Handlung:
Der Hexenjäger Albino (Reggie Nalder) terrorisiert eine kleine Stadt durch willkürliche Hinrichtungen. Eines Tages kommt der Adelige Lord Cumberland (Herbert Lom) mit seinen Helfern in selbige Stadt um die Hexenverfolgung in größerem Stil voranzutreiben. Sein Schüler Christian (Udo Kier) verliebt sich derweil in die Wirtin Vanessa (Olivera Vuco) und kommt in arge Bedrängnis, als eben diese der Hexerei bezichtigt wird. Was folgt ist die Visualisierung des Titels…
Kritik:
Vor kurzem unternahm ich einen Ausflug in das Nunsploitation-Genre. Ich war, wie man lesen kann, nicht sonderlich begeistert, doch dazugelernt habe ich auch nichts, denn heute wenden wir uns einem in gewisser Weise ähnlichem (religiöse Motive, Setting in der Frühen Neuzeit,…) Genre zu, der Hexenverfolgungsploitation (nicht die offizielle Bezeichnung). Der wohl berüchtigtste Film dieser Kategorie ist „Hexen bis aufs Blut gequält“. Für die Regie zeichnet sich, neben dem Engländer Michael Armstrong, Adrian Hoven verantwortlich, und wenn es einen Mann gibt, dem ich es zutraue minutenlange Folterszenen mitreißend, bewegend und tiefsinnig zu inszenieren, dann der Typ, dem wir „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“ zu verdanken haben.
Nach allem, was ich dem auf der DVD enthaltenen Udo-Kier-Interview (nebenbei bemerkt der angenehmste Zeitgenosse scheint der olle Udo nicht zu sein) und einer Internetrecherche entnehmen konnte, war Hoven anfangs nur für die Produktion zuständig. Erst als sich der künstlerisch ambitionierte Armstrong zu viel Zeit ließ, übernahm Hoven den Regiestuhl und hatte im Endeffekt zirka zwei Drittel des Filmes zu verantworten. Dies hat dem Streifen jedoch durchaus gut getan, denn das Endergebnis ist eines dieser wunderbaren Meisterwerke, in welchen sich überwältigende Kunst und unterhaltsamer Kommerz die Klinke in die Hand drücken.
In „Hexen bis aufs Blut gequält“ gibt es einige sehr schöne Momente, oft hervorgerufen durch typische Heimatfilmästhetik, und einige sehr schreckliche Momente, die für eine Beschlagnahmung des Filmes in mehreren Ländern sorgten. Das Wunderbare ist nun, dass sich die ästhetischen und die grausamen Stellen immer in der richtigen Mischung und mit dem richtigen Timing ablösen. Ein Beispiel hierfür ist der Anfang: Wir sehen eine Kutsche durch eine lauschige österreichische Landschaft dahinrollen und dazu hören wir ein Titelthema so entspannend, dass es sich nicht mal hinter „Cannibal Holocaust“ oder „Nekromantik“ zu verstecken hat. Gerade als uns die Schönheit dieses Szenarios vollkommen überwältigt hat, wird die Kutsche überfallen und Vergewaltigung und Mord sind die Folgen.
Ein anderes gutes Beispiel für das Gleichgewicht von Schönheit und Schrecken bietet eine Szenenfolge, irgendwann in der Mitte des Filmes: Wir mussten wieder einiges an Folter mit ansehen und sind noch ganz entsetzt als ein Schnitt erfolgt und uns zwei vollkommen unbekannte Charaktere beim Liebe Machen vorgesetzt werden. Diese Szene ist wundervoll gefilmt, sehr viele Großaufnahmen, sehr ruhige Kameraführung und gerade als uns diese beiden Liebenden das furchtbare Geschehen haben vergessen lassen, schneien Nalder and Friends bei der Tür rein und das Morden geht von Neuem los. Dadurch ist der Zuseher ununterbrochen zwischen Hingezogen- und Abgestoßen sein hin- und hergerissen, und dies verleiht dem Film eine einmalige Wirkung.
Die Gewalt selbst strebt für die Zeit in der Tat einen enormen Härtegrad an und ist manchmal nur schwer mit anzusehen. Im Endeffekt wurde sie sogar vermarktet, als Beispiel seien hier die Kotztüten genannt, die der Kinobesucher 1970 zusammen mit seiner Eintrittskarte bekam. Sämtliche Foltermethoden des Mittelalters werden hier mittels Kunstblut und Großaufnahmen wiedergegeben und trotzdem fühlt es sich nie so an, als sei die Gewalt nur der Gewalt Willen in dem Film. Vielleicht ist sie es, aber zumindest konnten mir Hoven und Armstrong das Gefühl geben, dass die Grausamkeiten stets im Dienste von Moral und Figurenzeichnung stehen.
Apropos Figurenzeichnung: Olivera Vuco gibt als Vanessa eine wunderbare weibliche Hauptrolle ab: Sie ist lebenslustig, weiß sich gegen unfeine Annäherungsversuche zu wehren, hat ihre eigenen Weltanschauungen und beteiligt sich aktiv am Geschehen (immerhin ist sie es, welche die Bevölkerung gegen Ende zum Aufruhr aufhetzt). So ähnliche Figuren gab es schon Früher, aber wenn wurden sie meist in undankbare Nebenrollen gepresst wo sie die zweite Geige hinter irgendeiner Barby-Puppe zu spielen hatten. „Hexen bis aufs Blut gequält“ richtet sich jedoch nicht nach dieser klischeehaften Figurenkonstellation und verpasst der Person mit den interessanten Charakterzügen die Hauptrolle.
Zusammen mit Udo Kier als Christian bildet sie ein nettes Pärchen auf dessen Seite wir den ganzen Film lang voll und ganz stehen können. Ihre Liebe zu Christian nehmen wir ihr auch ab, denn immerhin ist er höflich, vornehm, zurückhaltend, ihre gemeinsamen Szenen sind von der schönsten Musik die bis dato in Noten gefasst wurde begleitet, er rettete ihr Leben und Last but not Least sieht ihre einzige Alternative in Sachen Liebhaber so aus:
Unsere Helden sind also so richtig schön sympathisch und des Beste ist: Die Schurken sind wiederrum so richtig schön unsympathisch, dass man sie fast schon wieder gerne haben muss: Dem Oberfiesling Herbert Lom stehen gleich drei überschmierige Sleazebolzen zur Verfügung: Reggie Nalder als kleinkalibriger Hexenjäger ist furchteinflößend; Johannes Buzalski als der Advokat ist schleimig; und Herbert Fux als Henker und Foltermeister ist einfach genial!
Seine Figur ist nicht die hellste (dargestellt durch hinreißend zusammengekniffene Augen, wenn er versucht nachzudenken) und trotzdem steht er, von Lom ausgenommen, immer über allem und jedem, sehr schön beispielsweise, wenn er dem ebenfalls diabolischem Nalder mittels Peitsche zeigt, wer hier der Herr im Hause ist. In einer seiner besten Szenen bindet er einem lebenden Hasen Fäden um und spielt mit ihm Marionette. Warum tut er das? Keine Ahnung, aber wenn Herbert Fux Lust hat einem lebendem Hasen Fäden umzubinden und mit ihm Marionette zu spielen, dann ist das nicht zu hinterfragen. Plus er und Herbert Lom, die sich beide selbst synchronisieren haben einfach unsagbar einnehmende Stimmen.
Interessant fand ich auch zu beobachten, dass Nalder, Lom und Kier (gemeint sind hier natürlich ihre jeweiligen Rollen) alle aus verschiedenen Motivationen die Hexenjagd betreiben: Nalder ist ein Psychopath der Menschen gerne leiden sieht, weswegen er sie ohne Prozess foltern und hinrichten lässt. Herbert Lom ist diabolisch intelligent und verfolgt finanzielle Interessen oder versucht seinen Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren. Und der naive Udo Kier glaubt einfach an den ganzen Hokus Pokus und denkt, er tut der Menschheit mit der Hexenverfolgung einen Gefallen. Es ist faszinierend zu untersuchen, welcher von den dreien wohl der Gefährlichste ist.
Damit die Bösen auch so richtig böse wirken gibt es natürlich auch die symbolische Unschuld, die unter ihnen leidet, nämlich Mr. und Mrs. Marionettenspieler und deren Sprösslinge. Mr. Marionettenspieler (gespielt von dem Produzenten/Regisseur/Drehbuchautor himself Adrian Hoven) ist ein fescher grundguter Samariter und seine Frau (Ingeborg Schöner) zeigt sich als naiver unschuldiger in Zucker getauchter Engel, der direkt einem Heimatfilm entsprungen zu sein scheint (kein Witz, schaut euch Schöners Filmographie an). Ihr Nachwuchs besteht selbstverständlich aus einem Jungen (Hovens eigener Sohn Percy) und einem Mädchen, beide selbstverständlich blond gelockt. Solche Charaktere wären zwar als Hauptfiguren unbrauchbar weil langweilig, aber in einer reinen Opferrolle sind sie schlichtweg perfekt.
Kurz noch zur Musik, die einfach unbeschreiblich wundervoll ist, und das obwohl sie von niemand anderem stammt als dem Schlagerraunzer, der uns gelehrt hat, dass Tränen nicht lügen, Michael Holm: Die Hexenjäger werden von einem unheimlichen Geigen-Gequietsche begleitet, das durch Mark und Bein geht und als die aufgebrachte Bevölkerung rebelliert bekommen wir einen schönen Marsch, welcher der Marseillaise um nichts nachsteht. Beide Kompositionen sind jedoch gar nichts gegen das romantische Thema, dass wir im Film in den verschiedensten Arrangements bekommen, nicht selten durch wohlklingende Sängerinnen unterstützt. Ich las oft, dass diese wundervolle Melodie mit Ortolanis Thema zu „Cannibal Holocaust“ verglichen wird und besonders als Holm in der Anfangsszene säuselnde Geigen mit ruhigem Schlagzeug mischte erkannte ich wieso, dass die entspannenden Töne in beiden Szenen über eine harmonische Landschaft gelegt werden verstärkt die Ähnlichkeit noch zusätzlich. Ich persönlich halte Ortolanis Musikstück für ein
klitzekleines Bisschen gelungener aber nichtsdestotrotz bleibt Michael Holms musikalische Untermalung zu „Hexen bis aufs Blut gequält“ ein durch und durch göttliches Erzeugnis unvorstellbarer Schönheit.
Das deprimierende Ende erinnerte mich übrigens ein wenig an den vor kurzem Besprochenen „Greta – Haus ohne Männer“: Die Unterdrückten lehnen sich endlich auf, aber sonderlich rosig wird es trotzdem nicht. Bei beiden Filmen verfehlen die mitreißenden und pessimistischen Showdowns ihre Wirkungen nicht.
Fazit: Die Regie mischt auf stimmige Weise idyllische Postkartenmotive mit furchtbaren Folterszenen, unterstützt von einem der schönsten Soundtracks aller Zeiten und Olivera Vuco sieht sich als sympathische und intelligente Heldin mit einer Übermacht diabolischer schmieriger Schurken konfrontiert. So muss ein Film sein, viel besser geht’s nicht. 10/10