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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 21. Mai 2011, 01:43
von buxtebrawler
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Nackt unter Kannibalen
Die Reporterin Emanuelle ist einem neuen Fall für ihre Zeitung auf der Spur. Merkwürdige Todesfälle in einem New Yorker Krankenhaus veranlassen die Schönheit, mit einer versteckten Kamera als Spionin tätig zu werden. Dabei wird sie Zeugin eines grausamen Vorfalls: Eine frisch eingelieferte Frau beißt einer Krankenschwester die Brust ab. Bei einer Untersuchung der kannibalistisch veranlagten Frau wird eine Tätowierung entdeckt. Emanuelle wittert eine Sensationsstory und zusammen mit dem Naturforscher Mark Lester stellt sie einen Zusammenhang zwischen der Tätowierung und einem Volk im Gebiet des Amazonas fest. Mark und Emanuelle machen sich auf den Weg zum Amazonas, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen...
„Sie hat ihr ein Stück vom Busen rausgerissen und aufgegessen!“ – „Ich hab’ ihre Akte heute Morgen gelesen, da stand drin, dass sie aus Südamerika stammt...“

Einmal mehr spielt die exotische Schönheit Laura Gemser die dauergeile Sensationsreporterin Laura alias „Black Emanuelle“, die ihre Sexualität auch gern mal zur Freude des Zuschauer als überzeugendes Verhandlungsargument einsetzt. Italo-Regisseur Joe D’Amato („Man-Eater“) versuchte sich diesmal an einem Rip-Off der seinerzeit populären Kannibalen-Horrorfilme, so dass wir es hier mit einem Crossover aus Non-HC-Erotik und Gore-Geschmodder zu tun bekommen, der natürlich wieder einmal auf wahren Tatsachen beruht...

Nach einigem Vorgeplänkel in der Zivilisation inkl. einer brustbeißenden Krankenhauspatientin geht es, kurz bevor man als Zuschauer Fräulein Gemser zustimmen und ebenfalls „Das sind ja grauenvolle Aufnahmen, aber mich interessiert eigentlich mehr Südamerika!“ konstatieren möchte, endlich an den Amazonas bzw. das, was D’Amato uns dafür verkaufen will. Dort trifft man auf einige Nebendarsteller wie Mónica Zanchi als ebenfalls zeigefreudiges Luder, Donald O’Brien als undurchsichtigen Unsympathen sowie Nieves Navarro als dessen Frau Maggie, die der Gemser hier flugs in Sachen Sleaze den Rang abläuft. Und irgendwann eben auch auf die im Gegensatz zu Deodatos unerreichtem „Cannibal Holocaust“ hier hoffnungslos eindimensional als irre Wilde, die frischen Gedärme ihrer Opfer roh verschlingenden und Geschlechtsorgane abtrennenden gezeichneten Kannibalen inkl. einiger mittelprächtiger Spezialeffekte.

Das ist natürlich alles hübsch zusammengeklaut und 100%ig „geschmackssicher geschmacklos“, schwüle Dschungelatmosphäre will in den sehr offensichtlich europäischen Drehorten so recht keine aufkommen. Jedoch kann „Nackt unter Kannibalen“ auf „seriöser“ Ebene durchaus mit seiner schwelgerisch-schönen Kameraarbeit sowie einem wirklich gelungenen, eingängigen Soundtrack punkten. Der Gipfel der Komik allerdings ist Lauras pseudomoralisches Gequatsche am Ende – herrlich!

Fazit: Ein Sleaze’n’Gore-Exploiter, der eigentlich zu keiner Sekunde vorzugeben versucht, etwas anderes zu sein und erwartungsgemäß konsequent von D’Amato umgesetzt wurde. Auf jeden Fall um Klassen besser als ähnliche Gehversuche beispielsweise eines Jess Francos. Ob es das Publikum Ende der 1970er sonderlich prickelnd fand, erst von diversen attraktiven Nackedeis stimuliert zu werden, um im nächsten Moment einer Kastrationsszene beizuwohnen, entzieht sich aber meiner Kenntnis...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 21. Mai 2011, 19:42
von buxtebrawler
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Die schwarze Katze
Auf einer Reise durch Ungarn machen Joan und Peter Allison die Bekanntschaft von Dr. Verdegast, mit dem sie, nach einem Autounfall, auf das Schloß von Hjalmar Poelzig kommen. Aber Verdegast und Poelzig verbindet ein düsteres Geheimnis...
„Die schwarze Katze“ aus dem Jahre 1934 war einer der ersten für eine US-amerikanische Filmgesellschaft, hier die ehrwürdige Universal, gedrehten Filme des österreichischen Auswanderers Edgar G. Ulmer und zugleich das erste Aufeinandertreffen der klassischen Horror-Ikonen Bela Lugosi und Boris Karloff. Die Namensgleichheit mit einer Schauermär Edgar Allan Poes diente lediglich zu Werbezwecken, denn damit hat der Film nichts zu tun.

Das frisch vermählte Ehepaar Joan und Peter wird während seiner Flitterwochen in die Auseinandersetzungen der alten Feinde Dr. Verdegast (Bela Lugosi, „Dracula“) und Hjalmar Poelzig (Boris Karloff, „Frankenstein“) hineingezogen und muss, just nachdem es durchschaut hat, dass etwas nicht stimmt, um sein Leben bangen. Verdegast will Rache an Architekt und Kriegsverbrecher Poelzig nehmen, der ihn verraten und zudem Frau und Tochter weggenommen hat, Poelzig hingegen hat ein Auge auf Joan geworfen...

Der Film lebt insbesondere vom überragenden Schauspiel Lugosis und Karloffs, die sich hier über weite Strecken ein Psychoduell erster Güte liefern. Lugosi verkörpert den intelligenten, doch seelisch toten, von Rache getriebenen Verdegast, der nach Erlösung sucht, mit einer faszinierenden Inbrunst, die dennoch nie in alberne Theatralik abdriftet. Karloff wurde schauerlich herausgeputzt und verkörpert den finsteren, undurchsichtigen Poelzig, der im wahrsten Sinne einige Leichen im Keller hat, fulminant. Beiden wurden großartig morbide-philosophische, pathosgetränkte Dialoge auf die Lippen geschrieben, die dem Film eine düstere Tiefe verleihen. Die Kulissen des auf einem Massengrab erbauten Schloss Poelzigs schaffen zusammen mit der fast durchgängigen klassischen Musikuntermalung ein überaus stimmiges, fesselndes Ambiente, lediglich aufgelockert von einer komödiantischen Einlage zweier Polizisten.

Leider will die ereignisreiche Handlung nicht so recht in die mit 60 Minuten sehr knapp bemessene Spielzeit passen und so wundert man sich hin und wieder über das allzu flotte Tempo, das für Hintergrundinformationen oder das nähere Befassen mit dem einen oder anderen Vorfall keine Zeit lässt. Das ist überaus schade. Ich habe gelesen, dass die ursprüngliche Fassung um ein Drittel länger gewesen sein soll und radikal zurechtgestutzt (bzw. verstümmelt) wurde, insofern wäre dieser Umstand nicht dem Regisseur anzulasten.

Lugosi und Karloff in Hochform, zudem ein verdienter, seinerzeit sehr erfolgreicher Klassiker des „Universal“-Horrors. Sollte man gesehen haben!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 22. Mai 2011, 03:19
von buxtebrawler
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Schrei, wenn der Tingler kommt
Dr. Warren Chapin (Vincent Price) untersucht seit Jahren die Auswirkungen von Todesangst auf den menschlichen Körper und stellt an einigen Untersuchungsobjekten fest, daß diejenigen, die ihr Schicksal absehen konnten, eine zerquetschte Wirbelsäule haben. Er stellt die Theorie auf, daß sich die Angst selbst in der Körperregion manifestiert und nennt diese Erscheinung den "Tingler". Seine untreue Frau Isobel kommt ihm bald darauf als Testobjekt nur recht, so entdeckt er, das die Manifestation die Gestalt einer Art "Tausendfüßler" hat. Zerstören kann es offenbar nur ein markerschütternder Schrei. Als er das Tierchen jedoch einem Versuchsobjekt entnimmt, kann es entkommen und flüchtet in ein Kino. Und jetzt schreit um euer Leben - denn es ist in DIESEM KINO...
„Sieh ihn dir doch nur an: Er ist ein gefährliches, hässliches Ding. Hässlich, weil er durch die Angst eines Menschen entstanden ist, und Angst ist immer hässlich und gefährlich, weil ein verschreckter Mensch ja auch hässlich ist!“

US-Low-Budget-Filmer William Castle, dessen bekanntestes Werk wohl der Grusel-Klassiker „House on Haunted Hill” aus dem Jahre 1959 sein dürfte, hat im gleichen Jahr und im gleichen Genre für einen weiteren Film mit dem großartigen Vincent Price zusammengearbeitet: „Schrei, wenn der Tingler kommt“. Und der hat es wirklich in sich...

Dr. Chapin (Vincent Price) stellt in Form von zum Schreien komischen, aber vollkommen ernsthaft vorgetragenen, absurden pseudowissenschaftlichen Überlegungen die Theorie auf, dass sich bei Menschen in Todesangst im Körper ein Lebewesen manifestiert, der „Tingler“ eben, das sich um die Wirbelsäule krallt und kräftig zupackt, durch die panischen Schreie der Menschen aber wieder davon ablässt. Als die taubstumme Stummfilm-Kino-Betreiberin (!) stirbt, operiert ihr Chapin den Tingler heraus, der sich als eine Art überdimensionaler Gummi-Ohrenkneifer (!) entpuppt und natürlich prompt außer Kontrolle gerät.

Fantastisch, dass Price diesen Trash-Spaß mitgemacht hat, denn er veredelt es mit seinem Schauspiel. Die ihm eigene Theatralik kommt zwar nur selten zum Zuge, dafür wird man dann aber z.B. Zeuge eines gespielten LSD-Trips, mit dem Panikattacken einhergehen. Da seine Rolle eine nicht gerade glückliche Ehe führt und der Zuschauer erst zu einem späteren Zeitpunkt erfährt, wer für den Tod der taubstummen Frau verantwortlich, wird man zwischenzeitlich immer wieder im Dunkeln darüber gelassen, ob Chapin nun nur ein wissenshungriger Forscher ist oder er auch kaltblütig über Leichen geht. Das trägt ebenso zum unterhaltsamen Gesamteindruck des Films bei wie die Szene, in der das Tingler-Opfer in den Tod getrieben wird. Hierfür wurden zahlreiche wirkungsvolle Horrorfilm-Standards aufgefahren und einem bunten Bilderreigen abgespult, denn man hat einige farbige Bilder in den Schwarzweiß-Film integriert, damit das Blut auch schön rot leuchtet. Das Finale findet ironischerweise in eben jenem Stummfilm-Kino statt, wo ob des freilaufenden (eher kriechenden, wobei das Vieh aber generell sehr unbeweglich erscheint) Tingers eine Massenpanik ausbricht. Dies dürfte auch der Zeitpunkt gewesen sein, zu dem die von William Castle mit leichten Elektroschocks präparierten Kinosessel zum Einsatz kamen, um bei seinen Filmvorführungen das Publikum mit „sanftem Druck“ zum Schreien zu animieren – worauf er in der Eröffnungssequenz des Films bereits zweideutig hinwies.

Natürlich nimmt sich „The Tingler“ selbst nicht sonderlich ernst, versucht aber zum Amüsement des 50ies-Sci-Fi-Horror-B-Movie-Fans, längere Zeit zumindest den Anschein zu wahren und sämtliche Schauspieler sind bestens aufgelegt. Das macht „The Tingler“ zu einem urkomischen, kurzweiligen Kuriosum, das mit seinem Charme die Wirbelsäulen des Publikums im Sturm erobert und damit nicht nur für Vincent-Price-Fans zu einer Empfehlung. In diesem Sinne:

„Bleiben Sie ganz ruhig, bitte keine Panik. Aber schreien Sie, schreien Sie um Ihr Leben!“

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Regisseur, Produzent, Filmvorführer und König der Streiche William Castle

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Vincent Price theatralisch

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Nicht der Tingler

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Auch nicht der Tingler

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Ein Blutbad in Farbe

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Ein deutsches Insert

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Kein deutsches Insert

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Der Tingler

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Film im Film

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 23. Mai 2011, 13:38
von buxtebrawler
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Der Rabe
Dr. Vollin (Bela Lugosi) war einst ein begnadeter Neurochirurg, bevor er sein ganzes Leben seinem Lieblingsschriftsteller Edgar Allan Poe widmete, dessen düstere Geschichten ihn nicht nur faszinieren, er baut sogar dessen Apparaturen wie das Pendel in seinem Keller nach. Als die junge Tänzerin Jean (Irene Ware) jedoch nach einem Autounfall die Querschnittslähmung droht, läßt er sich von deren Freund Dr. Halden und seinem Freund Richter Thatcher, Jeans Vater, überreden, noch einmal zu operieren, als man sein Ego kitzelt. Die OP ist erfolgreich, doch infolge der Rekonvaleszenz baut sich eine, wie es scheint, zu innige Beziehung zwischen Arzt und Patient auf, so daß der Richter den Arzt kurzerhand bremst. Der jedoch sinnt auf Rache und bedient sich des flüchtigen Verbrechers Bateman (Boris Karloff), der ein neues Gesicht braucht. Er bekommt eins, aber nicht das, womit er gerechnet hatte...
„Ich kam mit einem berechtigten Einwand und durfte erwarten, dass Sie vernünftig darauf reagieren. Stattdessen finde ich einen völlig Wahnsinnigen vor!“

US-Regisseur Lew Landers’ Regiedebüt aus dem Jahre 1935 ist ein alter „Universal“-Grusler mit den damaligen Genrestars Bela Lugosi („Dracula“, „Plan 9 From Outer Space“) und Boris Karloff („Frankenstein“, „Die, Monster, Die!“). „Der Rabe“ ist ein Ehrerbietung an Horrorautor Edgar Allan Poe, die nach dessen gleichnamigem Gedicht betitelt wurde, aus dem Lugosi als Chirurg und Poe-Fanatiker Dr. Vollin gern zitiert. Wesentlich mehr Raum nehmen aber die Folterinstrumente aus Poes „Die Schlangengrube und das Pendel“ ein, weshalb es mehr Sinn ergeben hätte, den Film entsprechend zu nennen. Dr. Vollin hat diese im Keller seines prunkvollen Anwesens nämlich nachgebaut und brennt darauf, nachdem er von einer Patientin bzw. deren Vater zurückgewiesen wurde, diese an Menschen auszuprobieren, um Rache zu nehmen.

Außerdem hat er einen Verbrecher (Boris Karloff), der sich um eine Gesichts-OP bittend an ihn gewandt hat, chirurgisch entstellt und benutzt ihn als Handlanger, indem er ihn erpresst. Ja, Dr. Vollin ist ein selbstverliebter, bösartiger Narziss, ein übler Kotzbrocken, dem Lugosi mit seiner ihm eigenen Mimik und seiner Spielfreude Leben aus Ausdruck einhaucht. Karloffs Rolle des entstellten, eigentlich armen Tropfs erinnert vermutlich nicht von ungefähr an seine Auftritte als Frankensteins Monster und funktioniert mit ihrer tragischen Note auch hier einwandfrei.

Ein Aufeinandertreffen Karloffs und Lugosis sehen Genrefreunde in der Regel gern und dürften auch hier nicht enttäuscht werden. Diesmal sitzt eben nicht Karloff wie zuvor in „Die schwarze Katze“, sondern Lugosi an der Orgel und spielt schauerliche Musik, wirklich eigene Ideen hat „Der Rabe“ insgesamt kaum zu bieten. Auch hätte das auf Spannung getrimmte Finale inszenatorisch etwas sorgfältiger ausfallen können, als Beispiel sei lediglich das sich augenscheinlich nicht nur abwärts bewegende „Pendes des Todes“ genannt... Damit ist „Der Rabe“ sicherlich nicht sonderlich innovativ, möglicherweise aber wegweisend gewesen für die grundsätzlich gelungene Zusammenführung diverser bekannter Genreelemente zu einem unterhaltsamen Ganzen. Es würde mich nicht wundern, wenn Roger Corman diesen Film im Hinterkopf hatte, als er die Arbeit an seiner Reihe von Poe-Verfilmungen begann, die auch ein mit dem Poe nur marginal zu tun habenden „Der Rabe“ hervorbrachte...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 24. Mai 2011, 14:26
von buxtebrawler
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Der Henker von London
Der im 15. Jahrhundert lebende Herzog von Gloucester ermordet mit Hilfe des Henkers Mord die Personen, die in der Thronfolge vor ihm stehen. Zum Schluss bleiben nur noch König Richard III. und der im Exil lebende Henry Tudor übrig...
"Die spinnen, die Briten!" (Obelix)

Basil Rathbone, Boris Karloff und Vincent Price, eine Veröffentlichung in der Bela-Lugosi/Boris-Karloff-Edition… und doch kein Horrorfilm. US-Regisseur Rowland V. Lees „Der Henker von London“ aus dem Jahre 1939 ist ein Historiendrama, das sich um Machtgier, Intrigen und Morde der britischen Adelshäuser des 15. Jahrhunderts dreht und Rathbone als den buckligen Duke of Gloucester zeigt, wie er sich auf den Königsthron zu morden versucht. Ihm zur Seite steht ein klumpfüßiger, glatzköpfiger Boris Karloff als Henker mit dem passenden Namen „Mord“, Vincent Price hat in einem seiner ersten Filme eine größere Nebenrolle inne.

Die Geschichte ist sicherlich nicht uninteressant und vermutlich inspiriert von gewissen Überlieferungen der damaligen Zeit und die Schauspieler machen ihre Sache eigentlich durchgehend gut. Dass bei mir trotzdem keine rechte Freude aufkommen wollte, lag mit Sicherheit daran, dass einem in einem Affenzahn ein Name nach dem anderen um die Ohren geschlagen wird und zahlreiche verwirrende Konstellationen der Adelsfamilien untereinander den Kopf rauchen lassen. Die Vielzahl an Charakteren korrekt zuzuordnen und auseinanderzuhalten fällt schwer, vor allem, wenn man sich aufgrund des fehlenden deutschen Tons der „Concorde“-Veröffentlichung auf die Untertitel des sehr dialoglastigen Films konzentrieren muss, will man überhaupt noch mitkommen. Das hohe Tempo verhindert leider auch die Entfaltung einer stimmigen Atmosphäre und Gruselstimmung kommt schon gar keine auf, höchstens beim Anblick des grobschlächtigen Karloffs. Emotional bleibt man auch eher an der Oberfläche und in erster Linie darauf bedacht, möglichst viel Handlung in eigentlich zu knappen 89 Minuten unterzubringen.

Nicht umsonst werden aus historischen Stoffen zumeist Filme epischen Ausmaßes oder Mehrteiler – die ich mir allerdings auch nicht ansehe, da das nun wirklich nicht mein Genre ist. Insofern zücke ich vorsichtig, meine Inkompetenz in diesem Bereich des Films im Hinterkopf habend, eine möglichst neutrale Durchschnittsnote.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 25. Mai 2011, 00:43
von buxtebrawler
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Schwarzer Freitag
Als sein Freund Professor Kingsley (Stanley Ridges) bei einem Schußwechsel von Gangstern von deren Auto überfahren wird, trägt er einen schweren Gehirnschaden davon, der im Krankenhaus nicht behandelt werden kann, so daß sich Dr.Ernest Sovac einer radikal experimentellen Methode bedienen muß: die geschädigten Teile von Kingsleys Gehirn ersetzt er durch identische Teile des Gangsters Red Cannon, der bei dem Schußwechsel ebenfalls irreparabel verletzt wurde. Der Eingriff gelingt, doch jetzt hat Kingsley wechselnde Persönlichkeiten und die wutschnaubende und rachsüchtige von Cannon gewinnt oft die Oberhand. Während Sovac langsam aber sicher der Fund von Cannons Beute mehr interessiert als sein Freund, geht die Cannon-Hälfte von Kingsley brutal gegen die anderen Männer seiner Organisation vor, an deren Spitze Eric Marnay (Bela Lugosi) steht...
„Schwarzer Freitag“ von US-Regisseur Arthur Lubin ist nicht etwa ein Slasher mit Hockeymaske-tragendem Killer und auch kein Film über einen Börsencrash, sondern eine 1940 gedrehte Mischung aus „Frankenstein“-, „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“- und Kriminalfilm-Motiven, in der die Genre-Ikonen Boris Karloff und Bela Lugosi abermals aufeinandertreffen.

Anfangs wird man Zeuge, wie Dr. Ernest Sovac (Boris Karloff, „Im Banne des Dr. Monserrat“) seiner Hinrichtung zugeführt wird und erfährt anhand seiner verlesenen Tagebucheinträg in einer bis zum Schluss des Films anhaltenden Rückblende, weshalb er wofür verurteilt wurde. Um seinen freundlichen, sanftmütigen und intelligenten Freund George Kingsley (Stanley Ridges) zu retten, der nach einem unverschuldeten Autounfall im Sterben liegt, nimmt er eine Art Gehirntransplantation vor – für die er auf das Gehirn des Gangsters zurückgreift, der auf seiner Flucht vor einem Killerkommando den Unfall verursachte. Sovac interessiert aber nicht nur das Wohlergehen seines Freundes, sondern neben der Frage nach der medizinischen Machbarkeit auch die Information, wo Gangster Red Cannon die 500.000 Dollar versteckt hat, die nach dessen offiziellen Tod nie gefunden wurden...

So kommt es dann, dass Kingsley in bester Jekyll/Hyde-Manier zwischen seiner und der Persönlichkeit Red Cannons munter hin- und herpendelt, immer Sovac an seiner Seite, der versucht, aus dem Gedächtnis seines Patienten das Geheimnis um den Geldschatz herauszukitzeln. Auf die Sprünge helfen soll eine Verlagerung ins alte Umfeld, doch dort lauern Gefahren in Form von Gangsterboss Marnay (Bela Lugosi, „Die Rache des Würgers“) und dessen Bande, die ebenfalls hinter dem Geld her ist.

„Schwarzer Freitag“ bedient sich nicht nur bekannter Genre-Schauspieler, sondern auch bewährter Zutaten und Ideen – Lubin ist es aber gelungen, einen temporeichen, recht spannenden Film aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu machen, der unspektakulär, aber ziemlich passabel unterhält. Hervorstechend ist insbesondere Stanlay Ridges, der seine Doppelrolle als Geschichtsprofessor und Gangster jeweils sehr authentisch spielt. Seinen Anteil daran hat aber auch die hervorragende Maskenarbeit, die tatsächlich zwei optisch vollkommen unterschiedliche Charaktere schuf. Faszinierend. Karloff als Dr. Sovac, der Forschungsdrang und Geldgier verfällt, wird relativ ambivalent dargestellt, so dass sein Handeln immer nachvollziehbar bleibt; einmal mehr bekommt seine ihm wie auf den Leib geschneiderte Rolle eine tragische Note – allerspätestens, wenn die Rückblende beendet wird und der Kreis sich angesichts des elektrischen Stuhls schließt. Lugosi kann in seiner Nebenrolle als Gangsterboss auf seine bekannten Qualitäten zurückgreifen, ohne zu überraschen. Viel mehr als eine Fingerübung wird das für den gebürtigen Ungar nicht gewesen sein. Spezialeffekte allerdings sind rar gesät und lediglich in Form einfacher Überblendungen vorhanden.

Die Frage nach wissenschaftlicher und ärztlicher Moral wirkt letztlich evtl. etwas aufgesetzt, passt aber gut zum Film und seiner differenzierten Betrachtungsweise. Gewiss kein vergessener Klassiker, aber ein immer noch gut konsumierbarer, früher Genrebeitrag mit einer starken Besetzung, dessen Krimi-Anteil aber überwiegt.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 27. Mai 2011, 14:09
von buxtebrawler
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Bloody Marie – Eine Frau mit Biss
Marie ist die weibliche Antwort auf Dracula. Sie lebt in Pittsburgh und hat besondere "Essensvorlieben". Die Vampirin bevorzugt nämlich Italiener. Und da diese recht häufig bei der Mafia vertreten sind, kommt es dort bald zu vielen ungeklärten Todesfällen. Eines Tages trifft sie auf den Undercover-Cop Joe und verliebt sich sofort in ihn anstatt ihn zu verspeisen. Als Marie den Mafiaboss verspeisen will, wird sie gestört und dieser entkommt. Da er jetzt auch ein Vampir ist, will er eine scheinbar unbesiegbare Vampir-Mafia schaffen. Nun müssen Marie & Joe ihn aufhalten...
„Wenn man dazu verdammt ist, ewig zu leben, hat man nur zwei echte Freuden: Nahrung – und Sex.“

Elf Jahre nach „American Werewolf“ drehte US-Regisseur John Landis 1992 eine weitere Horrorkomödie, für die er sich diesmal der Vampirthematik annahm: „Bloody Marie – Eine Frau mit Biss“. Im Mittelpunkt stehen der weibliche Vampir Marie (Anne Parillaud), ein versehentlich zum Vampir gewordener Mafiaboss (Robert Loggia) und ein verdeckt ermittelnder Bulle (Anthony LaPaglia). Denn nachdem es Marie nicht gelungen ist, Obergangster Macelli, nachdem sie ihn ausgesaugt hatte den finalen Rettungsschuss zu verabreichen, arrangiert sich dieser nach anfänglicher Skepsis recht bald mit seiner Situation und gründet eine nun auch im wahrsten des Sinne des Wortes blutsaugende Verbrecherorganisation. Dem aufgeflogenen V-Mann Joe ist diese verständlicherweise nicht wohlgesinnt und die Polizei unterschätzt die Gefahr. So sieht sich das ungleiche Duo Marie und Joe gezwungen, gemeinsam auf Mafia-Vampir-Jagd zu gehen…

Allein schon für die Eröffnungsszene könnte ich Landis knutschen: Eine schwelgerische Kamerafahrt über den Dächern und durch die Straßen des abendlichen Pittsburghs endet im vom Schein dutzender Kerzen erleuchteten Zimmer der splitternackten Vampirin Marie, Typ: superschlanke Französin, während ihre passende, süße deutsche Synchronstimme aus dem Off spricht und ihr charmantes Lächeln den Zuschauer in die eigentliche Handlung entlässt.. Was für ein sinnlicher, atmosphärischer Auftakt!

Ja, Anne Parillaud („Nikita“) verkörpert eine etwas andere Art Vampir: Gewissenhaft und doch frech, charmant und dabei sexy. Gängige Mafiaklischees werden ordentlich aufs Korn genommen, so besteht ein beträchtlicher Teil des Soundtracks aus Frank-Sinatra-Songs und Robert Loggia gibt einen herrlich jähzornigen, cholerischen, skrupellosen Mafiaboss. Dagegen bleibt LaPaglia als verdeckter Ermittler eher blass und wenig erinnerungswürdig, seiner Rolle fehlt es an eindeutig an Würze und Charakter. Das ist aber im Prinzip auch schon die einzige Schwäche des Films, für den Macellis Bande mit einwandfreien Mafiosi-Fressen besetzt wurde, dem es mit Frank Oz („Muppet-Show“), Sam Raimi („Tanz der Teufel“), Tom Savini (SFX-Guru) und Dario Argento (Giallo-Papst) an namhaften Cameos nicht mangelt und der mit einigen sorgsam eingesetzten, handgemachten Spezialeffekten neben der ungewöhnlichen Sexszene zwischen Marie und Joe das Auge verzückt. Als Reminiszenz an Genreklassiker laufen in den Fernsehgeräten der Protagonisten permanent Genreklassiker, angefangen bei Lugosis „Dracula“ über „King Kong“ bis hin zu Christopher Lees Verkörperung des blutdürstigen Transsylvaniers.

Obwohl eindeutig als situationskomiklastige Horrorkomödie ausgelegt, versteht es Landis, den humoristischen Anteil nie in belanglosen Klamauk abfallen zu lassen und umschifft jedweden möglicherweise trashigen Moment gekonnt. Die Geschichte kommt schnell in Fahrt und unterhält durchgehend, sofern man auch mit der Nebenhandlung um Maries und Joes Anbändelungen etwas anfangen kann. Wie auch in „American Werewolf“ schließt Landis mit einem etwas seltsamen, unerwarteten, aber dennoch ziemlich coolen Ende ab; streng genommen der einzige Moment, in dem er mit der Erwartungshaltung des Zuschauers bricht, was zu Irritationen führen kann.

Mit „Bloody Marie“ lädt Landis zum Zurücklehnen und Genießen ein und richtet sich in erster Linie an Genrefreunde, die neben bewährten Zutaten mit einer gewissen Dosis Sinnlichkeit belohnt werden. Viel zu lange habe ich diesen Film im Schatten seines großen Werwolf-Bruders nicht beachtet – zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 28. Mai 2011, 02:27
von buxtebrawler
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Tödliche Strahlen
Eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Führung Dr. Rukhs (Boris Karloff) unternimmt eine Expedition nach Afrika, um einen vor Urzeiten abgestürzten Meteoriten zu untersuchen, der ungeheure Kräfte haben soll. Rukh setzt sich vor Ort der gefährlichen radioaktiven Strahlung aus, um Proben zu sichern und gerät in Todesgefahr, wird jedoch von Dr. Benet (Bela Lugosi) mit einem Gegengift vor dem baldigen Tod gerettet. Die Kräfte des Steins erweisen sich tatsächlich als hochwirksam und mit ihnen kann Erblindung bekämpft werden. Nur Rukh wird zunehmend paranoider und beginnt, seine Begleiter zu ermorden, weil er sie verdächtigt, seinen Fund zu ihrem Vorteil ausgenutzt zu haben. Dazu muss er sie nur berühren, denn die Vergiftung ist bei Hautkontakt tödlich...
„Tödliche Strahlen“ von US-Regisseur Lambert Hillyer ist ein schwer unterhaltsamer Science-Fiction-Horror-Film aus dem Jahre 1936, ein früher Beitrag zum schier unerschöpflichen, viele Filmemacher beeinflusst habenden Themenfundus „Radioaktive Strahlen“. Mit den Hauptrollen wurden niemand Geringere als Bela Lugosi („Glen or Glenda?“) und Boris Karloff („Die Hexe des Grafen Dracula“) betraut, durch ihre Arbeiten für die „Universal“ Stars der Frühzeit des Tonfilms und unsterbliche Genre-Ikonen.

Im Auftakt seines Films mischt Hillyer klassische Gruselelemente wie das an Gothic-Horror erinnernde, abgelegene Schloss des Forschers Dr. Rukh (Boris Karloff), in dem er mit seiner blinden, unheimlichen Mutter zusammenlebt, mit futuristischen Ingredienzien. Dr. Rukh hat eine Art Super-Teleskop entwickelt, mit dem es ihm gelingt, bis zum Andromeda-Nebel vorzudringen und durch einen eingefangenen Lichtstrahl Jahrtausende alte Bilder eines Meteoreinschlags auf der prähistorischen Erde zu projizieren. Diese führt er seinen wissenschaftlichen Kollegen vor und zusammen beschließt man, zur Einschlagsstelle in Afrika zu reisen, um das Objekt zu finden und untersuchen zu können. Während der Expedition erinnert „Tödliche Strahlen“ zeitweise gar an einen Abenteuerfilm; ein gelungenes Abwechslungsreichtum, das Interesse weckt. Besessen von seinem Forschungsdrang vernachlässigt er seine Frau, die sich schließlich in jemand anderen verliebt und sich von Rukh abwendet – eine unglückliche Romanze gesellt sich also auch noch hinzu. Es kommt, wie es kommen muss: Dr. Rukh wird von der Radioaktivität des Gesteins verstrahlt und kann fortan nur mit einem Medikament seines Kollegen Dr. Benet (Bela Lugosi) überleben.

Doch die Lebensgefahr ist nicht die einzige Folge seiner Verstrahlung. Alles, was Dr. Rukh im „strahlenden Zustand“, mit frühen Spezialeffekten durch leuchtende Körperteile visualisiert, anfasst, ist dem Tode geweiht. Außerdem wirkt sich sein Zustand negativ auf seine Psyche aus und er wird zu einem wahnsinnigen Mörder, der sich von seinen Kollegen, die die Strahlen humanmedizinisch einsetzen und wohldosiert mit ihr Blinde heilen, hintergangen und übervorteilt fühlt – und so muss einer nach dem anderen sterben.

Was in „Tödliche Strahlen“ aus heutiger Sicht als wissenschaftlicher Humbug erscheint, macht der Film mit dem Charme seiner zeitgenössischen Naivität locker wett und überzeugt mit einer für die damalige Zeit anscheinend so typischen tragischen Note sowie wirklich netten Effekten wie beispielsweise dem unter Strahleneinfluss zerberstenden/zerschmelzenden Felsen. Die charakterliche Fehlentwicklung, die Dr. Rukh erfährt, ist wahrlich erschreckend und führt zu einem ambivalenten Verhältnis des Zuschauers zur Figur, die sich zwischen den Polen Mitleid und Verachtung bewegt. Sie mahnt einerseits symbolisch den verantwortungsvollen Umgang mit Radioaktivität zum Wohle der Menschheit an und warnt andererseits vor ihren Gefahren. Karloff hat man eine so gelungene Maske verpasst, dass ich ihn zunächst fast nicht erkannt hätte und auch Lugosi steht seine ungewöhnliche Rolle als vernunftbetonter Dr. Benet großartig zu Gesicht.

So kann man sich an einer gut funktionierenden Melange verschiedener Genres mit Schwerpunkt auf Science Fiction, am Charme einfacher Spezialeffekte und veralteter wissenschaftlicher Visionen aus der Zeit vor der bemannten Raumfahrt sowie zwei fabelhaft aufspielenden Schauspielgrößen ebenso erfreuen wie an einer inhaltlichen Ausrichtung mit einem gewissen Tiefgang sowie einem kurzweiligen, dramaturgischen Konzept und inszenatorischen Geschick, die auch heute noch keinerlei Langatmigkeit aufkommen lassen. Für Freunde des phantastischen Films mit Sicherheit hochinteressanter, historisch wertvoller Stoff – fast wie ein prähistorischer Meteoriteneinschlag...

@ugo: Hab mir deine schöne Formulierung ("zeitgenössisch naiv") mal ausgeborgt ;)

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 30. Mai 2011, 13:22
von buxtebrawler
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Sleepless
Im Jahre 1983 versetzte der so genannte Zwergenmörder Turin in Angst und Schrecken. Damals versprach Kommissar Moretti (Max von Sydow) dem kleinen Sohn eines der Opfer, den Mörder zu finden. Der Fall schien mit dem Selbstmord des Mörders abgeschlossen, doch dann geht nach 17 Jahren die Mordserie wieder los und eine Prostituierte und ihre Freundin müssen sterben. Die Indizien veranlassen die Polizei, den in Rente gegangenen Moretti wieder zu befragen. Und auch der zum jungen Mann gewordene Giancomo (Stefano Dionisi) kommt nach der Nachricht von den Morden nach Turin zurück, um bei einem Schulfreund von damals zu wohnen. Da weder Giancomo noch Moretti aber von den ermittelnden Beamten ernst genommen werden, stellen sie eigene Nachforschungen bezüglich eines blutigen Kinderreims aus dem Buch des vermeintlichen Killers an, nach dem der neue Mörder offensichtlich vorgeht. Und der Killer macht munter weiter...
Im Jahre 2001 wollte es Giallo-Papst Dario Argento noch einmal wissen und legte mit „Sleepless“ einen herrlich altmodischen Neo-Giallo vor, der sich so vieler klassischer Genrezutaten bedient, dass man sich unweigerlich an die kongenialen Werke Argentos aus den innovativen 1970ern und glorreichen 1980ern erinnert fühlt, insbesondere an „Profondo Rosso“ (1975)…

Denn die Ähnlichkeiten der Handlung mit jenem Vorzeige-Giallo sind nicht von der Hand zu weisen, aber wie heißt es so schön: Besser gut kopiert als schlecht selbstgemacht, und wenn man sich zudem einen der besten Vertreter der Zunft aussucht: Warum nicht? Wenn man dann auch noch die Gruppe „Goblin“, die zahlreiche Genrefilmen mit ihren Klängen veredelte und ihren Platz im Langzeitgedächtnis der Filmwelt sicher hat, für einen gelungenen Soundtrack verpflichten kann, sind die Ausgangsbedingungen alles andere als schlecht.

Doch es gibt natürlich auch deutliche Unterschiede: So wirkt „Sleepless“ wesentlich dreckiger als andere Gialli Argentos und verbringt – so habe ich es zumindest empfunden – mehr Zeit in unteren sozialen Milieus. Entscheidende Rollen spielen hier z.B. Prostituierte und ein Obdachloser. Die Morde sind vielleicht nicht mehr sonderlich innovativ gestaltet worden, dafür verfügt „Sleepless“ aber über einige ultrabrutale, verstörende Szenen, die dank fähiger Make-up- und SFX-Künstler sehr ansprechend und somit effektiv ausfielen. Die erzählte Geschichte um eine seltsame, wieder aufgeflammte Mordserie mit psychologisch-pathologischem Hintergrund ist spannend und visuell interessant und fesselnd inszeniert worden, wenn Argento auch nicht mehr ganz so weit ausholt und seine legendären, ausgiebigen und schnittlosen Kamerafahrten diesmal nicht zum Zuge kommen, zumindest nicht in den berüchtigten Ausmaßen. Das „Whodunit?“ macht Spaß und die zahlreichen eingestreuten Hinweise auf den Mörder führen zu einem von manch Genrevertreter gewohnten extrem wendungsreichen Finale, in dem das Drehbuch zahlreiche Kapriolen schlägt. Klar, Skeptiker werden Argento wieder Unlogik vorwerfen, sich an Details hochziehen und/oder den Gewaltgrad verteufeln, insofern ist auch diesbzgl. alles beim Alten.

Neben der absolut verschmerzbaren fehlenden Innovation würde ich als einen tatsächlichen Schwachpunkten am ehesten die Wahl der Schauspieler benennen, die mit einem sichtlich unterforderten Max von Sydow lediglich einen großen bzw. mir bekannten Namen vorweisen kann und ansonsten „No Names“ besetzt hat, die für meinen Geschmack gern charakteristischer und ausdrucksstärker hätte ausfallen dürfen.

Fazit: Ein für Horror- wie Thriller-Fans gleichsam geeigneter Neo-Giallo, der die klassische Erzählstruktur und andere Genre-Charakteristika erfolgreich in die Gegenwart portiert und somit nie altbacken erscheint. Ein rasanter Gewalt- und Psycho-Trip, mystisch, konstruiert-komplex und als Gesamtkunstwerk faszinierend. Danke, Dario!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 31. Mai 2011, 00:15
von buxtebrawler
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Die Outsider
1966 im gottverdammten Kaff Tulsa in Oklahoma: Die "Greasers", verwahrloste Rumtreiber, pflegen intime Feindschaft mit den "Socs", geschniegelten Upperclass-Langweilern. Ponyboy, ein Mitläufer der "Greasers", sieht mit an, wie sein bester Freund einen "Soc" im Streit ersticht. Im Anschluß verstecken sich beide in einer verlassenen Kirche - bis der Holzbau Feuer fängt...
„Wenn wir uns in der Schule sehen und ich nicht ‚Hallo’ sage, sei nicht sauer, ok?“

In US-Regisseur Francis Ford Coppolas („Der Pate“-Trilogie) Jugenddrama und Literaturverfilmung „Die Outsider“ aus dem Jahre 1983 gaben sich zahlreiche spätere Hollywood-Größen wie Patrick Swayze, Matt Dillon, Rob Lowe und der unvermeidliche Tom Cruise ein Stelldichein als aufstrebende Jungschauspieler. Vordergründig geht es um die rivalisierenden Jugendcliquen der „Greasers“ und der „Socs“ in den 1960er-Jahren, doch unter der Oberfläche lauert noch mehr. (Achtung, massive Spoiler!)

„Die Outsider“ ist ein in Form einer langen Rückblende erzählter Film über Subkultur, über Freundschaft, über Klassenkampf, über Gewalt, übers Erwachsenwerden und über den Tod. Die „Socs“ sind reiche Schnösel, oberflächliche Popper, arrogante, privilegierte Fatzkes, die verächtlich auf die „Greaser“, ungebildete Jungs aus der Unterschicht, Waisen und Kleinkriminelle, die sich Gel in die Haare schmieren, cool aussehen und versuchen, mit ihrem offensiven Auftreten das Beste aus ihrer Situation zu machen, der Welt den Stinkefinger zeigen und proletarisches Selbstbewusstsein zu verkörpern, hinab blicken. Die Dauerfehde eskaliert immer mehr, der Gewalt sind beide Seiten nicht abgeneigt. Coppola lässt seine Protagonisten die Sinnfrage stellen, ohne die Gewalt grundlegend zu verteufeln und zu moralisieren; glorifiziert wird sie hingegen auch nicht. Sie ist ein ständiger Begleiter, eine wie selbstverständlich dazugehörendes Begleiterscheinung.
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Einmal mehr also starker Tobak, was uns Coppola hier auftischt. Es passiert eine Menge und ich weiß beim besten Willen nicht, wo manch Kritiker hier „Längen“ ausgemacht haben will. Das Lebensgefühl der Greaser wird gut eingefangen, die Stimmung des Films zwischen Außenseiterromantik im Kleinen und Negierung selbiger im Großen, unverklärter Nostalgie und Realismus passt und einige ästhetisch-schöne Bilder voller Melancholie und Symbolik sowie poetische Momente und Dialoge laden das Auge zum Verweilen ein, schmeicheln den Ohren, regen den Geist an und lassen Coppolas Händchen fürs Epische durchblitzen. „Die Outsider“ besitzt einen eigentümlichen Hang zur Romantik, besonders in den Momenten, in denen Freundschaft und Zusammenhalt idealisiert werden. Dabei streift er mitunter die Grenze zum Kitsch bedenklich, manch Szene könnte fast aus „Vom Winde verweht“, dessen Romanvorlage eine Rolle im Verlauf der Handlung spielt, stammen. Es ist, als sehnten sich die jüngsten Greaser nach einer verträumten, idyllischen Welt, während sie sich im Dreck der Straße durchschlagen. Ein Lichtblick am Horizont, Hoffnung, die beim Beobachten des Sonnenaufgangs empfunden wird. „Die Outsider“ wird dabei aber weder zu Disney-Kommerz noch zu einer emotionalen Tortur für den Zuschauer; es ist ein dynamischer, unterhaltsamer Film, aber eben einer mit einem starken, aussagekräftigen Fundament, das einen der jüngsten zu früh zum Erwachsenwerden – und zum Sterben - Gezwungenen erkennen lässt, dass man sich die eigene Kindlichkeit bzw. die damit verbundenen positiven Aspekte sein Leben lang bewahren sollte.

Coppolas Inszenierung erscheint mir bisweilen absichtlich unperfekt, als hätte er bewusst Ecken und Kanten gelassen, statt ein geschliffenes Epos zu kreieren. Das passt zu seinen Hauptfiguren. Die Choreographie des großen Kampfes gegen die Socs hätte allerdings dann doch gern etwas weniger holprig ausfallen dürfen. Ansonsten ist „Die Outsider“ aber ein starkes Jugenddrama, eines, das die Kraft in sich birgt, eine ganze Generation zu beeinflussen und das nicht nur Freunden derartiger Produktionen ans Herz gelegt sei. Wer „Wanderers“ sagt, muss auch „Outsiders“ sagen!