Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40372
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci

Beitrag von buxtebrawler »

„Denk nicht so viel. Zieh dich aus!“

Der im Deutschen reißerisch betitelte Spielfilm „Nackt über Leichen“ aus dem Jahre 1969 ist das Giallo-Debüt des später für seine splatterlastigen Horrorfilme berüchtigten italienischen Regisseurs Lucio Fulci („The Beyond“, „Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“, „Ein Zombie hing am Glockenseil“), der auch das Drehbuch verfasste.

Klinikleiter Dr. George Dumurrier (Jean Sorel, „Malastrana“) steckt in finanziellen Schwierigkeiten, zudem ist seine Frau Susan (Marisa Mell, „Gefahr: Diabolik“) schwer an Asthma erkrankt. Ihr verschweigt er eine Affäre mit Jane (Elsa Martinelli, „..und vor Lust zu Sterben“), die sich von ihm trennen möchte. Als Susan gestorben ist, erfährt er überraschend, dass sie eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen und ihn als Begünstigten eingetragen hatte. George gerät unter Mordverdacht. In einem Stripclub trifft er auf die Tänzerin Monica (Marisa Mell), die seiner verstorbenen Frau zum Verwechseln ähnlich sieht...

Mit Fulcis späteren in hohem Maße gewalthaltigen Filmen hat „Nackt über Leichen“ noch nicht viel gemein, er lässt sich am ehesten als dramatischer Erotikkrimi einordnen. Fulci setzt seine stets professionell und überzeugend agierenden Schauspielerinnen, allen voran die bedauerlich früh verstorbene Marisa Mell, hocherotisch in Szene, ohne sie blutig abzumurksen. Komplett in San Francisco, USA, angesiedelt, sind eine komplexe, aber – verglichen mit manch Spätwerk Fulcis – sauber konstruierte, nachvollziehbare Handlung und eine originelle, kreative, künstlerische Inszenierung gleichberechtigte Bestandteile dieses damit anspruchsvollen Genrebeitrags. Jean Sorel wird als ambivalenter Charakter eingeführt, der seine Rolle mit Fein- und Fingerspitzengefühl spielt, während der Zuschauer eine beobachtende Funktion einnimmt, ohne sich 100%ig mit George zu identifizieren. Erinnert Georges Begegnung mit Monica noch stark an Hitchcocks „Vertigo“, ist die Handlung bis zur ungewöhnlich frühen Auflösung unvorhersehbar, geheimnisvoll und durchzogen von einer knisternden Atmosphäre zwischen Erotik, Gefahr und Realitätsverlust. Weisen die Indizien vermögende Oberschicht, freizügiger Sündenpfuhl, Dopplungen und Mordverdacht eines Unschuldigen eindeutig auf das Giallo-Genre hin, ist der ermittelnde Part dominant wie in einem Kriminalfilm und nahm sich Fulci ausreichend einfallsreiche schöpferische Freiheit, um nicht der Gefahr der Klischeefalle anheimzufallen, sondern im Gegenteil vermutlich inspirierend auf nachfolgende Produktionen zu wirken. Die Kameraarbeit verdient dabei besondere Beachtung, die sich gern ähnlich, aber auf eigene Weise verspielt gibt wie in damals noch nicht gedrehten Martino- und Argento-Klassikern. So wird künstlerisch und effektiv mit Spiegelungen gearbeitet, experimentell das Liebesspiel fotografiert und perspektivisch manch Überraschung bereitgehalten. Eine bisweilen unruhige Kameraführung ist dabei individuelles Merkmal, das es in dieser Form als kontrastierendes Stilelement zum noblen Erscheinungsbild nicht häufig zu sehen gibt; die Kombination aus allem ist gewagte Filmkunst im Rahmen eines Unterhaltungsfilms, die mir Respekt abringt. Trotz seines mittlerweile erreichten Alters wirkt „Nackt über Leichen“ damit erfrischend, beseelt vom Pioniergeist eines außergewöhnlichen Filmmachers.

Bestimmt hält die Auflösung des Mysteriums logischen Überlegungen nicht gänzlich stand, doch die das Publikum für sich einnehmende Bilderflut, der zeitweise richtiggehend sinnliche Rausch, den Fulci zelebriert, lenkt geschickt davon ab. Zum Finale hin scheint es jedoch, als wollte Fulci sich besinnen, dem Zuschauer nicht zuviel zumuten oder dessen Geduld nicht überstrapazieren und ein wenig auf Kosten der Eleganz sein Werk zu einem für einen Giallo fast schon ungewöhnlich konventionellen Ende bringen. Dabei galoppiert die Dramaturgie urplötzlich davon und erweckt den Anschein, als lande man in den USA ohne Prozess in der Gaskammer. Das ist ein klein wenig schade, von meiner Warte hätte Fulci gern noch mutiger zu Werke gehen dürfen. Riz Ortolanis („Cannibal Holocaust“) gewöhnungsbedürftiger Score indes lässt keine Melancholie oder Verträumtheit, die „Nackt über Leichen“ hier und da sicherlich nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte, zu und setzt verstärkt auf „Swingin’ Sixties Jazzfunkgroove-Gedröhne“, oder wie auch immer man diese Musik kategorisieren möchte.

Es existieren unterschiedliche Schnittfassungen des Films: Während die eine mehr auf Erotik setzt, bietet die andere mehr Hintergrundinformationen die eigentliche Handlung betreffend und Einblicke in die Polizeiarbeit. Die Alternativszenen der züchtigeren Version wurden zum Teil so wunderschön und schwelgerisch gefilmt, dass ich mir fast eine integrale Schnittfassung wüschen würde, wider alle Vernunft. Unterm Strich ein absolut empfehlenswerter End-’60er-Giallo von Altmeister Fulci, dem ich sehr gerne vor dem Hintergrund der übermächtigen „Konkurrenz“, die das Genre in den 1970ern hervorbrachte, 7,5 von 10 Punkten gebe, die Italo-Verrückte bedenkenlos aufrunden dürfen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
horror1966
Beiträge: 5597
Registriert: Mo 7. Jun 2010, 01:46
Wohnort: Hildesheim

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci

Beitrag von horror1966 »

Bild




Nackt über Leichen
(Una sull'altra)
mit Jean Sorel, Marisa Mell, Elsa Martinelli, Alberto de Mendoza, John Ireland, Riccardo Cucciolla, Bill Vanders, Franco Balducci, Giuseppe Addobbati, Felix Dafauce, Jesus Puente, George Rigaud
Regie: Lucio Fulci
Drehbuch: Lucio Fulci / Roberto Gianviti
Kamera: Alejandro Ulloa
Musik: Riz Ortolani
ungeprüft
Frankreich / Italien / Spanien / 1969

Susan Dumerrier (Marisa Mell), die Frau des Arztes George Dumurrier (Jean Sorel), stribt nach schwerer Krankheit und hinterläßt ihrem Mann eine hohe Versicherungssumme, von der er bis dahin gar nichts wusste. Da Dumurrier schon öfter wegen fragwürdigen Geschäften aufgefallen und er schon länger eine Affäre mit der Pflegerin seiner verstorbenen Frau hatte, ermittelt ein Versicherungsbeamter wegen Mordes. Dumurrier selbst kann sich mit der Situation auch noch nicht so richtig anfreunden und ist schockiert, als er die Stripperin Monica Weston kennenlernt, die seiner verstorbenen Frau bis auf Details zum Verwechseln ähnlich sieht. Auch dem Versicherungsbeamten ist die verdächtige Ähnlichkeit der beiden Frauen ein Dorn im Auge...


Zumeist definiert man Lucio Fulci durch seine ziemlich harten Horrorfilme und spricht ihm dabei auch noch größtenteils sein Talent als Regisseur ab, da das Hauptaugenmerk dieser Filme doch hauptsächlich auf derben-und blutigen Passagen liegt. Das der gute Mann es aber auch durchaus verstanden hat, eine richtig interessante-und spannende Geschichte in Form eines exzellenten Erotik-Thrillers zu kreieren kann man an vorliegendem Beispiel perfekt erkennen. Dabei erzählt Fulci eine erstklassig inszenierte Story mit einigen überraschenden Wendungen und hat diese zudem auch noch mit einem in allen Belangen überzeugenden Cast besetzt. Vor allem die beiden Hauptrollen sind mit Jean Sorel und Marisa Melle nahezu perfekt besetzt, doch selbst bis in die kleinsten Nebenrollen bekommt der Zuschauer es mit Könnern ihres Fachs zu tun, die dem Film durch ihre erstklassigen Leistungen eine Menge an Klasse verleihen, was sich letztendlich ganz automatisch im gewonnenen Gesamtbild niederschlägt.

Von Beginn an baut sich in kontinuierlicher Form ein straff gezogener Spannungsbogen auf, wobei Fulci es absolut brillant verstanden hat, diesen auch bis zur wirklich letzten Minute aufrecht zu erhalten. Es ist schon ein äußerst perfides Spiel, das hier mit der Hauptfigur George Dumurrier (Jean Sorel) getrieben wird und von dem am Anfang eigentlich so gut wie nichts zu erkennen ist. Beginnt der Film doch eher wie ein banales Ehe-Drama und entwickelt sich erst mit der Zeit zu einem richtig raffinierten Thriller, der einen bis zur letzten Einstellung bei Atem halten soll. Nun verhält es sich zwar keinesfalls so, das man die gesamte Laufzeit über vollkommen im Dunkeln tappt, streut Fulci doch immer wieder kleinere Puzzle-Teilchen ein, die den Betrachter zwar auf die richtige Spur bringen, doch die wahren Zusammenhänge werden erst wenige Minuten vor dem Ende präsentiert. So verhält es sich auch mit den Personen die für das stattfindende Komplott verantwortlich zeichnen, denn kann man im Laufe des Geschehens zwar durchaus seine Vermutungen anstellen, erhält man eine endgültige Bestätigung für den eigenen Verdacht erst zum Ende der Geschichte hin, die einem bis zu dem Zeitpunkt genügend Verdächtige präsentiert, die allesamt beteiligt sein könnten. Der gute Lucio hat es absolut perfekt verstanden, den Zuschauer des Öfteren auf eine falsche Fährte zu locken, bis sich letztendlich die wahren Hintergründe in ihrer vollen Pracht zu erkennen geben.

Bis dahin kann man im Prinzip nicht mehr als nur vermuten, wobei eine der beteiligten Personen ziemlich offensichtlich in den Täterkreis gedrängt wird. Wer nun aber denkt, das sich das Geschehen dadurch zu vorhersehbar gestaltet erliegt einer fatalen Fehleinschätzung, denn gerade die Vermischung aus dem ganz deutlich Offensichtlichem und den etlichen Überraschungsmomenten macht die Klasse dieses Werkes aus, das einen von Anfang bis Ende in seinen Bann zieht und dabei eine unglaublich starke Faszination entfaltet, der man sich unmöglich entziehen kann. Dabei entsteht insbesondere in der zweiten Filmhälfte ein extrem beklemmendes Gefühl beim Betrachter, das ganz eindeutig durch die scheinbar aussichtslose Lage des Hauptdarstellers ausgelöst wird. Wenn man nämlich sieht, welch grausame Konsequenzen sich hier aus einem absolut teuflischen-und gut durchdachten Plan für ihn ergeben, dann bekommt man schon einen dicken Kloß im Hals. Mehr sollte man an dieser Stelle auch keinesfalls verraten, denn ansonsten könnte man ohne Weiters ein großes Stück der Spannung vorwegnehmen, die sich bis zur letzten Einstellung halten kann.

Letztendlich hat mich dieser frühere Film von Lucio Fulcio äußerst positiv überrascht, da es sich um eine absolut überzeugende Arbeit handelt, bei dem auch das wahre Können des Regisseurs blendend zur Geltung kommt. "Nackt über Leichen enthält keinerlei visuelle Härten, geschweige denn explizite Gewaltdarstellungen, sondern eine wirklich hervorragend umgesetzte Geschichte mit inhaltlicher Substanz und erstklassigen Darstellern. Dabei könnte man bei diesem reißerischen deutschen Titel sehr wohl auf andere Gedanken kommen, würde damit allerdings vollkommen falsch liegen. Wie dem aber auch sei, sämtliche Kritiker des verstorbenen Regisseurs die in ihm immer nur den Zombie-Filmer mit den derben Effekten gesehen haben, sollten sich dieses Werk auf jeden Fall anschauen, das einem doch eindringlich vor Augen führt, das der gute Mann weitaus mehr hinterlassen hat als einige brutale Horrorfilme.


Fazit:


"Nackt über Leichen" ist in meinen Augen eines der besten Werke von Lucio Fulci und zeigt vor allem eindrucksvoll auf, das der Regisseur ein hervorragendes Gespür für einen dramaturgisch äußerst gelungenen Spannungsaufbau hatte. In erster Linie ein Erotik-Thriller, beinhaltet der Film aber auch Elemente des Psycho-Krimis und kleinere Anleihen an den Gialli, was insgesamt gesehen eine wunderbare Kombination ergibt. Mit diesem Werk kann man überhaupt nichts falsch machen und wird mit einem absolut hochklassigen Film-Erlebnis belohnt, das man sich auch gern mehrmals anschaut.


9/10
Big Brother is watching you
Benutzeravatar
Magia Gialla
Beiträge: 13
Registriert: Mo 17. Jun 2013, 10:10
Wohnort: Jena
Kontaktdaten:

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci

Beitrag von Magia Gialla »

Magia Gialla hat den Film auch mal vorgestellt...

http://magiagialla.wordpress.com/2013/0 ... sullaltra/
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40372
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 28.08.2014 noch einmal bei X-Rated auf DVD in kleiner Hartbox:

Bild
Cover A

Bild
Cover B

Extras:
- Original Trailer
- 14 Minuten Alternativszenen (Dialoge), die bis dato auf DVD nicht zu sehen waren (italienisch mit deutschen Untertiteln)
- Extra italienischer Originalton mit komplett deutschen Untertiteln

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Captain Blitz
Beiträge: 587
Registriert: Do 28. Mär 2013, 08:43

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Beitrag von Captain Blitz »

Aber irgendwas war mit der Auflage leider nicht in Ordnung, wie ich auf Facebook las.
Captain Blitz
Beiträge: 587
Registriert: Do 28. Mär 2013, 08:43

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Beitrag von Captain Blitz »

Der Film wird endlich ungekürzt und mit kompletter Synchro als Bonus auf der DVD von "Nackt für den Killer" sein. Das Mediabook erscheint demnächst als dritte Ausgabe der Euro Cult Collection von X-Rated.
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39226
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Beitrag von jogiwan »

Gestern erstmalig auf Deutsch gesichtet ist und bleibt „Nackt über Leichen“ einfach ein wunderbar in Szene gesetzter Streifen über ein Mordkomplott, dass einen jungen Arzt geradewegs in die Todeszelle von St. Quentin bringt. Wer Lucio Fulci nur von seinen späteren Werken her kennt und sein Schaffen auf diese Werke reduziert, wird hier sein blaues Wunder erleben. Mit unaufgeregter Erzählweise und viel Erotik glänzt der Streifen vor allem auf der visuellen Ebene und präsentiert auch seinen Handlungsort San Francisco als sehr hübsches Plätzchen. Inhaltlich ist es ja relativ lange nicht klar, in welche Richtung der Streifen überhaupt geht und das Netz um den charismatischen Jean Sorel zieht sich immer weiter zusammen. Bis dieser jedoch ahnt, welche Kräfte sich gegen ihn verschworen haben ist es auch schon zu spät und die Auflösung lässt sich auch kaum vorhersagen. Bis zu packenden Herzschlag-Finale gibt es neben dem jazzigen Soundtrack von Riz Ortolani aber ja noch auch eine wunderbare Marisa Mell mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung und eine nicht minder aparte Elsa Martinelli zu bewundern und machen „Nackt über Leichen“ zu einem Rundum-Gesamtvergnügen (nicht nur) für den Italo-Fan.

Bild
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40372
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Beitrag von buxtebrawler »

Captain Blitz hat geschrieben:Der Film wird endlich ungekürzt und mit kompletter Synchro als Bonus auf der DVD von "Nackt für den Killer" sein. Das Mediabook erscheint demnächst als dritte Ausgabe der Euro Cult Collection von X-Rated.
Erscheint nun voraussichtlich am 07.01.2015 bei X-Rated als Doppel-DVD zusammen mit "Nackt für den Killer" in kleiner Hartbox:

Bild

Disc 1:
- Erstmalig uncut mit komplett deutscher Kinosynchronisation
- kompletter Bonusfilm: „Nackt für den Killer“

Extras Disc 2:
- Film mit altem deutschen Videoton
- Original Trailer
- 14 Minuten Alternativszenen (Dialoge), die bis dato auf DVD nicht zu sehen waren (italienisch mit deutschen Untertiteln)
- Extra italienischer Originalton mit komplett deutschen Untertiteln

Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=59777
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 500
Registriert: So 23. Mär 2014, 22:02

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Beitrag von Prisma »


Marisa Mell   Jean Sorel   Elsa Martinelli   in

NACKT ÜBER LEICHEN

● UNA SULL'ALTRA / PERVERSION STORY / UNA HISTORIA PERVERSA (I|F|E|1969)
mit Alberto de Mendoza, John Ireland, Riccardo Cucciolla, Bill Vanders, Franco Balducci, John Douglas
sowie Jean Sobieski und als Gast Faith Domergue
eine Produktion der Empire Films | Les Productions Jacques Roitfeld | Trébol Films C.C. | im Verleih der Cinerama
ein Film von Lucio Fulci


Bild
»Sag mir was du willst und ich sag dir ob ichs mach!«
Die Ehe des umstrittenen Arztes Dr. George Dumurrier (Jean Sorel) neigt sich dem Ende zu. Er und seine Geliebte, die Fotografin Jane (Elsa Martinelli) wünschen sich insgeheim, dass Georges Frau Susan (Marisa Mell) nicht existierte. Nach dem plötzlichen Tod der an Asthma erkrankten Susan, hinterlässt sie George eine sehr hohe Versicherungssumme, die wie gerufen kommt, da der Doktor in finanziellen Problemen mit seiner Privatklinik steckt. In einem Nachtclub lernt Dr. Dumurrier die Stripperin Monica Weston (Marisa Mell) kennen, die seiner verstorbenen Frau zum verwechseln ähnlich sieht und er fühlt sich von der aufreizenden Prostituierten magisch angezogen. Der Kontakt gestaltet sich enger, denn George möchte herausfinden, ob es sich nicht doch um seine Frau Susan handelt. Nach kürzester Zeit ergeben und verdichten sich jedoch Verdachtsmomente eines möglichen, bis ins kleinste Detail geplanten Mordes, so dass Polizei und Versicherungsgesellschaft misstrauisch werden und Ermittlungen anstellen. Dr. Dumurrier gerät unter Mordverdacht und die Beweise erscheinen erdrückend zu sein. Wird er seine Unschuld beweisen können, will man ihn vernichten oder steckt er tatsächlich selbst hinter diesem teuflischen Komplott..?

Bild

Nicht nur bei Marisa Mell, sondern auch in der Filmografie von Lucio Fulci wird "Nackt über Leichen" als Klassiker gehandelt und man bekommt es für das Produktionsjahr 1969 mit einem sehr unkonventionellen Beitrag zu tun, der seinen gehobenen Status zurecht besitzt. Die Regie stellte hier seine Kompetenz, genügend Spannung zu erzeugen, und diese bis zum letzten Moment aufrecht zu erhalten, sehr nachhaltig unter Beweis. Die Konstruktion der Geschichte erweist sich trotz einiger Unwahrscheinlichkeiten als sehr dicht, die Atmosphäre rund um San Francisco ist mit ihren vielen wunderschönen Bildern sehr professionell in Szene gesetzt worden, die musikalische Abstimmung reißt in jeder Minute mit und als Sahnehäubchen offenbart sich schließlich die Besetzung, die hier auf höchstem Niveau unterhalten kann. Gut gelungen sind die Kreationen der einzelnen Charaktere, die anscheinend alle etwas zu verbergen haben, Sympathiepunkte werden nur spärlich vergeben, ein dubioser Kreis an Verdächtigen nimmt den Zuschauer mit auf eine Gratwanderung zwischen Misstrauen und Erkenntnis, die Überraschungen bringen, und konspirative Machenschaften aufdecken wird. Insgesamt bringt der Verlauf einige sehr interessante Verstrickungen, oder besser gesagt Querverbindungen durch einige Genres zu Stande, die den geneigten Zuschauerkreis bedeutend erweitern. Ausgesprochen nachhaltig geprägt wird der Verlauf von einer bemerkenswerten Besetzung, die mitunter in Zustände der Begeisterung versetzen wird.

Bild

Marisa Mell be-und entkleidet eine Doppelrolle, die wohl ihre überzeugendste geworden ist. Hier tat man sehr gut daran, die Unterschiede nicht nur anhand der Optik herauszuarbeiten, die beiden Frauen Susan und Monica ähneln sich zwar augenscheinlich sehr, könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein. Susan Dumurrier ist neurotisch und quält ihren Ehemann mit Verachtung, heckt anscheinend täglich neue Allüren aus. Sie entzieht sich ihm vollkommen und nur ihrer Schwester Martha gewährt sie einen engen Kontakt. Die kurzen Zusammentreffen zwischen Susan und George verdeutlichen das eisige Verhältnis der beiden, Vorwürfe treffen auf Desinteresse, es herrscht nichts als Konfrontation und womöglich bereits Hass. Marisa Mell wurde für ihre Rollen bemerkenswert in Etappen zu Recht gemacht. Die brünette Susan mit den tiefen Augenringen und dem unscheinbaren Ensemble, die bei Streitereien mit ihrem Mann in massive Atemnot gerät, da sie unter schwerem Asthma leidet, ist zunächst ebenso überzeugend, wie wenig später als Leiche. Als ihre Doppelgängerin Monica Weston hingegen, darf sie schließlich alle Register ziehen. Als Stripperin Monica legt Marisa Mell in ihrem Club direkt einen ihrer zahlreichen Karriere-Strips hin, und dieser dürfte aber der legendärste von allen sein. Überhaupt fällt diese Dame nicht nur durch ihre unterschiedliche Erscheinung ins Auge, sondern vor allem durch ihre offenherzige und laszive Art im Umgang mit potenzieller Kundschaft. Oft darf sie betonen, dass ihre Kontaktfreudigkeit eigentlich nur von angemessener Bezahlung abhängig sei, wenig später wird sich George auch mit ihr treffen. In diesem Film sieht man Marisa Mell jedenfalls an, dass sie mit Motivation, großer Spiellaune und Spaß bei der Sache war.

Bild

Bei "Nackt über Leichen" darf man sich daher nicht nur fragen, was dieser Film ohne die atemberaubende Darbietung von Marisa Mell geworden wäre, sondern man kann es auch auf die weitere Besetzung anwenden. Jean Sorel spielt von Anfang bis Ende sehr überzeugend. Geroge Dumurrier ist zu jeder Maßnahme bereit, um sich und seine Klinik, zwecks Gerüchten um angebliche Herztransplantationen, ins Gerede zu bringen. Er scheint ein Playboy im Ärztekittel zu sein und genießt das Leben (noch) in vollen Zügen. Sorel wird hier nicht als der strahlende Superheld gezeichnet, er scheint einiges auf dem Kerbholz zu haben, wirkt meistens sogar ziemlich labil, oft sogar naiv. Im Umgang mit seinen Partnerinnen erscheint er egoistisch und rücksichtslos zu sein, er wirkt eitel und unterschwellig arrogant, bis Monica Weston seinen Weg kreuzt. Plötzlich sieht man Zweifel, ungläubige, verwirrte Blicke und sentimentale Verirrungen. Elsa Martinelli als seine knabenhafte Geliebte Jane fällt optisch gesehen neben Marisa Mell deutlich ab, sie gibt ihrer Person aber am meisten Tiefe und Geradlinigkeit. Neben George erscheint sie sehr ernst und nachdenklich, es machen sich Tendenzen der Resignation bemerkbar, da sie sich im Klaren darüber zu sein scheint, immer nur die zweite Wahl zu sein. Eine gehemmte Person im Privaten, die nur im Beruf als delegierende Fotografin aus sich herauskommen kann. Im Besonderen sind noch die Leistungen von Alberto de Mendoza als Henry Dumurrier und die frühere Hollywood-Ikone Faith Domergue als Schwester von Susan hervorzuheben.

Bild

Lucio Fulci inszenierte mit "Nackt über Leichen" einen soliden und überzeugenden Triller, der neben den Schauspielern durch seine Optik und seine Experimentierfreudigkeit heraussticht. Die Kameraarbeit ist hervorragend und detailbewusst, für damalige Verhältnisse dürften die eingefügten Split-Screens und Zooms nicht gerade alltäglich gewesen sein. Die Kamera integriert den Zuschauer sehr intensiv in die Szenerie, oft hat man das Gefühl, man könne die Akteure berühren und dieses innocent-bystander-Prinzip wirkt keinesfalls aufdringlich, sondern wirklich sehr aufregend. Die dosierte bin vereinnahmende Prise Erotik bekommt diesem Film erstaunlich gut, die Szenen zwischen Jean Sorel, Marisa Mell und Elsa Martinelli zeigen einen sehr hohen Anspruch in Richtung ästhetischer Ansprüche, es scheint so, als habe man neben Jean Sorel einfach jede Schauspielerin stellen können. Wenn insgesamt und vor allem bei den pikanten Szenen die wandlungsfähige, jazzlastige Musik von Riz Ortolani ertönt, kann man nicht mehr anders, als nur noch gebannt zuschauen. "Nackt über Leichen" ist durchweg eine Hommage an die Optik und an die Schönheit als Ganzes geworden, und dabei verzichtete man beinahe vollkommen auf reißerische Elemente als mögliche Verstärker. Dieser Film ist ohne jeden Zweifel einer von Lucio Fulcis besten Beiträgen geworden, dem Marisa Mell den letzten, beziehungsweise einen bedeutenden Schliff gegeben hat. Ein Pflichtprogramm, das viele Genre-Elemente lückenlos vereint hat.
Benutzeravatar
Il Grande Racket
Beiträge: 463
Registriert: Sa 9. Jan 2016, 23:26
Wohnort: Hoher Norden

Re: Nackt über Leichen - Lucio Fulci (1969)

Beitrag von Il Grande Racket »

Auch mal wieder gesehen. Erstaunlich, wie der Film nach dem derbe unglaubwürdigen Twist nicht völlig untergeht, sondern das Ruder nochmal rumreißt und ein wirklich spannendes Finale bietet. Und Ortolanis an Heist-Movies mahnenden Score finde ich stellenweise doch etwas unpassend. Der geht gut ins Ohr, ja, aber er verpasst dem ganzen eine der Atmosphäre abträgliche Lockerheit. 7/10


Edit: Wer noch was lustiges zu Una sull'altra lesen möchte, sollte sich mal das Kurz-Review von Frank Trebbin zum Film geben. Ich möchte mal wissen, was der für'n Kraut geraucht hat... :lol:

http://www.ofdb.de/view.php?page=trebbi ... rid=501226
Antworten