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Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Do 16. Feb 2012, 00:42
von buxtebrawler
US-Action-Regisseur Walter Hill („Die Warriors“) holte 1981 für seinen intelligenten, psychologisch hintergründigen Backwood-Survival-Film „Southern Comfort“ den Vietnamkrieg in Form seiner Parabel in die Sümpfe von Louisiana. Eine Reservisteneinheit der US-Nationalgarde begibt sich für eine Übung tief ins Unterholz, wo sie auf Cajuns stoßen, die keinen Spaß verstehen und einen Guerilla-Krieg entfachen, um die Eindringlinge loszuwerden...

Hill nimmt sich Zeit für eine genaue Charakterisierung des bunt zusammengewürfelten Reservistenhaufens, der sich untereinander wenig grün ist und angesichts der Extremsituation, der die Männer unerwartet ausgeliefert sind, beginnt, sich selbst zu zerfleischen und somit zum leichten Opfer der stets im Hintergrund agierenden Cajuns wird. Die maßlose Selbstüberschätzung der Reservisten wird schnell Lügen gestraft; ihr sprichwörtliches Verhalten „wie die Axt im Walde“ macht es leicht, ein gewisses Verständnis für ihre Jäger zu entwickeln und ist unschwer als Parallele auf das US-amerikanische Vietnam-Trauma zu verstehen. Die Sümpfe muten ähnlich unübersichtlich und bedrohlich an wie ein südostasiatischer Dschungel; bald entwickelt sich eine ausgeprägte, lähmende, vernünftige Entscheidungen erschwerende Paranoia, der nach und nach fast alle Mitglieder anheim fallen.

Nein, „Southern Comfort“ ist kein ausuferndes Action-Feuerwerk, keine Ballerorgie, keine Geschichte über heldenhafte Patrioten – eher eine über Menschen, die sich dafür halten und ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Die Fraktionsbildung der Einheit erlaubt Sympathieverteilung sowie ein gewisses Mitgefühl beim Zuschauer; die differenzierte Ausarbeitung der Charaktere macht es mit fortschreitender Spieldauer gar möglich, Mitleid zu empfinden und zu hoffen, dass diejenigen, die zweifelsohne ihre Lehre aus den Ereignissen gezogen haben, den Wahnsinn überleben werden. Diese Stimmung verstand Hill nahezu perfekt umzusetzen, das Ambiente wird effektiv von der Kamera eingefangen und lässt seine Figuren wie ausgesetzte Findelkinder in einer viel zu großen Parallelwelt erscheinen. Hill erzeugt eine wahnsinnige Spannung, indem er die Unvorhersehbarkeit der Handlung bis zum Schluss aufrechterhält.

Die Schauspieler, unter Ihnen Keith Carradine, Powers Boothe, Fred Ward und T.K. Carter, sind allesamt echte, teils erfahrene Charakterköpfe und spielen ihre Rollen überaus glaubwürdig, wenngleich sie Hill bisweilen zur Veranschaulichung überzeichnet. Auch außerhalb des Vietnam-Vergleichs ist „Southern Comfort“ als Abhandlung über fragwürdiges menschliches Verhalten in Extremsituationen zu betrachten, die mit psychologischer Härte und Wucht im wahrsten Sinne des Wortes keine Gefangenen macht. Dabei begeht das Drehbuch nie den Fehler, ein eindeutiges Gut/Böse-Schema anzuwenden und die Cajuns zu Freiheitskämpfern o.ä. zu verklären, denn darum geht es in „Southern Comfort“ nicht. Es ist vielmehr ein Abgesang auf kriegerische Handlungen zum Mittel der Konfliktlösung und eine unbedingte Ermahnung zum respektvollen Umgang mit fremden bzw. fremdartigen Kulturen beim Betreten ihres Territoriums.

Das hypnotische Finale in der Cajun-Siedlung wurde mittels Schnitt und Gegenschnitt zwischen feiernden Frankophonen und ums Überleben kämpfenden Soldaten nervenzerreißend gestaltet und ist unausweichliche Zuspitzung des Konflikts und gewissermaßen Stilbruch zugleich, wenn sich Jäger und Gejagte endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und es zum direkten Kampf kommt, die Reservisten also endlich ihre Stärken in die Waagschale werfen können.

Begleitet von einem ruhigen, eigentlich zur Entspannung geeignetem, im Kontext der Handlung aber zum unheilschwangeren, zynischen Begleiter werdenden Akustikgitarren-Soundtrack zeigt Hill in einem höchst unterhaltsamen und zugleich anspruchsvollen Film die globale US-amerikanische Selbstüberschätzung im lokalen Rahmen. Große Klasse!

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Do 16. Feb 2012, 06:00
von purgatorio
Was für ein langer Text :shock: Aber wird dem Film definitiv gerecht :nick: ein zufriedener Bux :D

PS: ich war kurz davor mich auch einmal - nur ein einziges mal - über Fehler zu echauffieren... aber so what, ist ja nur ein Tippfehler :mrgreen:
buxtebrawler hat geschrieben:Eine US-Army-Reserviseneinheit begibt sich für eine Übung (...)

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Do 16. Feb 2012, 10:16
von buxtebrawler
purgatorio hat geschrieben:Was für ein langer Text :shock: Aber wird dem Film definitiv gerecht :nick: ein zufriedener Bux :D

PS: ich war kurz davor mich auch einmal - nur ein einziges mal - über Fehler zu echauffieren... aber so what, ist ja nur ein Tippfehler :mrgreen:
buxtebrawler hat geschrieben:Eine US-Army-Reserviseneinheit begibt sich für eine Übung (...)
Ist doch gar nicht länger als andere meiner jüngeren Kritiken, oder? :-?
Danke für das Lob.

Auch für Hinweise auf Tippfehler bin ich immer dankbar, habe natürlich keinen Lektor. ;)
Schon korrigiert und dabei aus der Army die Nationalgarde gemacht, denn anscheinend zählt man diese nicht zur Armee.

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Fr 9. Mär 2012, 00:06
von Onkel Joe
Der hat es drauf:

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Mi 14. Mär 2012, 01:18
von untot
So auch endlich gesichtet, Der Streifen ging bisher irgendwie an mir vorbei.

:palm: Was für ein Sauhaufen, mit der Truppe hätte man keinen Krieg gewinnen können. :kicher:
Dennoch ein spannender Film, der genau die richtige Mischung, aus Kriegsfilm, Dschungelabenteuer und Hintlerwäldler Film ist nämlich.
Den Soundtrack fand ich auch gut, Ry Cooder kann schon was, wenngleich ich den zu "Long Riders" noch besser gelungen finde, dafür ist der Film selber nicht so gut, aber irgendwas ist ja immer gell.
Aber egal, "Southern Comfort" sollte man jedenfalls kennen! :nick:

8/10

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: So 3. Feb 2013, 14:46
von Onkel Joe
Hey Kröte schau mal ein Film mit Keith und es gibt 9/10 ;), so schlimm kann es also nicht sein.

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Fr 8. Jan 2016, 07:17
von jogiwan
Walter Hill hat mit „Die letzten Amerikaner“ nicht nur einen packenden Backwood-Thriller, sondern wohl auch einen Film geschaffen, aus dem wohl jeder zum Teil das herauslesen kann was er möchte. Die einen sehen darin eine Vietnam-inspirierte Abrechnung mit der Arroganz der Amis in Hinblick auf ihr Verhalten als vermeintliche Retter der Welt, während wohl weniger aufgeschlossene Menschen darin die Bestätigung sehen, dass die Gefahr durch unterbelichtete Kräfte wohl wirklich hinter jeder Ecke wartet, der man auch nur mit Gewalt entgegentreten kann. Dabei zeichnet Hill in seinem „Anti-Warriors“ aber ein eher ernüchterndes Bild einer bunt zusammengewürfelten Truppe an Knallchargen, die sich ständig wie die Axt im Walde benehmen und auch untereinander so überhaupt nicht grün sind. So bleibt am Ende neben ständigen Konflikten und selbst verursachten Gefahrensituationen mit tödlichem Ausgang nur die Erkenntnis, dass Gewalt immer noch mehr Gewalt auslöst und es in solchen Fällen ohnehin keine Gewinner gibt. Doch auch unabhängig von der intendierten Aussage des Streifens ist „Die letzten Amerikaner“ wirklich ein sehr gelungener Action-Streifen mit hübscher Sumpf-Optik und ohne Sympathieträger, der dennoch bis zum herausragenenden Finale spannend und unvorhersehbar bleibt.

Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Fr 22. Jul 2022, 20:16
von Onkel Joe
FB_IMG_1658513607386.jpg
FB_IMG_1658513607386.jpg (148.71 KiB) 101 mal betrachtet
DIE LETZTEN AMERIKANER (SOUTHERN COMFORT) | Ab 29.07. in drei limitierten #Mediabook-Editionen

Kultregisseur Walter Hill (NUR 48 STUNDEN, RED HEAT) liefert Survivalaction der Extraklasse!

Louisiana, 1973: Die Flussgebiete sind die Heimat der Cajuns, den Nachfahren französischer Einwanderer am Rande der Zivilisation. In diesem sumpfigen Niemandsland begibt sich ein neunköpfiger Reservistentrupp (u.a. Keith Carradine und Powers Boothe) der Nationalgarde auf ein Übungsmanöver. In 48 Stunden wollten sie wieder zu Hause bei ihren Familien sein. Doch sie überschreiten die Grenze in ein Gebiet, in das sie nicht gehören. Sie verstoßen gegen Gesetze, von denen sie nicht wussten, dass es sie gibt. Und je weiter sie gehen, desto näher kommen sie dem Nirgendwo. Die Reservisten versuchen aus dem undurchdringlichen Sumpfgelände zu entkommen, aber das Manöver wurde längst zur erbarmungslosen Menschenjagd. Auf die sind sie weder militärisch noch psychisch vorbereitet, und einer nach dem anderen fällt ihr zum Opfer…

Wir präsentieren die „mitreißende, radikale Kino-Bombe“ (TIP) ungeschnitten auf Blu-ray und DVD in drei limitierten Mediabook-Editionen. Im Bonusmaterial findet ihr, neben einer Retro-Fassung in 4:3, ein ausführliches Interview (44 Min.) mit Walter Hill. Darüber hinaus führt Tobias Hohmann im 24-seitigen Booklet in die Entstehungsgeschichte des Films ein.

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Re: Die letzten Amerikaner - Walter Hill (1981)

Verfasst: Mo 24. Jul 2023, 14:21
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 11.08.2023 noch einmal bei Turbine auf Blu-ray:

Bild

Extras:
- “Wird er leben oder wird er sterben“ – Interview mit Regisseur Walter Hill* (HD, ca. 44 Min.)
- Retro-Fassung (4:3, Open Matte)
- US-Kinotrailer*
- Deutscher Kinotrailer (HD)
- Wendecover
* mit optionalen deutschen/englischen Untertiteln

Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/795,12 ... kaner-Die/