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Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Verfasst: Di 6. Mär 2012, 14:16
von dr. freudstein
Ähem :winke: :offtopic:

vielleicht hier weitermachen

http://deliria-italiano.org/phpbb/offto ... 1-110.html

oder im Musikunterforum einen Thread erstellen

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Verfasst: Mi 7. Mär 2012, 00:01
von Adalmar
Du hast schon recht, vielleicht könnte ein Moderator so nett sein und das ganze Thema irgendwohin verschieben?
buxtebrawler hat geschrieben:Die Komplexität des gespielten Materials und der Kompositionen sagt nichts über die Qualität der Musik aus, einfache Songstrukturen können sehr viel wichtiger sein als technisch anspruchsvolles Gefrickel, von dem nichts hängenbleibt. Wichtig ist, dass etwas herüberkommt, Energie, Emotionen, Leidenschaft. Und dafür ist eben weniger oft mehr, sind die am spontansten aus dem Bauch heraus eingezimmerten Songs effektiver als verkopfte, selbstgefällige "Kunst"projekte.
Energie, Emotionen, Leidenschaft assoziiere ich unmittelbar mit meinen bevorzugten Progbands - so wie du diese Dinge mit Punk assoziierst. Z. B. hör dir das Album "Red" von King Crimson oder "Still Life" von Van der Graaf Generator an und sag mir dann noch mal, dass da keine Emotionen sind. Peter Hammill von Van der Graaf Generator ist für mich vielleicht der emotionalste Sänger überhaupt. Der Unterschied ist die Komplexität der Kompositionen und die Versiertheit der Spieler, das hat nichts mit Selbstgefälligkeit zu tun. Fälschlicherweise wird Prog oft auf endlose Soli reduziert. Prog ist aber kein Jazz, wo tatsächlich lange Soli oft zu Technikdemonstrationen werden. Beispielsweise Genesis haben das komplett abgeschafft, da ab 1971 deren Alben komplett durchkomponiert und solistische Exzesse daher gar nicht möglich waren. Und auch wenn ein Musiker mal ein längeres Solo hat, neigen Prog-Musiker im Unterschied zu Typen wie Angus Young oder anderen Kasperles eher zu einer introvertierten Haltung. Ich will Punk gar nicht schlechtreden (abgesehen davon, dass ich absolut nichts mit den Politparolen vieler Deutschpunk-Bands anfangen kann), aber es stört mich, dass diese Musik bezogen auf ihre Entstehungszeit immer glorifiziert wird, indem Prog irgendwelche Defizite vorgeworfen werden, die höchstens aus der Außenperspektive vorhanden sind. Für wen Emotionalität im Konzert Mitgrölen mit der Bierdose in der Hand bedeutet, der wird natürlich mit Prog nicht glücklich.

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt

Verfasst: So 11. Jan 2015, 17:04
von jogiwan
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Die sechzehnjährige Simone (Désirée Nosbusch) aus Ulm ist ein großer Fan des Musikers „R“ (Bodo Steiger) und während ihre gleichaltrigen Kollegen tagtäglich in der Schule sitzen, schwänzt die junge Schülerin den Unterricht um den Postboten abzufangen um zu sehen, ob der von der jungen Frau über alle Maßen idealisierte Sänger einen ihrer vielen und mit glühender Leidenschaft verfassten Fanbriefe beantwortet hat. Doch die erhofften Antwortschreiben bleiben natürlich aus und während sich Simone mit ihrem Walkman immer mehr von ihrer Umwelt abkapselt und in den Texten des Sängers als versteckte Botschaften an sie wahrnimmt, leiden auch die schulischen Erfolge stark unter der eigenbildeten und sehr einseitigen Liebesaffäre, die sich Simone von ganzen Herzen so sehnlichst wünscht.

Als es daraufhin mit ihren Eltern zum Streit kommt und diese zunehmend verständnislos auf die Schwärmereien ihrer Tochter regieren, reißt Simone von zuhause aus und versucht mittels Autostopp nach München zu kommen, wo „R“ im Rahmen der Popmusik-Sendung „Top Pop“ seine neue Single vorstellen soll. Tatsächlich schafft es die junge Schülerin trotz unfreiwilligem Zwischenstopp nach München, wo sie kurze Zeit darauf am Parkplatz vor dem Fernsehstudio neben weiteren Fans auch erstmalig auch auf „R“ trifft. Das Treffen bleibt auch nicht ohne Folgen für den aufgeregten Teenager und während Simone nach einem Lächeln von „R“ in Ohnmacht fällt, schafft sie es so auch, dass Interesse des Sängers zu erwecken, der die junge Frau daraufhin zu einer Probe des Fernsehsendung einlädt.

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Als „R“ Simone nach einem fulminanten Auftritt in der Sendung und einem Streit mit seinem Management auch noch in die Wohnung eines für längere Zeit verreisten Freundes einlädt, scheint für Simone ihr lange gehegter Traum in Erfüllung zu gehen und sie verbringt mit „R“ ihr erstes Mal. Als dieser jedoch Simone danach lapidar mitteilt länger in Urlaub fahren zu wollen und keine Anstalten macht, Simone mitzunehmen oder das Treffen zu wiederholen merkt Simone, dass „R“ sie nur benutzt hat und seine schönen Worte nur dazu dienten, die junge Frau einmalig ins Bett zu bekommen. Doch der glühende Fan ist nicht bereit, sein Idol so einfach gehen zu lassen und Enttäuschung, Zorn und der unbändige Wille mit „R“ für immer eine Beziehung zu führen, lassen Simone schon bald unvorstellbar grausame Dinge tun…

„Ein Fan ist ein Mensch, der längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für ihn externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen, abstrakten oder sportlichen Fanobjekt hat und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Ressourcen wie Zeit und/oder Geld investiert“ (quelle: wikipedia)

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Regisseur Eckhart Schmidt ist in der deutschen Medienlandschaft wohl eine ziemliche Ausnahmeerscheinung und obwohl die Filme des streitbaren Mannes seit Jahrzehnten durchwegs auf negative Kritik stoßen und auch von den Zuschauern zwiespältig bis kontrovers aufgenommen werden, sind seine zahlreichen Werke doch auch immer auf ihre Art sehr ungewöhnlich, auf entrückte Weise sperrig und kümmern sich selten um bestehende Genre-Konventionen, Schublanden oder etwaige Zuschauererwartungen. Auch meine Wenigkeit ist dabei durchaus gespalten und auch wenn Herr Schmidt zweifelsfrei sehr spannende Streifen gedreht hat, so finden sich in fast allen seinen Werken wie „Alpha City“, „Loft“, „Das Wunder“ oder der fast schon unpackbare „Wie treu ist Nick?“ auch immer Elemente und Wendungen, die selbst aufgeschlossenen Menschen ohne Scheuklappen die Hirnwindungen runzeln lassen und auch das Endergebnis trotz kurzweiliger Erzählweise zwiespältig erscheinen lassen.

Nicht viel anders gelagert ist die Sache auch bei seinem 1982 entstandenen „Der Fan“, dem imho wohl interessantesten und bekanntesten Werk im Schaffen Schmidts, dem ja der Ruf eines Skandalfilms vorauseilt und als einer der wenigen deutschen Genre-Produktionen auch im Ausland einen entsprechenden Bekanntheitsgrad verfügt. Dieses präsentiert sich dem Zuschauer als Drama über fehlgeleitetem Starkult und einem kontroversen, letzten Drittel, dass auch heute noch starke Reaktionen bei seinem Publikum hervorrufen und dieses scheinbar mühelos in zwei Lager spaltet. Leicht macht es Eckhart Schmid seinen Publikum ja nicht unbedingt und präsentiert ein Mädchen, die wie viele ihrer Altersgenossinnen für einen Musiker schwärmt. Doch während es bei dem überwiegenden Anteil der jungen Frauen bei der Schwärmerei und das Idol unerreichbar bleibt, ist Simone bereit, ihre Liebe zu dem Sänger „R“ auf ein nächstes Level zu hieven und geht am Ende nicht nur bildlich gesprochen soweit, sich den Star mit Haut und Haaren einzuverleiben.

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Der Film startet dabei wie ein schnulziges Teenager-Drama und konzentriert sich voll und ganz um das bewegte Gefühlsleben der sechzehnjährigen Simone, die ihr bewegtes Gefühlsleben aus dem Off erklärt und den Sänger „R“ zu ihrem alleinigen Lebensinhalt erklärt hat. Sie schreibt glühende Liebesbriefe, schmiedet gemeinsame Zukunftspläne und hat selbst für nicht erfolgende Rückmeldung ihres Schwarms und dem ablehnenden Verhalten ihres Umfelds eine plausible Erklärung. Statt Schule und Freundeskreis ist sie lieber mit der Musik ihres Idols alleine und deutet seine Texte auf immer abstrusere Weise und strickt sich in ihrem fanatischen Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft ihre ganz eigene Realität und reagiert aggressiv, wenn dieses von außen bedroht wird.

Als Simone dann ihrem Schwarm gegenübersteht und dieser sogar Interesse an dem hübschen Teenager zeigt, scheint diese am Höhepunkt ihres noch jungen Lebens angekommen und opfert in dem metaphorischen Streifen ihre Jungfräulichkeit als größtes Zeichen ihrer Liebe. Doch „R“ dankt es der jungen Frau nicht, sondern „wirft“ sie nach der gemeinsamen Nacht weg, ohne weitere Gedanken an Simone zu verschwenden. Und als diese „R“ nicht gehen lassen möchte und im Affekt erschlägt, zerstückelt und sich einverleibt, verleiht dieses dem Sprichwort „jemand zum Fressen gern haben“ eine vollkommen neue Bedeutung und sieht in der vermuteten Schwangerschaft auch die Reinkarnation des Stars, den sie mit ihrem unvorstellbaren Akt für immer an sich gebunden und verstreut das Mahl aus seinen Knochen in alle Winde, sodass sie ihn niemals mehr mit irgendjemanden teilen muss.

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Alles natürlich starker Tobak und in dem mitgelieferten und auch sehr interessanten Interview beschreibt Schmidt nicht nur die turbulenten Entwicklungen rund um den jahrzehntelang indizierten Streifen, sondern beschreibt diesen selbst als „kannibalische Love-Story“ und fasst den Inhalt seines kontroversen Streifens auch recht süffisant in wenigen Worten zusammen. Der Regisseur erklärt auch, warum er im Verlauf seines inhaltlich eher simpel gehaltenen Streifens über Popkultur im Allgemeinen auch immer wieder etwas seltsam anmutende Verweise mit Leni Riefenstahl-Romantik an den Nationalsozialismus eingebaut hat. So zeigt „Der Fan“ nicht nur jugendliche Fan-Liebe in ihrer übersteigerten Form, sondern wirft auch Fragen in den Raum, inwieweit in vermeintlich aufgeklärten Tagen wie diesen nicht nur Minderjährige anfällig für charismatische (Leit-)Figuren sind und diese kritiklose Hingabe an eine andere Person auch in der eigenen Wahrnehmung eine Rolle spielen.

Eckhart Schmidt wird auch nicht müde zu betonen, dass es sich bei Désirée Nosbusch auch um seine absolute Traumbesetzung für seinen Streifen handelt, auch wenn der Streifen in einem Zerwürfnis mit seiner jungen Darstellerin endete, die im Jahr 1982 trotz ihres jugendlichen Alters bereits selbst ein sehr bekannter Teenie-Star war. Nosbusch war angesichts des kontroversen Ergebnisses und zahlreichen Nacktszenen wohl um ihre weitere Karriere besorgt und versuchte den Film gerichtlich zu stoppen, was jedoch nicht gelang, da sich Schmidt entgegen den Vorwürfen der Schauspielerin und ihres Managements an die vereinbarten Drehbedingungen hielt. Dadurch entstand auch ein sogenannter und von den Medien gerne aufgegriffener „Skandal“ und auch wenn sich Schmidt und Eckhart laut eigenen Aussagen wieder versöhnt haben, waren die unschönen Schlagzeilen sicher nicht ganz unschuldig daran, dem Film zu einem zusätzlichen Bekanntheitsgrad zu verhelfen.

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Der Streifen lebt auch zur Gänze von der Darstellung von Désirée Nosbusch, die im Off ihre Gefühle erläutert und sich ansonsten als rebellischer Teenager in einer schwierigen Zeit ansonsten sehr schweigsam gibt und ihren Körper, Mimik und Gestik für sich sprechen lässt. Die zahlreichen Nacktszenen der damals minderjährigen Darstellerin könnte man so heute wohl nicht mehr so bringen und stammen aus einer Zeit, als gesellschaftlich noch völlig anders mit jugendlicher Nacktheit umgegangen wurde. Offensichtlich hat sich in den Siebzigern und Achtzigern wie in zahlreichen anderen und unrühmlichen Bespielen auch niemand etwas Besonderes dabei gedacht, sehr junge Mädchen in Film und sonstigen Medien leichtbekleidet oder gleich vollkommen nackt in Szene zu setzen und ein fatales Lolita-Image herum zu kreieren.

Der Rest der Darsteller des Films kann mit Nosbusch dann nicht mithalten und vor allem Bodo Steiger, wirkt neben mangelnder schauspielerischer Erfahrung wohl auch aufgrund der Ikonen-haften Inszenierung seiner Figur und normalen Erscheinung abseits der Kameras eher hölzern, was aber andererseits auch den Kontrast zwischen idealisiertem Star-Sein und der Realität eindrucksvoll wiederspiegelt. An „R“ ist auch nichts übermenschlich oder besonders, sondern entpuppt sich als Mensch wie du und ich mit durchaus üblichen Charaktereigenschaften, die nur wenig mit Wunschdenken des Teenagers zu tun hat. Mit Bodo Steiger der Gruppe Rheingold wurde laut Schmidt auch bewusst eine Gruppe der „Neuen Deutschen Welle“ gewählt, die auch den Soundtrack zu dem Werk beigesteuert hat und zu den Gruppen dieser Strömung zählt, die sich laut Aussage des Regisseurs auch bewusst mit Themen des Faschismus in ihrem Schaffen auseinandergesetzt hat.

Neben VHS-Auswertungen gibt es von „Der Fan“ auch bereits mehrfach in DVD-Auflagen, wobei nun alle bisherigen Scheiben und Kassetten von der wunderbaren Blu-Ray-Disc übertroffen werden, die den Film auch in wirklich ausgezeichneter Bildqualität präsentiert. Neben zahlreichen Trailern in deutscher und englischer Sprache, Auszügen aus dem Originaldrehbuch gibt es als besonderes Extra ein neues Interview mit dem Regisseur, der über seinen Film und dessen Geschichte erzählt und noch dazu ein paar sehr interessante Details über „Der Fan“ berichten kann und wie der ausgefuchste Regisseur den Streifen trotz kontroversen Inhalts mit einem Trick durch die FSK-Prüfung bekommen hat. Abgerundet wird die empfehlenswerte Veröffentlichung dann noch mit einer Bildergalerie, der Geschichte in Bildern aus dem damalig veröffentlichten Fotobuch und weiteren Trailern aus dem Programm des Berliner Labels.

Unterm Strich bleibt einer der wenigen kontroversen Filme aus deutscher Genre-Produktion, die auch international wahrgenommen wurden und der auf unkonventionelle Weise eine Liebesgeschichte der etwas anderen Art erzählt. Was als Teenager-Schwärmerei für einen Star und einem Drama aus der „Coming-of-Age“-Ecke beginnt, endet in einem wahren Alptraum, der mich in seiner Machart auch an Takashi Miikes „Auditon“ erinnert, der ebenfalls harmlos anfängt und am Ende völlig in ungeahnte und intensive Gefilde kippt und den bereits in Sicherheit wiegenden Zuschauer auf dem falschen Fuß erwischt. Eckhart Schmidt geht dabei fast noch einen Schritt weiter als sein japanischer Regie-Kollege und die in „Der Fan“ präsentierte Mischung aus jugendlicher Unschuld und tödlichen Bestimmtheit in Kombination unterkühlter NDW-Optik und Nazi-Ästhetik führen auch heutzutage noch zu starken Reaktionen und die Mischung aus Exploitation und Drama kann man wohl auch nur lieben oder hassen.

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PS: die Screenshots sind nicht von der Blu-Ray, sondern von der DVD aus der Eckhart Schmidt-Box
[Anm. bux: Ein paar waren leider schon beim Bildhoster directupload.net gelöscht worden, die anderen habe ich "gerettet" und reintegriert.]

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Mo 12. Jan 2015, 10:11
von Arkadin
Die 16-jährige Schülerin Simone (Désirée Nosbusch) hat sich hoffnungslos in den Popstar “R” (Bodo Steiger) verliebt. Sie gibt sich romantischen Tagträumen hin, schreibt ihm leidenschaftliche Briefe und vernachlässigt die Schule, um im Postamt auf “R”s Antwort zu warten. Nach einem Streit mit ihren Eltern, reißt sie aus und schlägt sich per Anhalter nach München durch, wo sie vor einem Fernsehstudio auf ihr Idol wartet. Tatsächlich wird “R” auf sie aufmerksam, woraufhin sie in Ohnmacht fällt. “R” nimmt sie mit ins Studio und kümmert sich um sie. Anschließend fahren sie gemeinsam zu ihm nach Hause. Nachdem sie Sex hatten, will “R” sie allein zurücklassen, was bei Simone zu einer fatalen Kurzschlussreaktion führt…

Ich kann mich noch sehr gut an den „Skandal“ erinnern, als Eckhart Schmidts „Der Fan“ 1982 in die Kinos kam. Zwar zählte ich nie zu den Käufern der „Bravo“, aber die lag natürlich bei meinen Klassenkameraden herum. Und da war „Der Fan“ DAS Thema. Die beliebte und nette Désirée Nosbusch, damals zarte 16, die auf dem ZDF die Musiksendung „Musicbox“ moderierte, trat in diesem Film nackt (!) auf und tat schlimme Dinge. Natürlich wurde dies in dem Jugendmagazin ausgeschlachtet, und der Film prominent zusammen mit eindeutigen Fotos präsentiert (wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, gleich neben Charles Bands Horror-Film „Parasite“ mit der jungen Demi Moore). Dass die Nosbusch dann auch noch gerichtlich gegen den Film vorging, verstärkte nur noch seine „Verruchtheit“ und verlieh ihm legendäre Züge. Natürlich durfte ich mit süßen 12 Jahren gar nicht erst darüber nachdenken, ob ich dieses Werk im Kino zu sehen bekomme. Und in den folgenden Jahren verselbständigte sich die Fantasie, was in diesem oftmals als „Horrorfilm“ deklarierten Streifen, passiert. Umso überraschender, dass es ganze 32 Jahre dauern sollte, bis ich ihn dann endlich zu Gesicht bekam.

In der Rückschau wirkt der Film – trotz der noch immer bestehenden FSK-18-Freigabe – weitaus harmloser als damals. Zumal heutzutage die Erinnerungen an die junge, unschuldig reine Désirée Nosbusch von damals verblasst ist, und ihre Besetzung keine Sensation mehr darstellt. Auch der Tötungsakt und die darauf folgenden Taten am toten Leib des Popstars „R“, sind für heutige Verhältnisse sehr zurückzuhalten gefilmt und weit von eventuellen Splatter-Exzessen entfernt, auch wenn die Story dafür Potential geboten hätte. Eckhart Schmidt geht es auch gar nicht so sehr darum, das Publikum zu schocken. Auch wenn dies sicherlich der Publicity damals sehr zuträglich war.

Vielmehr zeichnet er das Bild einer krankhaften Obsession nach. Die blinde Besessenheit nach einer Leitfigur, in die der Fan seine Bedürfnisse, Sehnsüchte und Träume projizieren kann. Dadurch die reale Figur “R” zu einer leeren Hülle macht, die ganz und gar mit den romantischen Ideen des Fans gefüllt wird, der ihn damit vollkommen für sich vereinnahmt. Dies verquickt Schmidt in zahlreichen Sequenzen auch immer wieder mit Symbolen des dritten Reiches. „R“ tritt in an die SA gemahnende Uniformen auf, seine Logo erinnert an die SS-Runen. Fan-Geschrei wird mit „Heil“-Rufen gemischt und wenn „R“ schließlich mit seinem Fan schläft, geschieht dies vor dem Hintergrund rot-weiß-schwarzer Fahnen.

Die Figur “R”, in der Simone nur Gutes und Edles sieht, hat mit dem Menschen “R” natürlich nichts mehr zu tun, auch wenn er mit den Erwartungen seiner Fans spielt. Fast hört man da im Hintergrund ein “Wenn das der Führer wüsste” flüstern. Gegenüber Simone bemüht sich “R”, dem Idealbild zu entsprechen, um am Ende seine Interessen – Sex mit dem attraktiven Teenie – durchsetzen zu können. Doch Schmidt zeigt auch, dass dies “R” eben nur ein Mensch ist, und bei weitem nicht das gottgleiche, gütige und liebevolle Wesen, welches Simone ihn ihm sieht. Seinen Mitarbeitern und Kollegen gegenüber verhält sich „R“ nämlich so, wie man es von einem jungen Menschen, der viel zu früh und viel zu schnell zum Star aufgestiegen ist, erwarten kann: Egoistisch und rücksichtslos. Als Simones Wahrnehmung von „R“ und dessen wahres Wesen nicht mehr übereinstimmen, kommt es zur Katastrophe. Nur indem Simone die Person „R“ auslöscht, kann ihr Bild von „R“ weiterleben.

Dass der Fan sich dann das Idol wortwörtlich einverleibt, ist eine überdeutliche und drastische Metapher, die dem Film seine Bekanntheit sicherte, aber im Grunde etwas dick aufgetragen wirkt. Der Fan hat den Menschen hinter der Fassade getilgt und sich damit das Bild vollkommen angeeignet, es zu seinem Besitz gemacht. “Der Fan” ist teilweise eine etwas kopflastig-konstruierte Angelegenheit, die echte Emotionen zugunsten der Allegorie vernachlässigt. Zudem wird offensichtlich, dass Schmidt nicht vom Film, sondern der Malerei, der Dichtung und dem Theater kommt, denn der Film wirkt über weite Strecken intellektuell unterkühlt und statisch. Die Dialoge werden von der Nosbusch und Bodo Steiger, in der Rolle des „R“, eher aufgesagt als gesprochen.

In einem Interview, welches auf der CMV-Blu-ray zu finden ist, erzählt Schmidt davon, dass er – um die FSK milde zu stimmen – einen Schluss gedreht hätte, in der sich alles als Traum der Simone entpuppt. Dieses Ende hätten er uns seine Mitstreiter aber gehasst, so dass er vor der Premiere persönlich in die Kinos gefahren sei, um dieses Ende wieder aus der Kinorolle heraus zu scheiden. Interessanterweise finden sich aber im Film trotz allem zahlreiche Hinweise darauf, dass die zweite Hälfte, in der Simone „R“ trifft, sich tatsächlich nur im Kopf des emotional überlasteten Fans abspielt. So ist die erste Hälfte immer wieder von Szene durchzogen, in denen Simone sich zusammenphantasiert, was mit ihren Briefen an „R“ passiert. Solche Fantasie-Szenen kommen in der zweiten Hälfte dann nicht mehr vor. In ihren Fantasien tritt auch immer eine Frau auf, die sich dann später in der Realität als „R“s Sekretärin entpuppt und bei ihrem Zusammentreffen mit Simone, diese scheinbar wiedererkennt. Auch wirkt die Szene, in der „R“ das erste Mal auf Simone zu geht und diese daraufhin ohnmächtig wird, sehr wie eine Jung-Mädchen-Fantasie und weniger wie etwas, was in der Realität passieren könnte. Und schließlich schläft Simone vor der Begegnung mit „R“ tatsächlich ein. Bevor sie dann plötzlich in der Menge steht, hat sie einen merkwürdigen Traum, auf den nicht weiter eingegangen wird. Dieser könnte durchaus den Bruch zwischen Realität und Traum darstellen.

Weder Désirée Nosbusch, noch Bodo Steiger, verfügten über große Schauspielerfahrung. Beim Schauspiel der Nosbusch, scheint man manchmal die Regie-Anweisungen Schmidts zu hören. Ihre etwas hölzerne Darstellung passt allerdings zu der jugendlichen Unsicherheit und Simones Verlorenheit. Bodo Steiger war zum Zeitpunkt des Filmes Sänger der Gruppe „Rheingold“, die auch den vorzüglichen Soundtrack zu „Der Fan“ ablieferten. „Rheingold“ gehörte zu den Neue-Deutsche-Welle-Gruppe, die eine neue, deutschsprachige „Wave“-Musik generierten, bevor die „Neue Deutsche Welle“ mit Aufkommen von Bands wie Geier Sturzflug oder Frl. Menke hoffnungslos „verschlagert“ und erbarmungslos kommerzialisiert wurden. Vielleicht spielte auch seine Ähnlichkeit mit „Joy Division“-Sänger Ian Curtis, der ja selber ein tödliches Problem mit dem Star-sein hatte, bei der Besetzung eine Rolle. An Joy Division muss man auch bei Rheingolds Musik und Bodo Steigers Gesang denken, die stark von der britischen Band beeinflusst klingt.

„Der Fan“ ist ein interessantes, intellektuelles Gedankenspiel über die Beziehung zwischen Fan und Star. Die unterkühlt-kopflastige Herangehensweise, das etwas hölzerne Spiel der beiden Protagonisten und der deutliche Allegorie-Charakter distanziert den Zuschauer allerdings vom Geschehen. Die möglicherweise von Schmidt beabsichtige Schockwirkung der “Skandalszenen” wird dadurch unterlaufen.

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Di 14. Apr 2015, 22:52
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 24.04.2015 bei cmv noch einmal auf Blu-ray:

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Extras:
- Deutscher Trailer
- Englischer Trailer
- Featurette: „Eine kannibalistische Lovestory“ - Eckhart Schmidt erinnert sich an DER FAN
- Auszüge aus dem Originaldrehbuch
- Tagebuch einer Sechzehnjährigen: Die Geschichte in Bildern
- umfangreiche Bildergalerie
- Trailer zu HERZFLIMMERN, YOU ARE NOT ALONE und PRAYERS FOR BOBBY
- animierte interaktive Menüs

Quelle: OFDb-Shop

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Do 14. Mai 2015, 17:33
von karlAbundzu
Irgendwann mitte ende der 80er, schmuddelige vhs kopie des damals indizierten (?) films, den ich als junger bravo leser schon spannend fand. immerhin mit der von mir sehr gemochten rheingold musik, und der von mir gemochten tv-moderatorin. (Gab es nich auch ein bravo bericht über den späteren "Gold der Liebe", den ich leider immer noch nicht zu gesicht bekommen hab?)
jetzt wiedergesichtet, DVD Ekhart Schmidt Box:
Nach einer sehr langen Einführung über das typpische Teenage Fan Problem dann das Zusammentreffen mit ihrem großen Star R. Und dann die ganzen Skandalszenen: Sex mit der sehr jungen Desiree, Nekromantismus, Blutfetisch, Kannbalismus usw usf. Dazu gemischt Naziäthetik, nicht nur in R.'s eigener Popästhetik (Htlergruß, Zeichen wie SS-Runen) sondern auch die Wahl der Farben in dem Appartment.
Alles sehr 80er: Rheingolds Musik und Sounds (sher Kraftwerk, La Düsseldorf und die elektronische Seite der NDW), die Kälte in der Familie, die kalten Farben in der Küche bei den ausgedehnten langsamen Kannibalismusszenen. Die Kamera-Einstellungen, mit wenig Bewegungen und viel Detailshots.
Mir gefiel das alles sehr gut (ok, der Herr Staiger ist kein Schauspieler). Ich fand das alls sehr passend, Kommentar zur Fan - Musiker Kultur, Komentar zur Tendenz der Popmusik zum Faschismus (auch: Laibach und Queen), im speziellen wurde das ja auch damals diskutiert ob der Benutzung der Sprache und mancher Ästhetik.
Spannend gedreht (bis auf die Länge bis zm Zusammentreffen - vor allem mit den 1. Tag bis 7. Tag untertitelungen....) und tatsächlich schockierend. Aber eher arty als splatter.
Jetzt muß natürlich irgendwie GOLD DER LIEBE ran, laut DVD Box hat Schmidt auch noch eine NDW Doku gedreht (Neue Welle '82 - Rabiate Langeweile), die will ich sowieso sehen und seinen Erstling JET GENERATION.

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Do 14. Mai 2015, 17:39
von karlAbundzu
Anmerkung, da ja zwei aus der Müncher Kreativ-Familie Moorse dabei sind:
Auf youtube fand ich neulich die sehr gute Musikrevue mit dem Titel (tata) Dreiklangdimensionen, moderiert von eben Ian Moorse, der im Fan den Jungen spielt, der in Simone verknallt ist:

leider finde ich nicht Teil 2 und 3....

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Mo 12. Sep 2016, 14:41
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 16.09.2016 bei Inked Pictures als Blu-ray/DVD-Kombination im auf 250 Exemplare im Mediabook.

Bemerkungen:
- RePack: VZ
- Nummerierte Limitierungskarte
- 8-seitiges Booklet

Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=73852

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Mi 11. Mär 2020, 15:39
von buxtebrawler
Erscheint voraussichtlich am 31.03.2020 bei Astro noch einmal auf Blu-ray in üffzig verschiedenen Mediabooks:

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Cover A, limitiert auf 250 Exemplare

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Cover B, limitiert auf 125 Exemplare

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Cover C, limitiert auf 100 Exemplare

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Cover D, limitiert auf 75 Exemplare

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Cover E, limitiert auf 50 Exemplare

Bild
Cover F, limitiert auf 50 Exemplare

Extras:
- Mehrseitiges Booklet
- Bonusfilm: "Brainsmasher" (Blu-Ray)
- Tagebuch einer Sechzehnjährigen: Die Geschichte in Bildern
- Eine kannibalistische Lovestory
- Original Drehbuch
- Englischer Trailer
- Deutscher Trailer
- Bildergalerie
- Trailershow

Quelle: OFDb-Shop

Re: Der Fan - Eckhart Schmidt (1982)

Verfasst: Mi 13. Okt 2021, 16:21
von karlAbundzu
Eckhardt Schmidts kühler Neon-Thriller.
Zu Beginn befinden wir uns im Kopf einer Teenagerin, wir hören ihre Gedanken und Tagebucheinträge, während wir sehen, wie sie durch den Alltag kommt, den Briefträger nachstellt, weil sie auf Post wartet, Probleme in der Schule und mit den Eltern. Alles wegen R., einem Popstar, den sie verehrt, dem sie verfallen ist. Wir begleiten sie auf dem Pfad des sich immer mehr steigernden Fanatismus. Eines Tages trampt sie nach München, lernt R. kennen, der nimmt sie mit ins Studio und später in einer fremden Wohnung mit ins Bett. Nicht so gut die Idee, nach dem Beischlaf doch auf Tour zu gehen wollen und erst nach Monaten wieder zu kommen. Simone schlägt ihn nieder, tot, und isst ihn nach und nach auf.
Hui, was ein Treffer. Die ganze Atmosphäre mit den grauen Gebäuden, die 80er Klamotten, der lässige Walkman, die Inszenierung R.s in Ton und TV-Auftritten, das Licht, brillant.
Und das schleichende, vom Teenagedrama zum Sex zum Tod, garniert mit faschistischen Anspielungen / Die Hitlergrußmasse in ihrem Kinderzimmer, die Farben schwarz weiß rot im Schlafzimmer.
Dann wie sie vom stummen fanatichen Backfisch zur Erfüllerin der eigenen Träume wird.
Die stetige Steigerung der Sexualisierung. Die mir mal unpassend erscheinende Szene Nackerter am FLuss mit Blickrichtung Zuschauer und/oder Simone läßt sich eventuell auch dahin packen.
Auch Bodo Staigers nicht sonderlich ausgeprägter schauspielerischer Fähigkeiten störten mich diesmal nicht.
Prima.

PS: Bei dem Ende könnte man einen zweiten Teil drehen, was wurde aus....