEW YORK ein äußerst düsteres Gesellschaftsbild, in dem nicht mal die Cops besondere Sympathieträger sind, sämtliche Männer entweder kriminell, lüstern oder überheblich, die Frauen freilich allesamt Schlampen, und eine unschuldige Person wie Fay, die wohl die einzige wirklich einnehmende Figur des Films darstellt, deren Schicksal einen persönlich berühren könnte (selbst Kitty, die wohl die üblste Szene durchleiden darf, wird als Prostituierte ja schon relativ eindeutig in die Schmuddelecke geschoben), schon beinahe fehl am Platze wirkt.

Ob nun Trash oder nicht, darüber ließe sich lange streiten, nichtsdesotrotz mag ich meine Fulcis lieber in bizarren Traumwelten, wo einen Plastikspinnen in Bibliotheken überfallen, Zombie-Nonnen die Zungen von Schlachtern festnageln und Schnecken dazu in der Lage sind, junge Mädchen allein dadurch zu zerfleischen, dass sie über ihre Körper kriechen. ;)

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Fr 24. Dez 2010, 14:40
von buxtebrawler
Salvatore Baccaro hat geschrieben:Ob nun Trash oder nicht, darüber ließe sich lange streiten, nichtsdesotrotz mag ich meine Fulcis lieber in bizarren Traumwelten, wo einen Plastikspinnen in Bibliotheken überfallen, Zombie-Nonnen die Zungen von Schlachtern festnageln und Schnecken dazu in der Lage sind, junge Mädchen allein dadurch zu zerfleischen, dass sie über ihre Körper kriechen. ;)
Das steht völlig außer Frage! :mrgreen: :lol: :D

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 24. Aug 2011, 23:24
von Santini
Einen, wie ich finde, sehr treffenden und interessanten Text zum Film gibt's im Booklet der Italian Shock DVD:
 ! Nachricht von: buxtebrawler
Entfernt, da beim Bildhoster TinyPic leider nicht mehr verfügbar.

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 4. Jan 2012, 13:40
von Marcus Daly
Anfang der 80er-Jahre hatte der Giallo seine besten Tage scheinbar bereits hinter sich: Seit Mitte der 70er-Jahre versuchte das Genre seinen zunehmenden Mangel an den ihn ursprünglich kennzeichnenden filmischen Qualitäten durch ein bloßes Mehr an Sex und Gewalt zu kompensieren, was Ende der Dekade in Machwerken wie GIALLO A VENEZIA gipfelte.

Doch im Jahre 1982 erschienen zwei Filme, welche zeigten, dass das Genre noch lange nicht tot und seine größten Meister noch lange nicht reif für die Rente waren: Dario Argento kehrte mit TENEBRE zu dem Genre zurück, welches er mit THE BIRD WITH THE CRYSTAL PLUMAGE Anfang der 70er entscheidend mitdefiniert hatte. Und sein ewiger Konkurrent Lucio Fulci kehrte ebenfalls kurzfristig dem Horror-Genre den Rücken zu und schuf mit THE NEW YORK RIPPER den bis heute härtesten Giallo, der neben seinen reinen Schauwerten auch eindeutige filmische Qualitäten aufzuweisen hat.

Berühmt wurde der Film in erster Linie durch seine exzessive Darstellung von Sex und Gewalt in Verbindung mit einer düsteren, schmierigen Atmosphäre, welche das Fanherz höher schlagen und die Moralapostel auf die Barrikaden steigen ließen. Nicht umsonst war dies einer der Streifen, welcher zu seiner Zeit eine ganz neue Debatte um den bis heute unbewiesenen schädlichen Einfluss von Gewalt in den Medien anstieß und in England zu den berüchtigten „Video Nasties“ zählte. Aber kann man THE NEW YORK RIPPER wirklich alleine auf seine spektakuläre Verknüpfung von Sex und Gewalt reduzieren?

Zunächst einmal fällt auf, dass dies ein Film ist, den selbst viele Fulci-Fans nicht unbedingt lieben. Denn während die ebenfalls exzessive Gewalt in Fulcis berüchtigten Zombie-Filmen in einer Fantasiewelt vonstatten geht, welche nicht viel mit unserer Alltagswelt zu tun hat, spielt sich das sehr reale Gemetzel in THE NEW YORK RIPPER eindeutig in unserer eigenen Welt ab. Somit entfällt für den Betrachter weitestgehend die Möglichkeit das Geschehen auf der Leinwand bzw. auf dem heimischen Bildschirm einfach nur als reines Spektakel zu konsumieren, ohne sich weiter hiervon betroffen zu fühlen.

Durch diesen Mangel an Distanz werden wir gezwungen tief in die (nicht immer besonders logische) Handlung einzutauchen und uns mehr mit den Protagonisten auseinanderzusetzen, als uns vielleicht lieb ist. Und hier liegt wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen, welche THE NEW YORK RIPPER für den Betrachter bietet. Denn wenn es etwas gibt, was diesem Film wirklich völlig fehlt, dann ist es eine halbwegs sympathische Identifikationsfigur.

Die New Yorker stehen ja von Natur aus nicht unbedingt in dem Ruf die umgänglichsten Zeitgenossen zu sein, aber das Aufgebot an Antipathen, das Fulci hier auf den Zuschauer los lässt, ist trotzdem auf seine Art beeindruckend. Die in THE NEW YORK RIPPER versammelten Protagonisten gleichen schon fast einer Freak-Show, in der bereits die ein wenig minder unsympathischen bzw. gestörten Figuren als Sympathieträger herhalten müssen. Nicht nur, dass hier fast jeder seine dunklen sexuellen Geheimnisse zu haben scheint. Auch die Figuren, welche in den meisten anderen Filmen die Helden verkörpern würden, entpuppen sich hier schnell als von reinem Eigeninteresse getriebene Drecksäcke.

Der desillusionierte Lt. Fred Williams geht dem Fall um den Ripper zunächst als reine Routinesache nach. Und selbst als der Killer seine Geliebte in seiner Gewalt hat, scheint er zunächst mehr darum besorgt, dass seine Kollegen erfahren könnten, dass es der Chef mit einer Prostituierten treibt, als darum deren Leben zu retten. Und der arrogante Dr. Davis wiederum betrachtet den Fall als eine reine intellektuelle Übung, bei der er mal wieder seine von ihm selbst als überragend bezeichnete Intelligenz beweisen kann. Dabei ist es schon wieder komisch, wie Dr. Davis stets von seinen eigenen schmalen Einsichten begeistert ist, obwohl er nie etwas wirklich Entscheidendes zur Lösung des Falls beiträgt.

Es ist dieser ausgesprochene Zynismus, der THE NEW YORK RIPPER zu einem so unerfreulichen Film macht, den man schlecht zur reinen Unterhaltung genießen kann. Hierdurch wird dieses Werk Fulcis jedoch zugleich zu weit mehr, als einem reinen Exploitation-Flick. Wie Mike Lebbing in der von Santini geposteten Kritik bemerkt, kann man THE NEW YORK RIPPER auch als eine ätzende Gesellschaftskritik verstehen, die das Bild einer Gesellschaft zeichnet, welche alleine von Eigennutz und sinnlosem Leistungsstreben angetrieben wird. So sagt Peter Bunch in einer der Schlüsselszenen des Films, dass man in den USA ein Niemand und somit verloren sei, wenn man keine besonderen Fähigkeiten habe und nicht in irgendeinem Bereich der Beste wäre.

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass sich hier wahrscheinlich auch Lucio Fulcis eigener Frust zeige, weil er neben Dario Argento eben immer nur die Nummer zwei unter Italiens Genre-Regisseuren war. Und auch heute hat sich an diesem Bild ja wenig geändert. Denn während die offizielle Kritik allmählich wenigstens Mario Bava und Dario Argento als bedeutende Filmemacher ernstzunehmen beginnt, gilt Lucio Fulci nach wie vor alleine als der „Master of Gore“, jedoch nicht als der Meister, als den nicht nur er sich selbst, sondern auch seine Mitarbeiter ihn sahen, wie man in der Dokumentation auf der DVD dieses Films von Another World Entertainment sehen kann.

Auch der oft erhobene Vorwurf von Fulcis starker Misogynie wird selbst von der in THE NEW YORK RIPPER schnell abgeschlachteten Zora Kerova zurückgewiesen. Wie die Schauspielerin in ihrem Interview auf der Special Edition von Blue Underground sagt, schien der Regisseur mehr eine Wut auf die gesamte Menschheit zu haben. Aber selbst dieser Eindruck habe sich bei ihr schnell gelegt, als sie ihn näher kennengelernt habe. Wie dem auch sei, natürlich ist es sehr verkürzt gedacht, wenn man jeden Film, in dem Gewalt gegen Frauen gezeigt wird, gleich als misogyn brandmarkt. Denn dann wäre ja z.B. auch jeder Dokumentarfilm, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt misogyn.

Und auch, wenn die Frauen in THE NEW YORK RIPPER auf den ersten Blick niedergemetzelt werden, weil sie bekommen, was sie (in den Augen der Männer im Film) verdienen, so sind es hier in Wirklichkeit doch immer die Männer, welche die wahren Übeltäter sind. So erscheint z.B. die als Besucherin der Live-Sex-Show eingeführte Jane Forrster Lodge zunächst als reine Nymphomanin. Dann zeigt sich jedoch, dass sie ein zwar bizarres, jedoch beidseitiges, Arrangement mit ihrem Ehemann verbindet. Und spätestens, als die drei Latinos in der Spelunke ihre Geilheit ausnutzen, um sich über sie lustig zu machen, tut sie einem dann doch eher leid.

Auch dies ist eine der Szenen, die einem gerade als männlichen Zuschauer wahrscheinlich eher nicht gefallen wird. Denn hier setzt Fulci uns den Spiegel vor und macht klar, dass all das zum Teil abartige Geschehen nur deshalb vor uns abläuft, weil wir es so sehen wollen. Und so ist THE NEW YORK RIPPER auf der einen Seite ein sehr derber, dunkler und auch blutrünstiger Exploitation-Film geworden, der jedoch zugleich als eine ätzende Gesellschafts- und sogar auch als eine versteckte Medienkritik gelesen werden kann. (9/10)

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 4. Jan 2012, 13:51
von DrDjangoMD
Marcus Daly hat geschrieben:Berühmt wurde der Film in erster Linie durch seine exzessive Darstellung von Sex und Gewalt in Verbindung mit einer düsteren, schmierigen Atmosphäre, welche das Fanherz höher schlagen und die Moralapostel auf die Barrikaden steigen ließen.
Super formuliert :thup:

Ich dank dir sehr für die Kritik, denn der "New York Ripper" war für mich immer schwer einzuordnen. Ich konnte ihn nicht 100% lieben, erkannte aber wie grandios er gemacht war und ich denke, du hast in deiner Kritik einige gute Gründe für dieses zweigeteilte Gefühl darüber aufgelistet. Besonders deine Bemerkungen zur Realitätsnähe waren sehr einleuchtend für mich, denn obwohl ich nichts gegen Fulcis Zombiefilme habe, war mir "New York Ripper" immer ein wenig zuviel des Guten. (Ehrlich, die Rasierklingenszene hätten sie streichn können :shock: :angst: ). Aber wie du sehr richtig gesagt hast, der Film ist brilliant gemacht, er will unter die Haut gehen und das schafft er auch. Damals gab ich ihm 8/10, aber eine Zweitsichtung ist wieder mal fällig.

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 4. Jan 2012, 14:13
von Marcus Daly
:D Ich danke Dir! Dann kann ich mich ja vielleicht mal wieder trauen HIER eine Kritik zu schreiben! :mrgreen:

Re: Der New York Ripper - Lucio Fulci

Verfasst: Mi 4. Jan 2012, 14:17
von jogiwan
Marcus Daly hat geschrieben: :D Ich danke Dir! Dann kann ich mich ja vielleicht mal wieder trauen HIER eine Kritik zu schreiben! :mrgreen:
jepp, trau dich ruhig! :thup: