Re: Akte X - div. Regisseure (1993-2018) [TV-Serie]
Verfasst: Di 25. Okt 2022, 17:20
Akte X: „Rm9sbG93ZXJz (Rm9sbG93ZXJz)“
Staffel 11, Folge 7
„Wirf alles weg, womit sie dich verfolgen können!“
„Rm9sbG93ZXJz“ sei Base64-codiert und bedeute „Follower“, liest man. Der Prolog stellt eine künstliche Twitter-Chatbot-Intelligenz vor, die Heranwachsende imitieren und immer weiter dazulernen sollte, dadurch letztlich jedoch zum manipulativen Hatebot mutierte – offenbar eine wahre Geschichte, die den Kurs dieser KI-kritischen Cyber-Folge vorgibt. Scully (ab dieser Episode wieder mit kürzeren, schulterlangen Haaren) und Mulder besuchen ein rein maschinell betriebenes Sushi-Restaurant, eine sterile, seelenlose Bude – kein Wunder, dass sie die einzigen Gäste sind. Normale Bilder wechseln sich mit Überwachungskameraaufnahmen ab. Mit ihrer Bestellung trainieren die Special Agents wie im Vorbeigehen zahlreiche künstliche Intelligenzen, die trotzdem dumm genug ist, Mulder einen ungenießbaren Blobfisch zu „servieren“. Als auch noch der Bezahlvorgang streikt, haut Mulder aufs Gerät und löst damit einen Einsperrmechanismus aus. Doch sie können entkommen; Scully steigt in ein führerloses Taxi, während Mulder sein eigenes, voll durchtechnisiertes Auto nimmt. Beide Fahrzeuge entwickeln unschöne Eigenleben. Zu Hause bekommt Scully Probleme mit ihrer Alarmanlage, Mulder mit einem Telefonanrufermenü und einer ihn fotografierenden Drohne. Eine andere Drohne stellt Scully ein Paket zu, das einen unverlangt gelieferten Saugroboter enthält. Diesen will sie zurückgeben, wodurch sie ebenfalls im dysfunktionalen Anrufermenü landet.
Bis hierhin sind es durchweg tatsächliche technische Entwicklungen, die den beiden in Alltagssituationen das Leben schwermachen. Ähnlich dürfte es manch Zuschauerin und Zuschauer bereits ergangen sein. Bald jedoch spielen alle Geräte verrückt und sieht sich Mulder gar einer ganzen Drohneninvasion ausgesetzt. Analog zu den Überwachungskamerabildern bekommt man nun ein paar Drohnen-Point-of-View-Perspektiven zu Gesicht. Scullys Smarthome dreht am Rad und sie entkommt nur knapp einer Katastrophe. Ganze Roboterattacken werden plötzlich geritten – und keine einzige weitere Menschenseele ist weit und breit zu sehen.
Diese satirisch überzeichnete Paranoia-Episode kritisiert, wie zunehmend Entscheidungen an KI abgegeben werden, und spielt mit Technikphobien. Als besonderer stilistischer Kniff ist sie bis kurz vor Schluss komplett dialogfrei; ihre Spannung bezieht sie aus einer Art Who- und Whydunit? sowie der Verunsicherung, ob die Maschinen darauf überhaupt eine für den menschlichen Geist nachvollziehbare Antwort geben würden. Wobei die witzige Pointe zugegebenermaßen auch etwas vorhersehbar ist. Man tat gut daran, das seit Kubricks „Space Odyssey“ schon so oft durchgekaute Topos sich verselbständiger KI auf derart überspitzte Weise aufzubereiten und in einen Kontext mit Entmenschlichung und Verlust sozialer Interaktion zu setzen, was die Dialogarmut und die Abwesenheit weiterer Figuren erklärt. Seine Schlüsse indes muss man schon selbst daraus ziehen, und wie so oft gilt: Paranoiker und Technikfeinde werden sich bestätigt sehen, Zyniker sich über die ergebenden Möglichkeiten freuen (vgl. reale Drohnenangriffe, Cyber-Spionage etc.) und vernunftbetonte Menschen idealerweise dafür sensibilisiert werden, noch sorgfältiger zwischen Komfortgewinn, Risiken und möglichen Verlusten abzuwägen. 7,5/10
Staffel 11, Folge 7
„Wirf alles weg, womit sie dich verfolgen können!“
„Rm9sbG93ZXJz“ sei Base64-codiert und bedeute „Follower“, liest man. Der Prolog stellt eine künstliche Twitter-Chatbot-Intelligenz vor, die Heranwachsende imitieren und immer weiter dazulernen sollte, dadurch letztlich jedoch zum manipulativen Hatebot mutierte – offenbar eine wahre Geschichte, die den Kurs dieser KI-kritischen Cyber-Folge vorgibt. Scully (ab dieser Episode wieder mit kürzeren, schulterlangen Haaren) und Mulder besuchen ein rein maschinell betriebenes Sushi-Restaurant, eine sterile, seelenlose Bude – kein Wunder, dass sie die einzigen Gäste sind. Normale Bilder wechseln sich mit Überwachungskameraaufnahmen ab. Mit ihrer Bestellung trainieren die Special Agents wie im Vorbeigehen zahlreiche künstliche Intelligenzen, die trotzdem dumm genug ist, Mulder einen ungenießbaren Blobfisch zu „servieren“. Als auch noch der Bezahlvorgang streikt, haut Mulder aufs Gerät und löst damit einen Einsperrmechanismus aus. Doch sie können entkommen; Scully steigt in ein führerloses Taxi, während Mulder sein eigenes, voll durchtechnisiertes Auto nimmt. Beide Fahrzeuge entwickeln unschöne Eigenleben. Zu Hause bekommt Scully Probleme mit ihrer Alarmanlage, Mulder mit einem Telefonanrufermenü und einer ihn fotografierenden Drohne. Eine andere Drohne stellt Scully ein Paket zu, das einen unverlangt gelieferten Saugroboter enthält. Diesen will sie zurückgeben, wodurch sie ebenfalls im dysfunktionalen Anrufermenü landet.
Bis hierhin sind es durchweg tatsächliche technische Entwicklungen, die den beiden in Alltagssituationen das Leben schwermachen. Ähnlich dürfte es manch Zuschauerin und Zuschauer bereits ergangen sein. Bald jedoch spielen alle Geräte verrückt und sieht sich Mulder gar einer ganzen Drohneninvasion ausgesetzt. Analog zu den Überwachungskamerabildern bekommt man nun ein paar Drohnen-Point-of-View-Perspektiven zu Gesicht. Scullys Smarthome dreht am Rad und sie entkommt nur knapp einer Katastrophe. Ganze Roboterattacken werden plötzlich geritten – und keine einzige weitere Menschenseele ist weit und breit zu sehen.
Diese satirisch überzeichnete Paranoia-Episode kritisiert, wie zunehmend Entscheidungen an KI abgegeben werden, und spielt mit Technikphobien. Als besonderer stilistischer Kniff ist sie bis kurz vor Schluss komplett dialogfrei; ihre Spannung bezieht sie aus einer Art Who- und Whydunit? sowie der Verunsicherung, ob die Maschinen darauf überhaupt eine für den menschlichen Geist nachvollziehbare Antwort geben würden. Wobei die witzige Pointe zugegebenermaßen auch etwas vorhersehbar ist. Man tat gut daran, das seit Kubricks „Space Odyssey“ schon so oft durchgekaute Topos sich verselbständiger KI auf derart überspitzte Weise aufzubereiten und in einen Kontext mit Entmenschlichung und Verlust sozialer Interaktion zu setzen, was die Dialogarmut und die Abwesenheit weiterer Figuren erklärt. Seine Schlüsse indes muss man schon selbst daraus ziehen, und wie so oft gilt: Paranoiker und Technikfeinde werden sich bestätigt sehen, Zyniker sich über die ergebenden Möglichkeiten freuen (vgl. reale Drohnenangriffe, Cyber-Spionage etc.) und vernunftbetonte Menschen idealerweise dafür sensibilisiert werden, noch sorgfältiger zwischen Komfortgewinn, Risiken und möglichen Verlusten abzuwägen. 7,5/10