Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Lohnt der Angriff-Tartort? Ich habe vor, die Mediathek zu bemühen
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Wie fandst du ihn denn? Meine ausführliche Kritik folgt in Kürze...Onkel Joe hat geschrieben:Wer hat gestern : "Tatort - Angriff auf Wache 08" geschaut?
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Och jo, eine irgendwie recht niedliche Verbeugung vor "Assault on Precinct 13", gewissermaßen in Form eines harmlosen "Pseudo-Remakes".purgatorio hat geschrieben:Lohnt der Angriff-Tartort? Ich habe vor, die Mediathek zu bemühen
Geht durch.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Hatte seine Momente... Die Idee mit der Sonnenfinsternis und wie die Tatsache, dass auch in modernen Zeiten plötzlich keine Kommunikation nach außen mehr möglich ist, gelöst wurde fand ich ganz originell.Blap hat geschrieben:Och jo, eine irgendwie recht niedliche Verbeugung vor "Assault on Precinct 13", gewissermaßen in Form eines harmlosen "Pseudo-Remakes".purgatorio hat geschrieben:Lohnt der Angriff-Tartort? Ich habe vor, die Mediathek zu bemühen
Geht durch.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Ich war erst um 21 Uhr daheim, konnte nicht mehr viel sehen aber als dann auch Carpenters Musik kopiert wurde musste ich erstmal wieder umschalten.buxtebrawler hat geschrieben:Wie fandst du ihn denn? Meine ausführliche Kritik folgt in Kürze...Onkel Joe hat geschrieben:Wer hat gestern : "Tatort - Angriff auf Wache 08" geschaut?
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Gestern gesichtet... am Anfang fühlte ich mich etwas veräppelt. Der Film war gnadenlos over the top. Einem Realitätsanspruch versuchte da niemand gerecht zu werden. Diesen Drops muss man natürlich erstmal lutschen. So handeln keine deutschen Polizisten - ich glaube, so handeln auch keine deutschen Gangster. Die gesamte Szenerie passt nicht zu diesem Land und seinem Rechtssystem. Aber hat man das erstmal akzeptiert, dann läuft vor dem Auge des fassungslosen Betrachters ein exploitatives Feuerwerk, das sich gewaschen hat. Dafür haben die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten Geld locker gemacht? Glückwunsch an den Regisseur und den Produzenten - das Ding so verkauft zu bekommen, ist eine Glanzleistung! Denn was kommt am Ende? Lupenreine Exploitation, eine detaillierte Hommage an Carpenters ASSAULT, ein maßlos übertriebenes, fiebrig heißes, schießwütiges und fesselndes Stück Film (im unterhaltsam positiven Sinne), das man so nicht erwartet hätte. Vollgepackt mit Stereotypen und "Zufällen", irrsinnig und unsinnig - also akkurate Unterhaltung, wie man sie sich in den späten 70ern im Bahnhofskino gewünscht hätte. Toll!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Til no likey
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Murot und das Murmeltier
„Geiselnehmer – kennste einen, kennste alle!“
Auch der siebte Wiesbadener „Tatort“ um Ulrich Tukur in seiner Rolle als LKA-Ermittler Felix Murot wurde zum Anlass genommen, klassische TV-Krimi-Sujets zu durchbrechen und sich stärker der Filmkunst zu widmen: „Murot und das Murmeltier“, geschrieben und inszeniert von Dietrich Brüggemann (nach „Stau“ sein zweiter „Tatort“), ist eine Hommage an die turbulente US-Zeitschleifenkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ aus dem Jahre 1993. Die Mystery-Krimikomödie wurde bereits 2017 gedreht und am 30.08.2018 auf dem Festival des deutschen Films uraufgeführt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte erst am 17.09.2019. Neben dem Drehbuch stammen auch die vom Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks eingespielten Kompositionen von Brüggemann.
„‘n Kaffee, ‘n Tee, ‘n Schnaps und ‘n Croissant!“
Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) klingelt Murot frühmorgens aus dem Bett: Ein Geiselnehmer (Christian Ehrich, „3 Zimmer/Küche/Bad“) hat sich zusammen mit seiner Komplizin (Nadine Dubois, „Tschick“) in einer Taunusbank-Filiale verschanzt und die Bankangestellten als Geiseln genommen. Vor Ort lässt sich Murot von Wächter sowie den Einsatzkräften Dreher (Tom Lass, „Tatort: Auf einen Schlag“), Brendel (Jörg Bundschuh, „Tatort: Verschleppt“) und Schreiner (Monika Anna Wojtyllo, „Alki Alki“) auf den aktuellen Stand bringen: Die Überwachungskameras wurden abgeklebt, konkrete Einblicke in die Situation in der Filiale gibt es nicht. Der Geiselnehmer beginnt, mittels Papierfliegern mit der Polizei zu kommunizieren. Murot entschließt sich, mit schusssicherer Weste ausgestattet die Bank zu betreten und die Kriminellen zur Aufgabe zu überreden. Doch als die Situation bereits bereinigt scheint, erschießt die Gangsterin Murot. Wieder ist es sein Mobilfon-Klingelton, der Murot aus dem Schlaf reißt: Wächter zitiert ihn zur Taunusbank-Filiale, wo gerade eine Geiselnahme stattfindet…
„Murot, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Der Kommissar ist krank, ich mach‘ hier heute Vertretung.“
Fast schon arrogant mein Murot von vornherein, bereits alles über den bzw. die Täter zu wissen. Wie unspektakulär die Geiselnahme scheinbar beendet wird, ist in der Tat beeindruckend, doch Hochmut kommt vor dem Fall. Murots Tod ist ein erster Schreckmoment, der jedoch keine Auswirkungen hat: Erneut begegnet Murot seiner joggenden Nachbarin mit dem offenen Schnürsenkel (Katharina Schlothauer, „Gut zu Vögeln“) im Hausflur, ärgert er sich über die laute Musik seines direkten Nachbarn (Daniel Zillmann, „Ich und Kaminski“), trifft er auf der Straße eine junge Mutter (Anna Brüggemann, „Kleinruppin Forever“) mit ihrem schimpfenden kleinen Sohn (Jakob Stöve) und reagiert er genervt auf die Windschutzscheibenputzerin (Desiree Klaeukens, „Heil“), die ihm an einer Ampel ungefragt ihre Dienstleistung aufzwingt. Willkommen in der Zeitschleife!
„Es gibt da ja noch diesen Banküberfall…“
Doch die Abläufe variieren, insbesondere die Interaktion mit dem offenbar verwirrten Bankräuber – wenngleich jeder Versuch der unblutigen Beendigung der Geiselnahme mit Murots Tod endet. Nach und nach realisiert Murot, dass er ein Gefangener der Zeit ist – und nicht nur er, sondern auch sein Antagonist Stefan Gieseking, dessen Namen er ebenso wie den der Mittäterin, Nadja Eschenbach, recherchieren konnte, da er seine Erinnerungen an die Ereignisse behält. Dass er also mit seinem Schicksal nicht allein ist, gar überhaupt erst in die Zeitschleife gerät, weil ein anderer in ihr gefangen ist, ist neben dem kriminalistischen statt romantischen Umfeld die größte Variation gegenüber dem Hollywood-Vorbild, die zu Dialogen existentiellen und philosophischen Inhalts führt: Wie lebenswert ist ein Leben in Alltagstrott und Monotonie? Ist nicht ohnehin jeder Tag derselbe und somit sinnlos? Ein Schelm, wer dabei gedanklich einen Bezug zur „Tatort“-Reihe herstellt: Verläuft nicht auch diese viel zu häufig nach Schema F? Geht es ihr nicht generell vornehmlich um die Variation des ewig Gleichen?
Nun wird „Murot und das Murmeltier“ allerdings keinesfalls eine verkopfte, desillusorisch depressive Angelegenheit. Dafür sorgt allein schon der Humor, der sich ebenfalls an seinem Vorbild orientiert: Nachdem Murot sich sicher sein kann, dass er auch im Falle seines Ablebens denselben Tag erneut erleben wird, beginnt er zu experimentieren, lässt sich zu Albernheiten hinreißen, tritt im Schlafanzug den Dienst an, malträtiert seinen Nachbarn und erschießt ihn unabsichtlich, begeht kurzerhand Suizid, nachdem er sich versehentlich aus der Wohnung ausgeschlossen hat. Murot treibt diese Spielchen in seiner Mischung aus Verzweiflung und Ernüchterung schließlich sogar bis zur Täter-Opfer-Umkehr. All diese Episoden sind von unterschiedlicher Länge, was zu ihrer Unvorhersehbarkeit beiträgt, welche den „Fall“ wiederum bis zum Ende spannend und schwer unterhaltsam hält.
Eine überraschende Wendung im letzten Drittel führt endlich zu einem erfolgversprechenden Anknüpfpunkt für Murot, dem der lebensmüde Gieseking schon vor Monaten das Du angeboten haben will. Dies animiert noch einmal das Logikverständnis des Publikums: Man war als Zuschauer(in) demnach nicht bei der ersten Begegnung beider zugegen, sondern erst ab der ersten Wiederholung, an die Murot sich erinnern kann, ab der er selbst Teil der bewusst wahrgenommenen Zeitschleife wurde. Aber auch unabhängig von diesen Logikspielchen ist „Murot und das Murmeltier“ eine erfrischende Ehrerbietung an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ sowie eine gelungene, teils bissige und schwarzhumorige Variation, die auch ohne Kenntnis der Vorlage bestens funktioniert – was auch dem bis in die Nebenrollen hinein enorm spielfreudigen Ensemble geschuldet ist.
„Geiselnehmer – kennste einen, kennste alle!“
Auch der siebte Wiesbadener „Tatort“ um Ulrich Tukur in seiner Rolle als LKA-Ermittler Felix Murot wurde zum Anlass genommen, klassische TV-Krimi-Sujets zu durchbrechen und sich stärker der Filmkunst zu widmen: „Murot und das Murmeltier“, geschrieben und inszeniert von Dietrich Brüggemann (nach „Stau“ sein zweiter „Tatort“), ist eine Hommage an die turbulente US-Zeitschleifenkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ aus dem Jahre 1993. Die Mystery-Krimikomödie wurde bereits 2017 gedreht und am 30.08.2018 auf dem Festival des deutschen Films uraufgeführt. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte erst am 17.09.2019. Neben dem Drehbuch stammen auch die vom Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks eingespielten Kompositionen von Brüggemann.
„‘n Kaffee, ‘n Tee, ‘n Schnaps und ‘n Croissant!“
Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) klingelt Murot frühmorgens aus dem Bett: Ein Geiselnehmer (Christian Ehrich, „3 Zimmer/Küche/Bad“) hat sich zusammen mit seiner Komplizin (Nadine Dubois, „Tschick“) in einer Taunusbank-Filiale verschanzt und die Bankangestellten als Geiseln genommen. Vor Ort lässt sich Murot von Wächter sowie den Einsatzkräften Dreher (Tom Lass, „Tatort: Auf einen Schlag“), Brendel (Jörg Bundschuh, „Tatort: Verschleppt“) und Schreiner (Monika Anna Wojtyllo, „Alki Alki“) auf den aktuellen Stand bringen: Die Überwachungskameras wurden abgeklebt, konkrete Einblicke in die Situation in der Filiale gibt es nicht. Der Geiselnehmer beginnt, mittels Papierfliegern mit der Polizei zu kommunizieren. Murot entschließt sich, mit schusssicherer Weste ausgestattet die Bank zu betreten und die Kriminellen zur Aufgabe zu überreden. Doch als die Situation bereits bereinigt scheint, erschießt die Gangsterin Murot. Wieder ist es sein Mobilfon-Klingelton, der Murot aus dem Schlaf reißt: Wächter zitiert ihn zur Taunusbank-Filiale, wo gerade eine Geiselnahme stattfindet…
„Murot, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Der Kommissar ist krank, ich mach‘ hier heute Vertretung.“
Fast schon arrogant mein Murot von vornherein, bereits alles über den bzw. die Täter zu wissen. Wie unspektakulär die Geiselnahme scheinbar beendet wird, ist in der Tat beeindruckend, doch Hochmut kommt vor dem Fall. Murots Tod ist ein erster Schreckmoment, der jedoch keine Auswirkungen hat: Erneut begegnet Murot seiner joggenden Nachbarin mit dem offenen Schnürsenkel (Katharina Schlothauer, „Gut zu Vögeln“) im Hausflur, ärgert er sich über die laute Musik seines direkten Nachbarn (Daniel Zillmann, „Ich und Kaminski“), trifft er auf der Straße eine junge Mutter (Anna Brüggemann, „Kleinruppin Forever“) mit ihrem schimpfenden kleinen Sohn (Jakob Stöve) und reagiert er genervt auf die Windschutzscheibenputzerin (Desiree Klaeukens, „Heil“), die ihm an einer Ampel ungefragt ihre Dienstleistung aufzwingt. Willkommen in der Zeitschleife!
„Es gibt da ja noch diesen Banküberfall…“
Doch die Abläufe variieren, insbesondere die Interaktion mit dem offenbar verwirrten Bankräuber – wenngleich jeder Versuch der unblutigen Beendigung der Geiselnahme mit Murots Tod endet. Nach und nach realisiert Murot, dass er ein Gefangener der Zeit ist – und nicht nur er, sondern auch sein Antagonist Stefan Gieseking, dessen Namen er ebenso wie den der Mittäterin, Nadja Eschenbach, recherchieren konnte, da er seine Erinnerungen an die Ereignisse behält. Dass er also mit seinem Schicksal nicht allein ist, gar überhaupt erst in die Zeitschleife gerät, weil ein anderer in ihr gefangen ist, ist neben dem kriminalistischen statt romantischen Umfeld die größte Variation gegenüber dem Hollywood-Vorbild, die zu Dialogen existentiellen und philosophischen Inhalts führt: Wie lebenswert ist ein Leben in Alltagstrott und Monotonie? Ist nicht ohnehin jeder Tag derselbe und somit sinnlos? Ein Schelm, wer dabei gedanklich einen Bezug zur „Tatort“-Reihe herstellt: Verläuft nicht auch diese viel zu häufig nach Schema F? Geht es ihr nicht generell vornehmlich um die Variation des ewig Gleichen?
Nun wird „Murot und das Murmeltier“ allerdings keinesfalls eine verkopfte, desillusorisch depressive Angelegenheit. Dafür sorgt allein schon der Humor, der sich ebenfalls an seinem Vorbild orientiert: Nachdem Murot sich sicher sein kann, dass er auch im Falle seines Ablebens denselben Tag erneut erleben wird, beginnt er zu experimentieren, lässt sich zu Albernheiten hinreißen, tritt im Schlafanzug den Dienst an, malträtiert seinen Nachbarn und erschießt ihn unabsichtlich, begeht kurzerhand Suizid, nachdem er sich versehentlich aus der Wohnung ausgeschlossen hat. Murot treibt diese Spielchen in seiner Mischung aus Verzweiflung und Ernüchterung schließlich sogar bis zur Täter-Opfer-Umkehr. All diese Episoden sind von unterschiedlicher Länge, was zu ihrer Unvorhersehbarkeit beiträgt, welche den „Fall“ wiederum bis zum Ende spannend und schwer unterhaltsam hält.
Eine überraschende Wendung im letzten Drittel führt endlich zu einem erfolgversprechenden Anknüpfpunkt für Murot, dem der lebensmüde Gieseking schon vor Monaten das Du angeboten haben will. Dies animiert noch einmal das Logikverständnis des Publikums: Man war als Zuschauer(in) demnach nicht bei der ersten Begegnung beider zugegen, sondern erst ab der ersten Wiederholung, an die Murot sich erinnern kann, ab der er selbst Teil der bewusst wahrgenommenen Zeitschleife wurde. Aber auch unabhängig von diesen Logikspielchen ist „Murot und das Murmeltier“ eine erfrischende Ehrerbietung an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ sowie eine gelungene, teils bissige und schwarzhumorige Variation, die auch ohne Kenntnis der Vorlage bestens funktioniert – was auch dem bis in die Nebenrollen hinein enorm spielfreudigen Ensemble geschuldet ist.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Zerstörte Hoffnung
„Jetzt geh‘ ich zum ABV!“
Das „Tatort“-Äquivalent der DDR, die Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“, wurde auch in der Wendezeit, in der kurzen Phase der demokratisierten DDR vor ihrem Beitritt zur BRD, weiterproduziert, was die Episoden jenes Zeitraums besonders interessant macht. So auch die unter der Regie Peter Hagens („Feuerdrachen“) nach einem Drehbuch Regina Weickers Anfang 1990 entstandene, Ende 1989 spielende und am 06.01.1991 im DFF erstausgestrahlte „Zerstörte Hoffnung“ um juvenile Delinquenten, derer die Oberkommissare Jürgen Hübner (Jürgen Frohriep) in seinem 63. Fall und Lutz Zimmermann (Lutz Riemann) in seinem 25. und letzten Fall habhaft zu werden versuchen. Wie in der Reihe zu DDR-Zeiten üblich wird kein Handlungsort genannt, unverkennbar jedoch handelt es sich um Berlin.
„Dürfte ich vielleicht noch ein wenig zusehen? Das ist wie im Krimi hier!“
Alexander (Eduard Burza, „Mensch, mein Papa...!“), Schnalle (Thomas Lawinky, „Hass im Kopf“), Sioux (Oliver Goslicki, „Stein“), Sabine (Anja Kling, „Grüne Hochzeit“) und Grit (Alice Carpentier) treffen sich regelmäßig abends, um sich gemeinsam zu betrinken, zu randalieren und Münzfernsprecher zu knacken, aber auch, um einen Jugendclub aufzusuchen und dort abzuhängen. Bei Teilen der Clique führt dies zur Vernachlässigung der Schule oder der Lehre und zu Zoff mit den Eltern, z.B. bei Alex, der ein Auge auf Sabine geworfen hat und eifersüchtig reagiert, als sie mit Club-Türsteher Silvio (Thomas Mehlhorn, „Ein Mann wie eine Waffe“) flirtet. Aus Rache manipuliert er heimlich Silvios Moped, mit dem dieser verunglückt, als er den angehenden Konzertpianisten Karsten (Volker Ranisch, „Der Bruch“) als Sozius aufsitzen hat. Als Folge des Unfalls wird dieser nie wieder Klavier spielen können. Hübner und Zimmermann ermitteln im Jugendclub sowie im privaten wie beruflichen Umfeld der Clique, wodurch sie ihr langsam, aber sicher auf die Schliche kommen…
Was es eigentlich weder in der DDR noch in der BRD geben durfte, greift dieser „Polizeiruf“ auf: Jugendliche, die einen feuchten Kehricht auf die Gesellschaft geben, es lieber krachen lassen und Alkohol und Vandalismus frönen. Damit erweist sich diese Episode als geradezu visionär, indem sie der Perspektivlosigkeit und daraus folgenden Verrohung der Jugend in den 1990ern nach Ausschlachtung der DDR durch den BRD-Kapitalismus vorgreift. Lange Zeit fokussiert man hier die Clique, die man während ihrer unrühmlichen Aktivitäten, aber auch in Kommunikation mit ihren Erziehungsberechtigten zeigt: Alexanders Mutter (Renate von Wangenheim, „Familie Rechlin“) ist alleinerziehend und versucht ihn jeden Morgen aufs Neue verzweifelt, aus dem Bett und zur Lehrstelle zu kriegen, während er ihr die Schuld daran gibt, dass sein Vater abgehauen ist. Grit rebelliert gegen ihre systemtreuen Eltern (Renate Blume, „Der Prinz hinter den sieben Meeren“ und Jürgen Reuter, „Alfons Zitterbacke“) , die ihr den Kontakt zu Sabine untersagen wollen, welche wiederum Papis (Günter Schubert, „Looping“) kleiner Engel ist, der nichts Böses ahnend von seiner Tochter manipuliert und ausgenutzt wird, seit sich ihre Mutter nicht mehr im Haus befindet.
Bei der optischen Gestaltung der Clique orientierte man sich offensichtlich an damals aktuellen Subkulturen: Sabine wirkt bleichgeschminkt der Gothic-Szene zugeneigt, Sioux und Sabine sind Punks nachempfunden, der aufbrausende Schnalle tendiert mit kurzem Haar, Stiefeln und hochgekrempelter Hose offenbar zum Skinhead-Kult. In den Kinderzimmern hängen dennoch lediglich Poster von Silly und Tom Petty & The Heartbreakers und gehört wird sowohl im Club als auch privat seltsam langweilige Elektromucke, von der man anscheinend etwas ahnungslos glaubte, es handele sich um angesagte Jugendmusik. Die Unterschiede zwischen Normalo-Jugendlichen und sich zu Subkulturen hingezogen fühlenden Heranwachsenden waren den Filmemachern möglicherweise nicht ganz klar.
Nach dem schicksalhaften Unfall (der nicht für die Kamera inszeniert wurde, also offscreen stattfindet) schaltet sich schließlich verstärkt die Polizei ein. Sie klappert Lehrer und Lehrstellen ab, wodurch man eine Menge mehr über die Cliquenmitglieder erfährt – u.a., dass es sich um einen sehr diversen Haufen handelt, der fast ausschließlich zerrütteten Familien entstammt, in dem aber mitnichten jede(r) die Lehre schleifen lässt. Diese differenzierte Darstellung ist äußerst angenehm und beweist, dass man gewillt war, die Täter(innen) ernstzunehmen, statt lediglich Klischees als Reflektionsfläche für pädagogische und sozialistische Belehrungen zu entwerfen. Die Dialoge beinhalten auch nun möglich gewordene Kritik an allzu parteitreuen Mitbürgern und staatlicher Diskriminierung, beispielsweise wenn Hübner den Lehrern sinngemäß entgegnet, dass es möglich sein müsse, aufgrund seiner Fähigkeiten einen Beruf zu ergreifen, nicht nur aufgrund seiner Gesinnung. In die Verhöre der Delinquenten durch die Polizei bekommt man ebenfalls Einblicke. Zum einen erläutert die Polizei, wie man auf ihre Spur kam, zum anderen reagieren die Jugendlichen zunächst betont cool und überheblich, um sich schließlich doch gegenseitig in die Pfanne zu hauen. Ein Happy End gibt es bei alldem nicht.
Ein Ganter sorgt zudem für ein wenig Humor; das Verhältnis Sabines zu ihrem Vater wiederum mit Kuscheleinlagen und Küsschen auf den Mund mutet aus heutiger Sicht problematisch an, da man darauf konditioniert ist, so etwas als Indizien für sexuellen Missbrauch zu werten. Dies dürfte hier jedoch nicht so gemeint gewesen sein, da es diesbzgl. keine Zuspitzungen gibt und man diesen Aspekt gar nicht erst wieder aufgreift.
„Zerstörte Hoffnung“ ist, so hölzern er seitens der Jungmimen bisweilen auch gespielt sein mag, ein interessantes Dokument ostdeutscher Befindlichkeiten in einem bewegten, hochspannenden Zeitabschnitt, der die in ihn gesetzten Hoffnungen leider nicht erfüllen konnte – was dieser „Polizeiruf 110“ bereits zu ahnen scheint, sodass sein Titel doppeldeutig, weil nicht nur auf Karstens Schicksal bezogen, erscheint.
„Jetzt geh‘ ich zum ABV!“
Das „Tatort“-Äquivalent der DDR, die Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“, wurde auch in der Wendezeit, in der kurzen Phase der demokratisierten DDR vor ihrem Beitritt zur BRD, weiterproduziert, was die Episoden jenes Zeitraums besonders interessant macht. So auch die unter der Regie Peter Hagens („Feuerdrachen“) nach einem Drehbuch Regina Weickers Anfang 1990 entstandene, Ende 1989 spielende und am 06.01.1991 im DFF erstausgestrahlte „Zerstörte Hoffnung“ um juvenile Delinquenten, derer die Oberkommissare Jürgen Hübner (Jürgen Frohriep) in seinem 63. Fall und Lutz Zimmermann (Lutz Riemann) in seinem 25. und letzten Fall habhaft zu werden versuchen. Wie in der Reihe zu DDR-Zeiten üblich wird kein Handlungsort genannt, unverkennbar jedoch handelt es sich um Berlin.
„Dürfte ich vielleicht noch ein wenig zusehen? Das ist wie im Krimi hier!“
Alexander (Eduard Burza, „Mensch, mein Papa...!“), Schnalle (Thomas Lawinky, „Hass im Kopf“), Sioux (Oliver Goslicki, „Stein“), Sabine (Anja Kling, „Grüne Hochzeit“) und Grit (Alice Carpentier) treffen sich regelmäßig abends, um sich gemeinsam zu betrinken, zu randalieren und Münzfernsprecher zu knacken, aber auch, um einen Jugendclub aufzusuchen und dort abzuhängen. Bei Teilen der Clique führt dies zur Vernachlässigung der Schule oder der Lehre und zu Zoff mit den Eltern, z.B. bei Alex, der ein Auge auf Sabine geworfen hat und eifersüchtig reagiert, als sie mit Club-Türsteher Silvio (Thomas Mehlhorn, „Ein Mann wie eine Waffe“) flirtet. Aus Rache manipuliert er heimlich Silvios Moped, mit dem dieser verunglückt, als er den angehenden Konzertpianisten Karsten (Volker Ranisch, „Der Bruch“) als Sozius aufsitzen hat. Als Folge des Unfalls wird dieser nie wieder Klavier spielen können. Hübner und Zimmermann ermitteln im Jugendclub sowie im privaten wie beruflichen Umfeld der Clique, wodurch sie ihr langsam, aber sicher auf die Schliche kommen…
Was es eigentlich weder in der DDR noch in der BRD geben durfte, greift dieser „Polizeiruf“ auf: Jugendliche, die einen feuchten Kehricht auf die Gesellschaft geben, es lieber krachen lassen und Alkohol und Vandalismus frönen. Damit erweist sich diese Episode als geradezu visionär, indem sie der Perspektivlosigkeit und daraus folgenden Verrohung der Jugend in den 1990ern nach Ausschlachtung der DDR durch den BRD-Kapitalismus vorgreift. Lange Zeit fokussiert man hier die Clique, die man während ihrer unrühmlichen Aktivitäten, aber auch in Kommunikation mit ihren Erziehungsberechtigten zeigt: Alexanders Mutter (Renate von Wangenheim, „Familie Rechlin“) ist alleinerziehend und versucht ihn jeden Morgen aufs Neue verzweifelt, aus dem Bett und zur Lehrstelle zu kriegen, während er ihr die Schuld daran gibt, dass sein Vater abgehauen ist. Grit rebelliert gegen ihre systemtreuen Eltern (Renate Blume, „Der Prinz hinter den sieben Meeren“ und Jürgen Reuter, „Alfons Zitterbacke“) , die ihr den Kontakt zu Sabine untersagen wollen, welche wiederum Papis (Günter Schubert, „Looping“) kleiner Engel ist, der nichts Böses ahnend von seiner Tochter manipuliert und ausgenutzt wird, seit sich ihre Mutter nicht mehr im Haus befindet.
Bei der optischen Gestaltung der Clique orientierte man sich offensichtlich an damals aktuellen Subkulturen: Sabine wirkt bleichgeschminkt der Gothic-Szene zugeneigt, Sioux und Sabine sind Punks nachempfunden, der aufbrausende Schnalle tendiert mit kurzem Haar, Stiefeln und hochgekrempelter Hose offenbar zum Skinhead-Kult. In den Kinderzimmern hängen dennoch lediglich Poster von Silly und Tom Petty & The Heartbreakers und gehört wird sowohl im Club als auch privat seltsam langweilige Elektromucke, von der man anscheinend etwas ahnungslos glaubte, es handele sich um angesagte Jugendmusik. Die Unterschiede zwischen Normalo-Jugendlichen und sich zu Subkulturen hingezogen fühlenden Heranwachsenden waren den Filmemachern möglicherweise nicht ganz klar.
Nach dem schicksalhaften Unfall (der nicht für die Kamera inszeniert wurde, also offscreen stattfindet) schaltet sich schließlich verstärkt die Polizei ein. Sie klappert Lehrer und Lehrstellen ab, wodurch man eine Menge mehr über die Cliquenmitglieder erfährt – u.a., dass es sich um einen sehr diversen Haufen handelt, der fast ausschließlich zerrütteten Familien entstammt, in dem aber mitnichten jede(r) die Lehre schleifen lässt. Diese differenzierte Darstellung ist äußerst angenehm und beweist, dass man gewillt war, die Täter(innen) ernstzunehmen, statt lediglich Klischees als Reflektionsfläche für pädagogische und sozialistische Belehrungen zu entwerfen. Die Dialoge beinhalten auch nun möglich gewordene Kritik an allzu parteitreuen Mitbürgern und staatlicher Diskriminierung, beispielsweise wenn Hübner den Lehrern sinngemäß entgegnet, dass es möglich sein müsse, aufgrund seiner Fähigkeiten einen Beruf zu ergreifen, nicht nur aufgrund seiner Gesinnung. In die Verhöre der Delinquenten durch die Polizei bekommt man ebenfalls Einblicke. Zum einen erläutert die Polizei, wie man auf ihre Spur kam, zum anderen reagieren die Jugendlichen zunächst betont cool und überheblich, um sich schließlich doch gegenseitig in die Pfanne zu hauen. Ein Happy End gibt es bei alldem nicht.
Ein Ganter sorgt zudem für ein wenig Humor; das Verhältnis Sabines zu ihrem Vater wiederum mit Kuscheleinlagen und Küsschen auf den Mund mutet aus heutiger Sicht problematisch an, da man darauf konditioniert ist, so etwas als Indizien für sexuellen Missbrauch zu werten. Dies dürfte hier jedoch nicht so gemeint gewesen sein, da es diesbzgl. keine Zuspitzungen gibt und man diesen Aspekt gar nicht erst wieder aufgreift.
„Zerstörte Hoffnung“ ist, so hölzern er seitens der Jungmimen bisweilen auch gespielt sein mag, ein interessantes Dokument ostdeutscher Befindlichkeiten in einem bewegten, hochspannenden Zeitabschnitt, der die in ihn gesetzten Hoffnungen leider nicht erfüllen konnte – was dieser „Polizeiruf 110“ bereits zu ahnen scheint, sodass sein Titel doppeldeutig, weil nicht nur auf Karstens Schicksal bezogen, erscheint.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Das Duell
„Was ist bloß mit diesem Land los?“
Hauptmann Günter Becks (Günter Naumann) vierter Auftritt innerhalb der DDR-Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“ wurde ein ganz besonderer: Bei der im Sommer 1990 gedrehten und am 4. November 1990, also am ersten Jahrestag der Berliner Massendemonstrationen gegen die DDR-Führung und kurz nach Ende der Existenz ihres Staats, erstausgestrahlten Episode „Das Duell“ handelt es sich neben dem „Tatort“-Crossover „Unter Brüdern“ um die einzige, die die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche thematisiert. Ulrich Frohriep verfasste das Drehbuch, das Thomas Jacob, der zuvor bereits bei elf Beiträgen der Reihe Regie geführt hatte, inszenierte.
„Was ist das für’n Land, das seine Bürger zusammenschlagen lässt?“
Das Ministerium für Staatssicherheit zeigt sich angesichts der Leipziger Montagsdemonstrationen um die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR herum beunruhigt und will vermeiden, dass sich Ähnliches in Berlin abspielt. Daher gibt Oberst Reuter (Helmut Schellhardt, „Ernst Thälmann“) bekannt, dass die Schutzpolizei von nun an dem MfS unterstellt sei. Becks Einsatz hat mit alldem zunächst einmal wenig zu tun: In einen Intershop wurde eingebrochen; der Täter stellt sich als Holm (Volker Herold, „Downhill City“) heraus, den Beck schon länger im Visier hat, nun auf frischer Tat ertappt wird, jedoch fliehen kann. Am Bahnhof Schönhauser Allee stößt er den jungen Mann Johann (Ralf Sählbrandt, „Der Staatsanwalt hat das Wort: Rosi fehlt“), der sich ihm in den Weg stellt, brutal die Treppe herunter und taucht im Demonstrationszug der DDR-Oppositionellen unter. Unter diesen erblickt Beck zu seiner Überraschung seinen Sohn Andreas (Peter Donath, „Abgehauen“). Als Beck von der Massenverhaftung von Demonstrant(inn)en erfährt, eilt er ins Präsidium, wo er unter den Festgenommenen seinen Sohn findet und entsetzt auf das brutale Vorgehen des MfS und der Polizei reagiert, die die Demonstrat(inn)en wie Kapitalverbrecher(innen) behandeln. Aufgrund der Demo-Teilnahme seines Sohns wird Beck in „Sippenhaft“ genommen und vom Dienst suspendiert. Zudem distanziert sich Andreas von ihm, weil er für die Exekutive tätig ist. Als Egon Krenz Erich Honecker als Generalsekretär ablöst und die Wende einleitet, wird Becks Suspendierung aufgehoben. Beck wehrt sich nun zusammen mit seinem Vorgesetzten Oberst Reuter gegen weitere Vereinnahmungsversuche durch das MfS und widmet sich erneut der Überführung Holms, der nach einem weiteren Einbruch eine Frau überfährt. Holm ist sich seiner Sache sehr sicher und glaubt, dass gerade angesichts der unruhigen Lage und des mangelnden Rückhalts der Polizei innerhalb der Bevölkerung ihm niemand mehr etwas anhaben kann. Doch Beck lässt Holm beschatten und lauert darauf, dass der brutale Verbrecher, der ein Menschenleben auf dem Gewissen hat und verantwortlich für Johanns Querschnittslähmung ist, einen Fehler macht…
„Unser neuer Generalsekretär hat die Wende eingeleitet!“
In dieser „Polizeiruf 110“-Episode ist die Rahmenhandlung interessanter als der eigentliche Kriminalfall um den skrupellosen Verbrecher Holm und bildet den eigentlichen Kern des Geschehens. Fernsehbilder des 40. DDR-Nationalfeiertags gehen über in Becks Einsatz am Tatort, der ihn direkt in den Demonstrationspulk treibt. Eine ausdrucksstarke Einstellung vermittelt bildlich, wie Beck im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Fronten steht. In Dialogen mit einem Polizisten reflektiert er zunächst noch unschlüssig die ungewöhnlichen Vorgänge, auf die Beteiligung seines Sohns reagiert er empört. Seine Frau Thea (Annekathrin Bürger, „Klassenkameraden“) wiederum schlägt sich eher auf Andreas‘ Seite. Die Polizeigewalt gegen im offiziellen Jargon als „Konterrevolutionäre“ bezeichnete Demonstrant(inn)en wird thematisiert und angemessen harsch kritisiert, Beck beginnt nach der Konfrontation mit ihr umzudenken. Dennoch wendet sich sein Sohn von ihm ab, er wird aufgrund seines Berufs sogar aus seiner Stammkneipe geworfen. Authentisierungsmaßnahmen sind originale TV-Bilder, u.a. Krenz‘ Amtsantritts, die korrekt wiedergegebene Chronologie der tatsächlichen Ereignisse und die Erwähnung der außerparlamentarischen Opposition, des Neuen Forums. Honecker-Porträts werden aus den Amtsstuben entfernt, Beck und seine Frau diskutieren durchaus kontrovers Krenz‘ Rolle im Staat. Polizeichef Genosse Oberst wiederum leugnet die Polizeigewalt, bei ihm ist die Wende nicht angekommen. Er steht stellvertretend für diejenigen, über die die Geschichte schließlich siegen wird, für die Vertreter der alten Ordnung, mit denen die Polizei nun offen streitet – denn diese Episode handelt auch vom Wiederentdecken von Streit- und Diskussionskultur, von den neuen Möglichkeiten des offenen Widerspruchs, von der Entmachtung alter autoritärer Strukturen.
„Ich bin für Recht und Ordnung zuständig, nicht für Politik!“
Damit fängt dieser „Polizeiruf 110“ perfekt die damalige gesellschaftliche Stimmung ein, wohlgemerkt in abstrakter Form, indem er die verschiedenen Positionen mit bestimmten Figuren besetzt – bis hin zum kriminellen Subjekt, das zum Nutznießer des politischen Umsturzes zu werden plant. Bisweilen verliert die Handlung ein wenig an Brisanz, wenn sie sich wieder Becks Jagd auf Holm widmet, steuert jedoch auf eine unerwartete Pointe zu, in der die innerdeutsche Grenze noch einmal eine entscheidende Rolle spielen darf. Innerhalb einer Sequenz wird Holms Freundin Doris (Kati Grasse, „Der Staatsanwalt hat das Wort: Das Wunschkind“) im Übrigen überraschend erotisch in Szene gesetzt, ein Hauch von Bonnie & Clyde schwingt mit. Demgegenüber wird indes die Tragik des querschnittsgelähmten Johanns gestellt, dessen Beziehung zu seiner sympathischen Lebensgefährtin Anna (Anja Kling, „Grüne Hochzeit“) infolge seiner Behinderung schwer kriselt und die verheerenden Folgen der Skrupellosigkeit Holms doppelt und dreifach unterstreicht. In diesen Momenten bewegt man sich gewissermaßen im gewohnten „Polizeiruf 110“-Sujet.
„Warum haben wir das nur so lange mitgemacht?!“
Becks Akzeptanz der Wende, sein glaubwürdiger Bewusstseinswandel in Bezug auf die gesellschaftliche und politische Realität, qualifizierte ihn für weitere „Polizeiruf 110“-Einsätze nach dem Beitritt der DDR zur BRD. Somit ist „Das Duell“ nicht nur ein geschichtlich und kulturell hochinteressantes Zeitdokument, sondern auch eine Zäsur innerhalb der Reihe, die beweist, wie nah am Zeitgeist sie im Zweifelsfall sein konnte. Lediglich in einem Moment schießt man, bei aller verständlicher Wut, übers Ziel hinaus: Wenn Beck „40 Jahre haben die uns beschissen! Eine Handvoll Schmarotzer!“ schimpft, muss man festhalten, dass die Selbstbereicherungen der SED-Politelite nun wirklich kein Vergleich zu den üppigen Summen sind, die deren korrupte, im Auftrag kapitalistischer Lobbys agierende BRD-„Kolleg(inn)en“ in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben…
„Was ist bloß mit diesem Land los?“
Hauptmann Günter Becks (Günter Naumann) vierter Auftritt innerhalb der DDR-Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“ wurde ein ganz besonderer: Bei der im Sommer 1990 gedrehten und am 4. November 1990, also am ersten Jahrestag der Berliner Massendemonstrationen gegen die DDR-Führung und kurz nach Ende der Existenz ihres Staats, erstausgestrahlten Episode „Das Duell“ handelt es sich neben dem „Tatort“-Crossover „Unter Brüdern“ um die einzige, die die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche thematisiert. Ulrich Frohriep verfasste das Drehbuch, das Thomas Jacob, der zuvor bereits bei elf Beiträgen der Reihe Regie geführt hatte, inszenierte.
„Was ist das für’n Land, das seine Bürger zusammenschlagen lässt?“
Das Ministerium für Staatssicherheit zeigt sich angesichts der Leipziger Montagsdemonstrationen um die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR herum beunruhigt und will vermeiden, dass sich Ähnliches in Berlin abspielt. Daher gibt Oberst Reuter (Helmut Schellhardt, „Ernst Thälmann“) bekannt, dass die Schutzpolizei von nun an dem MfS unterstellt sei. Becks Einsatz hat mit alldem zunächst einmal wenig zu tun: In einen Intershop wurde eingebrochen; der Täter stellt sich als Holm (Volker Herold, „Downhill City“) heraus, den Beck schon länger im Visier hat, nun auf frischer Tat ertappt wird, jedoch fliehen kann. Am Bahnhof Schönhauser Allee stößt er den jungen Mann Johann (Ralf Sählbrandt, „Der Staatsanwalt hat das Wort: Rosi fehlt“), der sich ihm in den Weg stellt, brutal die Treppe herunter und taucht im Demonstrationszug der DDR-Oppositionellen unter. Unter diesen erblickt Beck zu seiner Überraschung seinen Sohn Andreas (Peter Donath, „Abgehauen“). Als Beck von der Massenverhaftung von Demonstrant(inn)en erfährt, eilt er ins Präsidium, wo er unter den Festgenommenen seinen Sohn findet und entsetzt auf das brutale Vorgehen des MfS und der Polizei reagiert, die die Demonstrat(inn)en wie Kapitalverbrecher(innen) behandeln. Aufgrund der Demo-Teilnahme seines Sohns wird Beck in „Sippenhaft“ genommen und vom Dienst suspendiert. Zudem distanziert sich Andreas von ihm, weil er für die Exekutive tätig ist. Als Egon Krenz Erich Honecker als Generalsekretär ablöst und die Wende einleitet, wird Becks Suspendierung aufgehoben. Beck wehrt sich nun zusammen mit seinem Vorgesetzten Oberst Reuter gegen weitere Vereinnahmungsversuche durch das MfS und widmet sich erneut der Überführung Holms, der nach einem weiteren Einbruch eine Frau überfährt. Holm ist sich seiner Sache sehr sicher und glaubt, dass gerade angesichts der unruhigen Lage und des mangelnden Rückhalts der Polizei innerhalb der Bevölkerung ihm niemand mehr etwas anhaben kann. Doch Beck lässt Holm beschatten und lauert darauf, dass der brutale Verbrecher, der ein Menschenleben auf dem Gewissen hat und verantwortlich für Johanns Querschnittslähmung ist, einen Fehler macht…
„Unser neuer Generalsekretär hat die Wende eingeleitet!“
In dieser „Polizeiruf 110“-Episode ist die Rahmenhandlung interessanter als der eigentliche Kriminalfall um den skrupellosen Verbrecher Holm und bildet den eigentlichen Kern des Geschehens. Fernsehbilder des 40. DDR-Nationalfeiertags gehen über in Becks Einsatz am Tatort, der ihn direkt in den Demonstrationspulk treibt. Eine ausdrucksstarke Einstellung vermittelt bildlich, wie Beck im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Fronten steht. In Dialogen mit einem Polizisten reflektiert er zunächst noch unschlüssig die ungewöhnlichen Vorgänge, auf die Beteiligung seines Sohns reagiert er empört. Seine Frau Thea (Annekathrin Bürger, „Klassenkameraden“) wiederum schlägt sich eher auf Andreas‘ Seite. Die Polizeigewalt gegen im offiziellen Jargon als „Konterrevolutionäre“ bezeichnete Demonstrant(inn)en wird thematisiert und angemessen harsch kritisiert, Beck beginnt nach der Konfrontation mit ihr umzudenken. Dennoch wendet sich sein Sohn von ihm ab, er wird aufgrund seines Berufs sogar aus seiner Stammkneipe geworfen. Authentisierungsmaßnahmen sind originale TV-Bilder, u.a. Krenz‘ Amtsantritts, die korrekt wiedergegebene Chronologie der tatsächlichen Ereignisse und die Erwähnung der außerparlamentarischen Opposition, des Neuen Forums. Honecker-Porträts werden aus den Amtsstuben entfernt, Beck und seine Frau diskutieren durchaus kontrovers Krenz‘ Rolle im Staat. Polizeichef Genosse Oberst wiederum leugnet die Polizeigewalt, bei ihm ist die Wende nicht angekommen. Er steht stellvertretend für diejenigen, über die die Geschichte schließlich siegen wird, für die Vertreter der alten Ordnung, mit denen die Polizei nun offen streitet – denn diese Episode handelt auch vom Wiederentdecken von Streit- und Diskussionskultur, von den neuen Möglichkeiten des offenen Widerspruchs, von der Entmachtung alter autoritärer Strukturen.
„Ich bin für Recht und Ordnung zuständig, nicht für Politik!“
Damit fängt dieser „Polizeiruf 110“ perfekt die damalige gesellschaftliche Stimmung ein, wohlgemerkt in abstrakter Form, indem er die verschiedenen Positionen mit bestimmten Figuren besetzt – bis hin zum kriminellen Subjekt, das zum Nutznießer des politischen Umsturzes zu werden plant. Bisweilen verliert die Handlung ein wenig an Brisanz, wenn sie sich wieder Becks Jagd auf Holm widmet, steuert jedoch auf eine unerwartete Pointe zu, in der die innerdeutsche Grenze noch einmal eine entscheidende Rolle spielen darf. Innerhalb einer Sequenz wird Holms Freundin Doris (Kati Grasse, „Der Staatsanwalt hat das Wort: Das Wunschkind“) im Übrigen überraschend erotisch in Szene gesetzt, ein Hauch von Bonnie & Clyde schwingt mit. Demgegenüber wird indes die Tragik des querschnittsgelähmten Johanns gestellt, dessen Beziehung zu seiner sympathischen Lebensgefährtin Anna (Anja Kling, „Grüne Hochzeit“) infolge seiner Behinderung schwer kriselt und die verheerenden Folgen der Skrupellosigkeit Holms doppelt und dreifach unterstreicht. In diesen Momenten bewegt man sich gewissermaßen im gewohnten „Polizeiruf 110“-Sujet.
„Warum haben wir das nur so lange mitgemacht?!“
Becks Akzeptanz der Wende, sein glaubwürdiger Bewusstseinswandel in Bezug auf die gesellschaftliche und politische Realität, qualifizierte ihn für weitere „Polizeiruf 110“-Einsätze nach dem Beitritt der DDR zur BRD. Somit ist „Das Duell“ nicht nur ein geschichtlich und kulturell hochinteressantes Zeitdokument, sondern auch eine Zäsur innerhalb der Reihe, die beweist, wie nah am Zeitgeist sie im Zweifelsfall sein konnte. Lediglich in einem Moment schießt man, bei aller verständlicher Wut, übers Ziel hinaus: Wenn Beck „40 Jahre haben die uns beschissen! Eine Handvoll Schmarotzer!“ schimpft, muss man festhalten, dass die Selbstbereicherungen der SED-Politelite nun wirklich kein Vergleich zu den üppigen Summen sind, die deren korrupte, im Auftrag kapitalistischer Lobbys agierende BRD-„Kolleg(inn)en“ in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben…
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!