Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

FarfallaInsanguinata hat geschrieben:Wieso wurden Rollen mit Schauspielern besetzt, die in anderen "Tatorten" bereits andere Ermittler gaben (Becker und Mücke)
Dass dieselben Schauspieler(innen) in verschiedenen Rollen in "Tatorten" auftauchen, kommt seit Anbeginn immer mal wieder vor, speziell im Falle Beckers bin ich aber auch darüber gestolpert...
FarfallaInsanguinata hat geschrieben:wieso hat Krusenstern plötzlich ein uneheliches Kind
Das war neu? Ich verfolge die Münsteraner "Tatorte" nicht, wusste das daher nicht einzuordnen.
FarfallaInsanguinata hat geschrieben:Immerhin gibt es auch keinen "Tatort"-Aachen, "Tatort"-Oberhausen und "Tatort"-Paderborn, ein weiteres Ärgernis
Richtig, aber auch im "Tatort"-Universum besteht doch kein Zweifel daran, dass diese Städte existieren und es auch dort Ermittlerinnen und Ermittler gibt. Insofern hat mich dieser Punkt nicht gestört.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

buxtebrawler hat geschrieben:
FarfallaInsanguinata hat geschrieben:Wieso wurden Rollen mit Schauspielern besetzt, die in anderen "Tatorten" bereits andere Ermittler gaben (Becker und Mücke)
Dass dieselben Schauspieler(innen) in verschiedenen Rollen in "Tatorten" auftauchen, kommt seit Anbeginn immer mal wieder vor, speziell im Falle Beckers bin ich aber auch darüber gestolpert...
Das ist tatsächlich eher ein häufiges Phänomen, was eventuell sogar ein running gag ist, oder es nicht so viele passende Schauspieler gibt, oder die Crews gerne mit denselben Leuten arbeiten. Und da Tatorts ja eher einzelne Filme denn Serie ist, stört mich das auch nicht.
In dem zuletzt von mir gesichteten auch:
BARANSKIS GESCHÄFT (1985)
Vom NDR produziert, aber örtlich nicht wirklich lokalisiert, meist in Wien, aber auch Hamburg und Bonn.
Denn auch damals gab es schon Geheimdienst - Tatorte. Titelgebender Baranski arbeitet für ein Firma in Wien, die mit dem Osten Im- und Export betribt und auch Geheimes schmuggelt. Er selbst will aber mit Informationen über den Maulwurf beim MAD nach West Deutschland mit seiner Liebsten überlaufen. Seine Leute kriegen das mit, er schafft es den Ex-MAD-Offizier Delius zu kontaktieren, doch kurz vor der Übergabe wird er erschossen. Delius wird reaktiviert und ermittelt in Wien.
Geht schon in Richtung Euro-Spy. Der Anfang eine spannende Überläufer Story, auch länger erzählt mit Baranski im Mittelpunkt. Gespielt vom guten Knut Hinz, die meisten kennen ihn als stotternden Hobbydetektiv, Cellisten und Mörder aus der Lindenstraße, doch vorher (1974-1977) hatte er schon vier Fälle als Kommissar Brummer, zusätzlich ein Gastauftritt in Wien bei Fritz Eckhardts Marek. Dieser spielt hier auch eine Gastrolle und macht Delius mit den richtigen Leuten bekannt.
Nach dem Mord ermittelt halt ein älterer, mit allen Wasser gewaschener deutscher Beamter, dafür werden die bösen Killer sleaziger, mit Arthur Brauss als eiskalter Womanizer Killer und Kay Sabban als ungeduldiger Schmieling holte sich hier Jürgen Roland zwei, die er dann auch zum Großstadtrevier holte.
Delius selbst ist zwar smart, aber, seinen alter entsprechend ein wenig behäbig, so als Rentner. So bricht das auch manchmal zwischen den lockeren Ton und weiteren bitteren Morden.
Die Auflösung am Ende überrascht inzwischen nicht wirklich dafür reißt es ein vorher mit.
Und obwohl er ab und an nicht aus einem Guss erscheint, und doch noch viel Sachen sleaziger sein könnte (in Sachen Sex geht da nichts, einzig eine vollkommen unmotivierte Kamerafahrt von einem Frauenpo im Mini die Beine hinunter deutet an, was in Europa sonst so in der Richtung unterwegs war), hat er insgesamt Spaß gemacht Nach Stoevers ersten Delius' letzter Fall.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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sid.vicious
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von sid.vicious »

WEIL SIE BÖSE SIND
Erstausstrahlung: 3. Januar 2010 auf Das Erste

Ein geschickt inszenierter TATORT, der den Zuschauern mit Sympathien für den Mörder beliefert. Der Auftritt von Markus Boysen ist leider etwas kurz geraten, doch das was er hätte abliefern können, wird locker vom Schweighöfer, der mir in der Rolle des Balthasar Staupen ausgesprochen gut gefallen hat, praktiziert. Eigentlich passt ein „TATORT der Gegenwart“ überhaupt nicht zu mir, aber diesmal haben wir uns vorzüglich verstanden. Klasse!
Zuletzt geändert von sid.vicious am Fr 10. Jan 2020, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

sid.vicious hat geschrieben:WEIL WIR BÖSE SIND
Wichtiges Detail: Der Titel lautet "Weil sie böse sind".
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Arkadin
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Arkadin »

sid.vicious hat geschrieben: wird locker vom Schweighöfer, der mir in der Rolle des Balthasar Staupen ausgesprochen gut gefallen hat, praktiziert.
Schweighöfer ist ein großartiger Schauspieler und Type - wenn er nicht gerade selber Komödien dreht oder sich von Schweiger verheizen lässt. Nachzusehen auch in seinen Arbeiten mit Dominik Graf. Da er sich aber scheinbar im urdeutschen Comedy-Sumpf pudelwohl fühlt, sind diese Zeiten wahrscheinlich vorbei. Was sehr, sehr schade ist.
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Grenzgänger

Neckermann macht's möglich

„Wer spät ins Bett geht und früh raus muss, der weiß, woher das Morgengrauen kommt…“ – „Lass mich am frühen Morgen mit Goethe in Ruhe!“ – „Das ist von Robert Lembke.“

Die passenderweise am A.C.A.B.-Tag des Jahres 1981, also am 13.12. erstausgestrahlte zweite Episode des berüchtigten Duisburger „Tatort“-Ermittlungsduos Schimanski/Thanner (Götz George/Eberhard Feik) stammt von Regisseurin Ilse Hofmann („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“-Erstverfilmung) – ihr erster von bis heute zehn „Tatort“-Beiträgen. Er basiert auf einem Drehbuch Felix Hubys.

„Ich gelte im Allgemeinen als weniger höflich!“

Schimanski muss von Kriminalrat Königsberg (Ulrich Matschoss, „Tatort: Strandgut“) erfahren, dass er mit dem V-Mann Gerhardt Hollai (Günther Maria Halmer, „Lucky Star“) gesehen wurde, der daher mutmaßlich nicht mehr sicher ist. Tatsächlich wurde Hollais Wohnung durchwühlt – und Hollai ist nicht zu Hause. Der Informant Udo „Bombe“ Blickel (Willi Thomczyk, „Was nicht passt, wird passend gemacht“) steckt Schimanski, dass sich Hollai vermutlich im Keller des windigen Einzelhändlers Kessenich (Charles Brauer, Hamburger „Tatorte“) aufhält. Schimanski und Thanner verschaffen sich Zutritt und enttarnen Hollai nun vollständig – davon ausgehend, das Kessenich ohnehin längst im Bilde sei. Hollai kehrt in den normalen Kriminalpolizeidienst zurück, doch steht die Frage im Raum, ob er nun nicht eventuell ein V-Mann im Dienste der Unterwelt sein könnte und weiterhin gemeinsame Sache mit Kessenich macht. Dies herauszufinden obliegt nun Schimanski, der seinen Freund und Kollegen beschattet, sich mit ihm betrinkt und sein näheres Umfeld wie seine Freundin Hanni (Beatrice Kessler, „Tatort: Drei Schlingen“) durchleuchtet. Hanni wusste bisher gar nicht, dass ihr Freund ein Bulle ist und erfährt es recht unsanft von Schimanski…

„Mein Gott, diese Empfindlichkeit…“

Schimanski reagiert zunächst aufbrausend auf Königsbergs Vorwürfe hinsichtlich der möglichen Enttarnung Hollais, was jedoch in erster Linie der zerfahrenen Situation und den für Hollai gefährlich werden könnenden Umständen geschuldet ist. So erobert Schimmi in der Folge auch rabiat einen Münzfernsprecher für sich und verschafft sich gewaltsam Zutritt zu Hollais Wohnung. Mit diesem prügelt er sich später sogar noch in Hannis Boutique. Seinem Ruf als „Ruhrpott-Rambo“ wird Schimanski also mehr als gerecht. Doch auch Hollai kann ungemütlich würden, nämlich als er sich mit einem pedantischen Erbsenzähler von einem Bullen herumärgern muss, der die Inventur von Hollais Undercover-Dienstwohnung durchführt – eine köstliche Szene, die den hyperkorrekten Diensteifer deutscher Beamter aufs Korn nimmt. Und es wird gesoffen! Schimanski trinkt im Dienst, besäuft sich mit Hollai in einer Kneipe, wo sie zu Westernhagens rüden Rock’n’Roll-Nummern tanzen, Schimmi geht zu Opa Friedrich aufs Hausboot ordentlich einen zwitschern und nimmt einen Rentner von einer Parkbank mit, und er besorgt sich drei Dosen Bier vom Späti. Für einen „Tatort“-Kommissar dürfte er damit einen Rekord aufgestellt haben.

Die Musik Marius Müller-Westernhagen zieht sich durch die ganze Episode, seine Kultnummer „Hier in der Kneipe fühl‘ ich mich frei“ wurde offenbar eigens für den „Tatort“ geschrieben, zumindest exklusiv für ihn verwendet. In den Kneipen laufen ebenso wie bei Schimanski privat weitere Westernhagen-Songs aus dessen Rock’n’Roll-Phase weit vor seiner Armani-Arenarocker-Zeit. Schimanski nervt mit einem Telespiel und bearbeitet einen „Zauberwürfel“, womit er nicht nur seinen allgemein sehr nervösen Eindruck untermauert, sondern weiteres Zeitkolorit einbringt. Den späteren Hamburger „Tatort“-Ermittler Charles Brauer als Gangster Kessenich hätte ich ohne seinen Schnauzbart fast nicht erkannt. Mit seinem Auftritt reiht er sich ein in die Riege von „Tatort“-Antagonisten, die später auf die Seite des Gesetzes wechseln sollten – ganz wie einst Götz George. Günther Maria Halmer mimt seine Figur angenehm zurückhaltend und nuanciert, womit er zum Spannungserhalt bis zum Finale beiträgt. Und Willi Thomczyk als Ruhrpott-Original ist einmal mehr eine Bank. Eberhard Feik als Thanner spielt diesmal eine eher untergeordnete Rolle, kabbelt sich kaum mit seinem Kollegen.

Mit „Grenzgänger“ sensibilisiert der Duisburger „Tatort“ für die Herausforderungen, Probleme und Gefahren, die das Prinzip verdeckter Ermittler(innen) mit sich bringt. Ferner stellt er die Gesetzestreue von Polizisten infrage, haben diese erst einmal die Möglichkeit, etwas vom großen Kuchen abzubekommen – und können sie ihre Position im Staatsdienst dafür auch noch zu ihrem Vorteil nutzen. Achtung, Spoiler:
► Text zeigen
Leider grätschte WDR-Redakteurin Steinhaus dazwischen und erzwang einen abweichenden Ausgang der Handlung. Dies merkt man dem Ende deutlich an, es wirkt inkohärent und weist ein, zwei Wendungen zu viel auf. Ein staatstragendes, typisches Happy End wurde es trotzdem nicht – die eigentliche Intention bleibt deutlich, der Nachdreh erhält Alibi-Charakter. 7,5 von 10 Runden darf Marius‘ „Tatort“-Single für diesen harsch provokanten, dem deutschen Spießbürger die Zornesröte ins Gesicht getrieben habenden zweiten Auftritt Schimanskis und Thanners auf meinem Plattenteller drehen, bevor ich mich in die Kneipe verabschiede, von man einen durstig machenden „Tatort“ wie diesen am besten feiert. Prost, Schimmi, prost, Hollai!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

TATORT: SCHICKI MICKI
München, Kommissar Lenz, gespielt von Helmut Fischer, mit dem gemütlichen Beamten Josef Brettschneider, dessen unning Gag hier ist, das er arabisch lernt und immer wieder etwas kulturelles beizutragen hat, und der forsche Faltermayer, Recherche und Zweifeln.
Es geht um Verwicklungen im Gatromillieu, wie alteigessene Wirtschaften von neuen Heititei-Bars verdrängt werden, und von Journalisten. Und das sind dann alles Rollen aus dem Katalog, der Chefredakteur zwischen Anzeigenabhängigkeit und journalitsiche Freiheit, der ehemalige Investigative, der seine Chance kommen läßt, der Schmierige, der sich schmieren läßt und das Schickimickileben genießt. Und die schöne taffe Reporterin, Hannelore Elsner wieder. (Die ich, nebenbei, langsam für doch eher überschätzt halt, eigentlich gefällt sie mir meist, aber es ist doch fast immer diegleiche Frau, die sie spielt, ob nun Journaille oder Modell) Und in den Nebenrollen der Zeitung wird es nicht besser. Auf der Gastroseite auch nicht....
Zwischendurch läuft noch der Stadtindianer, prima gespielt von Volker Prechtel, herum, am schönsten Lenz' Stammtischbrüder mit einem Haufen bekannter Gesichter.
Sowieso hier schöner das nebenbei: Helmut Fischer will als Rocker verkleidet in einer Rockerkneipe Infos bekommen, es läuft Ace of Spades von Mötorhead, er bekommt keine Infos, aber immerhin ein Bier, da er natürlich gleich erkannt wird. Fischer hat einige herrliche Momente, er sieht ja immer unzufrieden und genervt aus, immer auch an anderen interessiert (Polizist: Ich hab hier ein Hausdurchsuchungsbefehl. Bewohnerin: Das ist kein Haus, sondern eine Wohnung. Fischer guckt, sagt: Interessanter Einwand eigentlich.)
Die anderen Rocker sind leider keine. Und wenn das das Schicki Micki Leben war, war das in München wirklich das dörflichste Nachtleben, die Statisten wirklich obererste Kajüte, die Tanzmoves ebenso. Immerhin: In einer Bar gab es auch J & B.
Schauwerte, Fall durchschnittlich, Fischer brillant.

Außerdem fiel mir bei der Box ja auf, das der Abspann wirklich lang war, so das man von dem schönen Track noch sehr viel mehr hören konnte.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Canisius
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Canisius »

karlAbundzu hat geschrieben:TATORT: SCHICKI MICKI
München, Kommissar Lenz, gespielt von Helmut Fischer, mit dem gemütlichen Beamten Josef Brettschneider, dessen unning Gag hier ist, das er arabisch lernt und immer wieder etwas kulturelles beizutragen hat, und der forsche Faltermayer, Recherche und Zweifeln.
Es geht um Verwicklungen im Gatromillieu, wie alteigessene Wirtschaften von neuen Heititei-Bars verdrängt werden, und von Journalisten. Und das sind dann alles Rollen aus dem Katalog, der Chefredakteur zwischen Anzeigenabhängigkeit und journalitsiche Freiheit, der ehemalige Investigative, der seine Chance kommen läßt, der Schmierige, der sich schmieren läßt und das Schickimickileben genießt. Und die schöne taffe Reporterin, Hannelore Elsner wieder. (Die ich, nebenbei, langsam für doch eher überschätzt halt, eigentlich gefällt sie mir meist, aber es ist doch fast immer diegleiche Frau, die sie spielt, ob nun Journaille oder Modell) Und in den Nebenrollen der Zeitung wird es nicht besser. Auf der Gastroseite auch nicht....
Zwischendurch läuft noch der Stadtindianer, prima gespielt von Volker Prechtel, herum, am schönsten Lenz' Stammtischbrüder mit einem Haufen bekannter Gesichter.
Sowieso hier schöner das nebenbei: Helmut Fischer will als Rocker verkleidet in einer Rockerkneipe Infos bekommen, es läuft Ace of Spades von Mötorhead, er bekommt keine Infos, aber immerhin ein Bier, da er natürlich gleich erkannt wird. Fischer hat einige herrliche Momente, er sieht ja immer unzufrieden und genervt aus, immer auch an anderen interessiert (Polizist: Ich hab hier ein Hausdurchsuchungsbefehl. Bewohnerin: Das ist kein Haus, sondern eine Wohnung. Fischer guckt, sagt: Interessanter Einwand eigentlich.)
Die anderen Rocker sind leider keine. Und wenn das das Schicki Micki Leben war, war das in München wirklich das dörflichste Nachtleben, die Statisten wirklich obererste Kajüte, die Tanzmoves ebenso. Immerhin: In einer Bar gab es auch J & B.
Schauwerte, Fall durchschnittlich, Fischer brillant.

Außerdem fiel mir bei der Box ja auf, das der Abspann wirklich lang war, so das man von dem schönen Track noch sehr viel mehr hören konnte.
Klingt nicht uninteressant. Habe noch keinen Lenz Tatort gesehen, aber das kann ich nachholen.
Und überhaupt :Helmut Fischer als Rocker? :? :hirn: :lol:
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Polizeiruf 110: Söhne Rostocks

„Zeigen Sie mir jemand, der in seinem Geschäft erfolgreich ist. Die Chance, dass er oder sie so denkt wie Michael, liegt bei 90 Prozent. Risiko ist da so notwendig wie Selbstzweck. Am Ende ist Geld besser als Sex!“

Der 21. Fall des Rostocker Ermittlungsduos Alexander König (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ist zugleich der bereits sechste „Polizeiruf 110“ des Regisseurs Christian von Castelberg, der ein Drehbuch Markus Buschs verfilmte. Gedreht im Frühjahr 2019, erfolgte die Erstausstrahlung erst am 19.01.2020.

„Da ist irgendwas ziemlich schiefgelaufen…“

Bukow wird zu einem angeblichen Einbruch in die Villa des überaus erfolgreichen Rostocker Zeitarbeit-Unternehmers Michael Norden (Tilman Strauss, „Wir waren Könige“) gerufen. Vor Ort scheint es sich um falschen Alarm zu handeln, doch plötzlich taumelt ein blutüberströmter Mann (Patrick Eble) in Bukows Arme und verstirbt auf ihm liegend. Norden nutzt die Situation, um schnell das Weite zu suchen. Bukow & Co. stehen vor einem Puzzle: Wer ist der Tote, wer sein Mörder, was ist das Motiv und wo zur Hölle steckt Norden? Das Puzzle erweist sich als Scherbenhaufen des Lebens des Jungkapitalisten, der sich bei Termingeschäften verzockt hat und von seiner Vergangenheit als Drogenwrack im Subprekariat eingeholt zu werden droht…

Der konsequent düster, trist und problembeladen inszenierte und erzählte Rostock noir zwingt die Polizei zum Abklappern Nordens Bekanntenkreises, woraus sich nach und nach ein Porträt seines Charakters und seines Wirkens ergibt. Die Identität des Toten stellt sich als Nordens Jugendfreund Frank Fischer heraus. Dann sind da noch Nordens ehemaliger Mentor, der Immobilienhai Stefan Larges (Germain Wagner, „Mädchen Mädchen!“), seine Jugendliebe Beate Hövermann (Katharina Behrens, „Die Hände meiner Mutter“) und ihr siebzehnjähriger Sohn Jon (Oskar Belton, „Wendezeit“) sowie Nordens prollige Freundin (Romina Küper, „Jonathan“) und die engsten Mitarbeiter(innen) seines Unternehmens, die jedoch allesamt zunächst auch nichts über dessen Verbleib wissen. Parallel werden die Zuschauerinnen und Zuschauer Zeugen der Flucht und des Untertauchens Nordens, der nun seinerseits unterschiedliche Stationen seiner Vergangenheit abklappert und sich letztlich immer weiter in der sozialen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale verfängt.

Nordens Niedergang wird nicht nur durch seine unkontrolliert und verzweifelt wirkenden Wut- und Gewaltausbrüche dokumentiert, sondern auch durch seinen optischen Verfall. Dabei geht es weniger um seinen Körper, wenngleich ihm sein selbstgefälliges Siegeslächeln nachhaltig aus der Visage weicht, sondern vielmehr um die am Körper getragenen Luxusgüter und Statussymbole, die er nach und nach abzulegen gezwungen ist.

Die Vielzahl der eingeführten Figuren bei gleichzeitiger Frage nicht nur nach dem Mörder, sondern auch nach dem Motiv lässt „Söhne Rostocks“ über weite Strecken komplexer erscheinen, als er eigentlich ist, sodass er leider recht verworren wirkt. Die finale Auflösung entschädigt dafür leider nicht, wenngleich alle Figuren tapfer gegen das schwächelnde Drehbuch anspielen und es der Regie gelingt, eine derart lebensfeindliche, unwohlige Atmosphäre und Grundstimmung zu kreieren, dass es einen fröstelt und herunterzieht. Da ist es schade, dass einem sowohl Norden als auch das Mordopfer so gleichgültig bleiben.

Auf der horizontalen Erzählebene wird dieser „Hochmut kommt vor dem Fall“-Fall diesmal nicht mit Beziehungsanbahnungen zwischen Bukow und König angereichert. Stattdessen wird die Episode „Für Janina“ und damit die Beweisfälschung durch König wiederaufgegriffen, denn Guido Wachs (Peter Trabner) hat Kontakt zu König aufgenommen. Dies zerrt an ihren Nerven, weshalb sie arg aufgekratzt und ängstlich den Fall Norden durchstehen muss und mit ihren Gedanken häufig ganz woanders ist. Ähnlich wie Norden scheinen auch sie die Geister der Vergangenheit einzuholen. Diese Geschichte mutet spannender an als der dramaturgisch schwerfällige, eigentliche Fokus dieser Episode und mündet in einem etwas sehr abrupten Cliffhanger.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Kuscheltiere

Dutch Connection: Kinder aus Amsterdam

Seine dritte Regiearbeit für die „Tatort“-Krimireihe absolvierte Schimanski-Miterfinder Hajo Gies für den fünften Fall der Duisburger Ermittler um die Kommissare Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik). Die Episode „Kuscheltiere“ nach einem Drehbuch des Niederländers Chiem van Houweninge, zugleich Schauspieler des Duisburger Polizeikollegen „Hänschen“, wurde am 12.12.1982 erstausgestrahlt.

„Der Infektionsherd muss so schnell wie möglich lokalisiert werden!“

Der Rhein schwemmt ein totes ostasiatisches Mädchen an. Offenbar war es den Folgen einer Typhus-Infektion erlegen und wurde auf diese Weise anonym „seebestattet“. Schimanski und Thanner hegen den Verdacht, es habe sich um ein illegal adoptiertes Kind gehandelt. Tatsächlich führt diese Spur zu einem Amsterdamer Vermittlungsbüro, das auch von deutschen adoptionswilligen Paaren konsultiert wird: In den Niederlanden ist dieses Geschäftsmodell im Gegensatz zu Deutschland legal. Zusammen mit Hänschen reisen Schimanski und Thanner nach Amsterdam, treten dort jedoch auf der Stelle: Aufgrund eben jener Gesetzeslage können die niederländischen Kollegen den deutschen Ermittlern nicht weiterhelfen. Schimanski sieht als letzten Ausweg einen Einbruch ins Vermittlungsbüro, um an die Adressdaten potentieller deutscher Adoptiveltern des toten Kinds zu gelangen…

„Amsterdam ist nicht Chicago!“

Ein treibendes Progrock-Stück wechselt sich mit der altbekannten „Haschisch Tulpen aus Amsterdam“-Melodie in diesem „Tatort“ über deutsch-holländische Zusammenarbeit und Seuchengefahr, vor allem aber über Adoption und Ausländerfeindlichkeit, ab. Beim Leichenfund hält sich Schimmi eine Boulevardjournalistin vom Leib, muss sich aber trotzdem mit den Schlagzeilen des Revolverblatts herumplagen, das zudem eine ausländerfeindliche Stimmung schürt. In einer der vielen berüchtigten Kneipenszenen der Schimanski/Thanner-„Tatorte“ tritt Dieter Pfaff („Tatort: Hetzjagd“) als Rowdy auf den Plan und geht ein fast schon kleinwüchsiger Rassist (Jürgen Mikol, „Alles Atze“) auf Thanner los, der sich im Zuge dessen versehentlich den Arm aufschneidet. Rau ging es zu in Duisburg.

„Dieser leidige Papierkram – ist ja fast wie in Deutschland!“

Neben ausländerfeindlichen Ressentiments und der unrühmlichen Rolle der Sensationspresse thematisiert und kritisiert „Kuscheltiere“ die hohen Hürden deutscher Behörden für adoptionswillige Paare, die als Grund dafür angeführt werden, dass sich an kommerzielle Organisationen gewandt wird. So stoßen Schimmi und Thanner dann auch auf Adoptiveltern, die sich aus genau diesem Grund die kleine ostasiatische, glücklicherweise gesunde May regelrecht gekauft haben. Diese rücken die Kontaktdaten der Amsterdamer Agentur heraus, woraufhin es zu dritt nach Holland geht. Schimanski gabelt sich die attraktive Amsterdamerin Mareike (Geert de Jong, „Der 4. Mann“) auf und ermittelt inkognito, indem man sich zu zweit als adoptionswilliges Paar ausgibt. Dadurch erhält Schimanski zumindest einen Einblick in die Räumlichkeiten, in die er später als Einbrecher eindringt – und erwischt wird. Eine wüste Schlägerei entbrennt und ruft die örtliche Polizei auf den Plan. Schimanski scheint mit seinen zu den Charakteristika seiner „Tatort“-Episoden gehörenden, polarisierenden Methoden diesmal nicht durchzukommen.

Als erste von mehreren Wendungen scheint er jedoch mehr Glück als Verstand zu haben, denn sozusagen als Nebenprodukt seines Eingriffs stellt sich heraus, dass das Unternehmen in ganz andere, diesmal auch in den Niederlanden illegale Geschäfte verstrickt ist. Doch Vorgesetzter Königsberg (Ulrich Matschoss) denkt gar nicht daran, Schimanskis Alleingang zu bejubeln, sondern suspendiert ihn kurzerhand. Und noch immer sind die Adoptiveltern der Toten und somit der mögliche Typhus-Herd nicht ermittelt. Doch am Ende überschlagen sich die Ereignisse und es gibt sogar noch so etwas wie einen Cliffhanger im horizontalen Narrativ mit auf den Weg.

Das geht dann vielleicht alles etwas schnell und steht im dramaturgischen Kontrast zum etwas behäbigen Aufbau – dafür gelang es Gies aber, in knapp 90 Minuten mehrere verschiedene Topoi unterzubringen und zielführend miteinander zu verknüpfen. Die Schimanski-Folklore wird mit Kneipenszenen, Raufereien und Gesetzesübertretungen voll bedient und findet in der Suspendierung ihren vorläufigen Höhepunkt. Gegenüber Mareike darf sich Schimmi zudem als Frauenheld präsentieren. Sie erfüllt das Klischee des leicht zu habenden Mädels im liberalen Holland, ist aber ebenso schnell wieder weg, wie Schimmi sie sich angelacht hatte. Der Königsberg zeitweise vertretende Dr. Born (Christoph Hofrichter, „Didi und die Rache der Enterbten“) erweist sich als nervige, arrogante Antipode zu Schimanski, dessen Rüpelhaftigkeit wiederum langsam auf Thanner abzufärben scheint: Dieser erleichtert sich öffentlich an einer Gebäudeecke und kabbelt sich derart mit seiner Sylvia, dass sie ihn letztlich vor die Tür setzt. Eine sehenswerte Episode mit einmal mehr viel sozialem Gewissen, etwas Sprengstoff für gesellschaftliche Debatten, diesmal gar doppeltem Lokalkolorit im Sinne der Völkerverständigung und einer weiteren Ausdefinition der Hauptfiguren, sodass man nicht nur aufgrund des Cliffhangers das nächste Abenteuer der „Drei Ausrufezeichen“ Schimanski, Thanner und Hänschen kaum erwarten kann. Interessant zu wissen wäre indes gewesen, wie der Fall ohne kräftige Unterstützung durch Kommissar Zufall hätte gelöst werden können…
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