Was vom Tage übrigblieb ...
Moderator: jogiwan
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Die Frauen des Shogun (Ikuo Sekimoto, 1977) 7/10
Senjero ist der Anführer eine Bande von Tagedieben und Nichtsnutzen, die sich die Zeit mit kleinen Geschäften und Vergewaltigungen vertreiben, und einfach nur jede Menge Spaß haben wollen. Seine Kindheitsgefährtin und Geliebte Okoyo hat die Schnauze voll von diesem Leben und schafft es, als Konkubine an den Hof des Shoguns zu kommen. Ihre Chancen, an den Shogun selber heranzukommen, um fortan ein sicheres Leben im Wohlstand führen zu können, sind aber ziemlich gering, solange der Shogun mit seiner Lieblingsnutte rummacht. Die auch noch von ihm schwanger ist. Also muss erst mal das Kind weg, wobei Senjero hilft, der sich bei der Gelegenheit aber unsterblich in ebendiese Lieblingsnutte verliebt. Durch die gewaltsame Abtreibung verliert das arme Mädchen erst den Verstand und dann ihre Stellung bei Hof, die dann von Okoyo geschickt eingenommen wird. Als das Mädchen durch den Wald irrt, wird sie von den Männern Senjeros massenvergewaltigt - Senjero kann sie zwar hinterher noch in seine Obhut nehmen, aber ihr Hass auf Männer ist so enorm geworden, dass sie sogar Senjeros Fürsorge ablehnt. Auch Okoyos Stellung schwankt, da ihre Herrin, die Kammerzofe des Shoguns, sich in die sexuellen Fähigkeiten von Senjero verknallt, der sich zu diesem Zeitpunkt bei Okoyo versteckt.
DIE FRAUEN DES SHOGUNS, nackte Brüste auf dem Cover, und das Label Roman Porno auf der Filmdose, fertig ist die Erwartungshaltung, dass man es hier mit einem saftigen Dreiviertelporno zu tun hat. Bah, weit gefehlt, und tatsächlich ist der Film eine Überraschung in vielerlei Hinsicht.
Da haben wir den Anti-Helden Senjero, der in den Tag hineinlebt, rammelt wie ein Kaninchen, und mit seinen Männern die Traditionen von Filmen wie DIE ROTE SONNE DER RACHE hochhält. Ein Asozialer in einer öden und leeren Welt, der nur für sein eigenes Wohlergehen lebt, dann für das seiner Freundin, und zu guter Letzt auch ab und an nach seinen Männern schaut. Viel Italo-Western wird hier eingebracht, und bis zum Schluss hätte auch jemand wie Anthony Steffen (etwa in der Rolle des Arizona) die Rolle ausfüllen können (was vielleicht auch an der deutschen Synchronstimme von Klaus Kindler liegen mag …).
Dann haben wir Okoyos Weg, der eigentlich ein klassisches Drama am Hofe eines Fürsten ist: Die Frau, die sich bis zum Herrscher nach oben schläft und doch wieder abstürzt. Gefilmt in teilweise überwältigend schönen Bildern, oft in sehr anregenden Szenen mit vielen nackten Damen, aber nie zu explizit und niemals wirklich schlüpfrig. DIE FRAUEN DES SHOGUN ist, vor allem für seine Entstehungszeit, überraschend zahm geworden, und bemüht sich häufig lieber um eine erotische Atmosphäre, als um nackte Tatsachen. Das Kopfkino spielt hier eine große Rolle!
Und zu guter Letzt eine oftmals durcheinander wirbelnde Handlung, die tatsächlich einen Sinn macht, und einige Male mit wirklich ergreifenden Szenen punktet. Wenn die einstmalige Lieblingskonkubine am Pranger sitzt und einsam singt, dann dringt eine tiefe Trauer aus dem Bildschirm, und diese Szene bleibt genauso nachdrücklich hängen, wie wenn jemand wie Ang Lee sie inszeniert hätte. Genauso wie etwa die Präsentation des ersten Thronfolgers, gerade während der Shogun sich seinen Leibesfreuden hingibt, und das Mädchen steht den Archetypen des modernen Horrorfilms in diesem Augenblick in Nichts nach. Pure Emotionen, exploitativ zwar, aber gerade deswegen umso eindrücklicher und überwältigender.
Ein wirklich überraschender Film, ein ambivalenter Film, mit wunderschönen Bildern und einer Musik wie aus den besten Zeiten des italienischen Genrefilms. Ein Film der zeigt, dass der Begriff des Roman Porno nicht immer nur mit Misogynie und/oder Gewalt einhergehen muss, sondern auch sehr künstlerisch daherkommen kann, ohne dabei gleich in verschwurbeltes Kunstkino abzudriften, und vieles von dem in sich haben kann, was Film eigentlich ausmacht.
Senjero ist der Anführer eine Bande von Tagedieben und Nichtsnutzen, die sich die Zeit mit kleinen Geschäften und Vergewaltigungen vertreiben, und einfach nur jede Menge Spaß haben wollen. Seine Kindheitsgefährtin und Geliebte Okoyo hat die Schnauze voll von diesem Leben und schafft es, als Konkubine an den Hof des Shoguns zu kommen. Ihre Chancen, an den Shogun selber heranzukommen, um fortan ein sicheres Leben im Wohlstand führen zu können, sind aber ziemlich gering, solange der Shogun mit seiner Lieblingsnutte rummacht. Die auch noch von ihm schwanger ist. Also muss erst mal das Kind weg, wobei Senjero hilft, der sich bei der Gelegenheit aber unsterblich in ebendiese Lieblingsnutte verliebt. Durch die gewaltsame Abtreibung verliert das arme Mädchen erst den Verstand und dann ihre Stellung bei Hof, die dann von Okoyo geschickt eingenommen wird. Als das Mädchen durch den Wald irrt, wird sie von den Männern Senjeros massenvergewaltigt - Senjero kann sie zwar hinterher noch in seine Obhut nehmen, aber ihr Hass auf Männer ist so enorm geworden, dass sie sogar Senjeros Fürsorge ablehnt. Auch Okoyos Stellung schwankt, da ihre Herrin, die Kammerzofe des Shoguns, sich in die sexuellen Fähigkeiten von Senjero verknallt, der sich zu diesem Zeitpunkt bei Okoyo versteckt.
DIE FRAUEN DES SHOGUNS, nackte Brüste auf dem Cover, und das Label Roman Porno auf der Filmdose, fertig ist die Erwartungshaltung, dass man es hier mit einem saftigen Dreiviertelporno zu tun hat. Bah, weit gefehlt, und tatsächlich ist der Film eine Überraschung in vielerlei Hinsicht.
Da haben wir den Anti-Helden Senjero, der in den Tag hineinlebt, rammelt wie ein Kaninchen, und mit seinen Männern die Traditionen von Filmen wie DIE ROTE SONNE DER RACHE hochhält. Ein Asozialer in einer öden und leeren Welt, der nur für sein eigenes Wohlergehen lebt, dann für das seiner Freundin, und zu guter Letzt auch ab und an nach seinen Männern schaut. Viel Italo-Western wird hier eingebracht, und bis zum Schluss hätte auch jemand wie Anthony Steffen (etwa in der Rolle des Arizona) die Rolle ausfüllen können (was vielleicht auch an der deutschen Synchronstimme von Klaus Kindler liegen mag …).
Dann haben wir Okoyos Weg, der eigentlich ein klassisches Drama am Hofe eines Fürsten ist: Die Frau, die sich bis zum Herrscher nach oben schläft und doch wieder abstürzt. Gefilmt in teilweise überwältigend schönen Bildern, oft in sehr anregenden Szenen mit vielen nackten Damen, aber nie zu explizit und niemals wirklich schlüpfrig. DIE FRAUEN DES SHOGUN ist, vor allem für seine Entstehungszeit, überraschend zahm geworden, und bemüht sich häufig lieber um eine erotische Atmosphäre, als um nackte Tatsachen. Das Kopfkino spielt hier eine große Rolle!
Und zu guter Letzt eine oftmals durcheinander wirbelnde Handlung, die tatsächlich einen Sinn macht, und einige Male mit wirklich ergreifenden Szenen punktet. Wenn die einstmalige Lieblingskonkubine am Pranger sitzt und einsam singt, dann dringt eine tiefe Trauer aus dem Bildschirm, und diese Szene bleibt genauso nachdrücklich hängen, wie wenn jemand wie Ang Lee sie inszeniert hätte. Genauso wie etwa die Präsentation des ersten Thronfolgers, gerade während der Shogun sich seinen Leibesfreuden hingibt, und das Mädchen steht den Archetypen des modernen Horrorfilms in diesem Augenblick in Nichts nach. Pure Emotionen, exploitativ zwar, aber gerade deswegen umso eindrücklicher und überwältigender.
Ein wirklich überraschender Film, ein ambivalenter Film, mit wunderschönen Bildern und einer Musik wie aus den besten Zeiten des italienischen Genrefilms. Ein Film der zeigt, dass der Begriff des Roman Porno nicht immer nur mit Misogynie und/oder Gewalt einhergehen muss, sondern auch sehr künstlerisch daherkommen kann, ohne dabei gleich in verschwurbeltes Kunstkino abzudriften, und vieles von dem in sich haben kann, was Film eigentlich ausmacht.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
French Hitman – Die Abrechnung (Fred Grivois, 2015) 6/10
Wie weit wärst Du bereit zu gehen, um Deine Familie zu schützen? Was würdest du tun, um aus einer komplett verfahrenen Lebenssituation herauszukommen? Um einen Cut machen zu können, und Dein Leben wieder in den Griff zu bekommen?
Eine Fragestellung, die im Film generell nicht ungewöhnlich ist. In FRENCH HITMAN ist es der biedere Familienvater Vincent, dessen Leben völlig aus den Fugen geraten ist. Der in eine Situation gerät, die alltäglicher nicht sein kann, und in die jeder von uns ebenfalls unverschuldet hineingeraten kann. Der Bau des eigenen Häuschens stockt wegen akuten Geldmangels, die Ehe kriselt sowieso schon, und die fehlende Liebe wird durch den Baustopp bestimmt nicht wiederkehren, und dann hat der Vater auch noch einen Schlaganfall und kommt als Pflegefall in die eigene 3-Zimmer-Wohnung und schläft im Zimmer der Tochter, die daraufhin ins elterliche Schlafzimmer wechseln muss, was der Ehesituation nochmal genauso abträglich ist wie die notgeilen Blicke, die der Alte Vincents Frau Delphine zuwirft. Vincent muss lernen, dass das Appartement seines Vaters schon vor Jahren verkauft und das Geld versoffen und verhurt wurde, und irgendwie wird seine Situation von Tag zu Tag erbärmlicher. So hat man sich das Leben eigentlich nicht vorgestellt. Durch ein neues Vereinsmitglied, Vincent ist ein herausragender Sportschütze auf der 300-m-Distanz, ergibt sich die Möglichkeit, alle Sorgen auf einmal loszuwerden: Man geht zu einem Ziel, schießt, und geht wieder weg. Ganz einfach. Für sehr viel Geld. Vincent nimmt den Job an, und etwas verändert sich. Alles verändert sich.
Sein Leben ändert sich, denn er hat wieder Geld zur Verfügung. Er ändert sich, denn mit dem Job kommt auch neues Selbstvertrauen. Den Bauarbeitern, die mangels Bezahlung seinen Rohbau abreißen wollen, gibt er böse was aufs Maul und anschließend genügend Geld zum Weiterbauen. Das Ego ändert sich sogar so weit, dass er Delphines Schwester zwischen Tür und Angel mal eben durchvögelt. Die Bildsprache verhält sich analog zu dieser Veränderung: Während seiner Ehe und während der Szenen der festgefahrenen Gewohnheiten steht Vincent mit seinem Auto oft im Stau. Ständig muss er irgendwo halten, muss er warten, geht nichts voran. Doch als Killer hat er ein Motorrad, kann er frei durch die Landschaft brausen, und wo die Kamera vorher noch nah an den Personen war und erstickende Nähe suggerierte, wird sie jetzt großräumiger und freier.
Alles wird anders. Vincent wird männlicher, im negativen Sinne. Und abstoßender. Doch so ganz ist sein Gewissen noch nicht erloschen, beim zweiten Job kann er nicht abdrücken und das Ziel spaziert lebendig von dannen. Ein Verhalten, dass die Befehlshaber im Hintergrund nicht dulden können und wollen. Ein Verhalten, das bestraft werden muss …
Und der Zuschauer fragt sich unweigerlich, wie er sich in so einer Situation verhalten würde. Was würde der unschuldige Cineast tun, wenn er in der geschilderten Situation wäre? Ablehnen, und dabei zuschauen, wie das eigene Leben immer schneller in Richtung Untergang schliddert? Oder der Verlockung des schnellen Geldes nachgeben, ohne über die Konsequenzen nachzudenken? Wir begleiten Vincent hautnah dabei, wie er zwischen Scheiße und Scheiße wählen darf, und mit Sicherheit die falsche Wahl treffen wird, weil die Entscheidung immer falsch sein wird, gleich wie sie ausfällt. In ruhigen Bildern, oft fast ein wenig zu ruhig, und ohne große Highlights, sehen wir zu, wie der spießige kleine Mann von nebenan erst zur wandelnden Zeitbombe wird, bevor genau die gleiche Bombe dann mitten in seinem Leben explodiert. Denn sein Kontaktmann zu den Hintermännern ist eines Tages ganz plötzlich nicht mehr da. Nicht mehr erreichbar. Und Vincent sieht die Männer, mit denen er vorher in einem Club groß gefeiert hatte, urplötzlich vor dem eigenen Haus. Der Spaß mit Geld und Nutten und einem neuen Motorrad ist vorbei, das hier ist Ernst. Und Ernst heißt, vor den Augen der eigenen Familie erschossen zu werden.
Die Bilder von FRENCH HITMAN sind grau, die Musik ist unauffällig, und durch die an den erstklassigen Schauspielern geradezu klebende Kamera wird schnell klar, dass das Budget für den Film nicht wirklich hoch war. Aber Regisseur Fred Grivois schafft es recht gut, aus der langsamen Geschichte ein Maximum an Druck und Entsetzen herauszuholen. Ich vermeide dabei bewusst das Wort Spannung, denn spannend ist der Film nur stellenweise. FRENCH HITMAN ist ein düsteres Drama mit nur leichten Thrilleranleihen, das eher an Pasquale Squitieris THE GUN erinnert als an moderne Jason Statham-Krimikost, und das ganz klar die Beobachtung in den Mittelpunkt stellt, was eine Waffe aus einem Menschen machen kann. Wie sich selbst ein normaler kleiner Mann durch die Verwendung einer Waffe verändert, und wie sich sein ganzes Leben ändert. Sicher ist FRENCH HITMAN an eine Extremsituation angelehnt, der erwähnte THE GUN geht da nochmal eine ganze Ecke unauffälliger und bitterer vor, aber dieses psychologisch geschickt aufgebaute Drama, das so unerbittlich wie ein Uhrwerk abläuft, das kann den Zuschauer schon ein gutes Stück mit sich ziehen - So er bereit sich ist darauf einzulassen …
Wie weit wärst Du bereit zu gehen, um Deine Familie zu schützen? Was würdest du tun, um aus einer komplett verfahrenen Lebenssituation herauszukommen? Um einen Cut machen zu können, und Dein Leben wieder in den Griff zu bekommen?
Eine Fragestellung, die im Film generell nicht ungewöhnlich ist. In FRENCH HITMAN ist es der biedere Familienvater Vincent, dessen Leben völlig aus den Fugen geraten ist. Der in eine Situation gerät, die alltäglicher nicht sein kann, und in die jeder von uns ebenfalls unverschuldet hineingeraten kann. Der Bau des eigenen Häuschens stockt wegen akuten Geldmangels, die Ehe kriselt sowieso schon, und die fehlende Liebe wird durch den Baustopp bestimmt nicht wiederkehren, und dann hat der Vater auch noch einen Schlaganfall und kommt als Pflegefall in die eigene 3-Zimmer-Wohnung und schläft im Zimmer der Tochter, die daraufhin ins elterliche Schlafzimmer wechseln muss, was der Ehesituation nochmal genauso abträglich ist wie die notgeilen Blicke, die der Alte Vincents Frau Delphine zuwirft. Vincent muss lernen, dass das Appartement seines Vaters schon vor Jahren verkauft und das Geld versoffen und verhurt wurde, und irgendwie wird seine Situation von Tag zu Tag erbärmlicher. So hat man sich das Leben eigentlich nicht vorgestellt. Durch ein neues Vereinsmitglied, Vincent ist ein herausragender Sportschütze auf der 300-m-Distanz, ergibt sich die Möglichkeit, alle Sorgen auf einmal loszuwerden: Man geht zu einem Ziel, schießt, und geht wieder weg. Ganz einfach. Für sehr viel Geld. Vincent nimmt den Job an, und etwas verändert sich. Alles verändert sich.
Sein Leben ändert sich, denn er hat wieder Geld zur Verfügung. Er ändert sich, denn mit dem Job kommt auch neues Selbstvertrauen. Den Bauarbeitern, die mangels Bezahlung seinen Rohbau abreißen wollen, gibt er böse was aufs Maul und anschließend genügend Geld zum Weiterbauen. Das Ego ändert sich sogar so weit, dass er Delphines Schwester zwischen Tür und Angel mal eben durchvögelt. Die Bildsprache verhält sich analog zu dieser Veränderung: Während seiner Ehe und während der Szenen der festgefahrenen Gewohnheiten steht Vincent mit seinem Auto oft im Stau. Ständig muss er irgendwo halten, muss er warten, geht nichts voran. Doch als Killer hat er ein Motorrad, kann er frei durch die Landschaft brausen, und wo die Kamera vorher noch nah an den Personen war und erstickende Nähe suggerierte, wird sie jetzt großräumiger und freier.
Alles wird anders. Vincent wird männlicher, im negativen Sinne. Und abstoßender. Doch so ganz ist sein Gewissen noch nicht erloschen, beim zweiten Job kann er nicht abdrücken und das Ziel spaziert lebendig von dannen. Ein Verhalten, dass die Befehlshaber im Hintergrund nicht dulden können und wollen. Ein Verhalten, das bestraft werden muss …
Und der Zuschauer fragt sich unweigerlich, wie er sich in so einer Situation verhalten würde. Was würde der unschuldige Cineast tun, wenn er in der geschilderten Situation wäre? Ablehnen, und dabei zuschauen, wie das eigene Leben immer schneller in Richtung Untergang schliddert? Oder der Verlockung des schnellen Geldes nachgeben, ohne über die Konsequenzen nachzudenken? Wir begleiten Vincent hautnah dabei, wie er zwischen Scheiße und Scheiße wählen darf, und mit Sicherheit die falsche Wahl treffen wird, weil die Entscheidung immer falsch sein wird, gleich wie sie ausfällt. In ruhigen Bildern, oft fast ein wenig zu ruhig, und ohne große Highlights, sehen wir zu, wie der spießige kleine Mann von nebenan erst zur wandelnden Zeitbombe wird, bevor genau die gleiche Bombe dann mitten in seinem Leben explodiert. Denn sein Kontaktmann zu den Hintermännern ist eines Tages ganz plötzlich nicht mehr da. Nicht mehr erreichbar. Und Vincent sieht die Männer, mit denen er vorher in einem Club groß gefeiert hatte, urplötzlich vor dem eigenen Haus. Der Spaß mit Geld und Nutten und einem neuen Motorrad ist vorbei, das hier ist Ernst. Und Ernst heißt, vor den Augen der eigenen Familie erschossen zu werden.
Die Bilder von FRENCH HITMAN sind grau, die Musik ist unauffällig, und durch die an den erstklassigen Schauspielern geradezu klebende Kamera wird schnell klar, dass das Budget für den Film nicht wirklich hoch war. Aber Regisseur Fred Grivois schafft es recht gut, aus der langsamen Geschichte ein Maximum an Druck und Entsetzen herauszuholen. Ich vermeide dabei bewusst das Wort Spannung, denn spannend ist der Film nur stellenweise. FRENCH HITMAN ist ein düsteres Drama mit nur leichten Thrilleranleihen, das eher an Pasquale Squitieris THE GUN erinnert als an moderne Jason Statham-Krimikost, und das ganz klar die Beobachtung in den Mittelpunkt stellt, was eine Waffe aus einem Menschen machen kann. Wie sich selbst ein normaler kleiner Mann durch die Verwendung einer Waffe verändert, und wie sich sein ganzes Leben ändert. Sicher ist FRENCH HITMAN an eine Extremsituation angelehnt, der erwähnte THE GUN geht da nochmal eine ganze Ecke unauffälliger und bitterer vor, aber dieses psychologisch geschickt aufgebaute Drama, das so unerbittlich wie ein Uhrwerk abläuft, das kann den Zuschauer schon ein gutes Stück mit sich ziehen - So er bereit sich ist darauf einzulassen …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Black Mass (Scott Cooper, 2015) 7/10
Was macht einen guten Schauspieler aus? Wann sagen wir, der und der Mime performt gut, nicht so gut, schlecht? Sind es die Augen, die Gefühle zum Zuschauer transportieren? Seine Bereitschaft zum hemmungslosen Weinen (die ja bekanntlich maßgeblich ist zum Gewinn eines Oscars)? Johnny Depp zum Beispiel. Johny Depp habe ich vor kurzem erst wieder in Lasse Hallströms CHOCOLAT gesehen. Dort ist er ein lebenslustiger und sinnlicher Vagabund mit einem hinreißenden Lachen und viel Liebe im Herzen. Hier, in BLACK MASS, spielt Depp das komplette Gegenteil. Depp ist Jimmy „Whitey“ Bulger, ein kleiner Krimineller mit psychopatischen Anwandlungen, der im South Boston der Mitt-70er eine kleine Gang anführt. Weil das FBI die Mafia aus der Stadt verjagen will, und weil der zuständige FBI-Agent zusammen mit Jimmy aufgewachsen ist, wird Jimmy als eine Art Gewährsmann verwendet, der den Polizisten Informationen über die Mafia zukommen lässt. Das sieht dann im Endeffekt so aus, dass Jimmy sein Tun immer mehr und immer brutaler ausweitet, bis er Anfang der 80er tatsächlich der Verbrechenskönig von ganz Boston ist, und als Gegenleistung lässt er eben seine Konkurrenz, die Mafia auffliegen, wenn auch erst nach gehörigem Druck seitens des Staates. Mitte der 80er kann Jimmy niemand mehr etwas. Die beiden zuständigen Agenten Conolly und Morris decken alle seine Verbrechen, während Jimmy selber immer unberechenbarer und brutaler wird. Er ist derjenige, der seinem kleinen Jungen beibringt, dass es nicht wichtig sei dass man zuschlägt, sondern dass man dann zuschlägt wenn keiner dabei ist. Denn dann ist es als sei es nie geschehen. Das gesamte Geschäft gehört Jimmy: Glücksspiel, Drogen, Prostitution, Schiebereien, … Einfach alles. Conolly behauptet seinen Vorgesetzten gegenüber immer noch, das Jimmy nur ein kleiner Fisch sei. Und der mächtigste Mann im Staate Massachusetts ist derweil – Jimmys Bruder Bill, Senator und aufstrebender Politiker …
Und das Beste: Die Geschichte ist so tatsächlich passiert! Das FBI organisiert den Aufstieg eines Verbrechers, ohne auch nur einen Hauch von Kontrolle über ihn zu haben. BLACK MASS vermeidet dabei sämtliche Fettnäpfchen, die es in den Geschichten über South Boston sonst so oft gibt. Weder laufen liebenswert-kauzige Kleinkriminelle durch die Straßen, noch werden markige Oneliner gezückt, und die Gewalt wird mitnichten drei Dialogzeilen vorher angekündigt. Die Stimmung ist ausnahmslos düster und ernst, und der Tod meistens schnell und grausam. Wobei, so schnell ist er nicht immer: Sowohl die Hure wie auch der letzte Informant sterben langsam und qualvoll, und wir müssen dabei in Großaufnahme zuschauen. Nicht schön!
Und Johnny Depp? Der spielt(?) einen so dermaßen kalten und skrupellosen Schweinehund, dass es einem selbst vor dem Bildschirm kalt den Rücken hinunterläuft. Sein Charisma ist eisenhart und böse böse böse. Was Jimmy mit der Frau von Conolly anstellt ist eine grauenerregende und tiefschwarze Szene, und dabei haben diese Minuten nicht einmal eine Spur von physischer Gewaltanwendung. Nur Worte. Worte und Blicke. Es ist die Ausstrahlung die einen tief in die Geschichte hineinzieht, und tatsächlich fast zwei Stunden gebannt zuschauen lässt. Erst in den letzten 20 Minuten zerfasert die ansonsten ruhig und gradlinig erzählte Geschichte ein wenig, aber es gibt hier kein unnützes Geschwafel, keine Treueschwüre, keine falsche Gangsterromantik und keine sozialen Ergüsse. Nur bitterböse und knüppelharte Gewalt in Form von Blicken, Worten und Fäusten. In dieser Reihenfolge. Und meines Erachtens ist es genau das, was einen Schauspieler ausmacht. Die Fähigkeit, mit einer anderen Person so zu verschmelzen, dass die eigene Persönlichkeit völlig ausgelöscht wird, und die Rolle im letzten Film gleich mit. Neben all dem hirnrissigen Karibik-Schwachsinn und den noch viel idiotischeren Eskapaden im Privatleben ist Johnny Depp auch und gerade geschminkt wie ein Albino und mit stahlblauen Kontaktlinsen eben immer noch einer der herausragendsten Schauspieler unserer Zeit. So man ihm die Möglichkeit dazu gibt.
BLACK MASS ist beeindruckend. Hochgradig beeindruckend. Ein böses und schwarzfunkelndes Juwel im weichgewaschenen und zerredeten US-Gangsterfilm der letzten 20 Jahre, der fast nur ein wenig darunter leidet, dass er nicht aus Großbritannien kommt, wo er nochmal ein paar Ecken geerdeter geworden wäre. Aber das sind persönliche Vorlieben, die nichts an der Qualität des Films ändern.
Was macht einen guten Schauspieler aus? Wann sagen wir, der und der Mime performt gut, nicht so gut, schlecht? Sind es die Augen, die Gefühle zum Zuschauer transportieren? Seine Bereitschaft zum hemmungslosen Weinen (die ja bekanntlich maßgeblich ist zum Gewinn eines Oscars)? Johnny Depp zum Beispiel. Johny Depp habe ich vor kurzem erst wieder in Lasse Hallströms CHOCOLAT gesehen. Dort ist er ein lebenslustiger und sinnlicher Vagabund mit einem hinreißenden Lachen und viel Liebe im Herzen. Hier, in BLACK MASS, spielt Depp das komplette Gegenteil. Depp ist Jimmy „Whitey“ Bulger, ein kleiner Krimineller mit psychopatischen Anwandlungen, der im South Boston der Mitt-70er eine kleine Gang anführt. Weil das FBI die Mafia aus der Stadt verjagen will, und weil der zuständige FBI-Agent zusammen mit Jimmy aufgewachsen ist, wird Jimmy als eine Art Gewährsmann verwendet, der den Polizisten Informationen über die Mafia zukommen lässt. Das sieht dann im Endeffekt so aus, dass Jimmy sein Tun immer mehr und immer brutaler ausweitet, bis er Anfang der 80er tatsächlich der Verbrechenskönig von ganz Boston ist, und als Gegenleistung lässt er eben seine Konkurrenz, die Mafia auffliegen, wenn auch erst nach gehörigem Druck seitens des Staates. Mitte der 80er kann Jimmy niemand mehr etwas. Die beiden zuständigen Agenten Conolly und Morris decken alle seine Verbrechen, während Jimmy selber immer unberechenbarer und brutaler wird. Er ist derjenige, der seinem kleinen Jungen beibringt, dass es nicht wichtig sei dass man zuschlägt, sondern dass man dann zuschlägt wenn keiner dabei ist. Denn dann ist es als sei es nie geschehen. Das gesamte Geschäft gehört Jimmy: Glücksspiel, Drogen, Prostitution, Schiebereien, … Einfach alles. Conolly behauptet seinen Vorgesetzten gegenüber immer noch, das Jimmy nur ein kleiner Fisch sei. Und der mächtigste Mann im Staate Massachusetts ist derweil – Jimmys Bruder Bill, Senator und aufstrebender Politiker …
Und das Beste: Die Geschichte ist so tatsächlich passiert! Das FBI organisiert den Aufstieg eines Verbrechers, ohne auch nur einen Hauch von Kontrolle über ihn zu haben. BLACK MASS vermeidet dabei sämtliche Fettnäpfchen, die es in den Geschichten über South Boston sonst so oft gibt. Weder laufen liebenswert-kauzige Kleinkriminelle durch die Straßen, noch werden markige Oneliner gezückt, und die Gewalt wird mitnichten drei Dialogzeilen vorher angekündigt. Die Stimmung ist ausnahmslos düster und ernst, und der Tod meistens schnell und grausam. Wobei, so schnell ist er nicht immer: Sowohl die Hure wie auch der letzte Informant sterben langsam und qualvoll, und wir müssen dabei in Großaufnahme zuschauen. Nicht schön!
Und Johnny Depp? Der spielt(?) einen so dermaßen kalten und skrupellosen Schweinehund, dass es einem selbst vor dem Bildschirm kalt den Rücken hinunterläuft. Sein Charisma ist eisenhart und böse böse böse. Was Jimmy mit der Frau von Conolly anstellt ist eine grauenerregende und tiefschwarze Szene, und dabei haben diese Minuten nicht einmal eine Spur von physischer Gewaltanwendung. Nur Worte. Worte und Blicke. Es ist die Ausstrahlung die einen tief in die Geschichte hineinzieht, und tatsächlich fast zwei Stunden gebannt zuschauen lässt. Erst in den letzten 20 Minuten zerfasert die ansonsten ruhig und gradlinig erzählte Geschichte ein wenig, aber es gibt hier kein unnützes Geschwafel, keine Treueschwüre, keine falsche Gangsterromantik und keine sozialen Ergüsse. Nur bitterböse und knüppelharte Gewalt in Form von Blicken, Worten und Fäusten. In dieser Reihenfolge. Und meines Erachtens ist es genau das, was einen Schauspieler ausmacht. Die Fähigkeit, mit einer anderen Person so zu verschmelzen, dass die eigene Persönlichkeit völlig ausgelöscht wird, und die Rolle im letzten Film gleich mit. Neben all dem hirnrissigen Karibik-Schwachsinn und den noch viel idiotischeren Eskapaden im Privatleben ist Johnny Depp auch und gerade geschminkt wie ein Albino und mit stahlblauen Kontaktlinsen eben immer noch einer der herausragendsten Schauspieler unserer Zeit. So man ihm die Möglichkeit dazu gibt.
BLACK MASS ist beeindruckend. Hochgradig beeindruckend. Ein böses und schwarzfunkelndes Juwel im weichgewaschenen und zerredeten US-Gangsterfilm der letzten 20 Jahre, der fast nur ein wenig darunter leidet, dass er nicht aus Großbritannien kommt, wo er nochmal ein paar Ecken geerdeter geworden wäre. Aber das sind persönliche Vorlieben, die nichts an der Qualität des Films ändern.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
The rosary (Lois Weber, 1913) - Phillips Smalley, Lois Weber
Ein Mann erinnert sich an die Frau die er einst liebte, und die er bis heute liebt. Sie gehörten zusammen, doch der Krieg kam und trennte die beiden. Irgendwann erhält sie die Nachricht, dass ihr Liebster tot sei, und voller Schmerz geht sie ins Kloster. Doch der Mann lebt noch, und als er sie besuchen will erfährt er, dass seine Herzensdame eine Braut Christi geworden ist. Einmal sieht er sie noch, doch sie kann sich ihm nicht mehr hingeben. Einsam und düster dreht er gedankenverloren einen Rosenkranz zwischen den Fingern, das einzige Erinnerungsstück, das er von ihr noch hat.
Einsam und düster, das trifft diesen 15-Minüter ziemlich genau. THE ROSARY ist langsam erzählt und ausgesprochen schwermütig. Eine traurige Geschichte, die völlig ohne erhobenen Zeigefinger oder moralischen Impetus erzählt wird, und bildlich dabei immer im Rahmen eines Rosenkranzes erzählt wird. Einfach nur ein Mann und eine Frau, die sich innig verbunden sind und doch für immer getrennt sein werden …
Suspense (Lois Weber, 1913) - Lois Weber, Val Paul, Douglas Gerrard, Sam Kaufman, Lon Chaney, Lule Warrenton
Die Frau ist mit ihrem Kind allein im abgelegenen Haus, und draußen schleicht ein abgerissener Landstreicher herum. Nein, jetzt dringt er in das Haus ein! Die Frau ruft ihren Mann an, dass er er schnell kommen solle, sie sei in Gefahr, aber der Weg von der Stadt bis zu dem Haus ist weit, und der Mann hat kein Auto. Also stiehlt er einen Wagen, und während der eigentliche Autobesitzer mit der Polizei den Dieb verfolgt, versucht der Landstreicher, mittlerweile mit einem Messer bewaffnet, in das Zimmer einzudringen, in dem die Frau sich verbarrikadiert hat.
Abgesehen von der kurzen Einführung mit der fortgehenden Haushälterin ist hier absolut alles drin, was einen Thriller ausmacht. Auch heute, über 100 Jahre später sehen gute Filmthriller kaum anders aus, ein Film wie ESCAPE ROOM zieht seine Spannung aus genau der gleichen Geschichte. Nur: SUSPENSE ist sage und schreibe 10 Minuten lang! 10 Minuten Tempo und Spannung. Ein Mann wird direkt vor der Kamera angefahren. Ein düsterer Hobo schaut in die Kamera und wälzt sichtlich finstere Gedanken. Im Split Screen dringt der Kerl dann in das Haus ein, während gleichzeitig das Telefonat stattfindet, die Frau völlig verzweifelt ist, und der Mann ungläubig zuhört was seiner Gattin gerade passiert. Hochspannung in Reinform: Wird der Mann rechtzeitig kommen? Oder wird die Polizei ihn anhalten und damit dem Mörder Zeit geben sein schreckliches Werk auszuüben? 10 Minuten, in denen eine komplette Geschichte erzählt wird, ohne Nebenhandlungen, ohne Abschweifungen, ohne Charakterisierungen … Ein Mann, eine Frau, ein böser Mensch – Mehr braucht es einfach nicht um eine richtig gute Geschichte zu erzählen. Doch, eines: Eine Frau als Regisseurin, die ihr Handwerk versteht und genau weiß, wie sie die Mittel der Filmgestaltung einzusetzen hat. Grandios!
Hypocrites (Lois Weber, 1915) - Courtenay Foote, Myrtle Stedman, Herbert Standing, Adele Farrington, A.D. Blake
Der Mönch Gabriel erschafft in einer vergangenen Epoche eine Statue der Wahrheit. Sie ist wunderschön, aber sie ist auch nackt, denn die Wahrheit ist immer nackt. Als Gabriel die Statue präsentiert kommt es zu einem Skandal, denn die Menschen erschrecken vor der Nacktheit der Wahrheit, und sie töten Gabriel
In der Gegenwart predigt der Kirchenmann Gabriel über Heuchelei, was niemanden in seiner Gemeinde wirklich interessiert. Nachdem die Menschen seine Kirche verlassen haben schläft Gabriel ein. Im Traum besucht er gemeinsam mit der nackten Wahrheit die Mitglieder seiner Gemeinde und hält ihnen den Spiegel der Wahrheit vor: Der Politiker, auf dessen Bühne das Schild „Ehrlichkeit ist unser Fundament“ steht, zeigt sich im Spiegel als bestechlich. Die Gesellschaftslöwen akzeptieren die Wahrheit nur, wenn sie in ihre eigenen Vorstellungen hineinpasst. Die Liebenden erweisen sich als herzlos (er) und geldgierig (sie). Die Familie, die den Tod des kleinen Mädchens betrauert, hat ebendieses Mädchen mit Genussmitteln zu Tode gebracht, während der halbwüchsige Junge über Sex gelesen hat (und der Zusammenhang angedeutet wird, dass die Beschäftigung des Jungen zum Tod des Mädchens beigetragen haben könnte). Und als am Ende der Prediger, der sich so über Heuchelei mokiert, und der andere Menschen zumindest in seiner Fantasie mit der nackten Wahrheit konfrontiert, als dieser Mann tot aufgefunden wird, da hat er eine Sonntagszeitung in der Hand –Eine Zeitung, die am Sonntag, dem Tag des Herrn, gedruckt wird, und die allerlei weltliche Dinge verbreitet ...
Die überzeugte Katholikin Lois Weber dreht also einen Film über Heuchelei. Über die Nacktheit der Wahrheit und darüber, dass Menschen diese Wahrheit grundlegend ablehnen. Bezeichnend ist die Szene, in welcher der Prediger mit wenigen Folgenden einen steilen und mühseligen Pfad auf einen Berg erklimmt, während unten die Menschenmassen vorbeiziehen. Manche Frauen wollen dem Prediger folgen, werden aber von ihren Männern abgehalten. Andere schütteln nur den Kopf, wieder andere sehen den Weg nach oben nicht einmal, sondern gehen ins Gespräch vertieft einfach weiter. Aber Lois Weber ist der Kirche nicht bedingungslos hörig, das ist am Schlusstwist klar zu erkennen, und eigentlich, ja eigentlich könnte HYPOCRITES auch heute noch herrlich böse und sarkastisch sein. Wenn Gabriel und die nackte Wahrheit die Politiker besuchen, die Gesellschaft oder die Liebenden, und die Wahrheit hinter all den schönen Worten erkennen müssen, dann ist das im Jahre 2023 genauso aktuell wie im Jahre 1913. Genauso wie die Hinrichtung Gabriels durch den aufgebrachten Pöbel (und die Kirchenleute!), weil diese die nackte Wahrheit nicht akzeptieren wollen.
Aber leider hat Lois Weber sich entschieden, den Film extrem ruhig und theatralisch aufzubauen. Die Zwischentitel zitieren John Milton und legen auch sonst ein sehr altmodisches Englisch an den Tag, und die Theatralik, die übertriebenen Posen vor allem Gabriels, der am Übel der Welt jammernd und überdramatisierend zugrunde geht, nehmen der Geschichte viel von ihrer Würze und ziehen alles ein klein wenig ins Komische. Was dann zwar zum Ende passt, aber leider eben auch die Aussage verwässert. Der salbadernde Habitus Gabriels ist schnell nervig, wirkt völlig überzogen und damit fast ein wenig wie eine Karikatur auf sich selbst, was der Grundaussage des Films leider zuwider läuft.
Vom cineastischen Standpunkt gesehen ist HYPOCRITES ein Meisterwerk. Die halbdurchscheinende Wahrheit, die nur dann klar zu sehen ist wenn sie ihren Spiegel zückt, während genau dann die reale Welt ins Diffuse zurücktritt, ist wie ein Vexierbild mal zu sehen und mal nicht. Wie im wirklichen Leben halt auch. Nur die Narration und die Darstellungsweise, die sind für einen Zuschauer 110 Jahre nach der Entstehung des Films doch ein wenig ermüdend. Oder einigen wir uns zumindest auf gewöhnungsbedürftig. Wenn Lois Weber den Schwung, den sie in SUSPENSE an den Tag gelegt hat, hier ebenfalls eingesetzt hätte, dann hätte HYPOCRITES das Zeug zum Meisterwerk gehabt …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Der Tiger von New York (Stanley Kubrick, 1955) 8/10
Eine Ballade über diejenigen Menschen, die auf ihrem Weg nach unten ins Straucheln kommen. Die trotz der Zielsicherheit, mit der sie in den Abgrund taumeln, doch hier und da noch einen Strohhalm finden, nur um festzustellen, dass der bereits halb vergammelt ist. Eine Ode über Hinterhöfe und verdreckte Gassen. Ein Film über Einsamkeit, Verzweiflung und Leere, mehr in schwarz als in weiß gedreht. Ein Noir, im wahrsten Sinne.
Der Boxer Davey Gordon ist am Ende seiner Karriere angekommen, und er weiß das auch. Sein Kampf heute Abend hat mehr damit zu tun, dass er zusammengeschlagen wird, als dass er sich im sportlichen Wettkampf misst. Seine Nachbarin Gloria sieht den Kampf im Fernsehen ihres Bosses Rapallo, der ein Etablissement für Tanzbegleitung führt, und auch sonst in dunkle Geschäfte verwickelt ist, und muss während der Fernsehübertragung dessen Zudringlichkeiten ertragen. Rapallo will Gloria ins Bett bekommen, und als er bei ihr zuhause auftaucht um sie zu zwingen, ist Davey gerade rechtzeitig zur Stelle. Davey der gescheiterte Boxer, und Gloria das leichte Mädchen. Man findet sich sympathisch, man verliebt sich vorsichtig ineinander, man zweifelt an der Liebe. An der eigenen, vor allem aber an der des anderen. Zu viele schlechte Erfahrungen, zu viel Unglück musste im Leben erduldet werden, um sich jetzt der Liebe stellen zu können.
Gemeinsam will man auf die Farm von Daveys Onkel, aber dafür braucht es Geld. Davey will die Kohle aus dem letzten Kampf, und Gloria fordert den ausstehenden Wochenlohn ein. Zurück bleiben ein toter Manager, eine spurlos verschwundene Frau, und ein Mordverdächtiger: Davey.
Sicher ist Kubrick, der große Stanley Kubrick, bei seinem zweiten Langfilm noch lange nicht an der Klasse seiner späteren Werke angekommen, aber allein seine Kameraarbeit schlägt vieles von dem, was vor allem in den 50er-Jahren im späten Noir verbrochen wurde. Wie Kubrick bei der Verfolgungsjagd gegen Ende die Gassen und Höfe abbildet, all das Elend und den Schmutz, wie er die Einsamkeit in Bilder übersetzt, nur um dann das Showdown in einer Schaufensterpuppenfabrik inmitten hunderter lebloser Puppen durchzuführen – Von der vollkommenen Einsamkeit zur großen Menge, die doch gleichzeitig tot ist. Eine sagenhafte Sequenz, die auch deswegen so beeindruckend ist, weil der Kampf zwischen Rapallo und Davey nicht der Kampf zweier gewiefter Kampfsportler ist, sondern weil hier, inmitten all der Puppen, zwei verzweifelte und verängstigte Männer aufeinander einschlagen, die eigentlich nur versuchen am Leben zu bleiben, während das jeweilige Gegenüber diesem Versuch im Weg steht. Während immer mehr Puppen „sterben“ müssen, ist die nackte und pure Angst der Männer nahezu greifbar, werden die Bewegungen der Kämpfenden immer fahriger und raumfüllender, und während die Angst um das eigene Leben immer größer wird, überträgt sich diese Angst auf den Zuschauer und lässt ihn zunehmend unruhiger werden.
Da kann man auch über die ein oder andere überflüssige Volte in der Geschichte hinwegsehen (die Sache mit Glorias Schwester, die Balletttänzerin werden wollte aber nicht konnte, die ergibt außer einer Füllung der Laufzeit nicht wirklich Sinn), wenn der Film mit solchen Bildern punktet: Die 42nd Street mit ihren Kinos und Vergnügungspalästen bei Nacht. Die (vermutliche) Bronx mit ihren menschenleeren Straßen und der trotzdem deutlich spürbaren Gewalt in der Luft als Hintergrund der Jagd. Oder einfach nur Davey, der im Dunklen stehend durch sein Fenster Gloria im Licht betrachtet, und die Stäbe seines Fensters werfen ein Gitter über sein Gesicht, das mehr als tausend Worte seine Lage beschreibt: Es ist zwecklos wenn Du hier ausbrechen willst, und es ist zwecklos sich dieser Frau jemals nähern zu wollen. Du wirst immer in der Zelle Deiner armseligen Existenz gefangen bleiben.
In knackigen 65 Minuten und um nur wenige Minuten zu lang erzählt uns Kubrick knackig und zielsicher eine Geschichte über einsame Menschen, über Angst und über die Leere. Großartig!
Eine Ballade über diejenigen Menschen, die auf ihrem Weg nach unten ins Straucheln kommen. Die trotz der Zielsicherheit, mit der sie in den Abgrund taumeln, doch hier und da noch einen Strohhalm finden, nur um festzustellen, dass der bereits halb vergammelt ist. Eine Ode über Hinterhöfe und verdreckte Gassen. Ein Film über Einsamkeit, Verzweiflung und Leere, mehr in schwarz als in weiß gedreht. Ein Noir, im wahrsten Sinne.
Der Boxer Davey Gordon ist am Ende seiner Karriere angekommen, und er weiß das auch. Sein Kampf heute Abend hat mehr damit zu tun, dass er zusammengeschlagen wird, als dass er sich im sportlichen Wettkampf misst. Seine Nachbarin Gloria sieht den Kampf im Fernsehen ihres Bosses Rapallo, der ein Etablissement für Tanzbegleitung führt, und auch sonst in dunkle Geschäfte verwickelt ist, und muss während der Fernsehübertragung dessen Zudringlichkeiten ertragen. Rapallo will Gloria ins Bett bekommen, und als er bei ihr zuhause auftaucht um sie zu zwingen, ist Davey gerade rechtzeitig zur Stelle. Davey der gescheiterte Boxer, und Gloria das leichte Mädchen. Man findet sich sympathisch, man verliebt sich vorsichtig ineinander, man zweifelt an der Liebe. An der eigenen, vor allem aber an der des anderen. Zu viele schlechte Erfahrungen, zu viel Unglück musste im Leben erduldet werden, um sich jetzt der Liebe stellen zu können.
Gemeinsam will man auf die Farm von Daveys Onkel, aber dafür braucht es Geld. Davey will die Kohle aus dem letzten Kampf, und Gloria fordert den ausstehenden Wochenlohn ein. Zurück bleiben ein toter Manager, eine spurlos verschwundene Frau, und ein Mordverdächtiger: Davey.
Sicher ist Kubrick, der große Stanley Kubrick, bei seinem zweiten Langfilm noch lange nicht an der Klasse seiner späteren Werke angekommen, aber allein seine Kameraarbeit schlägt vieles von dem, was vor allem in den 50er-Jahren im späten Noir verbrochen wurde. Wie Kubrick bei der Verfolgungsjagd gegen Ende die Gassen und Höfe abbildet, all das Elend und den Schmutz, wie er die Einsamkeit in Bilder übersetzt, nur um dann das Showdown in einer Schaufensterpuppenfabrik inmitten hunderter lebloser Puppen durchzuführen – Von der vollkommenen Einsamkeit zur großen Menge, die doch gleichzeitig tot ist. Eine sagenhafte Sequenz, die auch deswegen so beeindruckend ist, weil der Kampf zwischen Rapallo und Davey nicht der Kampf zweier gewiefter Kampfsportler ist, sondern weil hier, inmitten all der Puppen, zwei verzweifelte und verängstigte Männer aufeinander einschlagen, die eigentlich nur versuchen am Leben zu bleiben, während das jeweilige Gegenüber diesem Versuch im Weg steht. Während immer mehr Puppen „sterben“ müssen, ist die nackte und pure Angst der Männer nahezu greifbar, werden die Bewegungen der Kämpfenden immer fahriger und raumfüllender, und während die Angst um das eigene Leben immer größer wird, überträgt sich diese Angst auf den Zuschauer und lässt ihn zunehmend unruhiger werden.
Da kann man auch über die ein oder andere überflüssige Volte in der Geschichte hinwegsehen (die Sache mit Glorias Schwester, die Balletttänzerin werden wollte aber nicht konnte, die ergibt außer einer Füllung der Laufzeit nicht wirklich Sinn), wenn der Film mit solchen Bildern punktet: Die 42nd Street mit ihren Kinos und Vergnügungspalästen bei Nacht. Die (vermutliche) Bronx mit ihren menschenleeren Straßen und der trotzdem deutlich spürbaren Gewalt in der Luft als Hintergrund der Jagd. Oder einfach nur Davey, der im Dunklen stehend durch sein Fenster Gloria im Licht betrachtet, und die Stäbe seines Fensters werfen ein Gitter über sein Gesicht, das mehr als tausend Worte seine Lage beschreibt: Es ist zwecklos wenn Du hier ausbrechen willst, und es ist zwecklos sich dieser Frau jemals nähern zu wollen. Du wirst immer in der Zelle Deiner armseligen Existenz gefangen bleiben.
In knackigen 65 Minuten und um nur wenige Minuten zu lang erzählt uns Kubrick knackig und zielsicher eine Geschichte über einsame Menschen, über Angst und über die Leere. Großartig!
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Beautiful sisters – Flesh slave (Katsuhiko Fuji, 1986) 4/10
Misogynie. Frauenhass. Ein Begriff, der mir beim Anschauen von BEAUTIFUL SISTERS öfters durch den Kopf ging, zusammen mit der Frage was zur Hölle ich mir da eigentlich antue. So furchtbar viele Pinkus habe ich nun noch nicht gesehen, aber bislang war da glaube ich noch keiner dabei, der sich so abschätzig gegenüber Frauen ausdrückte.
Zwei Schwestern betreiben eine Zahnarztpraxis. Die eine Ärztin, die andere Sprechstundenhilfe und Assistentin, teilen sie in ihrer Freizeit Wohnung und Bett. Eines Tages kommt ein Mann in die Praxis, Ryhohei, bedroht die beiden mit dem Messer, zwingt sie dazu sich auszuziehen, und vergewaltigt die beiden. Zuerst die jüngere und schwächere, die dadurch überhaupt das erste Mal mit einem Mann in Kontakt kommt, sehr viel später auch die ältere. Die jüngere, Kyoko, findet zunehmend Gefallen an Ryohei, und hat für den Hass, den ihre Schwester Reiko dem Mann gegenüber an den Tag legt, immer weniger Verständnis. Ryohei lässt es sogar zu, dass Reiko die Praxis verlässt um sich mit ihrem früheren Professor zu treffen, was dazu führt, dass Ryohei Kyoko vergewaltigt, während der Professor gleichzeitig Reiko vögelt, und beide Frauen den Sex der jeweils andern über das Telefon mit anhören müssen. Der Professor bietet Reiko an, dass er Geld in ihre Praxis steckt, wenn sie sich regelmäßig weiterhin treffen. Doch als die Frauen erfahren, dass Ryohei 300.000 Dollar gestohlen hat, wird er noch aus ganz anderen Gründen interessant, nicht nur wegen dem Ding zwischen seinen Beinen.
Aber bis dahin ist Ryohei dumpf und brutal, will er Sex und Essen, und wenn die Frauen nicht gehorchen bedroht er sie mit dem Messer und schlägt sie, gelegentlich untermalt von einem quirligen und jazzlastigen Loungesound, was durchaus als Statement zu verstehen ist, bei dem es einem kalt den Rücken hinunterlaufen kann. Beide Frauen bewegen sich in einem Mikrokosmos aus herrschsüchtigen Männern und seelischen bzw. körperlichen Schmerzen. Reikos Abneigung gegenüber Männern kann sehr schnell nachvollzogen werden, und, ein Schwenk auf die männliche Sicht der Welt, zudem ist der Film auch recht unerotisch gedreht und bietet erheblich weniger Nacktheit und Erotik als man von Pinkus sonst gewohnt ist. Als Ersatz gibt es Gemeinheiten: Ryohei zieht ständig abfällig über Lesben her, und gleichzeitig ist jeder Sex ein Schritt in diejenige Richtung, dass Frauen nur mit einem Mann richtig glücklich sein können. Eine Tendenz, die mir während der Sichtung ehrlich gesagt zunehmend aufstieß. Erst das Ende, der fiese kleine Twist am Schluss, der konnte dann doch ein leises Lächeln auf das Gesicht des Maulwurfs zaubern, aber insgesamt ist das einfach etwas zu wenig. Zu wenig, und zu konträr zu meiner persönlichen femininen Weltsicht.
Was übrig bleibt ist die Erkenntnis, warum der Roman Pinku zwischen den erotischen Phantasien der 70er und den sexuellen Verrücktheiten des neuen Jahrtausends eine Zeitlang fast völlig verschwunden war. Und das Wissen, dass nicht jeder Pinku zwangsläufig ein sinnliches Vergnügen sein muss. Es gibt auch Pinkus die man sich schenken kann. BEAUTIFUL SISTERS ist einer davon. Jogiwan schreibt über MOMOE’S LIPS des gleichen Regisseurs
Misogynie. Frauenhass. Ein Begriff, der mir beim Anschauen von BEAUTIFUL SISTERS öfters durch den Kopf ging, zusammen mit der Frage was zur Hölle ich mir da eigentlich antue. So furchtbar viele Pinkus habe ich nun noch nicht gesehen, aber bislang war da glaube ich noch keiner dabei, der sich so abschätzig gegenüber Frauen ausdrückte.
Zwei Schwestern betreiben eine Zahnarztpraxis. Die eine Ärztin, die andere Sprechstundenhilfe und Assistentin, teilen sie in ihrer Freizeit Wohnung und Bett. Eines Tages kommt ein Mann in die Praxis, Ryhohei, bedroht die beiden mit dem Messer, zwingt sie dazu sich auszuziehen, und vergewaltigt die beiden. Zuerst die jüngere und schwächere, die dadurch überhaupt das erste Mal mit einem Mann in Kontakt kommt, sehr viel später auch die ältere. Die jüngere, Kyoko, findet zunehmend Gefallen an Ryohei, und hat für den Hass, den ihre Schwester Reiko dem Mann gegenüber an den Tag legt, immer weniger Verständnis. Ryohei lässt es sogar zu, dass Reiko die Praxis verlässt um sich mit ihrem früheren Professor zu treffen, was dazu führt, dass Ryohei Kyoko vergewaltigt, während der Professor gleichzeitig Reiko vögelt, und beide Frauen den Sex der jeweils andern über das Telefon mit anhören müssen. Der Professor bietet Reiko an, dass er Geld in ihre Praxis steckt, wenn sie sich regelmäßig weiterhin treffen. Doch als die Frauen erfahren, dass Ryohei 300.000 Dollar gestohlen hat, wird er noch aus ganz anderen Gründen interessant, nicht nur wegen dem Ding zwischen seinen Beinen.
Aber bis dahin ist Ryohei dumpf und brutal, will er Sex und Essen, und wenn die Frauen nicht gehorchen bedroht er sie mit dem Messer und schlägt sie, gelegentlich untermalt von einem quirligen und jazzlastigen Loungesound, was durchaus als Statement zu verstehen ist, bei dem es einem kalt den Rücken hinunterlaufen kann. Beide Frauen bewegen sich in einem Mikrokosmos aus herrschsüchtigen Männern und seelischen bzw. körperlichen Schmerzen. Reikos Abneigung gegenüber Männern kann sehr schnell nachvollzogen werden, und, ein Schwenk auf die männliche Sicht der Welt, zudem ist der Film auch recht unerotisch gedreht und bietet erheblich weniger Nacktheit und Erotik als man von Pinkus sonst gewohnt ist. Als Ersatz gibt es Gemeinheiten: Ryohei zieht ständig abfällig über Lesben her, und gleichzeitig ist jeder Sex ein Schritt in diejenige Richtung, dass Frauen nur mit einem Mann richtig glücklich sein können. Eine Tendenz, die mir während der Sichtung ehrlich gesagt zunehmend aufstieß. Erst das Ende, der fiese kleine Twist am Schluss, der konnte dann doch ein leises Lächeln auf das Gesicht des Maulwurfs zaubern, aber insgesamt ist das einfach etwas zu wenig. Zu wenig, und zu konträr zu meiner persönlichen femininen Weltsicht.
Was übrig bleibt ist die Erkenntnis, warum der Roman Pinku zwischen den erotischen Phantasien der 70er und den sexuellen Verrücktheiten des neuen Jahrtausends eine Zeitlang fast völlig verschwunden war. Und das Wissen, dass nicht jeder Pinku zwangsläufig ein sinnliches Vergnügen sein muss. Es gibt auch Pinkus die man sich schenken kann. BEAUTIFUL SISTERS ist einer davon. Jogiwan schreibt über MOMOE’S LIPS des gleichen Regisseurs
Was 1:1 zu BEAUTIFUL SISTERS übernommen werden kann!jogiwan hat geschrieben:„In „Momoe’s Lips“ kommt ja wieder mal so einiges zusammen und neben jeder Menge Softcore-Sex gibt es hier auch noch jede Menge plakative Gewalt und ein paar sonstige Geschmacklosigkeiten, die den Zuschauer für knapp 68 Minuten mühelos bei Laune halten.“
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Tiro al piccione (Giuliano Montaldo, 1962) 7/10
Was machen junge Männer, wenn sie sich beweisen wollen? Wenn sie Ruhm und Ehre suchen, und ihre Hörner abstoßen müssen? Heutzutage gehen sie als Hooligans vor die Fußballstadien der Welt, aber früher, früher gab es noch Kriege in denen die jungen Männer, die der Welt zeigen wollten was sie drauf haben, für irgendwelche Ideen verheizt wurden. Und was tat man damals, wenn man 19 Jahre alt war, der Vater einen für ein politisches Ideal begeisterte für das er dann selber starb, und man nun mittellos und abenteuerhungrig da saß, auf der Suche nach Ehre und Bestätigung? Genau, man zog zur Mannwerdung in den Krieg!
Marco Laudato macht genau dieses. Er schließt sich im Frühjahr 1943 den faschistischen Schwarzen Brigaden Mussolinis an, und auch wenn er zuerst noch den Küchendienst übernehmen muss, so wächst er sehr wohl allmählich mit den altgedienten Soldaten zu einer Einheit zusammen. Doch der Krieg, der mag so gar nicht kommen. Und man wollte doch so gerne kämpfen …
Im Sommer 1943 ist er dann plötzlich da, der Krieg. Benito Mussolini, vom König inhaftierter Ex-Duce und einstiger Befehlshaber über ganze Heere junger und hungriger Männer, wird von deutschen Fallschirmjägern aus seinem Gefängnis befreit und ruft in Salò am Gardasee die Italienische Sozialrepublik (RSI) aus, die das von den Deutschen unterstütze Gegenstück zur alliierten Invasion im Süden bilden soll. Und wem jetzt assoziativ Pasolinis 120 Tage von Sodom durch den Kopf schießen, der liegt genau richtig. Allerdings hatte die RSI in der Realität einen Bestand von 600 Tagen anstatt von 120 Tagen, und in diesen 600 Tagen versuchte der Faschismus mit allen Mitteln und unter Einsatz großer Gewalt, sich in Italien wieder durchzusetzen. Gegen den Widerstand der Bevölkerung ging es in erster Linie gegen Partisanen, und als die von diesen kontrollierten Gebiete immer größer wurden, und die Bevölkerung die Faschisten immer geringschätziger behandelte, da ging es gegen alle. Die Klugen konnten sehen, dass ihr Kampf verloren und umsonst war, aber zum einen war ja nichts anderes mehr da, und zum anderen schließen sich die Begriffe Faschismus und Klug sowieso gegenseitig aus …
Marco Laudato aus Cremona also, der in einem vollkommen idiotischen Kampf an irgendeinem unbedeutenden Berg verwundet wird, und dadurch mit einer Beförderung und einem Orden ausgezeichnet wird. Das Kriegskreuz, das Eiserne Kreuz, das Holzkreuz … Außerdem lernt er im Lazarett die Krankenschwester Anna kennen, in die er sich verliebt, und die er während seiner Rekonvaleszenz in einer großen Villa am Lago Maggiore besucht. Wem die Villa gehört? Einem reichen Freund. Anna hat viele Freunde, und dem Zuschauer wird irgendwann klar, wer Anna in Wirklichkeit ist, und wie sie versucht den Krieg lebendig zu überstehen.
Marco aber muss irgendwann wieder zu der kleinen Einheit der Schwarzen Brigaden, und der Kampf gegen die Partisanen wieder immer sinnloser und wütender. Sein Freund Elia zweifelt zunehmend an diesem Kampf, aber der Befehlshaber Nardi ist erbarmungslos, und geht rücksichtslos gegen die Zivilbevölkerung vor, was die Wut der Partisanen nur noch zusätzlich aufstachelt. Die Beziehung zu Anna zerbricht als sie mit seinem Vorgesetzten davongeht, und Marco wird immer einsamer und härter gegenüber seiner Umgebung. Man hat doch sonst nichts im Leben …
1962 war der Neorealismus längst tot, und selbst der Rosa Neorealismus, wie etwa Frederico Fellini ihn beispielweise in LA STRADA vertreten hatte, zog wohl nur noch wenige ins Kino. 1962 war die große Zeit der Peplums, während auf der anderen Seite gleichzeitig die Nouvelle Vague einen Michelangelo Antonioni beeinflusste, und damit das intellektuelle Gegenstück zum Genrefilm bildete. Warum also 18 Jahre nach Kriegsende einen ernüchternden und (neo-) realistischen Film über den Krieg? Warum ein Drama, angesiedelt inmitten der letzten zwei Kriegsjahre, rund um einen jungen und orientierungslosen Mann der sich selber sucht? War Regisseur Giuliano Montaldo vielleicht beeindruckt von Rossellinis DER FALSCHE GENERAL, und wollte sein Regiedebüt mit ähnlichen Bildern ausstatten? Möglich, aber wenn ich mir den Werdegang des gebürtigen Genuesers anschaue halte ich es für wahrscheinlicher, dass der junge Montaldo, Jahrgang 1930, stark von den Ereignissen des Krieges geprägt wurde. Genua wurde in den letzten Kriegsjahren einerseits von der RSI beherrscht, gleichzeitig aber gab es gleich nordöstlich der Stadt große Gebiete, welche vollständig von Partisanen kontrolliert waren. Häufige Kämpfe zwischen Schwarzen Brigaden und Partisanen dürften in dieser Region die Regel gewesen sein, und 1944 wurde Genua gar zur Festung erklärt, entging der Zerstörung aber, da der deutsche Stadtkommandant sich weigerte Hafen und Altstadt zu sprengen. Zudem war Genua die einzige von Deutschen besetzte Stadt, die nicht den Alliierten sondern den Partisanen übergeben wurde. Alles Geschehnisse, die einen 14- bis 15-jährigen Buben natürlich über alle Maßen prägen.
Und ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass Montaldo knapp 17 Jahre nach Kriegsende einer neuen Generation Italiener zeigen wollte, was er erlebt hat. Einer Generation, die, wie wir aus vielen Juvenile Crime-Filmen der Zeit wissen, mit ihrer Freiheit nicht mehr viel anfangen konnte, und ihre Kraft und ihren Übermut genauso wie ihr Ennui entweder in Rowdytum oder in Verschwendungssucht umsetzte. Auch in Italien, wo Filme wie WIR VON DER STRASSE (1959) eine Jugend skizzieren, die vom deutschen DIE HALBSTARKEN oder dem britischen SAMSTAGNACHT BIS SONNTAGMORGEN nicht wirklich weit entfernt ist. Aus den Erfahrungen seiner eigenen Jugend heraus dürfte Montaldo wahrscheinlich den Wunsch gehabt haben, der jetzigen Jugend aufzuzeigen, was 18 Jahre früher, als diese gerade erst geboren waren (wenn überhaupt), in Italien passierte, und wie diejenige Generation, gegen welche die Jungen jetzt aufbegehrten, zu dem wurde was sie war.
Ein durchaus löbliches Ansinnen, so diese Annahme stimmt. Und die Texttafel zu Beginn des Films, die genau die eingangs erwähnte Frage stellt, wie sich junge Männer denn beweisen können in schwierigen Zeiten, deutet daraufhin, dass dem tatsächlich so war. Entsprechend beginnt TIRO AL PICCIONE mit alten Dokumentaraufnahmen brennender Städte, verzweifelter Menschen und eines lachenden Mussolinis, der von deutschen Fallschirmjägern aus seinem Gefängnis befreit wurde um die Achse Berlin-Rom wieder herzustellen. Nach diesem ersten Schock, und die Bilder sind wirklich nicht schön, und dem Vorspann lernen wir Marco Laudato kennen, der aus einem LKW kriecht um bei den Schwarzhemden anzuheuern, einer paramilitärischen Miliz, die später in den Schwarzen Brigaden aufging und vor allem beim Kampf gegen die Partisanen berüchtigt wurde. Marco sucht also Anschluss bei den großen Jungs, und wir begleiten ihn dabei. Wir schauen zu, wie er einer Frau, die sich für Lebensmittel prostituieren muss, ehrenhaft begegnet, wie er nach der Kneipe abends von Partisanen überfallen wird, und wie sein Ansehen bei den Kameraden allmählich steigt. Er kämpft, er lernt Anna kennen, er verliebt sich, und er macht die Dinge, die ein ganz normaler 19-jähriger eben so macht. Nur mit dem Unterschied, dass Marco ein Gewehr in der Hand hat und Partisanen jagt.
Die Bilder sind in neorealistischem Schwarzweiß gehalten und tragen mitnichten bedeutungsschwangere Epen in sich. Die Szenen atmen den Geist eines pragmatischen Untergangs, alles ist nüchtern erzählt. Momente wie die Szene mit der ältlichen Frau, die Marco mitnimmt auf ihr Zimmer, damit sie ihm den geschenkten Zucker „bezahlen“ kann, atmen den Geist des ausgehenden Krieges und eines bitteren Elends, das Menschen um der Nahrungsaufnahme willen zu Vieh degradiert. Es gibt keinerlei schauspielerische Übertreibungen, und auch die kaum vorhandene Musik überhöht weder ein nicht vorhandenes Heldentum, noch zieht sie die Soldaten ins Lächerliche. Mit kühlen, fast unbeteiligten Bildern zeigt Montaldo Männer die kämpfen müssen, weil sie im Leben nichts anderes haben als den Glauben an ein Regime das längst nicht mehr existiert, und als ihre eigene Kameradschaft. Dies allerdings, zeituntypisch, ausschließlich aus der Sicht eines jungen Faschisten, was 1962 dazu führte, dass der Film sehr zwiespältig aufgenommen wurde und schnell wieder von der Bildfläche verschwand. TIRO AL PICCIONE zeigt also weder eine gewalttätig-triumphale Heldenverklärung des Widerstandes, genausowenig wie eine Beweihräucherung des Faschismus. Stattdessen setzt Montaldo auf unbedingten Realismus, was in den frühen 60er-Jahren dann möglicherweise ebenfalls zu den Gründen gezählt hat, warum der Film schnell vergessen wurde. Die hier erzählte Geschichte aus diesem sehr speziellen Blickwinkel wäre in den politischen 70ern sicher besser angekommen, aber die frühen 60er mit ihrer Filmlandschaft zwischen dem vergangenen Neorealismus und dem kommenden Italo-Western ließen solche diffizilen Geschichten nur in den seltensten Fällen zu. Montaldo selber orientierte sich dann mit Filmen wie TOP JOB oder DIE UNSCHLAGBAREN eine Zeitlang am Genrefilm, bevor er seine politische Überzeugung 1971 mit SACCO UND VANZETTI wieder auf Zelluloid bannte. Im Zusammenhang mit TIRO AL PICCIONE möchte ich vor allem auf Montaldos L'AGNESE VA A MORIRE hinweisen, der eine ähnliche Geschichte erzählt, dieses Mal aber aus Sicht einer Widerstandskämpferin.
Tja, und irgendwann ging dann das Gerücht um, dass Mussolini tot sei. Und die RSI Geschichte war. Und dann? Was macht man dann, mit dem Gewehr in der Hand, dem großen hungrigen Loch im Magen, und dem Kopf voller verloren gegangener Ideen? Geht man dann wieder nach Hause? Oder folgt man dem Führer in seine ganz persönliche Hölle? TIRO AL PICCIONE gibt auf diese Frage eine überzeugende Antwort, und zeigt sich damit als italienische Replik auf einen Film wie HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN?, der mit ähnlichen Bildern und ähnlichem Pessimismus den Untergang einer ganzen Generation darstellte, ebenfalls ohne dabei den Fehler zu begehen, Krieg als Abenteuer für große Jungs zu präsentieren. Und bei diesem Ausdruck fällt mir noch Bernhard Wickis DIE BRÜCKE ein, und auch hier kann ich Parallelen zwischen den verführten Jugendlichen ziehen, die in den Krieg ziehen und sterben wollen für etwas, dessen Absurdität und Grausamkeit sie noch gar nicht ermessen können. Aber sich beweisen, das wollen sie alle …
Was machen junge Männer, wenn sie sich beweisen wollen? Wenn sie Ruhm und Ehre suchen, und ihre Hörner abstoßen müssen? Heutzutage gehen sie als Hooligans vor die Fußballstadien der Welt, aber früher, früher gab es noch Kriege in denen die jungen Männer, die der Welt zeigen wollten was sie drauf haben, für irgendwelche Ideen verheizt wurden. Und was tat man damals, wenn man 19 Jahre alt war, der Vater einen für ein politisches Ideal begeisterte für das er dann selber starb, und man nun mittellos und abenteuerhungrig da saß, auf der Suche nach Ehre und Bestätigung? Genau, man zog zur Mannwerdung in den Krieg!
Marco Laudato macht genau dieses. Er schließt sich im Frühjahr 1943 den faschistischen Schwarzen Brigaden Mussolinis an, und auch wenn er zuerst noch den Küchendienst übernehmen muss, so wächst er sehr wohl allmählich mit den altgedienten Soldaten zu einer Einheit zusammen. Doch der Krieg, der mag so gar nicht kommen. Und man wollte doch so gerne kämpfen …
Im Sommer 1943 ist er dann plötzlich da, der Krieg. Benito Mussolini, vom König inhaftierter Ex-Duce und einstiger Befehlshaber über ganze Heere junger und hungriger Männer, wird von deutschen Fallschirmjägern aus seinem Gefängnis befreit und ruft in Salò am Gardasee die Italienische Sozialrepublik (RSI) aus, die das von den Deutschen unterstütze Gegenstück zur alliierten Invasion im Süden bilden soll. Und wem jetzt assoziativ Pasolinis 120 Tage von Sodom durch den Kopf schießen, der liegt genau richtig. Allerdings hatte die RSI in der Realität einen Bestand von 600 Tagen anstatt von 120 Tagen, und in diesen 600 Tagen versuchte der Faschismus mit allen Mitteln und unter Einsatz großer Gewalt, sich in Italien wieder durchzusetzen. Gegen den Widerstand der Bevölkerung ging es in erster Linie gegen Partisanen, und als die von diesen kontrollierten Gebiete immer größer wurden, und die Bevölkerung die Faschisten immer geringschätziger behandelte, da ging es gegen alle. Die Klugen konnten sehen, dass ihr Kampf verloren und umsonst war, aber zum einen war ja nichts anderes mehr da, und zum anderen schließen sich die Begriffe Faschismus und Klug sowieso gegenseitig aus …
Marco Laudato aus Cremona also, der in einem vollkommen idiotischen Kampf an irgendeinem unbedeutenden Berg verwundet wird, und dadurch mit einer Beförderung und einem Orden ausgezeichnet wird. Das Kriegskreuz, das Eiserne Kreuz, das Holzkreuz … Außerdem lernt er im Lazarett die Krankenschwester Anna kennen, in die er sich verliebt, und die er während seiner Rekonvaleszenz in einer großen Villa am Lago Maggiore besucht. Wem die Villa gehört? Einem reichen Freund. Anna hat viele Freunde, und dem Zuschauer wird irgendwann klar, wer Anna in Wirklichkeit ist, und wie sie versucht den Krieg lebendig zu überstehen.
Marco aber muss irgendwann wieder zu der kleinen Einheit der Schwarzen Brigaden, und der Kampf gegen die Partisanen wieder immer sinnloser und wütender. Sein Freund Elia zweifelt zunehmend an diesem Kampf, aber der Befehlshaber Nardi ist erbarmungslos, und geht rücksichtslos gegen die Zivilbevölkerung vor, was die Wut der Partisanen nur noch zusätzlich aufstachelt. Die Beziehung zu Anna zerbricht als sie mit seinem Vorgesetzten davongeht, und Marco wird immer einsamer und härter gegenüber seiner Umgebung. Man hat doch sonst nichts im Leben …
1962 war der Neorealismus längst tot, und selbst der Rosa Neorealismus, wie etwa Frederico Fellini ihn beispielweise in LA STRADA vertreten hatte, zog wohl nur noch wenige ins Kino. 1962 war die große Zeit der Peplums, während auf der anderen Seite gleichzeitig die Nouvelle Vague einen Michelangelo Antonioni beeinflusste, und damit das intellektuelle Gegenstück zum Genrefilm bildete. Warum also 18 Jahre nach Kriegsende einen ernüchternden und (neo-) realistischen Film über den Krieg? Warum ein Drama, angesiedelt inmitten der letzten zwei Kriegsjahre, rund um einen jungen und orientierungslosen Mann der sich selber sucht? War Regisseur Giuliano Montaldo vielleicht beeindruckt von Rossellinis DER FALSCHE GENERAL, und wollte sein Regiedebüt mit ähnlichen Bildern ausstatten? Möglich, aber wenn ich mir den Werdegang des gebürtigen Genuesers anschaue halte ich es für wahrscheinlicher, dass der junge Montaldo, Jahrgang 1930, stark von den Ereignissen des Krieges geprägt wurde. Genua wurde in den letzten Kriegsjahren einerseits von der RSI beherrscht, gleichzeitig aber gab es gleich nordöstlich der Stadt große Gebiete, welche vollständig von Partisanen kontrolliert waren. Häufige Kämpfe zwischen Schwarzen Brigaden und Partisanen dürften in dieser Region die Regel gewesen sein, und 1944 wurde Genua gar zur Festung erklärt, entging der Zerstörung aber, da der deutsche Stadtkommandant sich weigerte Hafen und Altstadt zu sprengen. Zudem war Genua die einzige von Deutschen besetzte Stadt, die nicht den Alliierten sondern den Partisanen übergeben wurde. Alles Geschehnisse, die einen 14- bis 15-jährigen Buben natürlich über alle Maßen prägen.
Und ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass Montaldo knapp 17 Jahre nach Kriegsende einer neuen Generation Italiener zeigen wollte, was er erlebt hat. Einer Generation, die, wie wir aus vielen Juvenile Crime-Filmen der Zeit wissen, mit ihrer Freiheit nicht mehr viel anfangen konnte, und ihre Kraft und ihren Übermut genauso wie ihr Ennui entweder in Rowdytum oder in Verschwendungssucht umsetzte. Auch in Italien, wo Filme wie WIR VON DER STRASSE (1959) eine Jugend skizzieren, die vom deutschen DIE HALBSTARKEN oder dem britischen SAMSTAGNACHT BIS SONNTAGMORGEN nicht wirklich weit entfernt ist. Aus den Erfahrungen seiner eigenen Jugend heraus dürfte Montaldo wahrscheinlich den Wunsch gehabt haben, der jetzigen Jugend aufzuzeigen, was 18 Jahre früher, als diese gerade erst geboren waren (wenn überhaupt), in Italien passierte, und wie diejenige Generation, gegen welche die Jungen jetzt aufbegehrten, zu dem wurde was sie war.
Ein durchaus löbliches Ansinnen, so diese Annahme stimmt. Und die Texttafel zu Beginn des Films, die genau die eingangs erwähnte Frage stellt, wie sich junge Männer denn beweisen können in schwierigen Zeiten, deutet daraufhin, dass dem tatsächlich so war. Entsprechend beginnt TIRO AL PICCIONE mit alten Dokumentaraufnahmen brennender Städte, verzweifelter Menschen und eines lachenden Mussolinis, der von deutschen Fallschirmjägern aus seinem Gefängnis befreit wurde um die Achse Berlin-Rom wieder herzustellen. Nach diesem ersten Schock, und die Bilder sind wirklich nicht schön, und dem Vorspann lernen wir Marco Laudato kennen, der aus einem LKW kriecht um bei den Schwarzhemden anzuheuern, einer paramilitärischen Miliz, die später in den Schwarzen Brigaden aufging und vor allem beim Kampf gegen die Partisanen berüchtigt wurde. Marco sucht also Anschluss bei den großen Jungs, und wir begleiten ihn dabei. Wir schauen zu, wie er einer Frau, die sich für Lebensmittel prostituieren muss, ehrenhaft begegnet, wie er nach der Kneipe abends von Partisanen überfallen wird, und wie sein Ansehen bei den Kameraden allmählich steigt. Er kämpft, er lernt Anna kennen, er verliebt sich, und er macht die Dinge, die ein ganz normaler 19-jähriger eben so macht. Nur mit dem Unterschied, dass Marco ein Gewehr in der Hand hat und Partisanen jagt.
Die Bilder sind in neorealistischem Schwarzweiß gehalten und tragen mitnichten bedeutungsschwangere Epen in sich. Die Szenen atmen den Geist eines pragmatischen Untergangs, alles ist nüchtern erzählt. Momente wie die Szene mit der ältlichen Frau, die Marco mitnimmt auf ihr Zimmer, damit sie ihm den geschenkten Zucker „bezahlen“ kann, atmen den Geist des ausgehenden Krieges und eines bitteren Elends, das Menschen um der Nahrungsaufnahme willen zu Vieh degradiert. Es gibt keinerlei schauspielerische Übertreibungen, und auch die kaum vorhandene Musik überhöht weder ein nicht vorhandenes Heldentum, noch zieht sie die Soldaten ins Lächerliche. Mit kühlen, fast unbeteiligten Bildern zeigt Montaldo Männer die kämpfen müssen, weil sie im Leben nichts anderes haben als den Glauben an ein Regime das längst nicht mehr existiert, und als ihre eigene Kameradschaft. Dies allerdings, zeituntypisch, ausschließlich aus der Sicht eines jungen Faschisten, was 1962 dazu führte, dass der Film sehr zwiespältig aufgenommen wurde und schnell wieder von der Bildfläche verschwand. TIRO AL PICCIONE zeigt also weder eine gewalttätig-triumphale Heldenverklärung des Widerstandes, genausowenig wie eine Beweihräucherung des Faschismus. Stattdessen setzt Montaldo auf unbedingten Realismus, was in den frühen 60er-Jahren dann möglicherweise ebenfalls zu den Gründen gezählt hat, warum der Film schnell vergessen wurde. Die hier erzählte Geschichte aus diesem sehr speziellen Blickwinkel wäre in den politischen 70ern sicher besser angekommen, aber die frühen 60er mit ihrer Filmlandschaft zwischen dem vergangenen Neorealismus und dem kommenden Italo-Western ließen solche diffizilen Geschichten nur in den seltensten Fällen zu. Montaldo selber orientierte sich dann mit Filmen wie TOP JOB oder DIE UNSCHLAGBAREN eine Zeitlang am Genrefilm, bevor er seine politische Überzeugung 1971 mit SACCO UND VANZETTI wieder auf Zelluloid bannte. Im Zusammenhang mit TIRO AL PICCIONE möchte ich vor allem auf Montaldos L'AGNESE VA A MORIRE hinweisen, der eine ähnliche Geschichte erzählt, dieses Mal aber aus Sicht einer Widerstandskämpferin.
Tja, und irgendwann ging dann das Gerücht um, dass Mussolini tot sei. Und die RSI Geschichte war. Und dann? Was macht man dann, mit dem Gewehr in der Hand, dem großen hungrigen Loch im Magen, und dem Kopf voller verloren gegangener Ideen? Geht man dann wieder nach Hause? Oder folgt man dem Führer in seine ganz persönliche Hölle? TIRO AL PICCIONE gibt auf diese Frage eine überzeugende Antwort, und zeigt sich damit als italienische Replik auf einen Film wie HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN?, der mit ähnlichen Bildern und ähnlichem Pessimismus den Untergang einer ganzen Generation darstellte, ebenfalls ohne dabei den Fehler zu begehen, Krieg als Abenteuer für große Jungs zu präsentieren. Und bei diesem Ausdruck fällt mir noch Bernhard Wickis DIE BRÜCKE ein, und auch hier kann ich Parallelen zwischen den verführten Jugendlichen ziehen, die in den Krieg ziehen und sterben wollen für etwas, dessen Absurdität und Grausamkeit sie noch gar nicht ermessen können. Aber sich beweisen, das wollen sie alle …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Im Westen nichts Neues (Edward Berger, 2022) 6/10
Die Definition eines Anti-Kriegsfilms ist nicht leicht. Kriegsfilm ist einfacher: Zwei oder mehr Parteien hauen mit leichten und/oder schweren Waffen aufeinander ein, bis eine Partei aufgibt oder tot ist. Im Film meist als Abenteuer für große Jungs inszeniert, aus dem man mit leichten Verletzungen, freudestrahlend und ehrenvoll zurückkehrt und weiß, dass man etwas Sinnvolles geleistet hat. Also ziemlich das genaue Gegenteil der Realität. Kriegsfilme, das sind Filme wie zum Beispiel DER LÄNGSTE TAG (als Zeitdokument), PLATOON (als Action-Abenteuer) oder HÄUTET SIE LEBEND (als exploitativer Kotzbrocken).
Anti-Kriegsfilme sind schwieriger. Ich persönlich behaupte, dass es vier Anti-Kriegsfilme gibt: Bernhard Wickis DIE BRÜCKE (in der längeren französischen Fassung), Dalton Trumbos JOHNNY ZIEHT IN DEN KRIEG, Stanley Kubricks WEGE ZUM RUHM, und Lewis Milestones IM WESTEN NICHTS NEUES. WESTFRONT 1918 – VIER VON DER INFANTERIE von G.W. Pabst sollte man auch noch dazu zählen. Diese Filme eint, dass das Sterben der Soldaten von jedem Sinn befreit ist. Das selbst so Dinge wie Geländegewinne oder Einnahmen von Städten dort nicht vorkommen, sondern dass letzten Endes nur zwei Parteien einander gegenüber stehen und aufeinander eindreschen, bis einer tot ist. In meinen filmischen Erinnerungen hat sich der Junge, der in DIE BRÜCKE unter einem Panzer zermahlen wird genauso festgesetzt wie der dicke Bayer, der in JOHNNY ZIEHT IN DEN KRIEG im Stacheldraht hängt und stundenlang stirbt. Die vollkommen sinnbefreite Erschießung der Soldaten in WEGE ZUM RUHM genauso wie der zufällige Tod Paul Bäumers in IM WESTEN NICHTS NEUES. Bilder, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, und die dem großen und befohlenen Sterben in ihrer sinnlosen Grausamkeit meines Erachtens gerecht werden.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, an diese Filme anzuschließen. DER HAUPTMANN von Robert Schwentke zeigt Krieg als die persönliche Machtgeilheit und die daraus gezogenen Konsequenzen eines Einzelnen, und das macht er gut, aber er bezieht damit nicht zwingend Stellung gegen den Krieg. Da ist Ed Ehrenbergs HÖRE DIE STILLE schon konsequenter, setzt er doch die klassische Diskrepanz zwischen dem Soldaten, heimatlos und innerlich längst verroht, und dem Zivilisten als seinem moralischen Gegenstück, in schonungslose und brutale Bilder rum. HÖRE DIE STILLE zeigt aber nicht die Sinnlosigkeit des Sterbens, sondern die Sinnlosigkeit durch das Aufschaukeln des gegenseitigen sich Tötens, was ihn von den oben genannten wiederum ein Stückchen entfernt. Was aber um Himmels willen nichts als Qualitätsmerkmal zu verstehen ist - HÖRE DIE STILLE ist für seine hohe Wertigkeit erschreckend unbekannt …
Und dann ist da noch IM WESTEN NICHTS NEUES. Die US-amerikanische Verfilmung von 1930 hat analog zu seiner literarischen Vorlage für den Anti-Kriegsfilm Maßstäbe gesetzt, die auch heute noch gültig sind. Ein junger Mann, der von der Schulbank voller Begeisterung in den Krieg zieht, und sich innert Stunden einem Grauen gegenüber sieht, dass seine ganze Persönlichkeit verwandeln wird. Das aus dem begeisterten und lebensfrohen Gymnasiasten einen abgestumpften und wortlosen Nihilisten macht. Unvergessen der Moment, in dem Paul Bäumer, die Hauptfigur von Roman und Film, während eines Fronturlaubs in der Heimat in seiner alten Schule steht, und die Lehrer, die natürlich vom Schlachten da draußen keinerlei Ahnung haben, ihn auffordern, vor den Schülern von seinen Heldentaten zu berichten. Und die Worte wollen so gar nicht aus ihm heraus – Von den zerfetzten Leichen mag er nicht berichten, aber etwas anderes hat er gar nicht vor Augen, wenn er an den Krieg denkt. Ein in seiner Seele zerstörter Mensch, ein Mitglied der sogenannten „Verlorenen Generation“: „Die älteren Leute sind alle fest mit dem Früheren verbunden, sie haben Grund, sie haben Frauen, Kinder, Beruf und Interessen. […] Wir waren noch nicht eingewurzelt. Der Krieg hat uns weggeschwemmt.“ (1) Vor allem die erste Generation Soldaten, die nicht die Möglichkeit hatten ihre Schule oder ihre Ausbildung abzuschießen, war damit gesellschaftlich aufgegeben. Verloren.
Roman und Erstverfilmung haben mich zutiefst beeindruckt. Die Schilderung des Schlachtens in Wort und in Bild sacken beim Rezipienten sehr tief, und hinterlassen eine tiefe Abschau vor dem Pack, dass solche Dinge befiehlt. Nämlich dass junge Männer möglichst grausam in Fetzen gerissen werden, damit ein paar Industrielle ihren Reichtum vergrößern können (und es gibt definitiv keinen(!) anderen Grund, einen Krieg zu beginnen). Der Neuverfilmung von 2022 stand ich als Freund älterer Filme zwar von vornherein eher skeptisch gegenüber, habe aber meine Vorurteile überwunden und mich dann doch getraut.
Das erste was mir auffiel war, dass die Geschichte Paul Bäumers zusammengelegt wird mit der Geschichte Erich Maria Remarques: Im Herbst 1916 eingezogen, 1917 als Soldat an die Westfront gekommen und erste Erfahrungen gemacht. Im Film hat es dann einen Zeitsprung und *plopp* befinden wir uns im November 1918. Eine sehr unschöne Dramaturgie, die uns die Entwicklung Paul Bäumers vorenthält, eine Identifizierung mit der Hauptperson wird damit ein Stückchen schwieriger. Gemeinsam mit Paul und seinen Schulkameraden stehen wir im Schützengraben im Schlamm, stürmen wir als Maschinengewehrfutter auf die Stellungen der Franzosen zu, weichen vor deren Flammenwerfern wieder zurück, und landen wieder im Dreck. Erheblich gedrängter als etwa bei Ernst Jünger erzählt, wird Krieg hier, man glaubt es kaum, zur männlichen Bewährungsprobe. Zwar mit Blut und Schmutz durchsetzt, links und rechts wird gestorben, schön ist das alles nicht, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man einen Film anschaut. Die Eintönigkeit der Etappe und die brutale und unmittelbare Todesgefahr an der Front, dies fehlt hier weitgehend. Im Gegenteil, in der Etappe sind alle lustig und vergnügt, Pauls Freund Kropp denkt fortwährend an Mädels und ein Schal, den Müller von einem französischen Mädchen bekommen hat, erfährt eine ganz eigene und sehr langwierig erzählte Geschichte. Im Westen alles eitel Sonnenschein?
Überhaupt diese Geschichte. Da werden in langen und umständlich erzählten Szenen Momente aus dem Soldatenleben eingeflochten, da werden in unglaublich vernuscheltem Deutsch ellenlange Dialoge gehalten damit eine Identifikation mit den Soldaten überhaupt möglich ist, und als Hilfe bei der zeitlichen Einordnung für den historisch nicht so affinen Zuschauer gibt es noch einen komplett unnötigen Nebenstrang um Matthias Erzberger und die deutsche Delegation bei der Kapitulation im Wald von Compiègne. Nur ein Daniel Brühl kann dann auch problemlos den Erzberger spielen, der bei jeder Gelegenheit an die sterbenden Soldaten denkt, während der Kollege von der OHL eher Blut und Ehre im Sinne hat. Eine holzschnittartige Typografie, die fast schmerzt. Die die Laufzeit des Films auf zweieinhalb Stunden dehnt. Und die mal wieder zeigt, dass den Drehbuchautoren unserer Zeit das Schreibenkönnen abhanden gekommen ist, da ein Stauchen des Films auf anderthalb Stunden nur gut getan hätte. Die Fähigkeit, Geschichten effizient zu erzählen, ist mittlerweile entschieden verloren gegangen.
Wer sich mit der originalen Story auseinandergesetzt hat weiß, das Paul Bäumer am Ende der Geschichte sterben wird. Sterben „an einem Tag, der so ruhig und so still war, dass der Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“ Der aufmerksame Zuschauer weiß auch, dass in der Filmhandlung irgendwann der 9. November angebrochen ist, der Tag an dem der deutsche Kaiser zurücktrat, der 10. November, der 11. November, und die Blicke auf die Uhr werden häufiger und intensiver, denn im Film passiert einfach nichts mehr. Paul geht von rechts nach links, Kat geht von links nach rechts, man nuschelt, man brüllt, man nuschelt noch mehr, und mittendrin ist irgendwo ein General, der sich um seiner Ehre willen nicht ergeben mag , sondern einen Plan entwickelt hat um den Krieg für sich zu gewinnen, koste was es wolle. Und so wird Paul am Ende des Films in eine völlig sinnlose Schlacht gehetzt, die nur dazu dient a) einen Geländegewinn als gewonnen Krieg zu plakatieren und b) Paul den Gnadenschuss zu geben. In dieser Verfilmung passiert am Ende des Krieges nichts Neues im Westen, sondern es kommt zur entscheidenden Schlacht zwischen Elben und Orks, nein Verzeihung, zwischen Franzosen und Deutschen, und übrig bleiben viele dahingeschlachtete Soldaten und ein toter Paul Bäumer. Was dann allerdings mit dem Roman nichts mehr zu tun hat, weswegen die Betroffenheit und das Entsetzen beim Zuschauer sich ziemlich im Rahmen halten. Da kann die Kamera am Ende auch noch so lange auf Paul verweilen, der Geist des Romans wurde damit meilenweit verfehlt, denn der Tod kommt nicht aus dem Nichts und hatte auch nicht keinen Grund, sondern er wurde befohlen. Die Sinnlosigkeit eines Soldatentodes wurde zu einer gewissen (und sehr wohl diskutablen) Sinnhaftigkeit umgemünzt, was der Aussage des Buches zu hundert Prozent zuwider läuft. Von der historischen Richtigkeit, kriegsmüde Soldaten ohne Munition in einen Kampf zu hetzen, möchte ich gar nicht erst anfangen …
Auf der anderen Seite schafft IM WESTEN NICHTS NEUES es, trotz der Laufzeit und trotz seiner zum Teil eklatanten narrativen Mängel einen Sog zu entwickeln. Eine Stimmung aufzubauen, Bilder im Kopf zu verankern, und sich zumindest grafisch tatsächlich als großartiger Film zu entpuppen. Großartig im Sinne von „cineastisch“, im Sinne von pompös: Die Schlachten sind voller Heldenmut und Pathos, die Epik weht durch jeden Sturmangriff, und nur das entsetzliche Genuschel der Darsteller schafft es, den Heros in den Dreck zu ziehen. Nein, das ist gemein, und das ist auch nicht ganz richtig. Die Bilder gerade der Schlachten gehen unter die Haut, bei dem armen Kerl der unter den Panzer gerät musste ich mich allen Ernstes abwenden, so widerlich war die Szene, und die Franzosen mit ihren Flammenwerfern waren mindestens genauso schockierend und grauenerregend wie die in die Panzer geworfenen Handgranaten. Gnade, sich ergeben, Waffe wegwerfen und in Kriegsgefangenschafft gehen? So etwas gibt es hier nicht. Hier wird gemordet auf Teufel komm raus, und vermutlich war das im Rausch des Kampfes tatsächlich genau so. Was dann vielleicht nicht mehr den Hauch des großen Abenteuers mit sich trägt, aber zumindest die gröberen Naturen unter den Zuschauern einigermaßen ansprechen könnte.
Und das ist es, was ich dem Film dann auch letzten Endes vorwerfe. Trotz dieser unglaublich detailverliebten Bilder, dieses starken Realismus (man achte mal auf die Zähne der Darsteller), dieser Liebe zum perfekten Bild, trotz alledem wird der Widerwille vor dem Krieg nicht so richtig rübergebracht. Da schaut man dann zu, wie Paul in einem Granattrichter auf einen Franzosen einsticht, Erde in dessen Mund drückt, nur um den Sterbenden dann im Gesicht zu säubern und irgendwann, wenn der Arme schlussendlich unter vielen Qualen gestorben ist, festzustellen, dass der „Feind“ einen Namen, einen Beruf, eine schöne Frau und ein kleines Kind hatte. Dummerweise ist auch diese Szene zu lang geraten, ist diese Szene auch ein wenig kitschig geraten, trotz des ganzen Blutes und des Schlamms, und verfehlt so seine Wirkung. Wie irgendwie der ganze Film seine Wirkung verfehlt …
Die Bilder bleiben hängen. Die Personen bleiben hängen, so wenig man stellenweise mit ihnen auch anfangen kann. Einzelne Szenen graben sich tief in die Hirnrinde ein. Aber Begeisterung über einen gelungen Film mag sich nicht so recht einstellen. Statt des toten Franzosen im Granattrichter hätte ich es lieber gesehen, wenn Paul im Fronturlaub seine alte Schule besucht hätte, aber das hätte dem merkwürdigen zeitlichen Konzept des Drehbuchs nicht in dem Kram gepasst. Die 1930er-Verfilmung hat da trotz kürzerer Laufzeit den längeren Atem gehabt, und damit auch eine richtige Geschichte über einen längeren Zeitraum hinweg erzählt, anstatt möglichst viel Blut und Dreck auf möglichst kurzen zeitlichen Kontext zu pressen. Als Film taugt IM WESTEN NICHTS NEUES somit durchaus, als Anti-Kriegesfilm nur bedingt, und als Literaturverfilmung versagt er völlig. Im Februar 2023 bekam der Film sechs BAFTAs, unter anderem den für den besten Film! Herrje, wie mögen da erst die Konkurrenten sein …?
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Lost_Generation
Die Definition eines Anti-Kriegsfilms ist nicht leicht. Kriegsfilm ist einfacher: Zwei oder mehr Parteien hauen mit leichten und/oder schweren Waffen aufeinander ein, bis eine Partei aufgibt oder tot ist. Im Film meist als Abenteuer für große Jungs inszeniert, aus dem man mit leichten Verletzungen, freudestrahlend und ehrenvoll zurückkehrt und weiß, dass man etwas Sinnvolles geleistet hat. Also ziemlich das genaue Gegenteil der Realität. Kriegsfilme, das sind Filme wie zum Beispiel DER LÄNGSTE TAG (als Zeitdokument), PLATOON (als Action-Abenteuer) oder HÄUTET SIE LEBEND (als exploitativer Kotzbrocken).
Anti-Kriegsfilme sind schwieriger. Ich persönlich behaupte, dass es vier Anti-Kriegsfilme gibt: Bernhard Wickis DIE BRÜCKE (in der längeren französischen Fassung), Dalton Trumbos JOHNNY ZIEHT IN DEN KRIEG, Stanley Kubricks WEGE ZUM RUHM, und Lewis Milestones IM WESTEN NICHTS NEUES. WESTFRONT 1918 – VIER VON DER INFANTERIE von G.W. Pabst sollte man auch noch dazu zählen. Diese Filme eint, dass das Sterben der Soldaten von jedem Sinn befreit ist. Das selbst so Dinge wie Geländegewinne oder Einnahmen von Städten dort nicht vorkommen, sondern dass letzten Endes nur zwei Parteien einander gegenüber stehen und aufeinander eindreschen, bis einer tot ist. In meinen filmischen Erinnerungen hat sich der Junge, der in DIE BRÜCKE unter einem Panzer zermahlen wird genauso festgesetzt wie der dicke Bayer, der in JOHNNY ZIEHT IN DEN KRIEG im Stacheldraht hängt und stundenlang stirbt. Die vollkommen sinnbefreite Erschießung der Soldaten in WEGE ZUM RUHM genauso wie der zufällige Tod Paul Bäumers in IM WESTEN NICHTS NEUES. Bilder, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, und die dem großen und befohlenen Sterben in ihrer sinnlosen Grausamkeit meines Erachtens gerecht werden.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Versuche gegeben, an diese Filme anzuschließen. DER HAUPTMANN von Robert Schwentke zeigt Krieg als die persönliche Machtgeilheit und die daraus gezogenen Konsequenzen eines Einzelnen, und das macht er gut, aber er bezieht damit nicht zwingend Stellung gegen den Krieg. Da ist Ed Ehrenbergs HÖRE DIE STILLE schon konsequenter, setzt er doch die klassische Diskrepanz zwischen dem Soldaten, heimatlos und innerlich längst verroht, und dem Zivilisten als seinem moralischen Gegenstück, in schonungslose und brutale Bilder rum. HÖRE DIE STILLE zeigt aber nicht die Sinnlosigkeit des Sterbens, sondern die Sinnlosigkeit durch das Aufschaukeln des gegenseitigen sich Tötens, was ihn von den oben genannten wiederum ein Stückchen entfernt. Was aber um Himmels willen nichts als Qualitätsmerkmal zu verstehen ist - HÖRE DIE STILLE ist für seine hohe Wertigkeit erschreckend unbekannt …
Und dann ist da noch IM WESTEN NICHTS NEUES. Die US-amerikanische Verfilmung von 1930 hat analog zu seiner literarischen Vorlage für den Anti-Kriegsfilm Maßstäbe gesetzt, die auch heute noch gültig sind. Ein junger Mann, der von der Schulbank voller Begeisterung in den Krieg zieht, und sich innert Stunden einem Grauen gegenüber sieht, dass seine ganze Persönlichkeit verwandeln wird. Das aus dem begeisterten und lebensfrohen Gymnasiasten einen abgestumpften und wortlosen Nihilisten macht. Unvergessen der Moment, in dem Paul Bäumer, die Hauptfigur von Roman und Film, während eines Fronturlaubs in der Heimat in seiner alten Schule steht, und die Lehrer, die natürlich vom Schlachten da draußen keinerlei Ahnung haben, ihn auffordern, vor den Schülern von seinen Heldentaten zu berichten. Und die Worte wollen so gar nicht aus ihm heraus – Von den zerfetzten Leichen mag er nicht berichten, aber etwas anderes hat er gar nicht vor Augen, wenn er an den Krieg denkt. Ein in seiner Seele zerstörter Mensch, ein Mitglied der sogenannten „Verlorenen Generation“: „Die älteren Leute sind alle fest mit dem Früheren verbunden, sie haben Grund, sie haben Frauen, Kinder, Beruf und Interessen. […] Wir waren noch nicht eingewurzelt. Der Krieg hat uns weggeschwemmt.“ (1) Vor allem die erste Generation Soldaten, die nicht die Möglichkeit hatten ihre Schule oder ihre Ausbildung abzuschießen, war damit gesellschaftlich aufgegeben. Verloren.
Roman und Erstverfilmung haben mich zutiefst beeindruckt. Die Schilderung des Schlachtens in Wort und in Bild sacken beim Rezipienten sehr tief, und hinterlassen eine tiefe Abschau vor dem Pack, dass solche Dinge befiehlt. Nämlich dass junge Männer möglichst grausam in Fetzen gerissen werden, damit ein paar Industrielle ihren Reichtum vergrößern können (und es gibt definitiv keinen(!) anderen Grund, einen Krieg zu beginnen). Der Neuverfilmung von 2022 stand ich als Freund älterer Filme zwar von vornherein eher skeptisch gegenüber, habe aber meine Vorurteile überwunden und mich dann doch getraut.
Das erste was mir auffiel war, dass die Geschichte Paul Bäumers zusammengelegt wird mit der Geschichte Erich Maria Remarques: Im Herbst 1916 eingezogen, 1917 als Soldat an die Westfront gekommen und erste Erfahrungen gemacht. Im Film hat es dann einen Zeitsprung und *plopp* befinden wir uns im November 1918. Eine sehr unschöne Dramaturgie, die uns die Entwicklung Paul Bäumers vorenthält, eine Identifizierung mit der Hauptperson wird damit ein Stückchen schwieriger. Gemeinsam mit Paul und seinen Schulkameraden stehen wir im Schützengraben im Schlamm, stürmen wir als Maschinengewehrfutter auf die Stellungen der Franzosen zu, weichen vor deren Flammenwerfern wieder zurück, und landen wieder im Dreck. Erheblich gedrängter als etwa bei Ernst Jünger erzählt, wird Krieg hier, man glaubt es kaum, zur männlichen Bewährungsprobe. Zwar mit Blut und Schmutz durchsetzt, links und rechts wird gestorben, schön ist das alles nicht, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man einen Film anschaut. Die Eintönigkeit der Etappe und die brutale und unmittelbare Todesgefahr an der Front, dies fehlt hier weitgehend. Im Gegenteil, in der Etappe sind alle lustig und vergnügt, Pauls Freund Kropp denkt fortwährend an Mädels und ein Schal, den Müller von einem französischen Mädchen bekommen hat, erfährt eine ganz eigene und sehr langwierig erzählte Geschichte. Im Westen alles eitel Sonnenschein?
Überhaupt diese Geschichte. Da werden in langen und umständlich erzählten Szenen Momente aus dem Soldatenleben eingeflochten, da werden in unglaublich vernuscheltem Deutsch ellenlange Dialoge gehalten damit eine Identifikation mit den Soldaten überhaupt möglich ist, und als Hilfe bei der zeitlichen Einordnung für den historisch nicht so affinen Zuschauer gibt es noch einen komplett unnötigen Nebenstrang um Matthias Erzberger und die deutsche Delegation bei der Kapitulation im Wald von Compiègne. Nur ein Daniel Brühl kann dann auch problemlos den Erzberger spielen, der bei jeder Gelegenheit an die sterbenden Soldaten denkt, während der Kollege von der OHL eher Blut und Ehre im Sinne hat. Eine holzschnittartige Typografie, die fast schmerzt. Die die Laufzeit des Films auf zweieinhalb Stunden dehnt. Und die mal wieder zeigt, dass den Drehbuchautoren unserer Zeit das Schreibenkönnen abhanden gekommen ist, da ein Stauchen des Films auf anderthalb Stunden nur gut getan hätte. Die Fähigkeit, Geschichten effizient zu erzählen, ist mittlerweile entschieden verloren gegangen.
Wer sich mit der originalen Story auseinandergesetzt hat weiß, das Paul Bäumer am Ende der Geschichte sterben wird. Sterben „an einem Tag, der so ruhig und so still war, dass der Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“ Der aufmerksame Zuschauer weiß auch, dass in der Filmhandlung irgendwann der 9. November angebrochen ist, der Tag an dem der deutsche Kaiser zurücktrat, der 10. November, der 11. November, und die Blicke auf die Uhr werden häufiger und intensiver, denn im Film passiert einfach nichts mehr. Paul geht von rechts nach links, Kat geht von links nach rechts, man nuschelt, man brüllt, man nuschelt noch mehr, und mittendrin ist irgendwo ein General, der sich um seiner Ehre willen nicht ergeben mag , sondern einen Plan entwickelt hat um den Krieg für sich zu gewinnen, koste was es wolle. Und so wird Paul am Ende des Films in eine völlig sinnlose Schlacht gehetzt, die nur dazu dient a) einen Geländegewinn als gewonnen Krieg zu plakatieren und b) Paul den Gnadenschuss zu geben. In dieser Verfilmung passiert am Ende des Krieges nichts Neues im Westen, sondern es kommt zur entscheidenden Schlacht zwischen Elben und Orks, nein Verzeihung, zwischen Franzosen und Deutschen, und übrig bleiben viele dahingeschlachtete Soldaten und ein toter Paul Bäumer. Was dann allerdings mit dem Roman nichts mehr zu tun hat, weswegen die Betroffenheit und das Entsetzen beim Zuschauer sich ziemlich im Rahmen halten. Da kann die Kamera am Ende auch noch so lange auf Paul verweilen, der Geist des Romans wurde damit meilenweit verfehlt, denn der Tod kommt nicht aus dem Nichts und hatte auch nicht keinen Grund, sondern er wurde befohlen. Die Sinnlosigkeit eines Soldatentodes wurde zu einer gewissen (und sehr wohl diskutablen) Sinnhaftigkeit umgemünzt, was der Aussage des Buches zu hundert Prozent zuwider läuft. Von der historischen Richtigkeit, kriegsmüde Soldaten ohne Munition in einen Kampf zu hetzen, möchte ich gar nicht erst anfangen …
Auf der anderen Seite schafft IM WESTEN NICHTS NEUES es, trotz der Laufzeit und trotz seiner zum Teil eklatanten narrativen Mängel einen Sog zu entwickeln. Eine Stimmung aufzubauen, Bilder im Kopf zu verankern, und sich zumindest grafisch tatsächlich als großartiger Film zu entpuppen. Großartig im Sinne von „cineastisch“, im Sinne von pompös: Die Schlachten sind voller Heldenmut und Pathos, die Epik weht durch jeden Sturmangriff, und nur das entsetzliche Genuschel der Darsteller schafft es, den Heros in den Dreck zu ziehen. Nein, das ist gemein, und das ist auch nicht ganz richtig. Die Bilder gerade der Schlachten gehen unter die Haut, bei dem armen Kerl der unter den Panzer gerät musste ich mich allen Ernstes abwenden, so widerlich war die Szene, und die Franzosen mit ihren Flammenwerfern waren mindestens genauso schockierend und grauenerregend wie die in die Panzer geworfenen Handgranaten. Gnade, sich ergeben, Waffe wegwerfen und in Kriegsgefangenschafft gehen? So etwas gibt es hier nicht. Hier wird gemordet auf Teufel komm raus, und vermutlich war das im Rausch des Kampfes tatsächlich genau so. Was dann vielleicht nicht mehr den Hauch des großen Abenteuers mit sich trägt, aber zumindest die gröberen Naturen unter den Zuschauern einigermaßen ansprechen könnte.
Und das ist es, was ich dem Film dann auch letzten Endes vorwerfe. Trotz dieser unglaublich detailverliebten Bilder, dieses starken Realismus (man achte mal auf die Zähne der Darsteller), dieser Liebe zum perfekten Bild, trotz alledem wird der Widerwille vor dem Krieg nicht so richtig rübergebracht. Da schaut man dann zu, wie Paul in einem Granattrichter auf einen Franzosen einsticht, Erde in dessen Mund drückt, nur um den Sterbenden dann im Gesicht zu säubern und irgendwann, wenn der Arme schlussendlich unter vielen Qualen gestorben ist, festzustellen, dass der „Feind“ einen Namen, einen Beruf, eine schöne Frau und ein kleines Kind hatte. Dummerweise ist auch diese Szene zu lang geraten, ist diese Szene auch ein wenig kitschig geraten, trotz des ganzen Blutes und des Schlamms, und verfehlt so seine Wirkung. Wie irgendwie der ganze Film seine Wirkung verfehlt …
Die Bilder bleiben hängen. Die Personen bleiben hängen, so wenig man stellenweise mit ihnen auch anfangen kann. Einzelne Szenen graben sich tief in die Hirnrinde ein. Aber Begeisterung über einen gelungen Film mag sich nicht so recht einstellen. Statt des toten Franzosen im Granattrichter hätte ich es lieber gesehen, wenn Paul im Fronturlaub seine alte Schule besucht hätte, aber das hätte dem merkwürdigen zeitlichen Konzept des Drehbuchs nicht in dem Kram gepasst. Die 1930er-Verfilmung hat da trotz kürzerer Laufzeit den längeren Atem gehabt, und damit auch eine richtige Geschichte über einen längeren Zeitraum hinweg erzählt, anstatt möglichst viel Blut und Dreck auf möglichst kurzen zeitlichen Kontext zu pressen. Als Film taugt IM WESTEN NICHTS NEUES somit durchaus, als Anti-Kriegesfilm nur bedingt, und als Literaturverfilmung versagt er völlig. Im Februar 2023 bekam der Film sechs BAFTAs, unter anderem den für den besten Film! Herrje, wie mögen da erst die Konkurrenten sein …?
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Lost_Generation
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Django – Schieß mir das Lied vom Sterben (Giuliano Carnimeo, 1970) 7/10
Ein dunkler Anzug wie bei einem Bestattungsunternehmer, ein freundlicher-bissiger Humor, und ein unbestechliches Auge: Sartana war in den späten 60ern und frühen 70ern eine beliebte Figur in einer Serie von fünf Filmen, und auch wenn normalerweise Gianni Garko als Idealbild dieses Charakters angesehen wird, George Hilton verlieh dem unbesiegbaren Gunman eine ganz eigene und ausgesprochen stimmige Note.
Dass Sartana in der deutschen Fassung dieses Mal Django heißt? Geschenkt, denn sein Job ist der gleiche wie in den anderen Sartana-Filmen: Hinter einem Haufen Geld oder Gold herjagen, und dabei den Bösewichten immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Mindestens eine Nasenlänge. Und dazu einen coolen (Brandt-Synchro-) Spruch auf den Lippen, die Pistole in einem extravaganten Versteck, und ein undurchsichtiges Pokerface zur Schau tragen. Realistisch ist das natürlich nicht, sollte es aber wahrscheinlich auch nie sein. Die Sartana-Filme sind die logische Konsequenz aus schier unbesiegbaren Revolverhelden und einer endlosen Sucht nach Geld beziehungsweise Gold.
In DIE GIER NACH GOLD stellt Django/Sartana fest, dass ein Haufen Mexikaner so tun als ob sie einen Geldtransporter überfallen, die Wachmannschaft umlegen, und den mit Kisten gefüllten Transporter anschließend sprengen wollen. Was an sich so erstmal keinen Sinn macht, vor allem weil in den Kisten in Wirklichkeit Sand ist anstatt Gold. Django/Sartana reitet als Mexikaner verkleidet nach Cimitiero, räumt unter den dortigen Banditen ziemlich auf, und lockt damit den Bandenboss Mantas aus seinem Loch. Dann reitet er nach Appaloosa wo er den örtlichen Minenboss Spencer kennenlernt, der die Goldsucher um ihren Lohn bringt, indem er das Gold in die nächste Stadt bringen lässt, doch alle Transporte werden eben leider überfallen. Was für ein Pech für die armen Goldsucher, aber einen Vorschuss gewährt dieser feine Herr selbstverständlich jederzeit. Und wem das nicht passt, der wird von den dabeistehenden Revolvermännern auf Linie gebracht. Django/Sartana möchte nun also an das Gold rankommen, will Spencer dabei umlegen, und Mantas eine auf den Deckel geben. Doch da kommt ein weißgekleideter Stutzer in die Stadt: Sabata, in der Hand einen Sonnenschirm, rettet mal eben die Saloonbesitzerin Trixie, und macht sich bei Spencer lieb Kind. Nun muss Django Mantas gegen Spencer, und Spencer gegen Sabata ausspielen. Ein cooler Bluff beginnt …
Und eben dieser Bluff ist der einzige wahre Inhalt des Films. Genauso wie in den kultigen Gianni Garko-Sartanas gibt es auch hier einen raffinierten und kaum zu durchschauenden Masterplan, an dessen Ende, wenn er genauestens befolgt wird, eine Menge Gold steht. Links und rechts fallen die toten Hackfressen wie die Fliegen, und mittendrin der coole Django/Sartana in Schwarz, der noch viel coolere Sabata, gedichtelesend und schirmschwingend in Weiß, und Trixie in Dekolletee und roten Haaren. Piero Lulli macht das was er immer am Besten konnte, den Bösewicht spielen, und Nello Pazzafini macht ebenfalls das was er immer am Besten konnte, nämlich den mexikanischen Banditen spielen. Reihum stehen noch jede Menge bekannter Gesichter, und letzten Endes ist so ein Film doch wie ein Klassentreffen nach vielen Jahren. Alles ist irgendwie vertraut, alles wirkt bekannt, und doch macht es furchtbaren Spaß zuzuschauen, wie George Hilton seine Waffe jedes Mal an einer anderen Stelle versteckt hat, und die dummen Banditen immer wieder aufs Neue austrickst.
Wahrscheinlich kein Highlight im Western-Genre, aber ungemein sympathisch und weit entfernt von den Billigwestern, Komödien und Prügelorgien, die etwa in dieser Zeit begannen die Leinwände Europas zu terrorisieren.
Ein dunkler Anzug wie bei einem Bestattungsunternehmer, ein freundlicher-bissiger Humor, und ein unbestechliches Auge: Sartana war in den späten 60ern und frühen 70ern eine beliebte Figur in einer Serie von fünf Filmen, und auch wenn normalerweise Gianni Garko als Idealbild dieses Charakters angesehen wird, George Hilton verlieh dem unbesiegbaren Gunman eine ganz eigene und ausgesprochen stimmige Note.
Dass Sartana in der deutschen Fassung dieses Mal Django heißt? Geschenkt, denn sein Job ist der gleiche wie in den anderen Sartana-Filmen: Hinter einem Haufen Geld oder Gold herjagen, und dabei den Bösewichten immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Mindestens eine Nasenlänge. Und dazu einen coolen (Brandt-Synchro-) Spruch auf den Lippen, die Pistole in einem extravaganten Versteck, und ein undurchsichtiges Pokerface zur Schau tragen. Realistisch ist das natürlich nicht, sollte es aber wahrscheinlich auch nie sein. Die Sartana-Filme sind die logische Konsequenz aus schier unbesiegbaren Revolverhelden und einer endlosen Sucht nach Geld beziehungsweise Gold.
In DIE GIER NACH GOLD stellt Django/Sartana fest, dass ein Haufen Mexikaner so tun als ob sie einen Geldtransporter überfallen, die Wachmannschaft umlegen, und den mit Kisten gefüllten Transporter anschließend sprengen wollen. Was an sich so erstmal keinen Sinn macht, vor allem weil in den Kisten in Wirklichkeit Sand ist anstatt Gold. Django/Sartana reitet als Mexikaner verkleidet nach Cimitiero, räumt unter den dortigen Banditen ziemlich auf, und lockt damit den Bandenboss Mantas aus seinem Loch. Dann reitet er nach Appaloosa wo er den örtlichen Minenboss Spencer kennenlernt, der die Goldsucher um ihren Lohn bringt, indem er das Gold in die nächste Stadt bringen lässt, doch alle Transporte werden eben leider überfallen. Was für ein Pech für die armen Goldsucher, aber einen Vorschuss gewährt dieser feine Herr selbstverständlich jederzeit. Und wem das nicht passt, der wird von den dabeistehenden Revolvermännern auf Linie gebracht. Django/Sartana möchte nun also an das Gold rankommen, will Spencer dabei umlegen, und Mantas eine auf den Deckel geben. Doch da kommt ein weißgekleideter Stutzer in die Stadt: Sabata, in der Hand einen Sonnenschirm, rettet mal eben die Saloonbesitzerin Trixie, und macht sich bei Spencer lieb Kind. Nun muss Django Mantas gegen Spencer, und Spencer gegen Sabata ausspielen. Ein cooler Bluff beginnt …
Und eben dieser Bluff ist der einzige wahre Inhalt des Films. Genauso wie in den kultigen Gianni Garko-Sartanas gibt es auch hier einen raffinierten und kaum zu durchschauenden Masterplan, an dessen Ende, wenn er genauestens befolgt wird, eine Menge Gold steht. Links und rechts fallen die toten Hackfressen wie die Fliegen, und mittendrin der coole Django/Sartana in Schwarz, der noch viel coolere Sabata, gedichtelesend und schirmschwingend in Weiß, und Trixie in Dekolletee und roten Haaren. Piero Lulli macht das was er immer am Besten konnte, den Bösewicht spielen, und Nello Pazzafini macht ebenfalls das was er immer am Besten konnte, nämlich den mexikanischen Banditen spielen. Reihum stehen noch jede Menge bekannter Gesichter, und letzten Endes ist so ein Film doch wie ein Klassentreffen nach vielen Jahren. Alles ist irgendwie vertraut, alles wirkt bekannt, und doch macht es furchtbaren Spaß zuzuschauen, wie George Hilton seine Waffe jedes Mal an einer anderen Stelle versteckt hat, und die dummen Banditen immer wieder aufs Neue austrickst.
Wahrscheinlich kein Highlight im Western-Genre, aber ungemein sympathisch und weit entfernt von den Billigwestern, Komödien und Prügelorgien, die etwa in dieser Zeit begannen die Leinwände Europas zu terrorisieren.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Russian Transporter (Oleg Pogodin, 2008) 4/10
Alle gegen alle. Der russische Geheimdienst schickt seinen besten Mann Kremnyov nach Malta, einen Belastungszeugen gegen einen, der Regierung nicht genehmen, Oligarchen festzunehmen. Doch die Villa des Zeugen, Shering, ist eine Todesfalle, aus der Kremnyov und Shering nur unter Einsatz jeder Menge Blei wieder herauskommen. Kremnyov versucht nun mit allen Mitteln, am Leben zu bleiben und gleichzeitig noch seinen Auftrag auszuführen, während Shering längst klar ist dass er eigentlich sterben soll anstatt auszusagen, und hinter den Kulissen, in der Zentrale des Geheimdienstes, noch ganz andere Machtspielchen ablaufen.
Letzten Endes wird wie wild geballert und intrigiert, intrigiert und geballert, und dann wieder geballert und intrigiert. Kremnyov ist nicht der Hellsten einer und lässt sich auch mal hereinlegen, aber er ist ein erstklassiger Kämpfer, und säubert Malta fast im Alleingang von allen kriminellen Russen. Das Hauptproblem dabei ist, dass sämtliche Darsteller genauso austauschbar sind wie die Handlung oder die Musik, und man in keiner Sekunde in die Verlegenheit gerät mitzufiebern. Kremnyov ist eine unsympathische Bulldogge, und Shering, die Identifikationsfigur für den Zuschauer mit dem gehobeneren Niveau, ist halt nun mal nicht der Held, sondern bleibt immer etwas unscharf bis hin zum Sarkasmus.
Doch das Hauptmerkmal von RUSSIAN TRANSPORTER ist wie gesagt seine Austauschbarkeit. Die Action ist weitgehend gut inszeniert und angenehm übersichtlich und unhektisch, wenngleich vor allem in der ersten Hälfte das Spiel aus Zeitlupe und Zeitraffer ziemlich nervt. Aber das ist alles so nichtssagend, so uninteressant … Bin ich die falsche Zielgruppe? Anscheinend schon, und insofern gilt, wie immer, dass dies eine sehr persönliche Meinung ist. Ich fand das gesehene Drama erträglich, aber länger hätte es nur dann sein dürfen, wenn man noch mehr von diesen traumhaften Eindrücken von Malta gezeigt hätte. Die waren erstklassig, aber alles andere? Pff, unerheblich. Schnell gesehen, schnell vergessen …
Alle gegen alle. Der russische Geheimdienst schickt seinen besten Mann Kremnyov nach Malta, einen Belastungszeugen gegen einen, der Regierung nicht genehmen, Oligarchen festzunehmen. Doch die Villa des Zeugen, Shering, ist eine Todesfalle, aus der Kremnyov und Shering nur unter Einsatz jeder Menge Blei wieder herauskommen. Kremnyov versucht nun mit allen Mitteln, am Leben zu bleiben und gleichzeitig noch seinen Auftrag auszuführen, während Shering längst klar ist dass er eigentlich sterben soll anstatt auszusagen, und hinter den Kulissen, in der Zentrale des Geheimdienstes, noch ganz andere Machtspielchen ablaufen.
Letzten Endes wird wie wild geballert und intrigiert, intrigiert und geballert, und dann wieder geballert und intrigiert. Kremnyov ist nicht der Hellsten einer und lässt sich auch mal hereinlegen, aber er ist ein erstklassiger Kämpfer, und säubert Malta fast im Alleingang von allen kriminellen Russen. Das Hauptproblem dabei ist, dass sämtliche Darsteller genauso austauschbar sind wie die Handlung oder die Musik, und man in keiner Sekunde in die Verlegenheit gerät mitzufiebern. Kremnyov ist eine unsympathische Bulldogge, und Shering, die Identifikationsfigur für den Zuschauer mit dem gehobeneren Niveau, ist halt nun mal nicht der Held, sondern bleibt immer etwas unscharf bis hin zum Sarkasmus.
Doch das Hauptmerkmal von RUSSIAN TRANSPORTER ist wie gesagt seine Austauschbarkeit. Die Action ist weitgehend gut inszeniert und angenehm übersichtlich und unhektisch, wenngleich vor allem in der ersten Hälfte das Spiel aus Zeitlupe und Zeitraffer ziemlich nervt. Aber das ist alles so nichtssagend, so uninteressant … Bin ich die falsche Zielgruppe? Anscheinend schon, und insofern gilt, wie immer, dass dies eine sehr persönliche Meinung ist. Ich fand das gesehene Drama erträglich, aber länger hätte es nur dann sein dürfen, wenn man noch mehr von diesen traumhaften Eindrücken von Malta gezeigt hätte. Die waren erstklassig, aber alles andere? Pff, unerheblich. Schnell gesehen, schnell vergessen …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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